Entscheidungsstichwort (Thema)

öffentliche Baulast. Baulastverzeichnis. Zwangsversteigerung. Zuschlagsbeschluß. Löschung. geringstes Gebot. Baubeschränkung. Landesrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Die öffentliche Baulast ist ein eigenständiges Rechtsinstitut des Landesrechts (Bestätigung von BVerwG, Beschluß vom 27. September 1990 – BVerwG 4 B 34 und 35.90 – Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 32). Das Landesrecht kann daher auch bestimmen, unter welchen formellen und materiellen Voraussetzungen eine öffentliche Baulast erlischt.

Das Bundesrecht ergibt nicht, daß eine öffentliche Baulast im Verfahren der Zwangsversteigerung aufgrund eines erteilten Zuschlages (§ 90 Abs. 1 ZVG) erlischt.

 

Normenkette

EGBGB Art. 111; EGZVG § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 9 Abs. 1; ZVG § 10 Abs. 1 Nr. 3, § 52 Abs. 1, § 90 Abs. 1; VwGO § 137 Abs. 1; GG Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 19.05.1992; Aktenzeichen 1 L 99/91)

VG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 25.04.1989; Aktenzeichen 8 A 248/88)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Mai 1992 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstückes. Er hat es von der örtlichen Kreissparkasse erworben. Diese hat das Grundstück ihrerseits im Wege der Zwangsversteigerung aufgrund des Zuschlagsbeschlusses vom 12. März 1986 erlangt.

Auf dem klägerischen Grundstück lastet zugunsten des benachbarten Grundstücks eine öffentliche, im Baulastverzeichnis eingetragene Baulast. Danach sind auf dem klägerischen Grundstück unter anderem 12 Kfz-Stellplätze vorzusehen. Der Baulast liegt eine entsprechende Verpflichtungserklärung des früheren Eigentümers zugrunde.

Der Kläger ist der Ansicht, die öffentliche Baulast sei durch die Zwangsversteigerung des Grundstücks untergegangen. Seinen auf Löschung gerichteten Antrag lehnte der beklagte Landrat ab. Der Widerspruch blieb erfolglos. Klage und Berufung hatten ebenfalls keinen Erfolg. Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die vorgetragenen Beschwerdegründe ergeben nicht, daß die allein geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erfüllt sind. Die Beschwerde wirft mit ihrem Vorbringen keine klärungsbedürftigen Fragen des revisiblen Rechts auf (§ 137 Abs. 1 VwGO).

Die öffentliche Baulast ist ein eigenständiges Rechtsinstitut des Landesrechts. Die bundesrechtliche Ermächtigung an den Landesgesetzgeber ergibt sich mittelbar aus Art. 72 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem bundesrechtlichen Baurecht, ausdrücklich zudem aus dem Vorbehalt des Art. 111 EGBGB. Insbesondere wird der Landesgesetzgeber weder durch Art. 74 Nr. 1 GG noch durch §§ 1018, 1090 BGB gehindert, öffentlich-rechtliche Baulastvorschriften im Rahmen des Bauordnungsrechts vorzusehen und auszugestalten (vgl. BVerwG, Beschluß vom 27. September 1990 – BVerwG 4 B 34 und 35.90 – Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 32 = ZfBR 1991, 31 = NJW 1991, 713 = UPR 1991, 72 = BauR 1991, 62).

Demgemäß bestimmt das Landesrecht auch, unter welchen formellen und materiellen Voraussetzungen eine öffentliche Baulast entsteht und erlischt. Das Berufungsgericht legt in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Gericht das maßgebende Landesbauordnungsrecht dahin aus, daß dieses den Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren nicht als einen Fall des Erlöschens der Baulast erfaßt. Beide vorinstanzlichen Gerichte begründen dieses Ergebnis mit dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Baulast. Dieses sei kein einer privatrechtlichen Grunddienstbarkeit vergleichbares Recht an einem Grundstück, sondern eine öffentlich-rechtliche Baubeschränkung und diene insoweit dem materiellen öffentlichen Baurecht. Diese Aufgabe werde von dem Eigentumswechsel im Verfahren der Zwangsversteigerung nicht berührt. Für das Revisionsgericht ist diese Auslegung des irrevisiblen Landesrechts bindend (vgl. §§ 173 Abs. 1, 173 VwGO, § 562 ZPO). Insoweit stellen sich keine in einem Revisionsverfahren klärungsfähigen Rechtsfragen.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Beschwerde auch nicht aus den Regelungen der §§ 10 Abs. 1 Nr. 3, 52 Abs. 1 Satz 2, 91 Abs. 1 ZVG. Zwar gehören diese Vorschriften dem Bundesrecht an; indes stellen sich insoweit keine klärungsbedürftigen Fragen. Es ist in Rechtsprechung und Schrifttum unumstritten, daß § 52 Abs. 1 ZVG entgegen seinem Wortlaut nicht abschließend gemeint ist. Außerhalb des geringsten Gebotes bleiben Rechte bestehen, wenn dies im Einzelfall gesetzlich bestimmt ist. Dabei mag dahinstehen, ob die öffentliche Baulast überhaupt als ein Recht in diesem Sinne anzusehen ist. Das mag durchaus zweifelhaft sein. Das (landesrechtliche) Rechtsinstitut der öffentlichen Baulast ist im öffentlichen Baurecht zu einem Zeitpunkt entstanden, als das Zwangsversteigerungsrecht bereits in der heutigen Form ausgebildet worden war, sich das Rechtsinstitut der öffentlichen Baulast aber erst entwickelte. Maßgebend sind die in §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1, 9 Abs. 1 EGZVG enthaltenen Vorbehalte zugunsten der Landesgesetzgebung. Sie eröffnen – unabhängig von Art. 111 EGBGB – dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit, für bestimmte Rechte abweichende Regelungen zu treffen. Daß der Landesgesetzgeber dies auch für nach heutigem Verständnis öffentlich-rechtliche Befugnisse oder Rechte nutzen kann, ist nicht zweifelhaft. Insbesondere der in § 2 Abs. 1 EGZVG enthaltene Bezug auf vergleichbare Vorbehalte zugunsten der Landesgesetzgebung im EGBGB verdeutlicht, daß der Landesgesetzgeber ermächtigt werden sollte, bestimmte Rechte vom Verfahren der Zwangsversteigerung auszuschließen. Das Berufungsgericht, das diese Vorschriften zwar nicht im einzelnen näher bezeichnet, ist so zu verstehen, daß der Landesgesetzgeber hiervon für die öffentliche Baulast Gebrauch gemacht hat. Ob sich der Landesgesetzgeber auch anders hätte entscheiden können, bedarf daher keiner Erörterung.

Die Beschwerde wirft mit ihrem Vorbringen keine Fragen auf, welche sich auf die Auslegung der bundesrechtlichen Vorschriften des Art. 111 EGBGB oder der §§ 2 ff. EGZVG beziehen. Ob es sinnvoll ist – wie die Beschwerde näher ausführt –, die öffentliche Baulast aus Gründen der Rechtssicherheit im Zwangsversteigerungsverfahren in das geringste Gebot aufzunehmen oder in anderer Weise für ihre Publizität zu sorgen, ist hier nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Schlichter, Berkemann, Hien

 

Fundstellen

BRS 1992, 430

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