Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsständisches Versorgungswerk. Rechtsanwaltsversorgungswerk. Gesetzgebungskompetenz. Rechtsstaatsprinzip. Gleichheitssatz. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Vertrauensschutz

 

Leitsatz (amtlich)

Die Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Rheinland-Pfalz verstößt nicht gegen Bundesrecht.

Die Heranziehung von Mitgliedern, die vor Gründung des Versorgungswerks als Anwälte zugelassen und Beitragsverpflichtungen für eine anderweite Altersversorgung eingegangen waren, zu einem Pflichtbeitrag in Höhe von drei Zehnteln des Höchstbeitrags verstößt nicht gegen Bundesrecht, wenn zugleich durch eine Billigkeitsregelung dafür gesorgt ist, daß auf Fälle unzumutbarer Härte Rücksicht genommen wird.

 

Normenkette

GG Art. 2-3, 12, 14, 20 Abs. 3, Art. 74 Nrn. 1, 12

 

Verfahrensgang

OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 10.01.1989; Aktenzeichen 6 A 32/88)

VG Trier (Entscheidung vom 25.03.1988; Aktenzeichen 1 K 385/86)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Januar 1989 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger ist Rechtsanwalt in Rheinland-Pfalz und als solcher Pflichtmitglied des beklagten Versorgungswerks der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern. In dem Erhebungsbogen, den der Beklagte zur Erfassung seines Anfangsbestandes seinen Mitgliedern zugesandt hatte, stellte der Kläger den formularmäßig vorgesehenen Antrag auf Beitragsermäßigung auf den Mindestbeitrag wegen Renten- und Kapitalversicherung und fügte Belege über von ihm abgeschlossene Lebensversicherungen nebst Versicherungen hinsichtlich Unfall und Berufsunfähigkeit bei. Mit Beitragsbescheid vom 21. März 1986 zog der Beklagte den Kläger unter Zugrundelegung von fünf Zehnteln des „Regelbeitragssatzes” für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1985 zu einem Pflichtbeitrag von 5.648,40 DM heran.

Hiergegen hat der Kläger nach erfolglosem Widerspruch Klage erhoben, mit der er im wesentlichen geltend gemacht hat, die Beitragserhebung beruhe auf einer unwirksamen Rechtsgrundlage. Der Gesetzgeber hätte selbst die näheren Einzelheiten der Beitragserhebung regeln müssen und dies nicht dem Satzungsgeber überlassen dürfen. Es sei ferner verfassungswidrig, daß bei einer vorherigen anderweiten Alters- und Hinterbliebenenversorgung lediglich eine Beitragsermäßigung auf drei Zehntel des Höchstbetrags, nicht aber eine völlige Befreiung von der Beitragspflicht möglich sei. Darin liege außerdem ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, da für Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung und bei der Architektenversorgung eine völlige Befreiung vorgesehen sei. Es verstoße außerdem gegen Art. 2 und 14 GG, daß die Mitglieder des Beklagten gezwungen würden, ohne Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse zumindest drei Zehntel des Höchstbeitrags zu erbringen.

Das Verwaltungsgericht hat den Beitragsbescheid hinsichtlich des Monats Februar 1985 in vollem Umfang und für die übrige Zeit insoweit aufgehoben, als der Kläger zu mehr als drei Zehnteln des Regelbeitrags herangezogen worden ist. Mit seiner Berufung hat der Kläger die vollständige Aufhebung des Beitragsbescheids begehrt. Zusätzlich zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen hat er geltend gemacht, die Wahlordnung und die erste Satzung des Beklagten seien mangels ordnungsgemäßer Bekanntmachung und mangels vorheriger Genehmigung durch den Minister nicht wirksam geworden, so daß der Beklagte keine vertretungsberechtigten Organe habe. Im übrigen fehle es an der Gesetzgebungszuständigkeit des Landes für ein Rechtsanwaltsversorgungsgesetz.

Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung u.a. unter Bezugnahme auf sein Parallelurteil vom 19. April 1988 – 6 A 96/87 – (Justizblatt Rheinland-Pfalz 1988, 179) im wesentlichen ausgeführt: Die Länder seien für die Einführung eines Rechtsanwaltsversorgungsgesetzes nach Art. 74 Nr. 1 bzw. Nr. 12 i.V.m. Art. 72 Abs. 1 GG zuständig. Das beklagte Versorgungswerk sei wirksam gegründet worden. Die erste Wahlordnung und die erste Satzung seien wirksam in Kraft getreten. Sie hätten keiner öffentlichen Bekanntmachung bedurft. § 22 RAVG gestatte es, die erste Satzung und die erste Wahlordnung auch in anderer geeigneter Form bekanntzugeben; dies sei hier durch unmittelbare Übersendung an alle Normunterworfenen geschehen. Es sei auch unschädlich, daß die vorläufige Genehmigung der ersten Wahlordnung durch den Minister der Justiz erst nach Abschluß des Wahlvorgangs erteilt worden sei; denn diese Genehmigung habe auf den Tag des Inkrafttretens zurückgewirkt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers, mit der er u.a. geltend macht: Der Beklagte sei bisher nicht ordnungsgemäß gegründet und verfüge demnach nicht über ordnungsgemäß bestellte Organe. Die Pflichtmitgliedschaft in dem Versorgungswerk nebst Beitragspflicht verstoße gegen Art. 2 Abs. 1, 3, 20 Abs. 3 und 74 Nr. 1 GG. Die Länder hätten nach Öffnung der Rentenversicherung für die Selbständigen keine Gesetzgebungszuständigkeit mehr zur Errichtung eines Rechtsanwaltsversorgungswerks. Etwas anderes lasse sich auch nicht aus der „Nebenvorschrift” des § 7 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes i.d.F. des Art. 3 Nr. 2 Buchstabe a des Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs herleiten. Es sei auch verfassungswidrig, die Mitglieder zu Zwangsbeiträgen heranzuziehen, ohne daß das Gesetz eine Bestandsgarantie für das Versorgungswerk vorsehe und ohne daß es die Anlegung der Mittel bestimme. Im übrigen verstoße es gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts, daß der Gesetzgeber das System der Versicherung und die Frage der Dynamisierung der Anwartschaft bzw. Rente offengelassen habe. Die Heranziehung von bereits anderweitig versorgten Rechtsanwälten zu einem Mindestbeitrag verstoße außerdem gegen Art. 3 GG, da in der Architektenversorgung bei Nachweis vertraglicher Versicherungen von wenigstens 150.000 DM die völlige Befreiung von der Beitragspflicht verlangt werden könne. Außerdem liege in der einkommensunabhängigen Heranziehung der bereits anderweitig versorgten Mitglieder ein Verstoß gegen den Vertrauensgrundsatz und eine mit Art. 2 und 14 GG unvereinbare unbillige Härte.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Januar 1989 nach dem zweitinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Der Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Berufungsurteil verstößt, nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

1. Das Berufungsgericht hat zunächst ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, daß das beklagte Versorgungswerk nach Maßgabe des Landesgesetzes über die rheinland-pfälzische Rechtsanwaltsversorgung (Rechtsanwaltsversorgungsgesetz – RAVG –) vom 29. Januar 1985 (GVBl. S. 37) wirksam gegründet worden ist.

a) Der Einwand des Klägers, daß die erste Wahlordnung nicht ordnungsgemäß bekannt-gemacht worden sei, greift nicht durch. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, daß eine öffentliche Bekanntmachung im Staatsanzeiger nicht erforderlich gewesen sei, weil § 22 RAVG als eine gesetzliche Sonderregelung dazu ermächtige, die erste Wahlordnung für die Wahl der ersten Vertreterversammlung abweichend von § 4 des Verkündungsgesetzes Rheinland-Pfalz vom 3. Dezember 1973 (GVBl. S. 375) auch in anderer geeigneter Form bekanntzumachen; dies sei durch unmittelbare Übersendung der Satzung an alle Betroffenen in ausreichender Weise geschehen. Diese Auslegung des Landesrechts, an die das Revisionsgericht gebunden ist, verstößt nicht gegen Bundesrecht. Insbesondere ist eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG nicht ersichtlich. Dieses gebietet eine Bekanntgabe von Rechtsnormen in der Weise, daß der Öffentlichkeit die verläßliche Kenntnisnahme vom geltenden Recht ermöglicht wird; dabei richten sich die Anforderungen nach den jeweiligen besonderen Umständen (vgl. BVerfGE 65, 283 ≪291≫). Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, daß sich die Wahlordnung nur an einen begrenzten, persönlich eindeutig bestimmten Kreis von Normadressaten richtet und ihre unmittelbare Übersendung an alle diese Personen eine sichere und umfassende Bekanntgabe darstellt. Bei dieser Sachlage ist es mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, daß das Berufungsgericht darin eine ausreichende Bekanntgabe gesehen hat.

b) Auch der weitere Einwand des Klägers, daß die Wahl der ersten Vertreterversammlung unwirksam sei, weil sie vor Erteilung der in § 22 Satz 2 RAVG vorgeschriebenen vorläufigen Genehmigung der ersten Wahlordnung durch den Minister der Justiz stattgefunden habe, greift nicht durch. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, daß die erste Wahlordnung wegen Fehlens einer vorherigen Genehmigung zunächst schwebend unwirksam gewesen sei und daß die nachträgliche Genehmigung diesen Mangel rückwirkend geheilt habe. Die dem zugrundeliegende Auslegung der landesrechtlichen Regelung des § 22 Satz 2 RAVG dahin, daß eine nachträgliche Genehmigung rückwirkende Kraft hat und ausreicht, ist für das Revisionsgericht bindend. Eine Verletzung von Bundesrecht ist insoweit nicht ersichtlich, so daß diese Auslegung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

2. Das Berufungsgericht hat auch im übrigen ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, daß der angefochtene Beitragsbescheid, soweit er noch streitbefangen ist, den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Rechtsgrundlage für den angefochtenen Beitragsbescheid ist das Rechtsanwaltsversorgungsgesetz, das die Errichtung des beklagten Versorgungswerks vorsieht und grundsätzlich alle Rechtsanwälte der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern unter 45 Jahren zu seinen Pflichtmitgliedern macht und zu Pflichtbeiträgen heranzieht. Gegen die Errichtung dieses Versorgungswerks bestehen dem Grunde nach keine rechtlichen Bedenken. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß berufsständische Versorgungswerke mit Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeiträgen grundsätzlich zulässig sind; sie sind insbesondere mit Art. 2, 3, 12, 14 GG vereinbar (BVerfGE 10, 354; 12, 319; 44, 70; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 4. April 1989 – 1 BvR 685/88 – NJW 1990, 1653, vom 25. September 1990 – 1 BvR 907/87 – und vom 24. Oktober 1990 – 1 BvR 1203/90 –; BVerwG, Beschluß vom 3. November 1989 – BVerwG 1 B 131.89 – Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 38 = NJW 1990, 589). Auch hinsichtlich der Errichtung und Ausgestaltung des hier beklagten Versorgungswerks durch das Rechtsanwaltsversorgungsgesetz bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

b) Die Gesetzgebungszuständigkeit des Landes für dieses Rechtsanwaltsversorgungsgesetz ist, wie der erkennende Senat bereits ausgesprochen hat, gegeben (Beschluß vom 16. Februar 1989 – BVerwG 1 B 84.88 – Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 16). Dabei kann dahinstehen, ob die Rechtsanwaltsversorgung eine öffentlich-rechtliche Versicherung „eigener Art” ist, die mangels Zuweisung an den Bundesgesetzgeber nach Art. 70 GG in die Landeskompetenz fällt, oder ob es sich um einen Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung im Sinne von Art. 74 Nr. 1 GG (Rechtsanwaltschaft) oder Art. 74 Nr. 12 GG (Sozialversicherung) handelt; denn auch im letzteren Fall wäre der Landesgesetzgeber nach Art. 70, 72 Abs. 1 GG zuständig, da der Bund dieses Gebiet nicht abschließend geregelt hat (vgl. BVerfGE 12, 319 ≪323≫; BVerwG, Urteil vom 25. November 1982 – BVerwG 5 C 69.79 – Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 11 = NJW 1983, 2650; Beschluß vom 3. November 1989, a.a.O.). Eine abschließende bundesgesetzliche Regelung ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht dadurch erfolgt, daß der Bundesgesetzgeber die gesetzliche Rentenversicherung für Selbständige durch das Rentenreformgesetz vom 16. Oktober 1972 (BGBl. I S. 1965) geöffnet hat. Damit hat er lediglich eine zusätzliche freiwillige Versicherungsmöglichkeit geschaffen, ohne die seinerzeit bestehenden oder künftigen landesrechtlichen Regelungen zur berufsständischen Altersversorgung mit Versicherungspflicht auszuschließen. Daß der Bundesgesetzgeber weiterhin von dem Bestehen landesrechtlicher Versorgungswerke ausgeht, ergibt sich insbesondere daraus, daß § 7 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes in der Fassung des Art. 3 Nr. 2 Buchstabe a des Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs vom 25. Juni 1979 (BGBl. I S. 797) die Befreiungsmöglichkeit von der Angestelltenversicherung im Fall einer berufsständischen Versorgung vorsieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1982, a.a.O.). Entgegen der Auffassung der Revision steht dieser Schlußfolgerung nicht entgegen, daß es sich bei § 7 Abs. 2 des genannten Gesetzes um eine „Nebenbestimmung” handelt; denn als ein Indiz für die Auffassung des Bundesgesetzgebers hinsichtlich der Tragweite seiner Regelungen kommen auch derartige Randbestimmungen in Betracht, die das Zusammentreffen mit anderen Zuständigkeitsbereichen regeln. Dementsprechend hat die Rechtsprechung z.B. für das baden-württembergische Rechtsanwaltsversorgungsgesetz, das ebenfalls nach der Öffnung der allgemeinen Rentenversicherung für Selbständige erlassen worden ist, die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers bejaht (BVerfG, Kammerbeschluß vom 4. April 1989, a.a.O., BVerwG, Beschluß vom 3. November 1989, a.a.O.).

c) Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Einräumung von Satzungsgewalt durch § 20 Abs. 1 RAVG. Der Kläger rügt insofern als Verletzung des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts, daß das Gesetz die wesentlichen Merkmale der Pflichtversicherung, insbesondere das maßgebliche Versicherungssystem und eine etwaige Dynamisierung nicht selbst festlege, sondern, der Satzung überlasse. Wie das Berufungsgericht hierzu bundesrechtlich unbedenklich ausgeführt hat, ist bei der Verleihung autonomer Satzungsgewalt an Selbstverwaltungseinrichtungen nicht generell ein dem Art. 80 GG entsprechender enger Maßstab anzuwenden. Vielmehr darf der autonomen Satzungsgewalt ein angemessener Gestaltungsspielraum belassen werden. Dabei nehmen die Anforderungen an die Ermächtigung zur satzungsmäßigen Regelung mit der Intensität des Eingriffs zu; insbesondere die Eingriffe in Grundrechte müssen um so deutlicher in der gesetzlichen Ermächtigung bestimmt werden, je empfindlicher in das Grundrecht eingegriffen werden darf (vgl. BVerfGE 12, 319 ≪325≫; 33, 125 ≪160≫). Diesem Maßstab wird das Rechtsanwaltsversorgungsgesetz gerecht. Wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, trifft es selbst die wesentlichen Grundentscheidungen. Dies gilt auch hinsichtlich der Wahl des Versicherungssystems und der Dynamisierung der Renten. Indem es die Aufgabe des Versorgungswerks in § 1 Abs. 2 dahin festgelegt hat, daß den Mitgliedern und Hinterbliebenen Versorgung zu gewähren ist, hat es dem Entscheidungsspielraum des Satzungsgebers enge Grenzen gesetzt. Aus diesem Zweck ergibt sich nämlich, daß die Wahl auf die bewährten Versicherungssysteme beschränkt ist, die nach den bisherigen Erfahrungen die Versorgung der Berechtigten sicherstellen. Die Rentenleistungen sind in den §§ 7 ff. hinsichtlich ihrer Art und Beitragsbezogenheit festgelegt; im übrigen ergibt sich aus der Versorgungsaufgabe des Beklagten, daß die Renten zu dynamisieren sind, wenn dies zur Erreichung des Versorgungszwecks erforderlich ist. Dementsprechend ist in den §§ 12, 30 Abs. 4 der Satzung des Beklagten vom 21. August 1985 (Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz 1986 S. 345) durch den Rechnungsfaktor des „Rentensteigerungsbetrages” bzw. „Rentensteigerungssatzes” eine Dynamisierung eingeführt worden.

Auch das von der Revision gerügte Fehlen einer staatlichen Bestandsgarantie begründet keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die Einrichtung des beklagten Rechtsanwaltsversorgungswerks. Eine solche Garantie ist rechtlich nicht gefordert, insbesondere nicht vom Rechtsstaatsprinzip. Die berufsständischen Versorgungswerke stehen als eigenfinanzierte „Selbst”-Versorgungseinrichtungen in wirtschaftlicher Hinsicht grundsätzlich außerhalb der staatlichen Verantwortung. Der Gesetzgeber hat lediglich durch Schaffung eines geeigneten rechtlichen Rahmens und durch Einführung von Kontrollmaßnahmen zur Funktionsfähigkeit des Versorgungswerks beizutragen. Das Rechtsanwaltsversorgungsgesetz ist diesem Erfordernis dadurch hinreichend nachgekommen, daß es die Staatsaufsicht in Form der Rechts- und der Fachaufsicht, die Genehmigungsbedürftigkeit von Satzungen sowie die Mittelbewirtschaftung und Rechnungsprüfung zwingend vorgeschrieben hat (§§ 21 und 18 f. RAVG). Im übrigen finden die Vorschriften der Landeshaushaltsordnung Rheinland-Pfalz weitgehend auf den Beklagten Anwendung (vgl. §§ 105 ff. LHO Rheinland-Pfalz).

d) Das Rechtsanwaltsversorgungsgesetz hält ferner insoweit der rechtlichen Nachprüfung stand, als es grundsätzlich auch diejenigen Mitglieder, die bei seinem Inkrafttreten bereits als Anwälte zugelassen waren und anderweitige Altersversorgungsmaßnahmen getroffen hatten, zu einem – ermäßigten – Pflichtbeitrag heranzieht.

Entgegen der Ansicht der Revision verstößt diese Regelung nicht deshalb gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG, weil sie die Rechtsanwälte schlechter stellt als die Architekten; für diese sieht der Staatsvertrag vom 19. Mai 1981 (GVBl. S. 213) zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und dem Freistaat Bayern über die Zugehörigkeit der rheinland-pfälzischen Architekten zur bayerischen Architektenversorgung bei anderweitiger Versorgung nicht nur eine Beitragsermäßigung, sondern eine völlige Befreiung vor. Diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch nicht willkürlich, da hierfür sachliche Gründe vorliegen. Wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, war das Bayerische Architektenversorgungswerk bei der Einbeziehung der rheinland-pfälzischen Architekten bereits eine gewachsene Einrichtung und verfügte über einen entsprechenden Vermögensbestand; es brauchte daher nicht in gleichem Maße auf eine möglichst große Zahl von beitragspflichtigen Mitgliedern Bedacht genommen zu werden wie bei dem neu gegründeten Beklagten, bei dem sich erst ein Vermögensstock ansammeln muß. Der Einwand des Klägers, daß nach einem von der Rechtsanwaltskammer eingeholten versicherungsmathematischen Gutachten die Heranziehung aller potentiellen Mitglieder nicht erforderlich sei, greift demgegenüber nicht durch. Es liegt innerhalb der Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers, den Kreis der Mitglieder so weit und die Befreiungstatbestände so eng zu fassen, daß im Hinblick auf eine angemessene Versorgung eine möglichst leistungsfähige Solidargemeinschaft entsteht (BVerfG, Kammerbeschluß vom 25. September 1990 – 1 BvR 907/87 – unter Hinweis auf BVerfGE 44, 70 ≪90≫).

Der Gleichheitssatz des Art. 3 GG wird auch nicht dadurch verletzt, daß bei einer Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung unter bestimmten Voraussetzungen die völlige Befreiung von der Mitgliedschaft in dem Beklagten verlangt werden kann (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RAVG), während bei einer anderweitigen Versorgung nur eine Beitragsermäßigung bis auf drei Zehntel des Höchstbeitrags in Betracht kommt (§ 6 Abs. 2 Satz 2 RAVG). Diese unterschiedliche Behandlung ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, deshalb nicht willkürlich, weil die gesetzliche Rentenversicherung gegenüber privatwirtschaftlichen Sicherungsformen Vorteile aufweist, die diese Differenzierung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 29, 221 ≪237≫). Dies gilt insbesondere im Verhältnis zu der vom Kläger angeführten Lebensversicherung. Diese hat vor allem den Nachteil, daß nach Eintritt des Versicherungsfalles die Leistungen statisch sind und nicht wie in der Rentenversicherung dynamisch verlaufen. Dies wird nicht völlig dadurch ausgeglichen, daß – wie der Kläger vorträgt – Renten der Lebensversicherung in der Regel höher sind. Bei regelmäßigen Rentenerhöhungen kehrt sich dieses Verhältnis nach einiger Zeit um, so daß bei langdauerndem Rentenbezug aus einer Lebensversicherung eine Unterversorgung eintreten kann. Daher ist es – anders als bei der gesetzlichen Rentenversicherung – sinnvoll und somit nicht willkürlich, durch eine Mindestbeteiligung an dem Versorgungswerk einen gewissen Ausgleich sicherzustellen.

e) Die im Rechtsanwaltsversorgungsgesetz vorgesehene Heranziehung von Mitgliedern, die bei seinem Inkrafttreten bereits als Anwälte zugelassen waren und anderweitige Altersversorgungsmaßnahmen getroffen hatten, zu einem – ermäßigten – Pflichtbeitrag verstößt auch nicht gegen die vom Kläger angeführten Art. 2 und 14 GG sowie die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit.

Der Schutzbereich des Art. 14 GG wird nicht berührt, da die Auferlegung von Geldleistungspflichten nur das Gesamtvermögen beeinträchtigt, das nicht durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist (BVerfG, Kammerbeschluß vom 25. September 1990 – 1 BvR 907/87 –; BVerfGE 10, 354 ≪371≫).

Hinsichtlich des Art. 2 Abs. 1 GG ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß auch die Heranziehung der bereits zuvor zugelassenen und anderweitig versorgten Mitglieder mit diesem Grundrecht vereinbar ist. Da ein berufsständisches Versorgungswerk als kollektive Versorgung nur aufgebaut werden kann, wenn grundsätzlich alle Berufsangehörigen daran teilnehmen, können diese aus dem Gesichtspunkt der Solidargemeinschaft ohne Rücksicht auf ihr individuelles Versorgungsbedürfnis zu Beitragszahlungen herangezogen werden (BVerfGE 10, 354 ≪370≫; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 4. April 1989, a.a.O. und 24. Oktober 1990 – 1 BvR 1203/90 –).

Aus den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes ergeben sich allerdings Grenzen für die Beitragspflicht. So ist auf schwerwiegende Besonderheiten und unbillige Härten, insbesondere auf die wirtschaftliche Belastbarkeit des Mitglieds, Rücksicht zu nehmen; bei bereits zuvor anderweitig versorgten Mitgliedern ist eine unzumutbare Überversicherung zu vermeiden (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 4. April 1989, a.a.O. und vom 24. Oktober 1990 – 1 BvR 1203/90 –). Diesen Anforderungen wird das Regelungswerk des Beklagten gerecht.

Das Rechtsanwaltsversorgungsgesetz sieht in § 6 Abs. 2 in zwei Fällen eine Beitragsermäßigung vor, nämlich für die ersten fünf Jahre nach der ersten Anwaltszulassung und bei zuvor abgeschlossener anderweitiger Versorgung mit Zahlungsverpflichtungen in Höhe des Pflichtbeitrags. Die Ermäßigung darf nach § 6 Abs. 2 Satz 2 RAVG bis auf drei Zehntel des Höchstbeitrags, der nach § 6 Abs. 1 RAVG dem Höchstbeitrag in der Angestelltenversicherung entspricht, erfolgen. Zusätzlich hat der Beklagte die Regelung des § 76 Abs. 2 SGB IV für anwendbar gehalten, wonach im Härtefall die Beiträge gestundet oder erlassen und bei Nichtbeitreibbarkeit niedergeschlagen werden können; die Geltung dieser Regelung ist inzwischen auch in § 26 Abs. 4 der Satzung festgeschrieben worden (Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz 1989, S. 1189). Auch nach der bundesrechtlich nicht zu beanstandenden Auffassung des Berufungsgerichts waren trotz Fehlens einer ausdrücklichen Bestimmung Billigkeitsregelungen zulässig und u.U. geboten, insbesondere bei existenzbedrohenden Notlagen.

Damit wird den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes in hinreichender Weise Rechnung getragen. Die Regelung des § 6 Abs. 2 RAVG erfaßt diejenigen Fälle, in denen erfahrungsgemäß die volle Beitragspflicht unverhältnismäßig sein oder dem Vertrauensschutz zuwiderlaufen könnte. Berücksichtigt man die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens, gemäß dem Solidaritätsgedanken einen möglichst großen Kreis von Berufsangehörigen zum Versorgungswerk heranzuziehen, so ist die Ermäßigung als ausreichend anzusehen, auch wenn der Beitrag nur bis auf drei Zehntel des Höchstbeitrags herabgesetzt werden kann. Dies führt regelmäßig noch nicht zu einer untragbaren oder sonst unangemessenen Belastung. Auch eine unzumutbare Überversicherung der bereits anderweitig versicherten Mitglieder ist damit nicht verbunden; denn dieser Teilbeitrag ergibt nur einen entsprechend geringen Versorgungsanspruch. Dieser kann neben einer anderweitigen Versorgung sinnvoll sein, und zwar insbesondere dann, wenn die anderweitige Versorgung weniger gesichert ist oder keine dynamischen Rentenansprüche gewährt. In diesen Fällen kann der sich aus der Mindestbeteiligung an dem Versorgungswerk ergebende Rentenanspruch einen nützlichen, dynamisch ausgestalteten Ausgleich schaffen.

Im Einzelfall mag allerdings auch der Mindestbeitrag zu einer unzumutbaren Belastung führen können, da er unabhängig von dem Einkommen des Mitglieds drei Zehntel des Höchstbeitrags beträgt (§ 6 Abs. 2 Satz 2 RAVG). Diesen Fällen wird jedoch durch die zusätzlich eingreifende Härteregelung, wie sie jetzt auch die Satzung ausdrücklich vorsieht, Rechnung getragen.

Der Kläger hat nicht geltend gemacht, daß in seinem Fall der Mindestbeitrag eine wirtschaftlich nicht mehr vertretbare Belastung darstellt. Hierfür bestehen auch keine Anhaltspunkte. Unabhängig davon ist die doppelte Belastung des Klägers durch die Beiträge für die privaten Versicherungen und den Mindestbeitrag nicht als unzumutbar anzusehen. Er ist nämlich die privaten Beitragsverpflichtungen zu einem erheblichen Teil in Kenntnis der unmittelbar bevorstehenden Einführung des Rechtsanwaltsversorgungsgesetzes eingegangen. Damit hat er selbst die Gefahr einer teilweise doppelten Beitragslast bewußt herbeigeführt und ist insoweit nicht unzumutbar belastet.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

 

Unterschriften

Meyer, Dr. Diefenbach, Dr. Scholz-Hoppe, Gielen, Dr. Kemper

 

Fundstellen

BVerwGE, 324

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