Verfahrensgang

VG Leipzig (Aktenzeichen 3 K 926/95)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 17. September 1999 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 250 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.

1. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

a) Die Beschwerde möchte geklärt wissen, „ob die Konfiszierung von Vermögen entgegen einer ausdrücklichen Anordnung der sowjetischen Besatzungsmacht deshalb als auf besatzungshoheitlicher Grundlage vorgenommen zu beurteilen ist, weil die Besatzungsmacht nichts zur Durchsetzung ihrer Anordnung unternommen hat”. Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn eine Feststellung, dass die Entziehung des Gutes in B. entgegen einer ausdrücklichen Anordnung der Besatzungsmacht vorgenommen wurde, hat das Verwaltungsgericht nicht getroffen. Vielmehr hat es ausgeführt, dass die zunächst ausgesprochene Zuweisung des Gutes von 25 ha in B. auf ausdrückliche Anordnung der sowjetischen Besatzungsmacht vom 22. Dezember 1947 – unter Zubilligung eines Restgutes von 10 ha – wieder rückgängig gemacht worden sei. Auch die Entziehung des Restgutes von 10 ha ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht gegen den Willen der Besatzungsmacht erfolgt. Wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, lasse sich ein entgegenstehender Wille nicht aus dem Schriftstück der „Bezirkskommandantur Döbeln, Bericht der Landtagsfraktion der gegenseitigen Bauernhilfe vom 12.01.1948” herleiten. Darin sei lediglich ausgeführt, dass von der SMAD entschieden worden sei, dem Vater der Kläger „nur 10 ha Landgut” zu genehmigen. Das Verwaltungsgericht hat die Entscheidung der SMAD mithin ersichtlich dahin ausgelegt, dass sich die Entscheidung gegen die Zuweisung von 25 ha gerichtet habe, ohne dass mit der Zubilligung von Bodenreformland mit einer Fläche von 10 ha hinsichtlich dieser Fläche ein Enteignungsverbot verbunden gewesen sei.

An die (tatsächliche) Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Entziehung des Gutes nicht gegen den Willen der sowjetischen Besatzungsmacht erfolgt sei, ist der Senat gebunden (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Die Beschwerde hat gegen diese Feststellung keine begründete Verfahrensrüge vorgebracht. Der gerügte Verstoß gegen Denkgesetze betrifft nicht diese Feststellung, sondern bezieht sich darauf, dass das Verwaltungsgericht angeblich von einer Untätigkeit der Besatzungsmacht zur Durchsetzung „ihrer Anordnung” auf eine besatzungshoheitliche Grundlage der Entziehung geschlossen habe. Davon abgesehen wird mit dieser Rüge kein Verfahrensfehler geltend gemacht. Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen; die in der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme für den Fall des Indizienbeweises greift hier nicht ein (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 S. 15; zum Indizienbeweis vgl. Beschluss vom 29. März 1999 – BVerwG 7 B 320.98 –; Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.89 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225 S. 75 f.).

b) Die weitere von den Klägern sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine Enteignung auch dann auf besatzungshoheitlicher Grundlage beruht, wenn eine konkrete Anordnung der SMA aufgrund der Einwirkung deutscher Behörden zu einer Erweiterung des Enteignungsumfangs führte, bedarf zur Klärung nicht der Durchführung des Revisionsverfahrens. Sie lässt sich ohne weiteres anhand der Rechtsprechung beantworten. In der Rechtsprechung (Urteil vom 18. Januar 1996 – BVerwG 7 C 76.94 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 62 S. 180; auch BVerfGE 84, 90 ≪115, 122≫) ist geklärt, dass Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage solche sind, die auf Wünsche oder Anregungen der sowjetischen Besatzungsmacht zurückgingen oder sonst ihrem generellen oder im Einzelfall geäußerten Willen entsprachen. Ausreichend ist, dass die Besatzungsmacht mit den Enteignungsmaßnahmen deutscher Stellen generell einverstanden war. Das gilt auch dann, wenn die deutschen Stellen – wie die Kläger meinen – die Enteignungsgrundlagen exzessiv ausgelegt oder willkürlich angewendet haben.

Es liegt hiernach auf der Hand, dass eine Enteignung, die auf einer von der Besatzungsmacht getroffenen Anordnung beruht, dieser auch dann zuzurechnen ist, wenn sie von der zuständigen deutschen Stelle in weitergehendem Umfang als zunächst geplant vorgenommen wurde. Der zum Restitutionsausschluss führende Zurechnungszusammenhang ist erst dann unterbrochen, wenn der Anordnung der positive Wille der Besatzungsmacht entnommen werden kann, die Enteignung auf den darin vorgesehen Umfang zu begrenzen (vgl. Urteil vom 27. Juni 1996 – BVerwG 7 C 3.96 – BVerwGE 101, 282 ≪285 f.≫). Ein solcher Fall liegt hier indes nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht vor.

2. Eine Abweichung des angefochtenen Urteils von den angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargelegt. Zu einer hinreichenden Bezeichnung der Entscheidung, von der das angefochtene Urteil abweicht, gehört, dass die Beschwerde den die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz benennt, zu dem der von dem Verwaltungsgericht aufgestellte Rechtssatz im Widerspruch stehen soll. Dem trägt die Beschwerde nicht Rechnung. Sie beschränkt sich auf die Darlegung der Rechtsauffassung, dass eine besatzungshoheitliche Grundlage zu verneinen sei, wenn deutsche Behörden durch Täuschung erreicht hätten, dass die Besatzungsmacht ihre Anordnung nicht durchgesetzt habe. Soweit die Beschwerde damit auf den in dem Urteil des Senats vom 27. Juni 1996 – BVerwG 7 C 3.96 – (a.a.O. S. 286) aufgestellten Rechtssatz Bezug nimmt, dass der durch ein Enteignungsverbot unterbrochene Zurechnungszusammenhang zur Verantwortung der sowjetischen Besatzungsmacht nur durch aktives Handeln, nicht aber durch bloße Untätigkeit gegenüber einem das Verbot missachtenden Verstoß durch deutsche Stellen wiederhergestellt werden kann, wäre im Übrigen eine Divergenz nicht anzunehmen. Denn das Verwaltungsgericht hat ein Enteignungsverbot der sowjetischen Besatzungsmacht, wie dargelegt, gerade nicht festgestellt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Bardenhewer, Gödel, Kley

 

Fundstellen

Dokument-Index HI566620

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