Gesetzestext

 

(1)1Ist der überlebende Ehegatte neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern gesetzlicher Erbe, so gebühren ihm außer dem Erbteil die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände, soweit sie nicht Zubehör eines Grundstücks sind, und die Hochzeitsgeschenke als Voraus. 2Ist der überlebende Ehegatte neben Verwandten der ersten Ordnung gesetzlicher Erbe, so gebühren ihm diese Gegenstände, soweit er sie zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt.

(2)Auf den Voraus sind die für Vermächtnisse geltenden Vorschriften anzuwenden.

A. Allgemeines

I. Normzweck

 

Rz. 1

Gem. § 1932 BGB hat der überlebende Ehegatte Anspruch auf den Voraus. Nach der Definition ist der Voraus das Vermächtnis, das dem überlebenden Ehegatten vor dem gesetzlichen Erbteil zusteht, sofern die Eheleute einen gemeinschaftlichen Haushalt geführt haben. Dieser Anspruch ist eine Folge der ehelichen Lebensgemeinschaft. Der Längstlebende soll durch den Tod des erstversterbenden Ehegatten nicht dazu gezwungen werden, seine Lebensverhältnisse zu ändern. Der Sinn und Zweck des Voraus besteht vielmehr darin, dem überlebenden Ehegatten die Fortsetzung des Haushalts in der bisherigen Weise zu ermöglichen. Hierbei erhält der überlebende Ehegatte nicht etwas zusätzlich, sondern er darf bestimmte Gegenstände behalten. Zum einen geht es um den Schutz der wirtschaftlichen Existenz; zum anderen wird dabei ein Eingriff in den Persönlichkeitsbereich des längerlebenden Ehegatten vermieden. Der Tod des Ehegatten hat ohnehin einen Schock und Schmerz ausgelöst. Hier soll nicht noch ein Verlust der vertrauten Gegenstände hinzukommen, wodurch der Schmerz womöglich noch gesteigert wird. Aus diesem Grunde sind auch die Hochzeitsgeschenke vom Voraus umfasst, ohne dass das Gesetz auf die wirtschaftliche Komponente abstellt.[1] Der Anspruch auf den Voraus wird ergänzt durch die mietrechtliche Vorschrift gem. § 563 BGB. Diese regelt das Eintrittsrecht des Ehegatten, der mit dem Mieter einen gemeinsamen Haushalt führt. Bei der Regelung des § 563 BGB handelt es sich jedoch nicht um eine erbrechtliche, sondern um eine schuldrechtliche Vorschrift im Gegensatz zur Regelung des § 1932 BGB, die rein erbrechtlicher Natur ist. Der Ehegatte hat nur dann Anspruch auf den Voraus, wenn er gesetzlicher Erbe wird. Durch letztwillige Verfügung kann der Voraus entzogen werden.

[1] MüKo/Leipold, § 1932 Rn 1, 14.

II. Interessen der Abkömmlinge versus überlebendem Ehegatten

 

Rz. 2

Neben den Interessen des überlebenden Ehegatten dürfen jedoch auch die Interessen anderer Familienangehöriger, vor allem die der Abkömmlinge, nicht außer Acht gelassen werden. Auch diese sind mit den Haushaltsgegenständen emotional verbunden und ggf. auf diese angewiesen. Nach der ursprünglichen Fassung des Gesetzes stand der Voraus dem Ehegatten nur zu, wenn er neben Verwandten der zweiten Ordnung bzw. Großeltern gesetzlicher Erbe war.[2] War der Ehegatte dagegen neben Verwandten der ersten Ordnung zum gesetzlichen Erben berufen, musste die Verteilung der Haushaltsgegenstände und Hochzeitsgeschenke i.R.d. Nachlassauseinandersetzung geregelt werden. Diese Regelung wurde deshalb getroffen, weil der Ehegatte neben den Abkömmlingen als zu sehr begünstigt angesehen worden ist. Der Gesetzgeber hoffte darauf, dass sich die Beteiligten interessengerecht einigen würden. Erst aufgrund des Gleichberechtigungsgesetzes wurde Abs. 1 S. 2 eingefügt, der für alle Erbfälle nach dem 30.6.1958 Geltung hat. Neben Verwandten der ersten Ordnung ist das Recht des überlebenden Ehegatten auf den Voraus jedoch eingeschränkt. Er hat nur einen Anspruch auf die Haushaltsgegenstände sowie Hochzeitsgeschenke, wenn er diese zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt. Durch diese Regelung werden auch die Interessen der Abkömmlinge gewahrt. Unerheblich ist hierbei, ob die Abkömmlinge im Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls noch im ehelichen Haushalt leben.

 

Rz. 3

Die vom Voraus umfassten Gegenstände können einen erheblichen Teil der Erbschaft ausmachen. Bei einfachen Verhältnissen können diese unter Umständen sogar den gesamten Nachlass darstellen. Die Wirkung des § 1932 BGB besteht somit darin, den Anteil des überlebenden Ehegatten bei einem geringen Nachlass bis zu einem faktischen Alleinerbrecht neben Verwandten der zweiten Ordnung aufzuwerten.

[2] Siehe Mot. V, S. 372.

III. Anwendbarkeit des § 1932 BGB auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft

 

Rz. 4

Eine analoge Anwendung des § 1932 BGB kommt nach h.M. nicht in Betracht.[3] Allerdings hat sich bereits der 57. Deutsche Juristentag 1988 für eine Ausweitung der Vorschrift ausgesprochen. Es bleibt die Reaktion des Gesetzgebers abzuwarten. Im Hinblick darauf, dass der nichteheliche Lebenspartner auch in den Schutzbereich des § 563 BGB einbezogen ist, ist eine analoge Anwendung nicht ganz von der Hand zu weisen und daher vom Gesetzgeber in Erwägung zu ziehen.

[3] MüKo/Leipold, § 1932 Rn 3.

IV. Anwendbarkeit des § 1932 BGB auf die eingetragene Lebenspartnerschaft

 

Rz. 5

Gem. § 10 Abs. 1 S. 4 LPartG steht auch dem überlebenden Lebenspartner, dessen Lebenspartnerschaft nicht gem. § 20a LPartG in eine Ehe umgewandelt worden ist, ein Recht auf den Voraus zu. Der Voraus umfasst neben den zum lebenspartnerschaftlichen Haushalt gehö...

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