Rz. 25

Keine Folgepflicht des Geschäftsführers besteht bei gesetzeswidrigen Weisungen. Dazu gehören z.B. Weisungen, die gegen gesetzliche Vorschriften aus dem Steuerrecht, dem Sozialversicherungsrecht oder gegen die Kapitalerhaltung verstoßen. Weisungen, die auf Handlungen gerichtet sind, die gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstoßen, also Auszahlungen aus dem Stammkapital, wirken nicht haftungsentlastend.[1] Setzt der Geschäftsführer die Weisung um, obwohl diese rechtswidrig ist, könnte der Geschäftsführer dann auch doch wieder haften, weil gerade keine Folgepflicht besteht. In dieser Situation stellt sich die Frage nach Versicherungsschutz. Dieser wird häufig ausgeschlossen sein, weil gleichzeitig eine wissentliche Pflichtverletzung vorliegt. Der Geschäftsführer wird meist wissen, dass die Weisung gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Dieses Wissen ist aber nicht zwingend, beispielsweise muss er im konkreten Fall nicht vor Augen haben, dass die von ihm verlangte Ausschüttung oder Maßnahme gegen die Kapitalerhaltung verstößt. Weist beispielsweise die Gesellschafterversammlung an, der für Finanzen zuständige Geschäftsführer möge seinem Mitgeschäftsführer einen Kredit von 1 Mio. EUR aus dem Gesellschaftsvermögen gewähren, könnte dieser Kredit gemäß § 43a GmbH-Gesetz wegen des Verstoßes gegen die Kapitalerhaltung unzulässig sein, wenn insoweit das Stammkapital betroffen wäre. Der Geschäftsführer muss dies im konkreten Fall nicht überblicken, auch wenn er sich sicherlich mit den Vorschriften des Kapitalerhaltungsregeln vor Übernahme des Amtes oder im konkreten Fall hätte beschäftigen müssen. Jedenfalls muss aber nicht zwingend eine wissentliche Pflichtverletzung vorliegen. Gleiches gilt für die vorsätzliche Schadensherbeiführung gemäß § 103 VVG.

 

Rz. 26

Überlässt beispielsweise ein Handwerksbetrieb dauerhaft Arbeitnehmer einem anderen Unternehmen liegt die Vermutung nahe, dass ohne, dass dem Geschäftsführer dies bewusst sein muss, eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, für die die GmbH eine Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit benötigt. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn ein Fußbodenverlegebetrieb dauerhaft einem Teppichhaus mehrere Mitarbeiter, die in dem Teppichhaus bzw. bei den einzelnen Kunden desselben, die Teppichböden verlegen, zur Verfügung stellt. Sie sind dort in den Geschäftsbetrieb integriert und nehmen von dort ihre Weisungen entgegen, weshalb es sich dabei um eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung handeln könnte. Dem Geschäftsführer des Handwerksbetriebs ist dies nicht bewusst. Beruht die Überlassung der Arbeitnehmer auf einer Weisung der Gesellschafterversammlung, so wäre diese rechtswidrig. Der Geschäftsführer müsste sie nicht umsetzen, sondern darauf hinweisen, dass die GmbH sich damit rechtswidrig verhalten würde. Erkennt der Geschäftsführer dies nicht, wäre er im Grundsatz mangels Folgepflicht in der Haftung. Allerdings wäre es wohl treuwidrig, wenn die Gesellschafterversammlung ihn in die Haftung nähme, da sie selbst die Maßnahme abgefordert hat. Jedenfalls käme Versicherungsschutz ggf. zunächst in Form der Abwehrdeckung infrage.

 

Rz. 27

Eine weitere Grenze der Folgepflicht der Weisung wird bei so genannten existenzgefährdenden Weisungen gezogen. Wobei im Einzelfall schwierig festzustellen ist, wann eine Weisung für die GmbH existenzgefährdende Wirkung entfaltet.[2] Nachteilige Weisungen, die nicht existenzgefährdend und auch nicht rechtswidrig sind, muss der Geschäftsführer umsetzen.[3]

 

Rz. 28

 

Beispiel: "Agro Products und Light Logistics"[4]

Das Unternehmen Agro Products AG (AG) importiert Lebensmittel aus der Dritten Welt. In Deutschland hat die AG mit der Lagerhaltung die Light Logistics GmbH (GmbH) beauftragt. Hierfür wurde ein Bewirtschaftungsvertrag abgeschlossen, aufgrund dessen die GmbH monatlich 80.000 EUR für die Lagerung der Produkte und die Verteilung im Inland erhält. Geschäftsführer der GmbH ist G. Die GmbH ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der AG. Die AG möchte nunmehr ihr Vertriebskonzept ändern und zentral in Belgien ein Lager für ganz Europa errichten. Daneben wird es nur noch kleinere Warenlager geben. Der Bewirtschaftungsvertrag soll daher modifiziert werden. Der Geschäftsführer G wird von der Gesellschafterversammlung, die aus der Alleingesellschafterin, d.h. der AG besteht, angewiesen einer Änderung des Bewirtschaftungsvertrags zuzustimmen. Danach sollen lediglich 40.000 EUR monatlich bei entsprechend reduzierter Leistung an die GmbH gezahlt werden. G ist mit dieser Änderung nicht einverstanden, da er die Gefahr einer Insolvenz befürchtet. Diese Ansicht teilt die AG nicht, da sie meint, dass G durch Personalabbau und durch die Untervermietung des freigewordenen Lagerplatzes das Unternehmen durchaus retten kann. G verweigert nachhaltig trotz mehrmaliger Aufforderung mit Fristsetzung die Unterzeichnung und wird sodann wegen dieser Pflichtverletzung fristlos gekündigt und mit sofortiger Wirkung abberufen. Die Weisung war grundsätzlich rechtmäßig, weil das...

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