Entscheidungsstichwort (Thema)

Planfeststellung. Eisenbahn-Neubaustrecke Ebensfeld – Erfurt. Planfeststellungsabschnitt Coburg. nördliche Anbindung Coburg. Einwendungen einer Gemeinde. Einwendungen durch Bezugnahme auf frühere Stellungnahmen. Präklusion. Planungshoheit der Gemeinde. hinreichend konkretisierte gemeindliche Planung. Prioritätsgrundsatz. unterstellter Abwägungsmangel. Kausalität für das Abwägungsergebnis. Finanzhoheit. Inanspruchnahme gemeindlicher Grundstücke

 

Leitsatz (amtlich)

  • Allein durch den Hinweis auf Stellungnahmen, die in früheren Verfahren oder in einem früheren Planungsstadium abgegeben worden sind, wird der Inhalt der Stellungnahmen nicht Gegenstand einer Einwendung im Sinne von § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG.
  • Bei der Anwendung des Prioritätsgrundsatzes im Rahmen des Zusammentreffens eines Fachplanungsvorhabens mit einer entgegenstehenden gemeindlichen Bauleitplanung markiert für die Fachplanung in der Regel die Auslegung der Planunterlagen den Zeitpunkt einer hinreichenden Verfestigung (wie BVerwGE 71, 150 ≪156≫; 77, 285 ≪292 f.≫). Welcher Zeitpunkt dafür in der gemeindlichen Bauleitplanung maßgeblich ist, insbesondere ob bereits der Aufstellungsbeschluß zum Erlaß oder zur Veränderung eines Flächennutzungsplanes eine ausreichende Konkretisierung bedeutet, bleibt offen.
 

Normenkette

GG Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1, Art. 28 Abs. 2 S. 1; VwVfG § 73 Abs. 4 S. 1; AEG § 18 Abs. 1, § 20 Abs. 2 S. 1, Abs. 7

 

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerinnen sind Gemeinden im Landkreis Coburg. Sie wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluß für die Eisenbahnausbau- und -neubaustrecke Nürnberg – Ebensfeld – Erfurt im Abschnitt Coburg. Die Strecke gehört zu den Verkehrsprojekten “Deutsche Einheit”.

Die im Planfeststellungsabschnitt Coburg geplante Trasse schließt bei km 18,0 + 30 an den Planfeststellungsabschnitt Staffelstein der Neubaustrecke Ebensfeld – Erfurt an. Die Trasse soll die Stadt Coburg östlich umfahren und endet bei km 34,2 + 40 an der Landesgrenze Bayern-Thüringen. Im mittleren Bereich des Planfeststellungsabschnittes ist die nördliche Anbindung Coburgs an die Neubaustrecke vorgesehen. Die Planung sieht dazu bei km 26,3 der Neubaustrecke die Einmündung der Verbindungskurve Dörfles-Esbach von Westen her vor, die ihrerseits von der Bahnbestandsstrecke Coburg – Sonneberg abzweigt. Im Planfeststellungsabschnitt sollen vier Deponien zur Ablagerung von Überschußmassen aus dem Bau der Tunnel und Einschnitte errichtet werden.

Das Gemeindegebiet der Klägerin zu 1 liegt am südlichen Rand des Planfeststellungsabschnitts, die bebauten Ortsteile befinden sich östlich der planfestgestellten Trasse. Dabei soll die Füllbachtalbrücke (Höhe über dem Talgrund 40 m, Länge 1 012 m) das Gewerbegebiet “Am Rennberg” der Klägerin zu 1 überspannen. Mit der dort ansässigen Firma P… GmbH ist das Brückenbauwerk im einzelnen abgestimmt.

Das Gebiet der Klägerin zu 2 – nach den Planungsunterlagen einer der flächenmäßig kleinsten Gemeinden Bayerns – liegt etwa im mittleren Teil des Planfeststellungsabschnitts, und zwar westlich des geplanten Schienenweges. Der Planfeststellungsbeschluß sieht einen Verlauf der Trasse der Neubaustrecke vor, der im wesentlichen der Gemarkungsgrenze zwischen der Stadt Rödental und der Klägerin zu 2 entspricht. Lediglich kleine Bereiche des Gemeindegebiets werden danach östlich der Trasse liegen. Auf dem Gebiet der Klägerin zu 2 ist zudem die nördliche Anbindung Coburgs durch die Verbindungskurve Dörfles-Esbach vorgesehen. Die Gewerbegebiete der Klägerin zu 2 liegen östlich der bebauten Ortsteile von Dörfles. Dazu besteht ein wirksamer Flächennutzungsplan aus dem Jahre 1975. Im Februar 1989 beschloß der Gemeinderat der Klägerin zu 2, den bestehenden Flächennutzungsplan zu verändern und das Gewerbegebiet nach Osten hin auszudehnen. Dieser Erweiterungsbereich wird von dem planfestgestellten Vorhaben durchschnitten. Die Änderung des Flächennutzungsplanes ist bisher nicht wirksam geworden.

Mit einem vom ersten Bürgermeister unterzeichneten Schreiben vom 4. Oktober 1994 an die Regierung von Oberfranken erhob die Klägerin zu 1 innerhalb der am 14. Oktober 1994 endenden Frist Einwendungen gegen die Planung. Sie teilte darin mit, daß sie an den Stellungnahmen vom 23. November 1992 zum Raumordnungsverfahren, vom 28. Juni 1993 zur vorbereitenden Projektabstimmung und vom 16. Mai 1994 zur Veränderung der Planung weiterhin festhalte und den Neubau ablehne. Diese Stellungnahmen waren dem Einwendungsschreiben, in dem im einzelnen vor allem das Lärmschutzkonzept, Veränderungen der Planung gegenüber dem Konzept des Raumordnungsverfahrens sowie die Inanspruchnahme gemeindlicher Grundstücke gerügt werden, nicht beigefügt.

Mit einem am 14. Oktober 1994 per Telefax bei der Anhörungsbehörde eingegangenen Schreiben vom 13. Oktober 1994 erhob die Klägerin zu 2 ihre Einwendungen. Sie machte dabei vor allem unzumutbare Eingriffe in ihre Planungshoheit, die Beeinträchtigung gemeindlichen Eigentums, die Beeinträchtigung von Natur und Landschaft und die Verminderung der Wohn- und Lebensqualität im gesamten Ortsbereich geltend. Zur Planungshoheit gab sie an, ihre Flächennutzungsplanung sehe vor, daß der Bereich südlich der auf ihrem Gelände befindlichen Tongrube östlich anschließend an die vorhandene Bebauung als Gewerbegebiet dargestellt werde. Wohnbauerweiterungsbereiche seien östlich und südwestlich von Esbach vorgesehen. Das seien die allein noch möglichen Erweiterungsmöglichkeiten für eine Bebauung, die nun durch die Fachplanung ver- oder behindert würden.

In ihrem Planfeststellungsbeschluß vom 22. Dezember 1995 wies die Beklagte die Einwendungen zurück. Dabei führte sie aus (Planfeststellungsbeschluß – PFB – Seite 171), die Planung berücksichtige die Planungshoheit der betroffenen Gemeinden. Die Trassenführung schone die bereits besiedelten Gemeindegebiete. Dadurch werde gewährleistet, daß die Gemeinden ihren gesetzlichen Aufgaben nach den §§ 1 ff. Baugesetzbuch weiterhin nachkommen könnten. Der durch die Trasse den Gemeinden entzogene Planbereich habe nicht ein Ausmaß erlangt, das die Planungshoheit als inhaltsleere Hülse erscheinen lasse. Richtig sei, daß mit dem planfestgestellten Vorhaben Folgewirkungen für die Bauleitplanung der betroffenen Gemeinden verbunden seien. Die Gemeinden würden – beispielsweise – bei der Ausweisung neuer Wohngebiete prüfen müssen, ob das mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebietes vereinbar sei. Dadurch werde die Planungshoheit aber im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Fachplanungsrecht und gemeindlicher Bauleitplanung nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt.

Gegen diese Verwaltungsentscheidung richten sich die Klagen.

Die Klägerin zu 1 macht zu ihrer Begründung neben grundsätzlichen Bedenken gegen das Verfahren, die Planrechtfertigung und die Gesamtabwägung vor allem Beeinträchtigungen ihrer Planungs- und Finanzhoheit sowie ihres Eigentums geltend. Das Vorhaben reduziere ihre Entwicklungsmöglichkeiten; in ihre Wohn- und Gewerbegebiete werde erheblich eingegriffen. Dadurch würden die Planungsmöglichkeiten aufgrund der Vorgaben des § 1 Abs. 5 Sätze 1 und 2 BauGB erheblich verkürzt. Insbesondere das Gewerbegebiet “Am Rennberg”, das von der Schienentrasse zerschnitten werden solle, würde weitgehend entwertet. Daß der entsprechende Bebauungsplan erst am 15. Februar 1996 als Satzung beschlossen worden sei, könne ihr nicht entgegengehalten werden. Das Gewerbegebiet sei bereits früher geplant worden. So basiere der Bebauungsplan “Am Rennberg” auf dem Flächennutzungsplan vom 9. Juni 1982. Bereits in diesem Plan sei das Gebiet “Am Rennberg” als Gewerbefläche dargestellt. Es habe deshalb bereits seit 1983 eine konkrete Planung für die Nutzung des betroffenen Gebietes bestanden, die bei der Planfeststellung hätte berücksichtigt werden müssen. Dies sei nicht in angemessener Form geschehen. Durch die geplante Trassierung werde das Gewerbegebiet durchschnitten, was letztlich verminderte Steuereinnahmen von den dort angesiedelten Gewerbetreibenden zur Folge habe.

Die Klägerin zu 1 beruft sich weiter darauf, daß ihr durch die vorgesehenen Deponieflächen zusätzlich Entwicklungsmöglichkeiten vorenthalten würden. Auf ihrem Gemeindegebiet befinde sich bereits die im Planfeststellungsabschnitt Staffelstein vorgesehene Deponie Pfarrschrot. Im streitgegenständlichen Abschnitt sollten nun zusätzlich innerhalb ihrer Gemarkungsgrenzen die Deponien Pöhlholz und Ziegenrück errichtet werden. Schließlich werde sie ausweislich des Grunderwerbsverzeichnisses in nachhaltiger Weise in ihren Eigentumsrechten beeinträchtigt. Auch die vielen Unterbrechungen der gemeindlichen Wege und Straßen stellten neben der Beeinträchtigung der Planungshoheit einen gravierenden Eingriff in das gemeindliche Eigentum dar. Wenn sie auch grundsätzlich den Schutz der Grundrechte nicht in Anspruch nehmen könne, so sei ihr Eigentum doch jedenfalls einfachgesetzlich geschützt. Eine Enteignung gemeindlichen Eigentums setze deshalb einen objektiv rechtmäßigen Planfeststellungsbeschluß voraus.

Auch die Klägerin zu 2 macht neben einer Beeinträchtigung gemeindlichen Eigentums vor allem eine Verletzung ihrer Planungs- und Finanzhoheit geltend. Es sei nicht ausreichend in die Abwägung einbezogen worden, daß sie im Bereich südlich der Tongrube im östlichen Gemeindebereich bereits 1989 ein Gewerbegebiet ausgewiesen habe. Es sei ihre Absicht, die Gewerbegebiete nach Osten hin zu entwickeln und dabei Anschluß an das Gewerbegebiet der Stadt Rödental herzustellen. Diese Planung werde durch die Neubautrasse und die Verbindungskurve nachhaltig beeinträchtigt. Das Gebiet werde zerschnitten. Außerdem sei ihr Gemeindegebiet bereits erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Beschränkungen hinsichtlich der Ausübung der Planungshoheit ausgesetzt. So nehme das festgestellte Vorhaben ihr praktisch jede bauleitplanerische Weiterentwicklungsmöglichkeit. Schließlich sei für ihren dichtbesiedelten Ortsbereich mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Wohn- und Lebensqualität zu rechnen.

Die Klägerinnen beantragen,

den Planfeststellungsbeschluß der Beklagten für den Planfeststellungsabschnitt Coburg vom 22. Dezember 1995 aufzuheben.

die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie halten die Klage übereinstimmend für unbegründet.

Mit ihrer Rüge zur gemeindlichen Planungshoheit sei die Klägerin zu 1 präkludiert. Der Einwendungsschriftsatz vom 4. Oktober 1994 spreche diesen Gesichtspunkt nicht an, die darin erwähnten Anlagen seien der Anhörungsbehörde nicht innerhalb der Einwendungsfrist übermittelt worden.

Im übrigen seien die Klägerinnen in ihrer Planungshoheit nicht unzulässig beeinträchtigt. In der Fortentwicklung der Planung sei den Interessen der Klägerinnen in weitgehendem Maße Rechnung getragen worden. Das Gewerbegebiet “Am Rennberg” der Klägerin zu 1 werde nicht beeinträchtigt. Mit der unterhalb der Füllbachtalbrücke im Gewerbegebiet angesiedelten Firma P… GmbH sei das Brückenbauvorhaben im einzelnen abgestimmt. Nachteilige Auswirkungen für die Gewerbeausübung seien danach nicht zu verzeichnen. Auch sonst träten ungünstige Auswirkungen für Gewerbeansiedlungen nicht auf. Die Deponieflächen innerhalb der Gemarkungsgrenzen der Klägerin zu 1 seien im Zuge der Feinabstimmung der Planung wesentlich reduziert worden. Dadurch werde der Erhaltung ausreichender Gestaltungsmöglichkeiten für die Klägerin zu 1 Rechnung getragen.

Auf die Interessen der Klägerin zu 2 sei das planfestgestellte Vorhaben im einzelnen abgestimmt worden. So entspreche der Trassenverlauf in erheblichen Teilen dem Verlauf der Gemarkungsgrenze zwischen der Klägerin zu 2 und der Stadt Rödental. Von einer Zerschneidung gemeindlicher Flächen, die für die Ausweisung von Gewerbegebieten in Frage kämen, könne deshalb nicht gesprochen werden. Lediglich kleine Restflächen befänden sich östlich des Trassenverlaufs. Das Gebiet der Tongrube von Dörfles sei ausdrücklich geschont worden.

Im übrigen habe die Klägerin zu 2 in der Phase der Vorbereitung des Planungskonzepts mehrfach Zustimmung zu den sie betreffenden Planungsschritten erkennen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsstreitakte sowie auf die von der Beklagten eingereichten Verwaltungsvorgänge und Planungsunterlagen verwiesen. Die genannten Akten haben dem Senat vorgelegen und sind – soweit wesentlich – zum Inhalt der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Die Klägerinnen können die von ihnen begehrte Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nicht beanspruchen.

1. Die Klägerinnen rügen die von der Planfeststellungsbehörde vorgenommene Unterteilung der Neubaustrecke in Planfeststellungsabschnitte als verfahrensfehlerhaft. Die Planungsunterlagen geben dazu an, die Unterteilung werde aus verfahrenstechnischen Gründen, wegen der Länge der Neubaustrecke, der Vielzahl der Betroffenen und der unterschiedlichen Streckencharakteristik zur besseren Überschaubarkeit vorgenommen. Soweit möglich seien dabei die Landes-, Landkreis- und Gemeindegrenzen berücksichtigt worden (vgl. Erläuterungsbericht S. 68). Diese Ausführungen lassen sachwidrige Erwägungen nicht erkennen. Die Abschnittsbildung erscheint danach als Ergebnis planerischer Abwägung gerechtfertigt. Daß im Recht des Baus von Eisenbahnen anders als im Fernstraßenrecht nicht eine selbständige Verkehrsfunktion für jeden Abschnitt verlangt werden kann, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluß vom 21. Dezember 1995 – BVerwG 11 VR 6.95 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 8).

2. Die Klägerinnen bezweifeln die Planrechtfertigung für das Neubauvorhaben einer Eisenbahnhochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Nürnberg und Erfurt. Sie tragen dazu Argumente vor, die bereits Gegenstand zahlreicher Verfahren vor dem Senat waren. Mit der Planrechtfertigung für den Bundesschienenweg Nürnberg – Erfurt hat der Senat sich erstmals und eingehend im Urteil vom 27. November 1996 – BVerwG 11 A 99.95 – (Buchholz 316 § 78 VwVfG Nr. 8) betreffend den Planfeststellungsabschnitt Arnstadt (südlich von Erfurt) auseinandergesetzt. Er hat dabei entschieden, daß die vom Bundesgesetzgeber vorgenommene Einstufung der Eisenbahnstrecke Nürnberg – Erfurt in den vordringlichen Bedarf nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz nicht zu beanstanden ist. Dies entspricht der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Urteile vom 18. Juni 1997 – BVerwG 11 A 65.95 und BVerwG 11 A 70.95 – sowie das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. August 1997 erlassene Urteil in der Sache BVerwG 11 A 61.95), auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

3. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG sind im Planfeststellungsverfahren die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Mängel bei der Abwägung sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen sind (§ 20 Abs. 7 Satz 1 AEG). Offensichtliche und kausale Abwägungsmängel, auf die die Klägerinnen sich berufen könnten, sind nicht festzustellen.

a) Die Klägerin zu 1 beruft sich auf eine unzulässige Beeinträchtigung ihrer Planungs- und Finanzhoheit. Mit diesen Einwendungen ist sie gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG ausgeschlossen. Die Einwendungen sind nicht ordnungsgemäß innerhalb der gesetzlichen Einwendungsfrist des § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erhoben worden.

Innerhalb dieser, am 14. Oktober 1994 endenden Frist hat die Klägerin zu 1 ihre Einwendungen mit Schreiben vom 4. Oktober 1994 bei der Anhörungsbehörde geltend gemacht. Darin ist ausgeführt, an den Stellungnahmen vom 23. November 1992 zum Raumordnungsverfahren, vom 28. Juni 1993 zur vorbereitenden Projektabstimmung und vom 16. Mai 1994 zur Veränderung im Planfeststellungsabschnitt Coburg werde weiterhin festgehalten. Der Neubau der Strecke werde grundsätzlich abgelehnt. Nach diesen Eingangsbemerkungen führt das Einwendungsschreiben nach der anschließenden Wendung “Im einzelnen:” Bedenken gegen das planfestgestellte Vorhaben aus, unter denen die Planungshoheit und die Finanzhoheit der Klägerin zu 1 weder ausdrücklich noch konkludent genannt werden. Die vorgenannten Stellungnahmen sind dem Einwendungsschreiben nicht beigefügt und auch nicht innerhalb der Einwendungsfrist nachgereicht worden. Damit ist die Klägerin zu 1 im Hinblick auf die genannten Umstände präkludiert. Durch den Hinweis auf Stellungnahmen, die in einem anderen Verfahren oder in einem Vorstadium des eigentlichen Planfeststellungsverfahrens abgegeben worden sind, wird das darin enthaltene Vorbringen noch nicht Inhalt des Einwendungsschreibens, solange diese Stellungnahmen nicht mit dem Einwendungsschreiben eingereicht oder innerhalb der Einwendungsfrist nachgereicht werden (vgl. zur Erhebung von Einwendungen durch Bezugnahme auf Einwendungen in einem anderen Verfahren gegenüber einem anderen Vorhaben: BVerwG, Beschluß vom 11. Dezember 1981 – BVerwG 7 B 22.81 – ≪Buchholz 451.171 AtG Nr. 10≫). Nur durch diese Formenstrenge kann vermieden werden, daß entgegen der gesetzgeberischen Beschleunigungsabsicht für die Feststellung des Inhalts der Einwendungen zunächst andere Akten – möglicherweise von anderen Behörden – beigezogen werden müssen. Davon abgesehen hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung mit Recht darauf hingewiesen, daß der Vorhabenträger den Trassenverlauf noch nach dem Ende des Raumordnungsverfahrens im Rahmen der Feintrassierung verändert hat. Die Planungsunterlagen weisen dazu aus, daß die ursprünglich vorgesehene Trassierung gerade auf dem Gebiet der Klägerin zu 1 im Planfeststellungsverfahren nach Westen verschoben worden ist. Dies macht zusätzlich deutlich, daß die von der Klägerin zu 1 vor dem eigentlichen Planfeststellungsverfahren abgegebenen Stellungnahmen nicht ohne nochmalige Vorlage innerhalb der Einwendungsfrist des Planfeststellungsverfahrens zum Inhalt der Einwendungen erhoben werden können, wenn nicht eine erhebliche Rechtsunsicherheit in Kauf genommen werden soll.

Schließlich mußte der Wortlaut des Einwendungsschreibens der Klägerin zu 1 vom 4. Oktober 1994 der Anhörungsbehörde nicht den Eindruck vermitteln, die Klägerin zu 1 habe die Beifügung der in dem Schreiben genannten vorangegangenen Stellungnahmen lediglich versehentlich unterlassen. Das Einwendungsschreiben erweckt vielmehr den Eindruck, die aus der Sicht der Klägerin zu 1 gegen das Vorhaben sprechenden Gesichtspunkte würden “im einzelnen” aufgeführt. Für die Anhörungsbehörde bestand deshalb keine Veranlassung, angesichts der noch laufenden Einwendungsfrist nach dem Verbleib der Unterlagen zu fragen. Daher kann offenbleiben, welche rechtlichen Folgen es hätte, wenn dies anders zu beurteilen wäre.

Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 32 Abs. 1 VwVfG) sind von der Klägerin zu 1 nicht geltend gemacht worden; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Mit ihren Einwendungen zur Planungshoheit und zur Finanzhoheit ist die Klägerin zu 1 mithin auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren präkludiert.

b) Die Klägerin zu 2 rügt vor allem, die Neubautrasse und die Verbindungskurve zerschnitten die geplante Erweiterung ihres Gewerbegebiets und beeinträchtigten sie daher in ihrer Planungshoheit. Es kann aber nicht festgestellt werden, daß dieses Selbstverwaltungsrecht der Klägerin zu 2 in der Abwägung der Planfeststellungsbehörde offensichtlich und mit Einfluß auf das Abwägungsergebnis verletzt worden wäre.

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Klägerin zu 2 habe in vorbereitenden Gesprächen und Verhandlungen dem Trassenverlauf über ihr Gebiet zugestimmt und sei deshalb nunmehr gehindert, dagegen vorzugehen, kann dem nicht gefolgt werden. Die dazu vorgelegten Schriftstücke und die in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erläuterungen belegen, daß die Klägerin zu 2 sich bei der Abstimmung des Projekts im Planungsverlauf kooperativ verhalten hat. Daraus kann nicht geschlossen werden, sie habe rechtswirksam auf die spätere Erhebung von Einwendungen und/oder einer Klage verzichtet. Die Äußerungen der Klägerin zu 2 lassen nämlich nicht erkennen, daß sie sich an Abstimmungen zu Einzelfragen der Planung auf der Grundlage einer grundsätzlichen Zustimmung zu dem Vorhaben beteiligt hat. Vielmehr war jeweils durchaus die Deutung möglich, die Beteiligung erfolge – gewissermaßen hilfsweise – bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung einer grundsätzlichen Ablehnung. Dies war nach den Ausführungen der Klägerin zu 2 in der mündlichen Verhandlung ausdrückliche Absicht; denn die Gemeinde wollte für den Fall, daß sie mit ihren prinzipiellen Einwendungen das Projekt nicht würde zu Fall bringen können, jedenfalls eine Optimierung der Trassierung in bezug auf ihre Interessen erreichen. Rechtlich nachteilige Folgen können an dieses Verhalten nicht geknüpft werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine Gemeinde mit eigenen Planungen eine Fachplanung grundsätzlich nur abwehren, wenn ihre eigene Planung hinreichend konkret und verfestigt ist (vgl. BVerwGE 100, 388 ≪394≫ mit weiteren Nachweisen). Ebenso entspricht es der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, daß, wenn Fachplanung und Bauleitplanung konkurrieren, diejenige Planung grundsätzlich Rücksicht auf die andere zu nehmen hat, die den zeitlichen Vorrang genießt (BVerwGE 71, 150 ≪156≫; 77, 285 ≪292≫). Entscheidend ist danach, welche Planung – das Fachplanungsvorhaben oder die gemeindliche Bauleitplanung – zuerst einen hinreichenden Grad der Konkretisierung und Verfestigung erreicht hat. Für die Fachplanung tritt eine solche Verfestigung in der Regel mit der Auslegung der Planunterlagen im Anhörungsverfahren ein (so BVerwGE 71, 150 ≪156≫; 77, 285 ≪292≫). Diese fand hier im Zeitraum 1. bis 30. September 1994 statt.

Entsprechendes gilt im Grundsatz für die Konkretisierung gemeindlicher Planungsvorstellungen. So ist etwa in der Rechtsprechung geklärt, daß ein hinreichender Grad der Konkretisierung, der eine weitgehend sichere Erwartung der Verwirklichung der Planung rechtfertigt, bereits dann erreicht ist, wenn ein Bebauungsplan zwar noch nicht als Satzung beschlossen worden ist, aber bereits ein Anhörungsverfahren stattgefunden hat (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 A 11.95 – ≪Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 14 S. 43≫). Noch nicht entschieden ist, ob die Gemeinde sich auch dann auf eine hinreichende Konkretisierung ihrer Planung berufen kann, wenn lediglich ein Gemeinderatsbeschluß zur Aufstellung oder Veränderung eines Flächennutzungsplanes vorliegt. So verhält es sich hier: Das planfestgestellte Eisenbahnvorhaben läuft zwar nicht den Festlegungen des wirksamen Flächennutzungsplanes aus dem Jahre 1975, wohl aber den Absichten zuwider, die dem Beschluß des Gemeinderates zur Änderung des Flächennutzungsplanes vom 9. Februar 1989 zugrunde liegen. Ob danach von einer hinreichenden Konkretisierung der Planung der Klägerin zu 2 auszugehen ist, läßt der Senat, weil es für den Ausgang des Rechtsstreits nicht darauf ankommt, offen. Wird nämlich zugunsten der Klägerin zu 2 unterstellt, daß ihre Absichten ausreichend konkretisiert waren, daß dies ein abwägungserheblicher Belang von nicht untergeordneter Bedeutung war und daß die Abwägung im Planfeststellungsbeschluß (S. 171) wegen Nichtberücksichtigung dieses Belangs an einem offensichtlichen Mangel leidet, so kann jedenfalls nicht festgestellt werden, daß sich dieser Fehler im Sinne des § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG auf das Abwägungsergebnis ausgewirkt haben könnte.

Die das Raumordnungsverfahren im Freistaat Bayern abschließende landesplanerische Beurteilung vom 1. März 1993 enthält unter anderem die Maßgabe, in Coburg einen ICE-Systemhalt einzurichten und auf Dauer zu sichern. Hierzu sei der Bahnhof Coburg über die Verbindungskurven mit Niederfüllbach und Dörfles-Esbach an die östlich Coburgs verlaufende Neubaustrecke anzubinden. Wesentliches Ergebnis des Raumordnungsverfahrens war deshalb das Bestreben, die Stadt Coburg einerseits nicht zu durchfahren, sie jedoch andererseits durch Verbindungskurven in die Abwicklung der ICE-Verkehre einzubinden. Dies konnte nördlich Coburgs nur durch eine Einfädelung in die Bestandsstrecke Coburg – Sonneberg und damit auf dem Gemeindegebiet der Klägerin zu 2 erfolgen (vgl. zur Variantenauswahl bereits den Beschluß des Senats vom 9. September 1996 – BVerwG 11 VR 31.95 – ≪Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 17 = NVwZ-RR 1997, S. 210 ff.≫). Das Gewicht dieser Umstände für die Abwägungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde war, wie die Unterlagen ausweisen (PFB S. 60 f., Erläuterungsbericht S. 47 f.) erheblich.

Andererseits ist zu beachten, daß die Planungshoheit der Klägerin zu 2, wird sie insoweit als bereits ausreichend konkretisiert angesehen, durch das planfestgestellte Vorhaben zwar gestört, aber nicht so nachhaltig beeinträchtigt wird, daß nicht durch Anpassung der eigenen Planung der Klägerin zu 2 an die Fachplanung eine Erweiterung der Gewerbegebietsausweisung im Flächennutzungsplan möglich bliebe. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, daß der bei einer Realisierung der Trasse östlich davon liegende Teil des geplanten Gewerbegebiets nicht erschließbar wäre. Auch bisher ist die Planung der Klägerin zu 2 jedenfalls nicht in dem Sinne verfestigt, daß für sie ein Erschließungskonzept bereitstünde.

Zudem weisen die Planungsunterlagen bei der Feinabstimmung und Feintrassierung der planfestgestellten Planungsvariante 5 eine größtmögliche Schonung der Klägerin zu 2 aus. So verläuft die Neubautrasse soweit wie möglich auf der Gemarkungsgrenze zur Stadt Rödental. Ebenso läßt die Verbindungskurve nach Coburg die Tongrube als Naherholungsgebiet der Klägerin zu 2 unberührt. Auch die Vertreter der Klägerin zu 2 haben nicht darlegen können, wie bei einer Auswahl der Trassenvariante 5 eine noch weitergehende Berücksichtigung ihrer Interessen hätte vorgenommen werden können.

Angesichts dieser Umstände kann nicht angenommen werden, daß sich die Planfeststellungsbehörde bei einer Berücksichtigung der beabsichtigten Gewerbegebietsausweitung der Klägerin zu 2 im Rahmen der Abwägung möglicherweise für eine andere Trassenvariante entschieden hätte.

Soweit die Klägerin zu 2 darüber hinaus vorträgt, das planfestgestellte Vorhaben mache ihr die zukünftige Ausweisung von Wohngebieten im Gemeindegebiet unmöglich, so daß die ihr zustehende Planungshoheit damit inhaltsleer werde, ist ihr entgegenzuhalten, daß die zukünftige Ausweisung von Wohngebieten westlich der Tongrube zwischen den Ortsteilen Esbach und Dörfles sowie westlich oder südwestlich von Esbach keineswegs ausgeschlossen erscheint. Erneut sind dabei die in der Planfeststellung deutlichen Bemühungen hervorzuheben, das Gemeindegebiet der Klägerin zu 2 weitestgehend unangetastet zu lassen.

c) Ohne Erfolg beruft die Klägerin zu 2 sich auf eine Beeinträchtigung ihrer gemeindlichen Finanzhoheit durch Folgemaßnahmen, die durch das Vorhaben der Fachplanung ausgelöst werden. Eine solche Rüge setzt jedenfalls die Darlegung und den Nachweis einer nachhaltigen Einengung des Finanzspielraumes der Gemeinde voraus (ebenso bereits BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 – BVerwG 11 A 65.95 –). Daran fehlt es hier.

d) Als Hoheitsträgerin kann die Gemeinde den Planfeststellungsbeschluß wegen seiner enteignenden Vorwirkung nicht mit der Begründung angreifen, öffentliche, sie nicht in ihrer Planungshoheit schützende Belange, wie solche des Umweltschutzes, seien nicht oder nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt worden. Daß ein Privater eine umfassende gerichtliche Kontrolle eines Planfeststellungsbeschlusses mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung durchsetzen kann, insbesondere auch eine Überprüfung der Einhaltung des Abwägungsgebots in bezug auf öffentliche, nicht seinem Schutz dienende Belange, beruht darauf, daß Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG eine Enteignung nur zum Wohl der Allgemeinheit zuläßt und damit eine dem objektiven Recht nicht entsprechende Enteignung ausschließt. Dieser Schutz kommt einer Gemeinde nicht zu, da sie nicht Grundrechtsträger ist, sich damit also auch nicht auf Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG berufen kann. Ob die Gemeinden gegen die Inanspruchnahme ihres Eigentums Rechtsschutz beanspruchen, nämlich geltend machen können, die betreffende Maßnahme entspreche nicht dem Gesetz, ist eine Frage des einfachen materiellen Rechts. Nur wenn durch die Inanspruchnahme gemeindlicher Grundstücke der Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG berührt wird, ist Rechtsschutz verfassungsrechtlich geboten. Auch die von den Klägerinnen angeführten Vorschriften des Bayerischen Landesrechts, insbesondere des bayerischen Enteignungsgesetzes, entfalten demgegenüber keine weitergehende Schutzwirkung (vgl. BVerwGE 100, 388 ≪391 f.≫). Daß die geplante Inanspruchnahme gemeindlicher Grundstücke sie im Einzelfall besonders träfe, haben die Klägerinnen im übrigen nicht geltend gemacht.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Diefenbach, Dr. Storost, Kipp, Vallendar

Richter Dr. Kugele ist wegen Urlaubs gehindert, seine Unterschrift beizufügen.

Dr. Diefenbach

 

Fundstellen

Haufe-Index 1440713

AgrarR 1999, 96

DÖV 1998, 395

NuR 1998, 199

ZUR 1998, 81

BayVBl. 1998, 472

UPR 1998, 112

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