Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlassverwaltung

 

Leitsatz (redaktionell)

Zu den unterschiedlichen Voraussetzungen des Vorliegens einer Nachlasspflegschaft und einer Nachlassverwaltung.

 

Normenkette

BGB §§ 1960, 1975

 

Verfahrensgang

VG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 14.05.1998; Aktenzeichen 4 K 292/95)

 

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 14. Mai 1998 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 199 350 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Sie rügt zu Recht eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil das Verwaltungsgericht im Tatbestand des Urteils die Anordnung einer Nachlaßpflegschaft festgestellt habe, in den Entscheidungsgründen aber von einer Nachlaßverwaltung ausgegangen sei. Diese Verfahrensrüge greift durch. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Streitsache an das Verwaltungsgericht (§ 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die „Freiheit”, die dieser sogenannte Überzeugungsgrundsatz dem Tatsachengericht zugesteht, bezieht sich auf die Bewertung von Tatsachen und Beweisergebnissen, d.h. auf die Bewertung der für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände. Der Überzeugungsgrundsatz kann aber nicht für eine Würdigung in Anspruch genommen werden, die im Vorgang der Überzeugungsbildung an einem Fehler leidet, z.B. an der Mißachtung gesetzlicher Beweisregeln oder an der Berücksichtigung von Tatsachen, die sich weder auf ein Beweisergebnis noch sonstwie auf den Akteninhalt stützen lassen (vgl. Urteil vom 25. Mai 1984 – BVerwG 8 C 108.82 – Buchholz 448.0 § 11 WPflG Nr. 35 S. 6 ≪15 f.≫ m.w.N.). Insbesondere wenn – wie hier – die rechtliche Würdigung auf einer Tatsache beruht, die im Widerspruch zu den Feststellungen des Gerichts im Tatbestand des Urteils steht, beruht die Überzeugung des Gerichts nicht auf dem Gesamtergebnis des Verfahrens i.S.d. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Das Verwaltungsgericht hat im Tatbestand – in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt – festgestellt, daß Herr G. mit Verfügung des Staatlichen Notariats vom 20. April 1957 zum „Nachlaßpfleger” bestellt wurde, weil eine ordnungsgemäße Erbeslegitimation nicht vorliege. Im Gegensatz dazu ist das Gericht in den Entscheidungsgründen davon ausgegangen, Herr G. sei zum „Nachlaßverwalter” bestellt worden. Daß es sich dabei nicht nur um eine (wiederholt gebrauchte) falsche Bezeichnung handelt, ergibt sich daraus, daß das Gericht ausdrücklich auf die §§ 1975 BGB ff. verweist, in denen die Nachlaßverwaltung geregelt ist, und weiter als generellen Zweck einer solchen Bestellung die „Befriedigung der Nachlaßgläubiger bei zureichendem, aber unübersichtlichem Nachlaß” bezeichnet. Gerade darum ging es aber nach dem Inhalt der Bestallungsurkunde und den Feststellungen im Tatbestand nicht, sondern vielmehr um eine ungeklärte Erbfolge, also eine Nachlaßpflegschaft nach § 1960 Abs. 2 BGB.

Auf diesem Mißverständnis vom Inhalt der Bestallung kann das Urteil auch beruhen. Während der Nachlaßpfleger nach § 1960 BGB die Interessen des oder der (unbekannten) Erben wahren soll, dient die Nachlaßverwaltung der Wahrung der Interessen der Gläubiger wegen der damit verbundenen Haftungsbeschränkung des oder der Erben auf den Nachlaß. Aus dieser unterschiedlichen Aufgabenstellung könnten sich auch für die hier entscheidungserhebliche Frage, ob der Verkauf eines zum Nachlaß gehörenden Grundstücks durch den Nachlaßpfleger ohne Zustimmung der Erben als unlautere Machenschaft anzusehen ist, Konsequenzen ergeben.

Das Verwaltungsgericht wird daher unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Verkauf von Grundstücken durch einen Abwesenheitspfleger (vgl. u.a. Urteil vom 29. Januar 1998 – BVerwG 7 C 18.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 137) der Frage nachzugehen haben, wie die rechtlichen Befugnisse eines Nachlaßpflegers in der DDR zum damaligen Zeitpunkt waren, und wird gegebenenfalls dazu auch Feststellungen zur Rechtspraxis in der DDR treffen müssen.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 13, 14 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Müller, Golze, Postier

 

Fundstellen

SGb 2000, 480

SozSi 2001, 143

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