Verfahrensgang

OVG Berlin (Beschluss vom 15.11.1990; Aktenzeichen PV Bln 21.90)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen Berlin – vom 15. November 1990 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 6.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Beschwerdegerichts sind nicht gegeben. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts weicht nicht gemäß § 91 Abs. 2 PersVG Berlin in Verbindung mit den §§ 92 a Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG von einem der in der Beschwerdeschrift aufgeführten Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts ab.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschluß vom 22. Juni 1989 – BVerwG 6 PB 16.88 – PersR 1989, 275) besteht eine die Rechtsbeschwerde eröffnende Divergenz nur dann, wenn das Beschwerdegericht seinem Beschluß einen abstrakten, die Entscheidung tragenden Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der im Widerspruch zu einem ebensolchen Rechtssatz in einem der bezeichneten Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts bzw. eines anderen mit Streitigkeiten aus dem Personalvertretungsrecht befaßten Gerichts steht, das mit den in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG bezeichneten Gerichten vergleichbar ist. Das ist nicht der Fall.

Der angegriffene Beschluß des Beschwerdegerichts beruht auf der Rechtsauffassung, die Freistellungsregelung des § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG Berlin sei auch Ausdruck eines Minderheitenschutzes mit der Folge, daß selbst eine im Verhältnis zu den anderen Gruppen besonders kleine Gruppe nicht ohne besondere Gründe bei der Freistellung übergangen werden dürfe, es sei denn, daß sachliche und stichhaltige Erwägungen das übergehen einer Gruppe rechtfertigten. Sei die Zahl der Freistellungen nach § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 PersVG Berlin wie in dem zu entscheidenden Fall sogar größer als die Zahl der im Personalrat vertretenen Gruppen und könnten deshalb ohne Vernachlässigung einer anderen Gruppe doppelt so viele Vorstandsmitglieder der stärksten Gruppe freigestellt werden wie Mitglieder der anderen Gruppen, so seien an die Gründe, aus denen die stärkste Gruppe zu Lasten einer dann leerausgehenden Gruppe eine weitere Freistellung erhalten solle, besonders strenge Anforderungen zu stellen.

Dieser die Entscheidung tragende abstrakte Rechtssatz steht mit keinem Rechtssatz in einem der vom Beteiligten zu 1) aufgeführten Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts im Widerspruch:

1. Im Beschluß vom 26. Oktober 1977 – BVerwG 7 P 21.75 – (Buchholz 238.32 § 43 Bln PersVG Nr. 1) hat das Bundesverwaltungsgericht die Freistellungsvorschriften der §§ 43 Abs. 1 Satz 3, 53 PersVG Berlin in der Fassung vom 26. Juli 1974 (GVBl. S. 1669) dahin gehend ausgelegt, daß nach der dort getroffenen Regelung (angemessene Berücksichtigung der Gruppen bei der Freistellung) in erster Linie die Vorstandsmitglieder zu einer Freistellung berufen seien. Diese dürften erst übergangen werden, wenn stichhaltige Gründe, die im Bereich sachlicher und beachtenswerter Erwägungen lägen, dies rechtfertigten.

Mit dieser Rechtsauffassung stehen die Ausführungen des Beschwerdegerichts ersichtlich nicht in Widerspruch. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, bei der Beschlußfassung hätten stichhaltige, im Bereich erachtenswerter Erwägung liegende Gründe vorgelegen, die die Freistellungsentscheidung und die Abweichung von der Regel rechtfertigten, trägt er nicht die Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz vor, sondern er beanstandet die Würdigung des Einzelfalles durch das Beschwerdegegericht. Das kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffen werden.

2. In dem Beschluß vom 17. Januar 1969 – BVerwG 7 P 6.67 – (BVerwGE 31, 192 = Buchholz 238.3 § 42 PersVG Nr. 4) hat das Bundesverwaltungsgericht zwar ausgeführt, daß die Anwendung des Gruppenprinzips nicht dazu führen könne, daß, wenn nur ein oder zwei Gruppenvertreter des Vorstands in Betracht kämen und deshalb eines der nach § 31 Abs. 1 PersVG in den Vorstand gewählten Mitglieder zurücktreten müsse, bei der Auswahl der Vorzuschlagenden stets von der Gruppenstärke ausgegangen werden müsse. Das Gruppenprinzip verlange nur, daß der Vorsitzende und sein Stellvertreter jeweils einer anderen Gruppe angehören müßten. Da es sich bei dem Vorsitzenden und den freigestellten Mitgliedern um Bedienstete handele, die sich im besonderen Maße der Geschäftsführung und der Wahrnehmung der Belange der Personalvertretung zu widmen hätten, sei es selbstverständlich, daß sie das Vertrauen der Mehrheit des Personalrates besitzen müßten. Hierzu steht der eingangs angeführte Rechtssatz des Beschwerdegerichts nicht im Widerspruch. Zum einen betrafen die Rechtsausführungen des Bundesverwaltungsgerichts den Fall, daß nur zwei Mitglieder vom Dienst freigestellt werden konnten und deshalb eines der in den Vorstand nach § 31 Abs. 1 PersVG gewählten Mitglieder zurücktreten mußte, während das Beschwerdegericht seine Ausführungen ausdrücklich auf den Fall bezogen hat, daß die Zahl der Freistellungen größer ist als die Zahl der im Personalrat vertretenen Gruppen. Zum anderen betreffen die Ausführungen des Beschwerdeführers, es gebe kein vom Vertrauen der Gruppe und des Plenums des Personalrats getragenes Vorstandsmitglied der Arbeitergruppe, und der Personalrat habe bei seiner Auswahlentscheidung in seine Überlegung auch als beachtenswerten Punkt einbezogen, daß aus der stärksten Gruppe die meisten vom Personalrat zu bearbeitenden Fälle kämen, nicht einen allgemeinen Rechtssatz, sondern damit wird die Einzelfallwürdigung des Beschwerdegerichts beanstandet, was – wie dargelegt – nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden kann.

3. In seinem Beschluß vom 10. Oktober 1957 – BVerwG II CO 1.57 – (BVerwGE 5, 263 = Buchholz 238.2 § 42 PersVG Nr. 1) hat das Bundesverwaltungsgericht folgendes ausgeführt: Wenn das Gruppenprinzip erheische, daß zum Vorsitzenden und zu dessen Stellvertretern grundsätzlich die nach § 31 Abs. 1 PersVG von den Vertretern der Gruppen gewählten Vorstandsmitglieder bestimmt würden, so sei es grundsätzlich auch geboten, daß diese Vorstandsmitglieder in erster Linie für die Freistellung vorgeschlagen würden. Es gehe nicht ohne weiteres an, daß gerade diese Vorstandsmitglieder durch Mehrheitsbeschluß des Personalrats gegenüber zugewählten Vorstandsmitgliedern in der praktischen Möglichkeit, ihre Aufgabe zu versehen, hintangesetzt würden. Damit stehen – wie dargelegt – die Rechtsausführungen des Beschwerdegerichts nicht in Widerspruch. Der Hinweis des Beschwerdeführers, der Personalrat sei sich bei seiner Beschlußfassung darüber im klaren gewesen, daß der Abweichung vom Grundsatz des Gruppenprinzips Ausnahmecharakter zukomme, ist ebenfalls kein Gesichtspunkt, der im Zusammenhang mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann, da auch dies kein abstrakter Rechtssatz ist, sondern die Würdigung des Verhaltens des Personalrates darstellt.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 BRAGO.

 

Unterschriften

Dr. Niehues, Ernst, Dr. Vogelgesang

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1214324

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