Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausgleichszulage. Polizeivollzugsdienst. Polizeizulage. Ruhegehaltfähigkeit. Stellenzulage. tatsächliche Zahlung. Wartezeit. Zulage. zulageberechtigende Verwendung

 

Leitsatz (amtlich)

Zu der im Bundesbesoldungsgesetz geforderten Mindestzeit einer zehnjährigen zulageberechtigenden Verwendung, nach der die Stellenzulage für Beamte und Soldaten mit vollzugspolizeilichen Aufgaben ruhegehaltfähig ist, kann auch die Wartezeit von einem Jahr gehören, während der die Zulage noch nicht gezahlt wird.

 

Normenkette

BBesG (1991) § 13 Abs. 5-6, § 81; BBesG (1991) Vorbemerkungen Nrn. 3a, 9; BBesG (1991) Anlage IX

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 11.06.2001; Aktenzeichen 3 L 106/99)

VG Schleswig-Holstein (Urteil vom 27.05.1999; Aktenzeichen 16 A 389/97)

 

Tenor

Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Juni 2001 und das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 27. Mai 1999 sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. August und 17. November 1997 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Ausgleichszulage nach § 13 Abs. 5 BBesG a.F. zu gewähren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger war bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand Beamter im Dienst der Beklagten. In der Zeit vom 1. September 1975 bis zum 2. August 1987 nahm er in insgesamt 10 Jahren, 8 Monaten und 24 Tagen Polizeivollzugsaufgaben wahr und erhielt deshalb für mehr als neun Jahre eine Zulage („Polizeizulage”) nach Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B. Während des ersten Jahres wurde ihm die Zulage nicht gewährt, weil er die Wartezeit von einem Jahr (Anlage IX zu Nr. 9 der genannten Vorbemerkungen) noch nicht erfüllt hatte.

1987 wurde der Kläger in den Innendienst versetzt und die Zahlung der Polizeizulage eingestellt. Ab dem 1. März 1990 erhielt er eine Ausgleichszulage nach § 13 Abs. 5 BBesG a.F. in Höhe von 200 DM monatlich. 1993 nahm die Beklagte die Bewilligung der Ausgleichszulage zurück und stellte die Zahlung ein, weil der Kläger nicht zehn Jahre lang zulageberechtigend verwendet worden sei.

Mit Schreiben vom 8. Januar 1996 beantragte der Kläger vergeblich, die Ausgleichszulage weiter zu gewähren. Seine Klage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Verwendung des Klägers bei der Grenzaufsichtsstelle L. sei in der Zeit vom 1. September 1975 bis zum 30. August 1976 nicht als zulageberechtigend zu werten. Die Zulage sei erst nach einer Dienstzeit von einem Jahr zu gewähren gewesen; vor Ablauf dieser Zeit sei der Beamte deshalb nicht zulageberechtigend verwendet worden.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt,

den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Juni 2001, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 27. Mai 1999 sowie die Bescheide vom 29. August 1997 und 17. November 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Ausgleichszulage nach § 13 Abs. 5 BBesG a.F. zu gewähren.

Die Beklagte tritt der Revision entgegen und beantragt,

sie zurückzuweisen.

Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt die Auffassung der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Dem Kläger stand die beantragte Ausgleichszulage zu. Mit ihrer entgegenstehenden Auffassung verletzt die Berufungsentscheidung revisibles Recht (vgl. § 127 Nr. 2 BRRG).

Nach § 13 Abs. 5 BBesG in der anzuwendenden Fassung vom 6. Februar 1991 (BGBl I S. 293) erhält der Beamte eine Ausgleichszulage entsprechend Abs. 1 Satz 2 in den Fällen, in denen für die Ruhegehaltfähigkeit einer Stellenzulage eine mindestens zehnjährige zulageberechtigende Verwendung gefordert ist, wenn er nach Erfüllung dieser Voraussetzung aus dienstlichen Gründen aus der Verwendung ausscheidet, um eine andere Verwendung zu übernehmen, und sich dadurch sein Grundgehalt verringert. Zum Grundgehalt in diesem Sinne gehören auch ruhegehaltfähige Stellenzulagen (§ 13 Abs. 6 a.F. BBesG).

Die sog. Polizeizulage nach Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B (Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz) ist eine Stellenzulage, die in dem hier maßgebenden Zeitraum nach Nr. 3 a Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a der Vorbemerkungen ruhegehaltfähig war, wenn der Beamte mindestens zehn Jahre zulageberechtigend verwendet worden war. Diese durch Gesetz vom 28. Mai 1990 (BGBl I S. 967) eingefügte und durch Gesetz vom 29. Juni 1998 (BGBl S. 1666) wieder aufgehobene Regelung gilt für Personen weiter, die bis zum 31. Dezember 2007 (für Empfänger von Dienstbezügen der Besoldungsgruppe A 1 bis A 9, zu denen der Kläger gehört, bis zum 31. Dezember 2010) in den Ruhestand treten oder getreten sind (§ 81 Abs. 2 BBesG).

Der Kläger ist mehr als zehn Jahre zulageberechtigend verwendet worden, da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts über diesen Zeitraum die Voraussetzungen der Vorbemerkung Nr. 9 vorgelegen haben. Ohne Bedeutung ist, dass der Kläger die Zulage nach der Vorbemerkung Nr. 9 tatsächlich nicht über zehn Jahre erhalten (vgl. Urteil vom 27. Februar 2001 – BVerwG 2 C 6.00 – Buchholz 239.2 § 17 SVG Nr. 3) und auch einen Zahlungsanspruch nur für weniger als zehn Jahre gehabt hat. Mit der Formulierung „zulageberechtigende Verwendung” bezeichnet § 13 Abs. 5 BBesG a.F. die tatbestandlichen Voraussetzungen, die nach der einschlägigen Zulageregelung erfüllt sein müssen. Darüber hinausgehende Anforderungen werden nicht gestellt.

Dass eine zulageberechtigende Verwendung nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil ein Leistungsanspruch bezüglich der Zulage nicht besteht, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorbemerkung Nr. 3 a Abs. 2 a.F. Danach werden in den Fällen, in denen für die Ruhegehaltfähigkeit einer Stellenzulage eine Mindestzeit zulageberechtigender Verwendung gefordert ist, auch Zeiten vor In-Kraft-Treten der jeweiligen Vorschrift oder Zeiten des Ausschlusses wegen einer Konkurrenzregelung berücksichtigt. Damit hat der Gesetzgeber selbst deutlich gemacht, dass eine Verwendung auch dann zulageberechtigend sein kann, wenn ein Anspruch auf Zahlung der Zulage nicht besteht.

§ 13 Abs. 5 BBesG a.F. geht ebenso wie die Vorbemerkung Nr. 3 a Satz 1 a.F. davon aus, dass der Beamte zulageberechtigend u.a. dann verwendet wird, wenn er ein in der Vorbemerkung Nr. 9 bezeichnetes Amt im abstrakt-funktionellen Sinne ausübt. Die Wortwahl „zulageberechtigende Verwendung” folgt der Systematik des Bundesbesoldungsgesetzes, wonach Rechtsgrund (vgl. Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz) und Höhe einer Stellenzulage (Anlage IX zum Bundesbesoldungsgesetz) getrennt voneinander geregelt werden. Von dieser Unterscheidung gehen ausdrücklich der Einleitungssatz der Anlage IX zum Bundesbesoldungsgesetz sowie die Vorbemerkung Nr. 3 a Abs. 1 Satz 3 a.F. aus. Da die verwendungsbezogenen Merkmale einer Zulageberechtigung der Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz zugeordnet sind, reicht es auch im Hinblick auf den Mindestzeitraum des § 13 Abs. 5 BBesG a.F. aus, dass die materiellen Voraussetzungen des gesetzlichen Zulagetatbestandes vorliegen. Zeitliche Staffelungen, die sich aus der Anlage IX zum Bundesbesoldungsgesetz ergeben, haben Einfluss auf die Höhe der Zulage und besagen nichts über die normativen Erfordernisse einer zulageberechtigenden Verwendung.

Der Aufschub des Zahlungsanspruchs nach der Anlage IX zum Bundesbesoldungsgesetz zu Nr. 9 – ebenso zu Nr. 10 Abs. 1 – um eine Dienstzeit von einem Jahr schließt es nicht aus, dass der Beamte auch während dieser „Wartezeit” zulageberechtigend verwendet werden kann. Der Begriff der Dienstzeit im Sinne dieser Bestimmungen verlangt zwar nicht eine spezifische Verwendung entsprechend einer Zulageregelung nach der Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz. Wird der Beamte jedoch im ersten Dienstjahr gemäß den Merkmalen der Vorbemerkung Nr. 9 beschäftigt, bleibt diese anfängliche Verwendungsperiode nach § 13 Abs. 5 BBesG a.F. nicht unberücksichtigt, weil die Stellenzulage mit Rücksicht auf das tatsächlich wahrgenommene Amt im abstrakt-funktionellen Sinne ausgebracht ist und andere Gesichtspunkte wie z.B. Amtsdauer oder Erschwernisse bei der Dienstausübung nicht honoriert werden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer

 

Fundstellen

ZBR 2002, 363

ZTR 2002, 400

DÖD 2002, 252

PersV 2003, 271

DVBl. 2002, 1228

IÖD 2002, 218

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