Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder gilt § 93 mit Ausnahme des Absatzes 2 Satz 3 AktG über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäß. Die Aufsichtsratsmitglieder sind insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet. Sie sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn sie eine unangemessene Vergütung festsetzen (§ 87 Absatz 1 AktG).

I. Einführung

 

Rz. 1

§ 116 AktG enthält die zentrale Norm für die Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der AG. Danach gilt für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder grundsätzlich § 93 AktG über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäß. Dieser Verweis ist so zu verstehen, dass der Aufsichtsrat in seinem Pflichtenkreis die Sorgfalt eines ordentlichen Aufsichtsratsmitglieds anzuwenden hat. Sofern die Kernaufgabe betroffen ist, den Vorstand zu kontrollieren, wäre dies der Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Kontrolleurs. Bei den anderen Aufgaben gilt dies entsprechend. Bei der Bestimmung des Umfangs der Sorgfaltspflicht sind Spezialkenntnisse des jeweiligen Aufsichtsratsmitglieds zu berücksichtigen, wobei diese zu Gunsten der Gesellschaft – soweit zumutbar - einzusetzen sind.[1] Dies ist nicht so gemeint, dass das Aufsichtsratsmitglied hier umfangreiche Arbeiten ausführen muss, die ihm aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten möglich sind. Es geht vielmehr um die fachgerechte Überwachung. Ist das Aufsichtsratsmitglied Bauingenieur wird es eher beurteilen könnten, ob der dem Vorstand vorgeworfene Ausführungsfehler bei einem großen Bauprojekt pflichtwidrig ist als dies einem Aufsichtsratsmitglied möglich ist, das sonst bei einer Bank arbeitet. Neben der Sorgfaltspflicht bei der Ausführung der Aufsichtsratspflichten stehen die Treuepflicht und die Verschwiegenheitspflicht, deren schuldhafte Verletzung ebenfalls Schadensersatzansprüche nach § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 2 AktG auslösen können. Aus der Treuepflicht folgt, dass das Aufsichtsratsmitglied seine Stellung nicht zum eigenen Vorteil ausnutzen darf.[2] Der Aufsichtsrat ist ein Kollektivorgan, der Aufgaben in Gesamtverantwortung wahrnimmt. Soweit Ausschüsse gebildet werden, die Entscheidungen des Aufsichtsrats vorbereiten bzw. Aufgaben wahrnehmen, muss jedes Aufsichtsratsmitglied grundsätzlich im Blick behalten, ob der Ausschuss die Aufgaben des Aufsichtsrats als Kollektivorgan ordnungsgemäß wahrnimmt.[3]

[1] Siehe BGH Urt. v. 20. 9. 2011 - II ZR 234/09, NZG 2011, 1271 Leitsatz 3: "Das Aufsichtsratsmitglied, das über beruflich erworbene Spezialkenntnisse verfügt, unterliegt, soweit sein Spezialgebiet betroffen ist, einem erhöhten Sorgfaltsmaßstab."
[2] Hachenburg/Raiser, GmbHG, § 52 Rn. 135.
[3] Koch AktG § 116 Rn. 16.

II. Überwachungsaufgabe

 

Rz. 2

Der Umfang und die Intensität der Überwachungsaufgabe ist jeweils im Einzelfall so zu bestimmen, dass eine effektive Überwachung gewährleistet ist. Bereiche, die einwandfrei organisiert sind und funktionieren, bedürfen einer geringeren Kontrolle als Dezernate, bei denen es verstärkt zu Versäumnissen kommt. Die Überwachungsaufgabe muss nicht engmaschig erfolgen, der Vorstand muss bzw. darf nicht an der "kurzen Leine" gehalten werden. Grundsätzlich darf der Aufsichtsrat den Berichten des Vorstands vertrauen.[1] Die Aussichtsratsmitglieder sind nicht verpflichtet, "grundsätzlich alle Geschäftsführungsmaßnahmen zu überwachen und zu prüfen. Sie sind auch nicht gehalten oder auch nur berechtigt, jedes Geschäft zu verhindern, das mit einem Risiko verbunden ist; mit Risiken behaftete Geschäfte sind im kaufmännischen Leben nicht ungewöhnlich[2]."

 

Rz. 3

Hierbei umfasst die Aufgabe des Aufsichtsrats, die Geschäftsführung zu überwachen, auch die Pflicht, den Vorstand in übergeordneten Fragen der Unternehmensführung zu beraten.[3] Überwachung ist damit nicht nur die rückschauende Kontrolle, sondern auch die vorausschauende Beratung. Der BGH[4] formuliert dies überzeugend wie folgt: "Diese Kontrolle bezieht sich nicht nur auf abgeschlossene Sachverhalte, sondern erstreckt sich auch auf grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftspolitik; sie ist nicht auf eine Rechtsmäßigkeitsprüfung beschränkt, sondern muss die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung einbeziehen. Eine so verstandene Kontrolle kann wirksam nur durch ständige Diskussion mit dem Vorstand und insofern durch dessen laufende Beratung ausgeübt werden; die Beratung ist deshalb das vorrangige Mittel der in die Zukunft gerichteten Kontrolle des Vorstands."

 

Rz. 4

Daher haftet ein Aufsichtsratsmitglied auch dann, wenn es dem Vorstand ein bestimmtes nachteiliges Rechtsgeschäft nahelegt, wobei daneben auch der Vorstand haften kann, der dieses Geschäft vornimmt.[5] Der Aufsichtsrat haftet auch, wenn er seine Zustimmung zu einem Geschäft erteilt, dass nachteilig ist, sofern er schuldhaft seine Pflicht zur Überwachung verletzt hat. Nach § 111 Abs. 4 ...

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