Tenor

1. Der Antrag der Klägerin und Antragstellerin, ihr für die Durchführung der Verfahren BVerwG 11 A 7.00 und 11 VR 4.00 Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme etwaiger Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren BVerwG 11 VR 4.00 auf 10 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin und Antragstellerin, die als Mieterin das an der Bahnstrecke L.-P. in Höhe des Haltepunktes (Hp) C. gelegene Haus … bewohnt, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer im Verfahren BVerwG 11 A 7.00 erhobenen Klage gegen die Plangenehmigung vom 16. Juli 1999, die der Beigeladenen die Errichtung dieses Haltepunktes gestattet hat; gleichzeitig begehrt sie „einstweilige Maßnahmen”, die ihr vor den Lärm- und Abgasemissionen, die von der Nutzung dieses Haltepunktes ausgehen, Schutz gewähren.

Die Beigeladene stellte im Februar 1999 beim Eisenbahn-Bundesamt – Außenstelle Erfurt – den Antrag auf „Herstellung des Baurechts entsprechend § 18 AEG” für den Hp C., der östlich der Bahnstrecke als ca. 140 m langer Bahnsteig errichtet werden sollte. Die Strecke ist 1859 zweigleisig gewidmet worden, wird z.Zt. aber eingleisig betrieben und ist noch nicht elektrifiziert. Den Eigentümern der Grundstücke, die westlich an die Bahntrasse angrenzen, wurden vor Erteilung der Plangenehmigung Lagepläne zugeleitet, in denen die Anlage eingezeichnet war. Der Eigentümer des von der Klägerin und Antragstellerin bewohnten Wohnhauses – … – erklärte durch Unterschrift auf den Lageplänen seine „Nachbarzustimmung”, wies aber auf Bedenken wegen der An- und Abfahrgeräusche der Züge und die dadurch bewirkte Wertminderung des Grundstücks hin. Die Beigeladene nahm zu diesen Bedenken unter dem 29. April 1999 dahingehend Stellung, dass eine Wertminderung nicht zu erwarten sei; die zusätzlichen Emissionen (Abgase, Geräusche) der haltenden und anfahrenden Züge hielten sich im Rahmen der bestehenden Verkehrslage und seien zu dulden, weil keine wesentliche Änderung eintrete. Die Plangenehmigung wurde daraufhin unter dem 16. Juli 1999 erlassen. Sie enthält in ihrer Begründung die Aussage (B V.3.):

„Bei der Vorlage der Ausführungsunterlagen hat der Vorhabenträger nachzuweisen, dass der bisherige Schallpegel nicht überschritten wird.”

Die Bauarbeiten an dem Hp C. wurden im Dezember 1999 begonnen und im März 2000 abgeschlossen. Seit dem 15. März 2000 halten dort fahrplanmäßig Züge. Bislang hatten die Züge im etwa 1 km entfernt in der Gemeinde H. liegenden Bahnhof C. halten müssen.

Mit ihrer am 17. April 2000 erhobenen Klage beantragt die Klägerin und Antragstellerin in erster Linie die Aufhebung der Plangenehmigung, hilfsweise die Anordnung verschiedener Schutzauflagen. Diesen Hilfsantrag macht sie zugleich zum Gegenstand ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, seit Inbetriebnahme des Haltepunktes unzumutbaren Lärmbelästigungen durch die An- und Abfahrgeräusche der Züge ausgesetzt zu sein. Nachtschlaf sei nur noch mit „fahrplanmäßigen” Unterbrechungen möglich. Die Dieselabgase hätten in der kurzen Zeit seit Inbetriebnahme bereits eine fettige und – wenn man Informationen des Bundesumweltministers glauben dürfe – Krebs erregende Rußschicht auf dem Haus und dem zugehörigen Nutzgarten gebildet. Die Klägerin und Antragstellerin beantragt, ihr Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Die Beklagte und Antragsgegnerin beantragt Klageabweisung sowie Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und auf Prozesskostenhilfe. Sie tritt – ebenso wie die Beigeladene, die keinen Antrag stellt – dem Vorbringen der Klägerin und Antragstellerin entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil – wie nachfolgend ausgeführt wird – die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. § 166 VwGO, § 114 ZPO).

2. Die Antragstellerin kann keine Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage (Hauptantrag) gegen die Plangenehmigung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO verlangen. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Genehmigung, das Grundlage des in § 20 Abs. 5 Satz 1 AEG bzw. § 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG geregelten Ausschlusses des Suspensiveffektes der Anfechtungsklage ist, überwiegt das gegenläufige private Interesse der Antragstellerin schon deswegen, weil ihre Anfechtungsklage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Gleiches gilt im Übrigen auch für ihr Verpflichtungsbegehren (Hilfsanträge), sodass auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO nicht in Betracht kommt.

a) Bei einer summarischen Prüfung, wie sie im vorläufigen Rechtsschutzverfahren geboten ist, ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin die Plangenehmigung nicht mit Erfolg anfechten kann.

aa) Die Antragstellerin rügt es als Verfahrensfehler, dass durch Plangenehmigung – und damit ohne eine vorherige Anhörung der Betroffenen – über die Zulässigkeit des Vorhabens entschieden worden ist. Diese Rüge geht fehl.

Ob die Voraussetzungen dafür vorlagen, dass nach § 18 Abs. 2 Satz 1 AEG auf die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens verzichtet werden konnte, ist streitig. Indem die Antragstellerin die planerische Abwägung als zu ihrem Nachteil fehlerhaft beanstandet, macht sie eine Beeinträchtigung ihres Rechts auf gerechte Abwägung geltend (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG). In diesem Zusammenhang beruft sie sich auch auf den ihr zustehenden Grundrechtsschutz. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene halten eine Rechtsbeeinträchtigung für ausgeschlossen. Sie können sich insoweit auf die Rechtsprechung berufen, wonach mit einer Rechtsbeeinträchtigung i.S. von § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AEG nur der direkte Zugriff auf fremde Rechte gemeint ist, nicht aber die bei jeder raumbedeutsamen Planung gebotene wertende Einbeziehung der Belange Dritter in die Abwägungsentscheidung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Dezember 1994 – BVerwG 7 VR 12.94 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 3). Danach ist es nicht als Verfahrensfehler zu werten, dass das Vorhaben durch Erteilung einer Plangenehmigung zugelassen worden ist.

bb) Die Antragstellerin kann einen Anspruch auf Aufhebung der Plangenehmigung auch nicht aus einem – von ihr geltend gemachten – Verstoß gegen das Abwägungsgebot des § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG herleiten.

Die Plangenehmigung hat nach der genannten Vorschrift die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander abzuwägen. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin sind die nachbarlichen Belange hier abwägend berücksichtigt worden. Dies ergibt sich daraus, dass die Eigentümer der jenseits des Bahndamms angrenzenden Wohngrundstücke um ihre „Nachbarzustimmung” gebeten worden sind und die daraufhin gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen der Beigeladenen zur Stellungnahme zugeleitet worden sind. Wie insbesondere die – zuvor zitierte – Aussage in Abschnitt B V.3. der Begründung der Plangenehmigung ausweist, hat das Eisenbahn-Bundesamt sich sodann die von der Beigeladenen geäußerte Erwartung zu Eigen gemacht, dass die Lärm- und Abgasimmissionen sich infolge des Vorhabens nicht so verändern werden, dass sie die bestehende Vorbelastung überschreiten.

Eine andere Einschätzung brauchte sich dem Eisenbahn-Bundesamt nach Lage der Dinge auch nicht aufzudrängen. Dies gilt insbesondere für die Beurteilung des Schienenverkehrslärms, für die in der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) verbindliche Maßstäbe vorgegeben sind. Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV verweist zur Bestimmung der Beurteilungspegel auf die Richtlinie zur Berechnung der Schallimmissionen von Schienenwegen – Ausgabe 1990 – (Schall 03). Diese bestimmt in ihrer Ziff. 8.1 ausdrücklich, dass der Emissionspegel für Personenbahnhöfe wie für die freie Strecke zu bestimmen ist. Haltepunkte sind nach eisenbahntechnischer Definition in § 4 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 8 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) zwar keine Bahnhöfe. Für sie gilt Ziff. 8.1 Schall 03 aber ihrem Sinn nach erst recht. Denn die Regelung geht davon aus, dass dann, wenn bei der Berechnung des Schienenverkehrslärms auf freier Strecke über den Korrektursummanden D(l,v) die Züge mit ihrer maximal zulässigen Geschwindigkeit in die Berechnung eingehen, diese Emissionspegel höher sind als die bei Brems- und Anfahrvorgängen zu erwartenden Emissionspegel. Letztlich bewertet damit die Verkehrslärmschutzverordnung die Anlegung von Bahnhöfen – und damit auch von Haltepunkten – grundsätzlich als lärmneutral. Dies war ein Grund dafür, dass der Senat in seinem Urteil vom 20. Mai 1998 – BVerwG 11 C 3.97 – (Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 18) entschieden hat, dass im Bau eines Bahnsteigs nicht ein erheblicher baulicher Eingriff in den Schienenweg i.S. von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV zu sehen ist. Die weitere Folgerung, dass danach Lärmschutzansprüche auf der Grundlage von § 41 BImSchG den Streckenanliegern nicht zur Seite stehen können, weil keine wesentliche Änderung des Schienenweges vorliegt, ist von dieser Rechtsprechung ebenso gedeckt wie die Annahme, dass sich das Eisenbahn-Bundesamt an diesem Ergebnis auch im Rahmen seiner nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG zu treffenden Abwägungsentscheidung orientieren darf. Dies bedeutet, dass es in aller Regel nicht als Abwägungsfehler gewertet werden kann, wenn das Eisenbahn-Bundesamt einen über die Verkehrslärmschutzverordnung hinausreichenden Lärmschutz versagt.

Allerdings hat der Senat in seinem Urteil vom 20. Mai 1998 (a.a.O.) betont, dass eine durch die zugelassene Baumaßnahme zusätzlich verursachte Lärmbelastung zusammen mit der bereits bestehenden Vorbelastung nicht zu einer Gesamtlast führen dürfe, die eine Gesundheitsgefährdung darstelle. Werde eine solche Wirkung von Betroffenen substantiiert geltend gemacht oder müsse sich die Möglichkeit ihres Entstehens angesichts der konkreten Situation aufdrängen, könne dies einen gesteigerten Abwägungsbedarf auslösen. Davon kann im vorliegenden Fall – auch unter Berücksichtigung des Klagevorbringens – nicht ausgegangen werden. Die Immissionssituation, wie sie am neuen Haltepunkt C. anzutreffen ist, unterscheidet sich nicht nachteilig von der Immissionssituation, die an unzähligen anderen Bahnhöfen und Haltepunkten im Schienennetz der Beigeladenen besteht. Gesicherte Erkenntnisse darüber, dass die betroffenen Anwohner generell gesundheitlich gefährdet wären, liegen dem Senat nicht vor. Allein der Umstand, dass die Antragstellerin sich an eine Veränderung des Lärmgeschehens gewöhnen muss, die von ihr als störend empfunden wird, deutet ebenfalls nicht auf eine mögliche Gesundheitsgefahr hin.

b) Was die mit dem Hilfsantrag begehrten Schutzauflagen angeht, kann offen bleiben, ob diese – soweit sie betriebliche Regelungen umfassen – überhaupt Gegenstand einer eisenbahnrechtlichen Plangenehmigung sein dürfen. Jedenfalls erforderte die vom Eisenbahn-Bundesamt vernünftigerweise erwartete Immissionssituation die Anordnung von Schutzauflagen nicht.

Falls die Antragstellerin geltend machen will, diese Prognose habe sich nachträglich als falsch erwiesen, so wäre dies ein Umstand, den sie nicht der Plangenehmigung entgegenhalten kann; er könnte unter den Voraussetzungen von § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nur im Rahmen eines Antrages auf nachträgliche Schutzvorkehrungen erheblich werden. Hierüber kann deswegen im vorliegenden Klageverfahren nicht entschieden werden. Falls ein entsprechender Antrag beim Eisenbahn-Bundesamt gestellt würde, wäre im Übrigen nicht der Rechtsweg zum Bundesverwaltungsgericht, sondern zum Verwaltungsgericht G. eröffnet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2000 – BVerwG 11 A 6.99 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG.

 

Unterschriften

Hien, Dr. Storost, Vallendar

 

Fundstellen

Dokument-Index HI565704

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