Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit von § 4 Abs. 2 und § 5 VermG im Rahmen des § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG. Darlegungs- und Beweislast für den redlichen Erwerb. Behandlung „übergroßer” Grundstücke im Rahmen des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG. Nutzungsänderung aus abgeleitetem Recht

 

Leitsatz (amtlich)

Ein auf § 6 Abs. 6 a VermG gestützter Rückgabeanspruch besteht nicht, wenn in bezug auf das herausverlangte Grundstück die Ausschlußgründe des § 4 Abs. 2 oder des § 5 Abs. 1 VermG vorliegen.

 

Normenkette

VermG §§ 4, 6

 

Verfahrensgang

VG Weimar (Urteil vom 06.04.1994; Aktenzeichen 6 K 464/92)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 08.09.1999; Aktenzeichen 1 BvR 2471/94)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 6. April 1994 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 44 544 DM festgesetzt.

 

Gründe

Der Kläger begehrt die Restitution der zum früheren landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters gehörenden Grundstücksflächen. Seinem Antrag wurde vom Thüringischen Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen im wesentlichen stattgegeben. Lediglich zwei Grundstücke blieben von der Rückübertragung ausgeschlossen. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht zurückgewiesen: Hinsichtlich des einen, 521 qm großen Grundstücks habe der Beigeladene zu 2 in redlicher Weise ein Nutzungsrecht erworben (§ 4 Abs. 2 Satz 1 VermG); in bezug auf das andere, 2 263 qm große Grundstück liege der Ausschlußgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG vor, denn es sei im Jahre 1969 von der Beigeladenen zu 1 mit einem Dorfgemeinschaftshaus bebaut worden.

Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen; die hiergegen vom Kläger eingelegte Beschwerde bleibt erfolglos.

Die Sache hat nicht die behauptete rechtsgrundsätzliche Bedeutung. Die Beschwerde wirft insoweit zunächst die Frage auf, ob § 4 Abs. 2 und § 5 VermG auch im Rahmen des § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG anwendbar seien, obgleich dort nur der Ausschlußtatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG erwähnt werde. Diese Frage läßt sich jedoch ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten: Die Vorschrift des § 6 Abs. 6 a VermG nennt deshalb allein den Ausschlußtatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG, weil nur unter den dort genannten Voraussetzungen der in § 6 Abs. 6 a VermG geregelte Anspruch auf Rückgabe noch vorhandener Unternehmensreste entsteht. Daß die Rückübertragung derartiger Vermögenswerte nach Maßgabe des § 4 Abs. 2 VermG ausgeschlossen ist, ergibt sich ohne weiteres aus der in § 6 Abs. 6 a Satz 3 VermG erfolgten Bezugnahme auf die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 VermG, die ihrerseits an die Bestimmung des § 4 Abs. 2 VermG anknüpft. Entsprechendes gilt für die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 VermG. Diese Vorschrift bezeichnet besondere Fallgestaltungen, in denen eine Rückübertragung des Eigentumsrechts deshalb entfällt, weil sie „von der Natur der Sache her nicht mehr möglich ist” (§ 4 Abs. 1 Satz 1 VermG). Es bedarf im Blick auf die darin liegende gesetzgeberische Wertung nicht erst eines Revisionsverfahrens, um zu dem Ergebnis zu gelangen, daß der Ausschlußgrund kraft „Natur der Sache” für ein auf § 6 Abs. 6 a VermG gestütztes Rückgabeverlangen in der gleichen Weise gilt wie für eine Einzelrestitution.

Die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage, wen „im Falle der Unaufklärbarkeit die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen redlichen beziehungsweise unredlichen Verhaltens des Erwerbers trifft”, würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Verwaltungsgericht ist nicht davon ausgegangen, daß diese Frage im vorliegenden Fall zu Lasten des Klägers zu beantworten sei. Das angefochtene Urteil beruht vielmehr auf einer die Redlichkeit des Beigeladenen zu 2 bejahenden Tatsachenwürdigung. Demgemäß hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die rückwirkende Übertragung des Nutzungsrechts an den Beigeladenen zu 2 habe „einer wohl gängigen Praxis in der DDR” entsprochen und ein Einfluß auf die Auswahl des Erwerbers des Nutzungsrechts sei nicht erkennbar. Angesichts dessen ist der weitere Hinweis, das Gericht habe trotz des krankheitsbedingten Nichterscheinens des persönlich geladenen Beigeladenen zu 2 in der Sache entscheiden können, zumal der Kläger „keine Anhaltspunkte – über die rückwirkende Erteilung des Nutzungsrechts hinaus – für Manipulationen des Beigeladenen zu 2 vorgetragen” habe, dahin zu verstehen, daß unter diesen Umständen dem Verwaltungsgericht eine weitere Aufklärung des Sachverhalts unnötig erschien. Dagegen ist nichts zu erinnern. Wenn der Kläger, anders als das Verwaltungsgericht, trotz der Ausführungen des Bürgermeisters der Beigeladenen zu 1 in der mündlichen Verhandlung fortbestehende Zweifel an der Redlichkeit des Beigeladenen zu 2 gehabt haben sollte, wäre es seine Sache gewesen, auf einer Anhörung des Beigeladenen zu 2 zu bestehen und Vertagung der Sache zu beantragen. Deshalb liegt auch der in diesem Zusammenhang von der Beschwerde gerügte Verfahrensfehler nicht vor.

Ebensowenig würde sich in einem Revisionsverfahren die Frage stellen, in welchem Umfang bei einer Anwendung des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG „die Rückgabe eines größeren Grundstücks insgesamt ausgeschlossen sein kann, wenn lediglich in bezug auf Grundstücksteile oder einzelne darauf befindliche Gebäude bauliche Veränderungen vorgenommen wurden”. Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, das gesamte etwa 2 200 qm große Grundstück sei angesichts einer Gebäudegrundfläche von etwa 450 qm vom derzeitigen Nutzungszweck geprägt, da zu einem Dorfgemeinschaftshaus „zweifellos eine gewisse Freifläche zur Ermöglichung auch des Aufenthalts im Freien bei größeren Versammlungen und Veranstaltungen gehört”. Das ist vom rechtlichen Ausgangspunkt her zutreffend und hat zur Folge, daß das in Rede stehende Grundstück nach der Tatsachenwürdigung des Verwaltungsgerichts gerade nicht „übergroß” in dem von der Beschwerde gemeinten Sinn ist. Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge der Beschwerde greift nicht durch. Es kann keine Rede davon sein, daß die vom Verwaltungsgericht festgestellte Prägung unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks und der in einem Dorfgebiet üblichen Verhältnisse „gegen die Denkgesetze” verstößt. Der Umstand, daß in dem Dorfgemeinschaftshaus u.a. eine Gaststätte betrieben wird, schließt aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen die öffentliche Zweckbestimmung des Grundstücks nicht aus. Auch in dieser Hinsicht ist daher eine zur Revisionszulassung führende grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits nicht zu erkennen.

In einem Revisionsverfahren wäre auch nicht die Rechtsfrage zu erörtern, ob § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG eine Nutzungsänderung aus abgeleitetem Recht erfaßt. Ein solcher Fall liegt schon deshalb nicht vor, weil nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ein Rechtsträgerwechsel tatsächlich stattgefunden hat und die im Vorgriff auf diesen Wechsel vollzogene Nutzungsänderung deshalb als eine solche aus eigenem Recht anzusehen ist.

Die mit nachgeschobenem Schriftsatz vom 4. Juli 1994 erhobene Verfahrensrüge liegt – von allem anderen abgesehen – schon deshalb neben der Sache, weil das Verwaltungsgericht entgegen dem Beschwerdevorbringen durchaus auf die Situation zu dem in § 5 Abs. 2 VermG genannten Stichtag abgestellt hat, wie die Ausführungen auf S. 10/11 des angefochtenen Urteils zeigen. Wenn der Betrieb des „kleinen Ladens” auf die Prägung der Grundstücksnutzung nicht von Einfluß war, kann für die Einstellung des Ladenbetriebs nichts anderes gelten. Zur Erörterung einer „Teilrückgabe” hatte das Verwaltungsgericht hiernach keinen Anlaß.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Franßen, Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer

 

Fundstellen

Haufe-Index 1603346

ZIP 1994, 1977

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