Tenor

Der Antrag des Beklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren, wird abgelehnt.

 

Gründe

Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist gemäß § 60 VwGO zulässig. Ihm steht insbesondere nicht entgegen, daß der Senat durch Beschluß vom 11. November 1999 die Revision des Beklagten mangels einer Revisionsbegründung bereits verworfen hat. Der Antrag ist fristgerecht gestellt worden (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Die versäumte Revisionsbegründung ist auch innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden (§ 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist dem Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne sein Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Die Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags sind innerhalb der Antragsfrist vorzutragen, soweit sie nicht offenkundig sind, was hier jedoch nicht in Betracht kommt.

Der Beklagte hat nicht dargelegt, daß er ohne sein Verschulden verhindert war, die gesetzliche Monatsfrist zur Begründung der Revision (§ 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO) einzuhalten. Er hat insoweit vorgetragen: Der Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. September 1999 – BVerwG 1 B 54.99 – über die Zulassung der Revision sei ihm am 4. Oktober 1999 zugestellt worden. Das Empfangsbekenntnis sei von der dafür zuständigen Sekretärin des Generallandesanwalts unterzeichnet worden. Der Beschluß sei dem sachbearbeitenden Oberlandesanwalt aber nicht vorgelegt worden. Trotz aller Nachforschungen habe sich nicht feststellen lassen, wo der Beschluß verblieben sei. Wahrscheinlich sei er versehentlich einem anderen Vorgang zugeordnet und abgeheftet worden. Es lasse sich auch nicht feststellen, wer an dem Verschwinden des Beschlusses schuld sei. Insoweit könne nur der in Frage kommende Personenkreis eingegrenzt werden, der neben der erwähnten Sekretärin den Boten und zwei Registraturkräfte umfasse. Bei allen vier Personen handele es sich um langjährig erprobte, mit der erforderlichen Sorgfalt ausgewählte, angeleitete und überwachte Mitarbeiter, denen bisher ein vergleichbarer Fehler nicht unterlaufen sei.

Diese Gründe rechtfertigen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht. Verschuldet ist ein Fristversäumnis, wenn der Beteiligte nicht die Sorgfalt hat walten lassen, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und nach den gesamten Umständen zumutbar gewesen ist. Der Beklagte trägt keinen Sachverhalt vor, aus dem sich ergibt, daß die Versäumung der Frist auf einem unverschuldeten Hindernis beruht. Der Beklagte weiß nicht, welche tatsächlichen Umstände dazu geführt haben, daß der ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 4. Oktober 1999 ihm wirksam zugestellte Beschluß vom 28. September 1999 nicht an den zuständigen Oberlandesanwalt, dem die Prozeßführung im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO im vorliegenden Verfahren obliegt, gelangt ist. Danach ist nicht ausgeschlossen, daß die für die Entgegennahme zugestellter Schriftstücke zuständige Bedienstete den Beschluß nicht oder nicht ordnungsgemäß dem Oberlandesanwalt zugeleitet und damit die Fristversäumung schuldhaft verursacht hat. Da sie die Landesanwaltschaft bei der Empfangnahme des der Behörde zugestellten Beschlusses vertritt und insoweit die Funktion des Vorstehers der Behörde (§ 7 Abs. 2 VwZG) ausübt, ist ein etwaiges ihr in diesem Zusammenhang zur Last fallendes Verschulden nicht anders als ein solches des Behördenleiters selbst dem Beklagten zuzurechnen.

Außerdem hat der Beklagte nicht vorgetragen, daß er Vorkehrungen in der Behörde getroffen habe, die ein „Abhandenkommen” insbesondere solcher Schriftstücke, deren Zustellung eine Frist in Lauf setzt, möglichst verhindern und auch sonst einer Fristversäumung vorbeugen. Namentlich ist nichts dafür dargetan, ob und wie bei der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses für die Notierung der Frist gesorgt und durch welche Maßnahmen die Wahrung der Frist kontrolliert wird. Ebenso fehlt es z.B. an Angaben, ob und gegebenenfalls in welcher Weise – etwa durch besonderen Aktendeckel – Fristsachen gekennzeichnet werden, um eine besonders sorgfältige und eine Fristversäumung vermeidende Bearbeitung durch die Mitarbeiter der Behörde, insbesondere die umgehende Vorlage an den prozeßführenden Beamten sicherzustellen. Unter diesen Umständen muß davon ausgegangen werden, daß keine oder doch keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen worden sind, damit Schriftstücke, die fristgebundene Prozeßhandlungen auslösen können, den prozeßführenden Beamten erreichen und die Frist bei der Zustellung notiert und ausreichend überwacht wird. Das gilt um so mehr, als der Vortrag des Beklagten, der Beschluß vom 28. September 1999 sei möglicherweise in der Registratur versehentlich einem anderen Vorgang zugeordnet worden, nicht erklärt, weshalb nicht dieser Vorgang, obwohl mit der Zustellung des Beschlusses eine Rechtsmittelbegründungsfrist in Lauf gesetzt worden war, einem prozeßführenden Beamten vorgelegt wurde, was zu einer Aufdeckung des Versehens geführt hätte. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß es insoweit an der zur Verhinderung von Fristversäumungen erforderlichen Organisation des Geschäftsganges fehlt und dieser Mangel ursächlich dafür ist, daß die Revisionsbegründungsfrist nicht eingehalten wurde. Das Unterlassen ausreichender organisatorischer Maßnahmen stellt ein Verschulden des Zustellungsadressaten dar und schließt die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.

Der Antrag war daher abzulehnen.

 

Unterschriften

Meyer, Hahn, Groepper

 

Fundstellen

Dokument-Index HI565889

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