Gesetzestext

 

1Wer in der ersten, der zweiten oder der dritten Ordnung verschiedenen Stämmen angehört, erhält den in jedem dieser Stämme ihm zufallenden Anteil. 2Jeder Anteil gilt als besonderer Erbteil.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Ist jemand innerhalb derselben Erbenordnung mehrfach mit dem Erblasser verwandt, was bspw. bei Verwandtenheirat oder -adoption der Fall sein kann, steht ihm innerhalb der Erbenordnung der Erbteil aus jedem der einzelnen Verwandtschaftsverhältnisse zu. Voraussetzung ist, dass eine Zugehörigkeit zu verschiedenen Stämmen innerhalb derselben Erbenordnung besteht – bei verschiedenen Erbenordnungen gilt § 1930 BGB. Innerhalb der Erbenordnung führt aber die Durchführung des Stammeserbrechts zur Anerkennung eines mehrfachen Erbrechts aufgrund der Zugehörigkeit zu mehreren Stämmen. Die mehrfache Verwandtschaft kann zunächst eine Zugehörigkeit zu verschiedenen Ordnungen begründen. Dies ist bspw. der Fall, wenn der Bruder des Erblassers dessen Tochter geheiratet hat. Dann gehört das aus dieser Ehe entstammende Kind sowohl der ersten als auch der zweiten Erbenordnung an. Gem. § 1930 BGB erbt es jedoch als Angehöriger der ersten Ordnung.[1]

[1] Staudinger/Werner, § 1927 Rn 3.

B. Zugehörigkeit zu mehreren Stämmen (S. 1)

 

Rz. 2

Ein Verwandter kann zu mehreren Stämmen gehören, wenn er aus einer Ehe zwischen Verwandten stammt, bspw. von Geschwisterkindern (Cousin und Cousine), oder wenn er von einem Verwandten als Kind angenommen wurde, sofern das bisherige Verwandtschaftsverhältnis bestehen bleibt (S. 1). Geschwisterkinder sind bspw. in der Vater- und Mutterlinie mit dem Erblasser, also dem Urgroßvater oder der Urgroßmutter verwandt und gehören insoweit zu den Erben erster Ordnung.

 

Rz. 3

Die Adoption eines nichtehelichen Kindes durch die Mutter oder den Vater führt nicht zu mehrfacher Verwandtschaft.[2] Bei der Adoption eines Verwandten ist eine mehrfache Verwandtschaft dann möglich, wenn der Erblasser ein Enkelkind angenommen hat, denn dann ist es als ein Adoptivkind unmittelbar und als Enkel über sein Elternteil mit dem Erblasser verwandt und gehört in beiden Fällen den Erben erster Ordnung an. Auch wenn ein Kind von seiner Tante bzw. von seinem Onkel angenommen worden ist, gehört es über die Linie des leiblichen und die des Adoptivelternteils zu den gesetzlichen Erben der ersten Ordnung des Großvaters.[3]

[2] Palandt/Weidlich, § 1927 Rn 2.
[3] Staudinger/Werner, § 1927 Rn 6.

C. Selbstständige Erbteile i.S.d. S. 2

 

Rz. 4

Hinsichtlich der über die Mehrfachverwandtschaft erhaltenen Erbteile gilt eine getrennte Betrachtungsweise, da es sich um jeweils selbstständige Erbteile handelt. Dies hat zur Folge, dass der Erbe jeden Erbteil gesondert ausschlagen kann (§ 1951 Abs. 1 BGB), das Vermächtnis und die Auflage nur den Anteil belasten, für den sie angeordnet sind, der Erbe über jeden Anteil i.S.d. § 2033 BGB getrennt verfügen kann und sich die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten für jeden Anteil selbstständig beurteilt (§ 2007 BGB). Die Behandlung als selbstständiger Erbteil gilt auch hinsichtlich einer Ausgleichungspflicht nach den §§ 2050 ff. BGB oder der Berechnung eines Pflichtteils (§ 2303 BGB).

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