Rz. 78

Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen darf nicht an die Gesellschafter ausbezahlt werden (§ 30 Abs. 1 GmbHG). Dieses Auszahlungsverbot hat der Geschäftsführer einzuhalten, sonst haftet er. Dies ordnet § 43 Abs. 3 Satz GmbHG an. Danach sind die Geschäftsführer zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht worden sind. Vorausgesetzt wird aber auch hier ein fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln des Geschäftsführers, ggf. auch im Rahmen seiner Überwachungsverantwortung. Allerdings müssen auch die empfangenen Gesellschafter die Leistungen zurückgewähren, sodass sich die Haftung nur auswirkt, wenn die Gesellschafter dazu nicht mehr in der Lage sind.

 

Rz. 79

 

Beispiel: "Der Gewinn des letzten Jahres"

Die GmbH hat ein Stammkapital von 100.00 EUR. Letztes Jahr hat sie 50.000 EUR Gewinn erzielt, den die Gesellschafter nach Steuern ausschütten wollen. Sie fassen daher im Juni des Folgejahres einen entsprechenden Gewinnausschüttungsbeschluss. Der Geschäftsführer verweigert die Ausschüttung. Bereits im ersten Quartal habe die GmbH einen außerordentlichen Verlust von 60.000 EUR erzielt. Damit sind die Gewinne aufgezehrt, weitere Rücklagen gäbe es nicht. Durch die Ausschüttung würde das Reinvermögen der Gesellschaft unter die Eigenkapitalziffer von 100.000 EUR fallen. Der Geschäftsführer muss hier die Auszahlung insoweit verweigern wie eine Unterbilanz entstehen könnte. Dies gilt erst dann, wenn sich eine bestehende Unterbilanz vergrößern würde oder sogar eine Überschuldung bestünde. Die Unterbilanz, die aufzustellen ist, folgt dem Bilanzrecht. Es gelten die den allgemeinen für die Jahresbilanz geltenden Bilanzierungsgrundsätze. Gesellschafterdarlehen auch im Fall eines Rangrücktritts sind stets zu passivieren.[1] Hier bestehen also Unterschiede zum Überschuldungsstatus (siehe zu diesem die Ausführungen bei § 15 b InsO). Der Geschäftsführer, der gegen das Auszahlungsverbot verstößt, haftet der GmbH auf Ersatz der Zahlungen. Hier kann sich der Geschäftsführer nicht darauf berufen, dass er doch lediglich einen Gewinnausschüttungsbeschluss der Gesellschafter ausführte. Dazu sagt § 43 Abs. 3 Satz 2 GmbHG: "Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, dass dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben." In der Praxis wird die Gesellschaft Ansprüche wegen Verstoßes gegen die Kaitalerhaltung erst in der Insolvenz geltend machen, dann handelt für diese der Insolvenzverwalter. Vorher wird die GmbH, z.B. wenn Gesellschafter oder Geschäftsführer darauf drängen, zunächst versuchen die empfangene Leistung von den Gesellschaftern zurückzuverlangen, die diese empfangen haben. Soweit von diesen nichts zu erlangen ist, trifft übrigens den Mitgesellschaftern unabhängig davon, ob sie auch etwas bekommen haben für den Ausfall eine Ausfallhaftung. Für diese Ausfallhaftung haftet allerdings der Geschäftsführer, der die Auszahlung nicht verhindert hat auf Erstattung gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern (§ 31 Abs. 6 GmbHG). Diese vorgenannten Ersatzansprüche, so sie denn tatsächlich relevant werden, können unter die D&O-Deckung fallen, wobei der Geschäftsführer den Verstoß, das heißt die Ausschüttung nicht als vorsätzlichen Verstoß gegen die Kapitalerhaltung erkannt haben darf. Dann hätte er den Schaden vorsätzlich herbeigeführt und hätte dafür keinen Versicherungsschutz (§ 103 VVG). Auch eine wissentliche Pflichtverletzung kann bestehen, wenn der Geschäftsführer in Kenntnis des Verstoßens gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften den Verstoß vornimmt. Soweit der D&O-Versicherer leistet, würden Ausgleichsansprüche des Geschäftsführers, etwa gegen den empfangenen Gesellschafter auf diesen übergehen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VVG).

 

Rz. 80

Die Haftung für verbotene Auszahlungen besteht nicht nur bei direkten Ausschüttungen. Vor denselben kann der Geschäftsführer die finanzielle Lage überprüfen und einen Verstoß vermeiden. Schwierig ist dies bei Geschäften, die mit dem Gesellschafter vorgenommen werden, die jedoch nachteilig sind, z.B. der Verkauf von Ware an den Gesellschafter unter Marktpreis oder umgekehrt der Bezug von Ware zu überhöhten Preisen. Jeweils in der Differenz zum Marktpreis kann ggf. eine verbotene Ausschüttung liegen, die unter § 30 Abs. 1 GmbHG fällt und die vorgenannten Rechtsfolgen auslöst. Gerade in diesem Bereich der sog. verdeckten Gewinnausschüttungen kommen fahrlässige Verstöße des Geschäftsführers in Betracht, die unter die D&O-Deckung fallen können.

 

Rz. 81

Eine Haftung des Geschäftsführers aus § 43 Abs. 3 GmbHG wird auch ausgelöst, wenn dieser entgegen § 33 GmbHG eigene Anteile an der GmbH erwirbt, für die kein ungebundenes freies Kapital zur Verfügung steht. Insoweit darf kein Kaufpreis aus dem Gesellschaftsvermögen entrichtet werden. Hier g...

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