Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Aufklärungspflicht; Auseinandersetzung mit gutachterlichen Stellungnahmen; Verkehrslärmberechnung

 

Orientierungssatz

1. Ein Tatsachengericht kann sich grundsätzlich ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf eine gutachterliche Stellungnahme stützen, die eine Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt hat. Gutachterliche Stellungnahmen, die erst während eines gerichtlichen Verfahrens von einer beteiligten Behörde eingeholt und als Parteivortrag in das Verfahren eingeführt werden, sind insoweit nicht anders zu behandeln. Die Einholung zusätzlicher Sachverständigengutachten oder gutachterlicher Stellungnahmen liegt nach § 98 VwGO i.V.m. §§ 404 Abs. 1, 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts. Dieses Ermessen wird nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung weiterer Gutachten absieht, obwohl die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung sich ihm hätte aufdrängen müssen.

2. Ob eine weitere Aufklärung nach diesen Grundsätzen erforderlich ist, richtet sich allein nach objektiven Kriterien und nicht nach subjektiven Fähigkeiten eines Beteiligten. Daß vielfach das Nachvollziehen von Berechnungen oder technischen Zusammenhängen einen mit der Materie nicht vertrauten Laien überfordert, entbindet den jeweiligen Kläger im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht nicht davon, sich selbst sachkundig zu machen, notfalls sogar mit Hilfe eines selbst in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens, dessen Kosten je nach Ausgang des Verfahrens erstattungsfähig sein können (§ 162 Abs. 1 VwGO, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

3. Einer ohne Auseinandersetzung mit Gegenargumenten aufrechterhaltenen Behauptung braucht das Gericht nicht nachzugehen. Dem steht der Fall gleich: Wenn auf konkrete Einwendungen hin Berechnungen wiederholt und das Vorgehen erläutert werden, genügt es nicht, die neuerliche Berechnung als "noch nicht völlig ausreichend" zu bezeichnen und im übrigen ohne nähere Begründung die ihr zugrunde gelegten Voraussetzungen in Zweifel zu ziehen.

4. Da § 2 Abs. 2 Satz 1 16. BImSchV für die Art der in Absatz 1 bezeichneten Anlagen und Gebiete auf die Festsetzungen in den jeweiligen Bebauungsplänen verweist und somit einen Bezug zum Bauplanungsrecht ausdrücklich herstellt, ist kein Grund ersichtlich, der es geböte, bei einem nach § 2 Abs. 2 Satz 2 16. BImSchVO zu beurteilenden Gebiet nicht auf das bauplanungsrechtliche Instrumentarium einschließlich der Gebietskategorien der BauNVO zurückzugreifen.

 

Normenkette

VwGO § 86 Abs. 1 S. 1, § 98; ZPO § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1; BImSchV 16 § 2 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches OVG (Entscheidung vom 18.09.1991; Aktenzeichen 7 L 81/90)

 

Fundstellen

Dokument-Index HI543728

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