Verfahrensgang

Hessischer VGH (Aktenzeichen 8 UE 1541/98)

 

Tenor

Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Juni 2001 wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Durch Verfügung vom 9. Januar 1996 hatte die Börsenaufsichtsbehörde dem Kläger einen „Verweis” gemäß § 9 Abs. 2 BörsG erteilt, weil er in zwei näher bezeichneten Fällen trotz Vermittlungsmöglichkeit ein Eigen- bzw. Aufgabegeschäft getätigt hatte. Zum 1. Februar 1996 trat eine sog. norminterpretierende Verwaltungsvorschrift der Geschäftsführung der Frankfurter Wertpapierbörse in Kraft, die nähere Regeln über die Tätigkeit der Kursmakler zum Gegenstand hat. Diesen Regeln entnahm das Ministerium eine der „nachträglichen Änderung der Sachlage” i.S. des § 49 HVwVfG vergleichbare Situation und widerrief mit Verfügung vom 17. September 1997 den Verweis. Die danach mit einem Fortsetzungsfeststellungsantrag geführte Klage gegen den Verweis vom 9. Januar 1996 hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Das VG Frankfurt hielt im Urteil vom 18. September 1997 (NJW-RR 1998, 408) die Klage für zulässig, aber unbegründet. Während des Berufungsverfahrens wurde die sog. norminterpretierende Verwaltungsvorschrift geändert. Der HessVGH hat die von ihm zugelassene Berufung zurückgewiesen, weil die Fortsetzungsfeststellungsklage wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig sei.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Beschluss hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an den Verwaltungsgerichtshof. Der angefochtene Beschluss beruht auf einem von dem Kläger dargelegten Verfahrensmangel.

Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen verleihen der Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.

a) Die von dem Kläger für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig angesehene Frage, „ob ein Skontroführer auch dann Eigen- oder Aufgabegeschäfte abschließen darf, wenn er sich mit diesen Selbsteintritten an die Stelle von über das Skontro vermittelbaren Kundenorder stellt und diese Kundenorder infolge des Selbsteintritts nicht zur Ausführung gelangen”, kann nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen. Wie der Kläger nicht verkennt, hat das Berufungsgericht seine Entscheidung allein darauf gestützt, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig sei, ohne zur Begründetheit der Klage Stellung zu nehmen. Auf die vom Kläger für klärungsbedürftig gehaltene Problematik ist es auch im Zusammenhang mit den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht eingegangen. Der Verwaltungsgerichtshof hat unter drei Aspekten das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Feststellung des aufgehobenen Sanktionsbescheides geprüft und verneint. Eine beabsichtigte Schadensersatzklage hat das Berufungsgericht für offensichtlich aussichtslos erachtet, weil das Verwaltungsgericht als Kollegialgericht den Verweis für rechtmäßig erachtet habe. Ein anzuerkennendes Rehabilitationsinteresse hat der Gerichtshof mit den tragenden Erwägungen verneint, dass der Beklagte seinen Bescheid ersatzlos aufgehoben habe, der deshalb den Kläger nicht mehr belasten könne, der Sache nach eher eine Rücknahme nach § 49 HessVwVfG als ein Widerruf nach § 48 HessVwVfG vorliege und die Aufhebung nicht nur mit ex-nunc-Wirkung erfolgt sei; der Beklagte habe ausdrücklich erklärt, dass ein Vorwurf aus der Sicht des Landes nicht bestehen bleibe. Erst in seinen weiteren „unabhängig davon” stehenden Ausführungen ist das Berufungsgericht auf mögliche abträgliche Nachwirkungen des Sanktionsbescheides unter börsenrechtlichen Gesichtspunkten eingegangen. Auch dabei hat es jedoch nicht zu der von dem Kläger für klärungsbedürftig angesehenen Problematik Stellung genommen, sondern den Aufhebungsbescheid des Beklagten im Hinblick darauf interpretiert, ob der Kläger noch nachfolgenden Auswirkungen des Verweises ausgesetzt sei. Ob § 32 Abs. 2 BörsG einen Vorrang der Vermittlung vor Eigengeschäften beinhaltet, hat das Gericht gerade nicht entschieden. Ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr hat der Verwaltungsgerichtshof verneint, weil dies „schon daraus (folgt), dass bei einem etwaigen künftigen Verstoß gegen Kursfeststellungspflichten der Sachverhalt im Einzelnen neu überprüft und beurteilt werden muss, und zwar auf Grund der dann konkret gegebenen Marktsituation”. Die weitere Bemerkung, auf die der Kläger hinweist, dass dies „umso mehr (gilt), als das Börsenrecht nunmehr unter Berücksichtigung der neuen norminterpretierenden Verwaltungsvorschrift anzuwenden ist”, unterstützt lediglich das vorher Gesagte und führt nicht auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, zumal die abschließende Wendung des Berufungsgerichts, das Verhältnis des Selbsteintrittsrechts zur Vermittlungspflicht sei eine Frage, die nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen, gerade zeigt, dass das Berufungsgericht hierzu keine weitergehende Aussage machen wollte. Eine Rechtsfrage, die sich für das Berufungsgericht nicht gestellt hat, kann nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen (Beschlüsse vom 2. Mai 1996 – BVerwG 1 B 194.95 – und vom 7. August 1996 – BVerwG 1 B 148.96 –), und zwar auch dann nicht, wenn sie sich bei einer anderen Entscheidung stellen würde (Beschluss vom 29. Juni 1992 – BVerwG 3 B 102.91 – Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 17).

b) Der Kläger wirft ferner die Frage auf, „ob ein Kläger ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO haben kann, wenn sich der ihn belastende Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen Widerruf erledigt hat”. Er verweist darauf, dass für den Fall der Rücknahme eines Verwaltungsaktes durch die Behörde wegen Rechtswidrigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sei, dass ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Verwaltungsaktes grundsätzlich fehlt (Beschlüsse vom 5. September 1984 – BVerwG 1 WB 131/82 – BVerwGE 76, 258 ≪260≫, vom 16. Oktober 1989 – BVerwG 7 B 43.89 – Buchholz 11 Art. 2 GG Nr. 59, S. 10 f. und vom 23. November 1995 – BVerwG 8 C 9.95 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 280). Für den Fall des Widerrufs fehle eine derartige Klärung. Das Berufungsurteil beruht indessen nicht auf der Auffassung, dass nach Widerruf eines Verwaltungsaktes durch die Behörde stets ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes fehle. Es kommt danach im Zusammenhang mit der Prüfung, ob ein Rehabilitationsinteresse besteht, auf die Umstände des Einzelfalles an. Dem Berufungsgericht hat sich nicht die Frage gestellt, ob ähnlich wie für den Fall der Rücknahme eines Verwaltungsaktes für die Bejahung oder Verneinung des Feststellungsinteresses eine Regel aufgestellt werden kann. Schon deshalb kann auch diese Frage nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen.

Abgesehen davon lässt sich die Frage des Klägers ohne Weiteres dahin gehend beantworten, dass auch im Falle eines Widerrufs eines Verwaltungsaktes durch die Behörde ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit bestehen kann. Denn in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass dazu jedes nach vernünftigen Erwägungen schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur gehört (Urteil vom 12. September 1989 – BVerwG 1 C 40.88 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 206). Namentlich ein Rehabilitationsinteresse kann eine Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO rechtfertigen, wenn es nach der Sachlage als schutzwürdig anzuerkennen ist, was auch die Art des durch den erledigten Verwaltungsakt bewirkten Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich erfordern kann (Urteile vom 21. November 1980 – BVerwG 7 C 18.79 – BVerwGE 61, 164 ≪165 f.≫ und vom 23. März 1999 – BVerwG 1 C 12.97 – Buchholz 402.44 VersG Nr. 12). Es ist nicht zweifelhaft, dass ein solches Interesse auch nach Widerruf eines Verwaltungsaktes gegeben sein kann. Das gilt namentlich in den Fällen, in denen der Verwaltungsakt in Freiheit und Ehre eines Betroffenen eingegriffen hat. So liegt es hier. Der Verweis greift in den grundrechtlich geschützten Bereich der Berufsausübung des Klägers ein (vgl. ≪zu einem „Strafbeschluss” eines Ehrengerichts der Lotsenbrüderschaft≫ Urteil vom 5. Juli 1994 – BVerwG 1 C 13.91 – Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 228). Er ist nicht als unverbindlicher Hinweis zu verstehen, sondern als gleichsam disziplinarische Maßnahme, die das berufliche Verhalten des Klägers missbilligt und einen persönlichen Schuldvorwurf in Gestalt eines Tadels enthält. Damit wird in die berufliche Freiheit und Ehre des Betroffenen eingegriffen (vgl. auch Urteil vom 6. Dezember 1999 – BVerwG 1 A 5.98 – Buchholz 452.00 § 81 VAG Nr. 8). In derartigen Fällen kann das Feststellungsinteresse auch nach einem Widerruf des Verweises gegeben sein. Um dies auszusprechen, bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens.

Die Fragestellung des Klägers berücksichtigt außerdem nicht, dass das Berufungsgericht ausgeführt hat, bei dem Aufhebungsbescheid des Beklagten handele es sich „nicht um einen klassischen Fall des Widerrufs eines rechtmäßigen Verwaltungsakts … sondern eher um eine Rücknahme”, weil er nicht (lediglich) mit ex-nunc-Wirkung gelte. Mit dieser Bewertung hat das Berufungsgericht auf Besonderheiten der vorliegenden Konstellation hingewiesen, die eine Verfeinerung der Rechtsprechung zum Vorliegen eines berechtigten Interesses für eine Vielzahl von Fällen nicht zulassen.

c) Auch die Beantwortung der weiteren Frage, „ob bei einem Streit über die Auslegung eines Gesetzes die Änderung einer norminterpretierenden Verwaltungsvorschrift … das für eine Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse entfallen lässt”, bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Ob ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO besteht, richtet sich nach den dargelegten Grundsätzen. Auf sich beruhen kann, ob die „Regeln für die Börsenpreisfeststellung im Präsenzhandel an der Frankfurter Wertpapierbörse”, die als „norminterpretierende Verwaltungsvorschrift der Geschäftsführung der Frankfurter Wertpapierbörse” erlassen worden sind, im gebräuchlichen Wortsinn „norminterpretierende Verwaltungsvorschriften” sein können. Eine „norminterpretierende Verwaltungsvorschrift” (dazu z.B. Urteile vom 28. Mai 1998 – BVerwG 2 C 23.97 – Buchholz 240 § 72 BBesG Nr. 1 = DVBl 1998, 1081 und vom 28. Oktober 1998 – BVerwG 8 C 16.96BVerwGE 107, 338 = DVBl 1999, 399, Beschluss vom 5. Juli 2000 – BVerwG 6 B 18.00 – Buchholz 448.0 § 8 a WPflG Nr. 66 = NVwZ-RR 2000, 799) kann das Verwaltungshandeln einer Behörde steuern und je nach ihrem Inhalt dazu führen, dass bestimmte Verwaltungsmaßnahmen nicht mehr erfolgen, die vor ihrem Erlass getroffen worden waren. Unter solchen Umständen kann die Gefahr der Wiederholung von gleichartigen Verwaltungsakten gebannt sein mit der Folge, dass unter diesem Gesichtspunkt das berechtigte Interesse an der alsbaldigen Feststellung nicht anzuerkennen ist. Der Inhalt norminterpretierender Verwaltungsvorschriften entzieht sich jedoch regelmäßig revisionsgerichtlicher Klärung (Urteil vom 28. Mai 1998 – BVerwG 2 C 23.97 – Buchholz 240 § 72 BBesG Nr. 1 = DVBl 1998, 1081). Ob das erforderliche Feststellungsinteresse aus anderen Gründen, namentlich unter dem Aspekt der Rehabilitierung besteht, lässt sich ohnehin nicht rechtsgrundsätzlich klären.

2. Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung von der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte ist ebenfalls nicht gegeben. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist. Dabei müssen die Rechtssätze sich grundsätzlich auf dieselbe Rechtsnorm beziehen. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat. Daran fehlt es.

a) Der Kläger meint, das Berufungsgericht habe den Rechtssatz aufgestellt, dass das Gesetz nach Maßgabe der norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften auszulegen und anzuwenden sei. Damit weiche es von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab, der zufolge den zu einer gesetzlichen Bestimmung erlassenen norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften im Außenverhältnis zwischen Bürger und Verwaltung keine Regelungswirkung zukomme. Dieser Vorwurf ist unberechtigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat einen Rechtssatz des bezeichneten Inhalts nicht aufgestellt. Er ist lediglich davon ausgegangen, der Beklagte werde sich künftig an die bereits erwähnten Regeln für die Börsenpreisfeststellung halten. Dass er im Zusammenhang mit der Prüfung einer Wiederholungsgefahr davon gesprochen hat, das Börsenrecht sei unter Berücksichtigung der neuen norminterpretierenden Verwaltungsvorschrift anzuwenden, betrifft ebenfalls die Entscheidung künftiger Fälle durch die Beklagte.

b) Die von der Beschwerde aufgegriffene Wendung der Berufungsentscheidung, dass die Entscheidung zukünftiger Fälle nicht notwendig von den im vorliegenden Fall begehrten Feststellungen „präjudiziert” werde, mag auf ein zu enges Verständnis von der ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO rechtfertigenden Wiederholungsgefahr deuten. Der Verwaltungsgerichtshof ist damit aber nicht mit einem abstrakten Rechtssatz von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgerückt, die eine hinreichend bestimmte Gefahr fordert, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (BVerwG, Beschluss vom 26. April 1993 – BVerwG 4 B 31.93 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 255 = NVwZ 1994, 282), sondern hat auf die möglichen Besonderheiten jedes einzelnen Falles des Selbsteintritts eines Kursmaklers hingewiesen, der unter Berücksichtigung der jeweiligen Marktsituation zu bewerten sei.

3. Das Urteil des Berufungsgerichts beruht jedoch auf einem von dem Kläger geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Kläger bringt vor, der Verwaltungsgerichtshof habe das Feststellungsinteresse des Klägers zu Unrecht verneint und ihm damit unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG eine Entscheidung in der Sache versagt. Dieser Verfahrensfehler liegt vor; das Berufungsurteil beruht mit der Verneinung der Zulässigkeit der Klage auf diesem Fehler.

Entscheidet das Berufungsgericht, dass eine Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Fehlens eines berechtigten Interesses an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts unzulässig ist, so liegt ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, wenn in der Sache hätte entschieden werden müssen (vgl. Beschluss vom 16. Oktober 1989 – BVerwG 7 B 108.89 – NVwZ 1990, 360; BSG, Beschluss vom 31. März 1993 – 13 Bj 215/92 – NJW 1994, 150). So liegt es hier. Das Berufungsurteil stellt zu hohe Anforderungen an das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des hier erledigten Verwaltungsakts. Nach den oben dargestellten Grundsätzen ist ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit (ex tunc) zu bejahen, wenn eine behördliche Anordnung in die berufliche Ehre eines Betroffenen eingreift und die Behörde nicht unzweideutig von ihrer Maßregelung abrückt, mit anderen Worten, wenn sie nicht deutlich macht, dass sie von Anfang an zu Unrecht die berufliche Ehre des Betroffenen berührt hat. Die Börsenaufsichtsbehörde vermeidet es, dem Kläger ein nach der gegebenen Sachlage beanstandungsfreies Verhalten zu attestieren und damit den Kläger zu rehabilitieren. Sie hat ihre Verfügung vom 9. Januar 1996 nicht ausdrücklich zurückgenommen. Vielmehr hat sie lediglich den nachträglichen Erlass einer Verwaltungsvorschrift zum Anlass für eine erneute Entscheidung genommen, weil diese Vorschrift infolge eines ihr anhaftenden Redaktionsversehens den Kläger zu der irrigen Annahme verleiten könne, sein Verhalten sei rechtmäßig gewesen. Damit ist die Behörde weder von der Feststellung der Rechtswidrigkeit der beanstandeten Handlungen noch von dem – ebenfalls ausschließlich auf den Handlungszeitpunkt bezogenen – Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens des Klägers abgerückt. Auch aus dem abschließenden Hinweis der Behörde auf den Status des Klägers als eines in der Ausbildung befindlichen Kursmaklerstellvertreters lässt sich Gegenteiliges nicht entnehmen. Bei der Aufhebungsverfügung vom 17. September 1997 handelt es sich mithin gerade nicht um eine Rücknahmeverfügung, auch wenn das Berufungsgericht meint, diese Verfügung sei „eher” als eine Rücknahmeverfügung zu verstehen. Der Kläger möchte unter vergleichbaren Umständen wiederum selbst eintreten und befürchtet für diesen Fall ein erneutes Eingreifen der Börsenaufsicht. Unter diesen Umständen muss der Verwaltungsgerichtshof prüfen, ob der Verweis rechtmäßig war.

Das Bundesverwaltungsgericht hebt in Anwendung seiner durch § 133 Abs. 6 VwGO eingeräumten Befugnis das angefochtene Urteil auf und verweist den Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof zurück. Dies dient der Verfahrensbeschleunigung, da die Sache durch das Berufungsgericht in die tatsächlichen Umstände und das nichtrevisible Recht betreffender Hinsicht nicht aufbereitet worden ist. Derzeit lässt sich nicht erkennen, ob in einem Revisionsverfahren grundsätzliche und klärungsbedürftige Fragen des revisiblen Rechts zu entscheiden sein werden und das Revisionsgericht voraussichtlich eine abschließende Entscheidung treffen könnte. Der Verwaltungsgerichtshof wird, wenn dem Kläger ein objektiver Verstoß im Sinne des § 9 Abs. 2 BörsG unterlaufen sein sollte, zur Klärung der Frage, ob der Kläger „leichtfertig” im Sinne dieser Bestimmung gehandelt hat, namentlich Inhalt und praktische Bedeutung der nicht revisiblen „Regeln für die Börsenpreisfeststellung” sowie ggf. der ebenfalls irrevisiblen Vorschriften der Börsenordnung ermitteln müssen und sich unter Umständen Gewissheit darüber verschaffen müssen, wie das Börsengesetz in Fällen der vorliegenden Art durch andere Börsenaufsichtsbehörden gehandhabt wird.

4. Die Entscheidung über die Kosten muss der Schlussentscheidung vorbehalten werden. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

 

Unterschriften

Bardenhewer, Hahn, Graulich

 

Fundstellen

Haufe-Index 675255

WM 2002, 723

WuB 2002, 777

DVBl. 2002, 856

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