Leitsatz (amtlich)

›Wird einem als leitender Krankenhausarzt tätigen Soldaten die Behandlung von Privatpatienten mit Liquidationsberechtigung als Nebenamt übertragen, so ist die Erhebung einer Pool-Abgabe zur Beteiligung der nichtliquidationsberechtigten Ärzte an diesen Einnahmen Rechtens.‹

 

Verfahrensgang

OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.10.1994; Aktenzeichen 10 A 12549/93)

VG Koblenz (Urteil vom 16.09.1993; Aktenzeichen 6 K 910/92)

 

Gründe

I.

Der Kläger ist Leitender Arzt des Zentrallaboratoriums des Bundeswehrzentralkrankenhauses in K. Nach seiner Beförderung zum Oberfeldarzt wies das Sanitätsamt der Bundeswehr den Kläger mit Schreiben vom 23. Juli 1990 darauf hin, daß er die Voraussetzungen für die Ausübung einer Nebenbeschäftigung in den Diensträumen der Bundeswehr erfülle, und erteilte ihm die Genehmigung zur Inanspruchnahme von Personal, Material und Einrichtungen des Bundeswehrzentralkrankenhauses. Bis zum Jahresende 1990 war der Kläger nach Maßgabe des sogenannten Zivilpatientenerlasses, der die stationäre Behandlung von Zivilpersonen in Bundeswehrkrankenhäusern regelt und vorsieht, daß die stationäre Untersuchung, Behandlung und Begutachtung der Zivilpatienten für die Ärzte der Bundeswehr eine Tätigkeit im Nebenamt ist, berechtigt, bei wahlärztlichen Leistungen gegenüber den Zivilpatienten selbst zu liquidieren; von den Liquidationseinnahmen hatte er ein Entgelt (Vorteilsausgleich und Kostenerstattung) an die Beklagte abzuführen. Eine besondere Vereinbarung über das Liquidationsrecht wurde zwischen den Beteiligten nicht getroffen.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 1990 teilte die Verwaltung des Bundeswehrzentralkrankenhauses dem Kläger mit, der Zivilpatientenerlaß sei zum 1. Januar 1991 geändert worden, das ihm abgetretene Liquidationsrecht werde mit Ablauf des 31. Dezember 1990 widerrufen, gleichzeitig werde nach der ab 1. Januar 1991 geltenden Neufassung des Zivilpatientenerlasses das Liquidationsrecht für wahlärztliche Leistungen widerruflich abgetreten mit der Verpflichtung, ab 1. Januar 1991 neben dem Entgelt (Vorteilsausgleich und Kostenerstattung) zusätzlich eine Pool-Abgabe nach Maßgabe der Nr. 23 der Inanspruchnahmerichtlinien in der ab 1. Januar 1991 geltenden Fassung abzuführen.

Mit Schreiben vom 16. September 1991 setzte die Verwaltung des Bundeswehrzentralkrankenhauses den Kläger davon in Kenntnis, daß Nr. 23 der Inanspruchnahmerichtlinien und der Pool-Erlaß - am 13. August 1991 - rückwirkend zum 1. Januar 1991 geändert worden seien, und bat ihn, seine Unterlagen zu berichtigen.

Die gegen die Schreiben vom 19. Dezember 1990 und 16. September 1991 eingelegten Beschwerden des Klägers wurden mit Beschwerdebescheiden vom 10. Juni 1992 zurückgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht im wesentlichen mit folgender Begründung zurückgewiesen:

Der Kläger werde durch den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 1990 in der Gestalt, die derselbe durch das Schreiben vom 16. September 1991 gefunden habe, nicht in seinen Rechten verletzt. Bei diesem Schreiben handele es sich nicht lediglich um einen Hinweis auf die Änderung der Inanspruchnahmerichtlinien, sondern seinem Inhalt nach um eine Modifizierung des Bescheids vom 19. Dezember 1990 und damit um einen Verwaltungsakt (Änderungsbescheid).

Die Beklagte habe von der Möglichkeit, die öffentlich-rechtliche Grundentscheidung über das Liquidationsrecht der leitenden Ärzte zu widerrufen und nachträglich eine Auflage einzuführen, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Die Verpflichtung zur Abführung einer Pool-Abgabe halte sich im Rahmen der durch das überkommene Dienstrecht der leitenden Krankenhausärzte vorgezeichneten Zwecke.

Es begegne keinen rechtlichen Bedenken, daß die Verpflichtung zur Pool-Abgabe durch Auflage zur verwaltungsaktsmäßigen Grundentscheidung betreffend das Liquidationsrecht und nicht durch eine Rechtsnorm erfolgt sei. Bei der Verpflichtung zu einer Pool-Abgabe gehe es der Sache nach um eine inhaltliche Bestimmung der Begünstigung und nicht um die Auferlegung einer Geldleistungspflicht neben einer anderweitig gewährten Rechtswohltat. Dies sei Folge des freien Ermessens, das es der Beklagten auch erlaubt hätte, von vornherein das Liquidationsrecht nur in dieser Höhe einzuräumen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

Er beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Oktober 1994 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 16. September 1993 sowie die Bescheide der Verwaltung des Bundeswehrzentralkrankenhauses vom 19. Dezember 1990 und 16. September 1991 und die Beschwerdebescheide des Bundesministeriums der Verteidigung vom 10. Juni 1992 aufzuheben.

Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil erweist sich im Ergebnis als richtig. Die Würdigung des Berufungsgerichts, daß der Kläger einen Teil seiner Liquidationseinnahmen als Pool-Abgabe abzuführen hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Berufungsgericht ist zwar zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Mitteilung der Beklagten vom 16. September 1991 den Bescheid vom 19. Dezember 1990 geändert habe und damit als selbständiger Verwaltungsakt zu qualifizieren sei. Dies ist jedoch nicht entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht insoweit die Klage jedenfalls als unbegründet angesehen hat.

Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, daß der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 1990 (Beschwerdebescheid vom 10. Juni 1992) rechtmäßig ist und der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt ist.

Der Bescheid vom 19. Dezember 1990 enthält keinen Widerruf einer Nebentätigkeitsgenehmigung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 4 Soldatengesetz (SG). Dem Kläger ist die für die streitige Pool-Abgabe maßgebende Tätigkeit schon für die Zeit vorher nach Maßgabe der Nr. 3 der Bestimmungen über die stationäre Behandlung von Zivilpersonen in Bundeswehrkrankenhäusern - Zivilpatientenerlaß (ZPE) - vom 1. November 1986 im Rahmen der Organisations- und Dienstgewalt als Nebenamt im Sinne des § 1 Abs. 2 Bundesnebentätigkeitsverordnung (BNV), der auch auf Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit entsprechend anwendbar ist (§ 14 BNV), durch den Dienstherrn übertragen worden. Hierfür bedarf ein Beamter keiner Nebentätigkeitsgenehmigung (§§ 64, 65 Abs. 1 Satz 1 BBG). Entsprechendes gilt für Soldaten gemäß § 20 Abs. 7 SG und § 64 BBG (Beschluß vom 3. Mai 1984 - BVerwG 1 WB 10.83 - [NZ Wehrr 1985 S. 25, 27]). Das Nebenamt ist dem Kläger nicht genommen, vielmehr allenfalls nochmals bestätigt worden.

Der Bescheid vom 19. Dezember 1990 enthält auch keinen Widerruf des Liquidationsrechts gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, wie das Oberverwaltungsgericht meint. Dem Kläger ist für die Zeit vor dem 1. Januar 1991 kein Liquidationsrecht durch Verwaltungsakt, sei es auch in der Form der Allgemeinverfügung eingeräumt worden. Der Bescheid vom 23. Juli 1990 regelt unter dem Vorbehalt des Widerrufs lediglich die gemäß § 9 BNV und Abschnitt I.1. Abs. 4 Satz 2 der Richtlinien für die Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und/oder Material des Dienstherrn/Arbeitgebers und die Entrichtung des Entgelts durch Sanitätsoffiziere sowie beamtete und angestellte Ärzte und Zahnärzte der Bundeswehr im Rahmen der Nebentätigkeit vom 13. März 1989 (sog. Inanspruchnahmerichtlinien) erforderliche Genehmigung der Inanspruchnahme von Personal, Material und Einrichtungen des Bundeswehrkrankenhauses. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (UA S. 19) ist zu keiner Zeit eine besondere Vereinbarung über das Liquidationsrecht getroffen worden. Es beruht ausschließlich auf Nr. 12 Abs. 2 ZPE und damit auf der von der Beklagten gebilligten und geduldeten Verwaltungspraxis. Diese Verwaltungspraxis darf - unabhängig von den Grundsätzen über den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes - grundsätzlich aus sachlichen Gründen jederzeit für die Zukunft geändert werden. Nichts anderes bedeutet der Hinweis auf das Widerrufsrecht im Bescheid vom 19. Dezember 1990. Durch diesen Bescheid ist dem Kläger erstmals durch Verwaltungsakt das Liquidationsrecht nach Maßgabe der Nr. 12 Abs. 2 ZPE in der dem Bescheid beigefügten, ab 1. Januar 1991 geltenden Neufassung eingeräumt worden. Die Beklagte hat das Liquidationsrecht allerdings mit einer Verpflichtung zur Abführung von Honoraranteilen als Entgelt (Vorteilsausgleich und Kostenerstattung) sowie als Pool-Abgabe abgetreten. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach dem Inhalt des Bescheides vom 19. Dezember 1990, dem Wortlaut der Nr. 12 Abs. 2 Satz 2 ZPE und der Nr. 23 Abs. 2 der Inanspruchnahmerichtlinien, jeweils in der ab 1. Januar 1991 gültigen Fassung, wird die Pool-Abgabe neben dem Vorteilsausgleich und der Kostenerstattung gefordert. Nr. 23 Abs. 1 der Inanspruchnahmerichtlinien legt fest, daß dann, wenn "von Liquidationsberechtigten bei Tätigkeiten im Nebenamt andere nicht liquidationsberechtigte Ärzte zur Vertretung oder Unterstützung hinzugezogen" werden, diese an den Honorareinnahmen " (Nettoeinnahmen = Bruttoeinnahmen abzüglich Kostenerstattung und Vorteilsausgleich) in einem dem Umfang der von ihnen erbrachten Leistungen entsprechenden Vomhundertsatz zu beteiligen" sind. Im Hinblick auf diesen Zusammenhang der in Rechnung gestellten Leistungen im Nebenamt des Liquidationsberechtigten mit dem darin enthaltenen Leistungsanteil der nichtliquidationsberechtigten Ärzte kann es zweifelhaft sein, ob § 20 Abs. 4 SG sowie § 12 BNV, die die Kostenerstattung und den Vorteilsausgleich regeln, Rechtsgrundlage für die Erhebung dieser Pool-Abgabe sind. Letztlich kann diese Frage aber offenbleiben.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BNV wird für eine Nebentätigkeit im Bundesdienst grundsätzlich keine Vergütung gewährt. Diese Regelung ist Ausdruck des Grundsatzes der Besoldung der Beamten nur nach Maßgabe des Gesetzes (§ 2 BBesG). Nach einem hergebrachten Grundsatz des Beamtenrechts der leitenden Krankenhausärzte können für diese abweichende Regelungen getroffen werden (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 1979 - 2 BvR 513, 558/74 - [BVerfGE 52, 303]). Dem entspricht § 7 BNV, wonach § 6 BNV nicht auf Vergütungen für Ärzte anwendbar ist. Ob und in welcher Höhe der Dienstherr aber den leitenden Ärzten des Bundeswehrkrankenhauses eine besondere Vergütung für die von ihnen übernommene Tätigkeit im Nebenamt gewährt, ist seinem pflichtgemäßen Ermessen überlassen. Im Rahmen dieses Ermessens darf der Dienstherr, soweit er eine Vergütung gewährt, diese auch dadurch einschränken, daß er die sachgerechten Erwägungen Rechnung tragende Pool-Abgabe von den liquidationsberechtigten Ärzten fordert. Wie das Berufungsgericht unter Berufung auf die rechtlichen Ausführungen im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 52, 303 [338 f.]) festgestellt hat, stellt das moderne Krankenhaus - einem Großbetrieb ähnlich - eine hochspezialisierte, technisierte soziale Organisation und Funktionseinheit dar. Immer häufiger ist das arbeitsteilige Zusammenwirken mehrerer Ärzte bei der Behandlung eines Patienten erforderlich. Vieles an Gewicht und Beanspruchung hat sich auf die nachgeordneten Ärzte verlagert. Auf deren Mitarbeit ist der leitende Arzt in großem Umfang angewiesen, auch soweit er "private" Einnahmen erzielt. Selbst dann, wenn er Patienten allein behandelt, kann er das im allgemeinen nur deshalb, weil er an anderer Stelle durch die nachgeordneten Ärzte entlastet wurde.

Die Pool-Abgabe für die Inanspruchnahme anderer ärztlicher Leistungen bei der Ausübung eines Nebenamts mit Liquidationsberechtigung ist demnach rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 52, 303 [329 ff.]). Dieser Pool-Abgabe dürfen auch Ärzte unterworfen werden, denen, wie der Kläger, keine Ärzte nachgeordnet sind. Dies hat das Berufungsgericht (S. 28 f. UA) rechtlich zutreffend unter Berufung auf den zitierten Beschluß des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt (vgl. BVerfGE 52, 303 ff., 339). Auch diese Ärzte profitieren - mittelbar - von den Leistungen der nichtliquidationsberechtigten Ärzteschaft in ihrer Gesamtheit zur Gewährleistung einer optimalen Krankenhausversorgung durch arbeitsteiliges Zusammenwirken. Im Interesse der Erhaltung einer insgesamt hochqualifizierten Ärzteschaft ist die Einrichtung eines Mitarbeiter-Pools und die Beteiligung aller im Nebenamt tätigen Ärzte nicht zu beanstanden.

Die Erhebung der Pool-Abgabe verletzt nicht das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG), auch wenn der Einwand der Revision zutreffend sein sollte, daß in zwei gleichgelagerten Fällen von der Heranziehung zu Pool-Abgaben nach Durchführung eines Verwaltungsstreitverfahrens abgesehen wurde. Aus diesen beiden Fällen kann nicht hergeleitet werden, daß sich eine von den Verwaltungsvorschriften abweichende Verwaltungspraxis gebildet hätte, die zu einer Bindung der Beklagten im Verhältnis zum Kläger führen würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

B e s c h l u ß

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Revisionsverfahren auf 36601,88 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG).

 

Fundstellen

NJW 1997, 2468

BVerwGE 102, 29

NVwZ 1997, 582

ZBR 1997, 20

ZTR 1997, 95

ArztR 1997, 215

DVBl 1997, 361

DVBl. 1997, 361

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