Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Beschluss vom 31.10.1991; Aktenzeichen 13 A 248/91)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 31. Oktober 1991 wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Klägers, ihm Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung seines Prozeßbevollmächtigten zu bewilligen, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die begehrte Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Soweit die Beschwerde die Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) erhebt, rechtfertigt ihr Vorbringen die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß in dem von ihm für maßgeblich gehaltenen Zeitpunkt des Kündigungszuganges für den Kläger ein geeigneter Ersatzarbeitsplatz bei der Beigeladenen nicht verfügbar war. Diese Sachverhaltsfeststellung greift die Beschwerde mit der Behauptung an, bei weiterer Aufklärung durch eine Betriebsbesichtigung durch einen technischen Beauftragten des Beklagten, durch einen Sachverständigen oder durch den Berichterstatter hätte sich herausgestellt, daß die den Sachverhaltsfeststellungen des Berufungsgerichts zugrundeliegenden Angaben des Beklagten und der Beigeladenen nicht zutreffend seien. Damit genügt die Beschwerde nicht den Anforderungen, die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines Verfahrensmangels zu stellen sind. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Verletzung der Aufklärungspflicht gehören nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts neben der Angabe der Beweismittel, deren sich das Tatsachengericht fehlerhaft nicht bedient haben soll, vor allem substantiierte Angaben dazu, warum sich dem Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus die Erhebung dieser Beweise hätte aufdrängen müssen, welches Ergebnis die Beweiserhebung erbracht hätte und schließlich inwieweit dieses Beweisergebnis ursächlich für eine dem Kläger günstigere Entscheidung hätte sein können (vgl. Beschluß vom 2. März 1978 – BVerwG 6 B 24.78 – ≪Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 164 S. 43 f.≫; Urteile vom 7. Februar 1985 – BVerwG 3 C 36.84 – ≪Buchholz 427.6 § 15 BFG Nr. 25 S. 27≫ und vom 13. Dezember 1988 – BVerwG 1 C 44.86 – ≪NVwZ 1989, 453/454≫). An alldem läßt es die Beschwerde fehlen. Soweit die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe es unterlassen, der Frage nachzugehen, ob die Arbeitsplätze im Pforten- und Magazinbereich mit Schwerbehinderten besetzt gewesen seien, scheidet darüber hinaus die Annahme eines Aufklärungsmangels auch aus materiellrechtlichen Gründen aus. Für den umfang der Verpflichtung zur Sachaufklärung ist nämlich die materiellrechtliche Auffassung des Tatsachengerichts maßgebend (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1987 – BVerwG 6 C 10.84 – ≪Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 4≫). Das Berufungsgericht ist aber, indem es sich die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht hat, wie dieses davon ausgegangen, daß der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, einen anderen – nach dem Beschwerdevorbringen: nicht behinderten – Arbeitnehmer zu entlassen, um dem Schwerbehinderten eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung kam es auf eine Aufklärung in der von der Beschwerde für erforderlich gehaltenen Richtung nicht an.

Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese Voraussetzung liegt nur dann vor, wenn für die Entscheidung des Berufungsgerichts eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich sein würde und deren höchstrichterliche Klärung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse einer Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫). Eine solche Rechtsfrage wird mit der Beschwerde nicht dargelegt.

Keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung bedarf es, ob die Hauptfürsorgestelle von Amts wegen an Ort und Stelle hätte feststellen müssen, ob für den Kläger unter Berücksichtigung seiner berufsunfallbedingten Verletzungen ein geeigneter Arbeitsplatz im Betrieb der Beigeladenen vorhanden war. Bei der Entscheidung der Hauptfürsorgestelle über die Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten durch den Arbeitgeber richtet sich das Verwaltungsverfahren grundsätzlich nach den Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch: Die Hauptfürsorgestelle bedient sich deshalb – im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes (§ 20 SGB X) – der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X sowie BVerwG, Beschluß vom 18. Mai 1988 – BVerwG 5 B 135.87 – ≪Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 1≫). Abweichendes im Sinne des § 37 Satz 1 SGB I bestimmt das Schwerbehindertengesetz als besonderer Teil des Sozialgesetzbuches (Art. II § 1 Nr. 3 SGB-AT) insoweit allerdings in § 17 Abs. 2, der die Hauptfürsorgestelle verpflichtet, eine Stellungnahme des zuständigen Arbeitsamtes, des Betriebsrates oder Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung einzuholen und den Schwerbehinderten zu hören. Bereits hieraus wird die Hauptfürsorgestelle Informationen darüber gewinnen, ob und in welchem Umfang geeignete Alternativarbeitsplätze für den Schwerbehinderten im Betrieb seines Arbeitgebers zur Verfügung stehen. Darüber hinaus kann sie zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts insbesondere Auskünfte, etwa des Arbeitgebers, einholen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X in Verbindung mit § 13 Abs. 3 SchwbG), Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X), Urkunden und Akten, z.B. der Arbeits- und Versorgungsverwaltung, beiziehen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X) und schließlich den Augenschein im Betrieb des Arbeitgebers einnehmen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Insoweit enthält § 13 Abs. 4 SchwbG die wegen der mit einer Betriebseinsicht verbundenen Eingriffswirkungen erforderliche spezialgesetzliche Ermächtigung. Nach ihr hat der Arbeitgeber den Vertretern der Hauptfürsorgestelle Einblick in seinen Betrieb zu gewähren, soweit es im Interesse des Schwerbehinderten erforderlich ist und Betriebsgeheimnisse nicht gefährdet werden. Eine Pflicht der Hauptfürsorgestelle zur Vornahme einer Betriebseinsicht ist entgegen der Ansicht der Beschwerde in § 13 Abs. 4 SchwbG nicht geregelt. Ob die Hauptfürsorgestelle von diesem Beweismittel Gebrauch macht, bestimmt sich vielmehr nach den besonderen Umständen des Einzelfalles und ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

Sollte die Beschwerde darüber hinaus die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnen wollen, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Schwerbehinderten einen Alternativarbeitsplatz freizukündigen, so entspricht die Beschwerdeschrift insoweit nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Denn sie enthält keinerlei Ausführungen dazu, warum es im Revisionsverfahren auf die Entscheidung dieser Frage ankommen soll. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Schwerbehinderte grundsätzlich keinen Anspruch darauf, daß der Arbeitgeber einen anderen Beschäftigten entläßt, um für den Schwerbehinderten einen Alternativarbeitsplatz zu schaffen (vgl. BVerwGE 29, 140 ≪143≫; 48, 264 ≪267≫ sowie Beschluß vom 11. September 1990 – BVerwG 5 B 63.90 – ≪Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 4≫). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Schwerbehinderte allenfalls dann von seinem Arbeitgeber verlangen, ihm einen Arbeitsplatz freizukündigen, wenn, der zu kündigende Arbeitnehmer nicht auch behindert ist und die Kündigung für ihn keine soziale Härte darstellt (vgl. BAGE 18, 124 ≪128 f.≫ sowie Urteil vom 10. Juli 1991 – 5 AZR 383/90 – ≪NZA 1992, 27/29 f.≫). Auf die Entscheidung dieser Frage käme es danach nur dann an, wenn die im Pforten- und Magazinbereich vorhandenen Arbeitsplätze für den Kläger geeignet und nicht mit Schwerbehinderten besetzt wären; darüber hinaus müßte die Kündigung für den auf dem freizumachenden Arbeitsplatz tätigen Arbeitnehmer keine soziale Härte darstellen. Für die Arbeitsplätze im Pfortenbereich scheitert die Klärungsfähigkeit der angesprochenen Frage bereits daran, daß das Berufungsgericht durch Bezugnahme auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts festgestellt hat, daß dem Kläger für diese Ersatzarbeitsplätze die körperliche und qualitative Eignung fehlt. Begründete Verfahrensrügen hiergegen hat die Beschwerde nicht erhoben, so daß das Bundesverwaltungsgericht an diese Feststellungen im Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden wäre. Für denkbare Ersatzarbeitsplätze im Magazinbereich läßt die Beschwerde dagegen jegliche Ausführungen dazu vermissen, daß und warum eine Kündigung für dort tätige nicht behinderte Arbeitnehmer keine soziale Härte darstellen würde.

Aus den angeführten Gründen ergibt sich zugleich, daß die beantragte Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden kann. Es fehlt an den hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Franke, Dr. Hömig, Dr. Pietzner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1212077

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