Verfahrensgang

VG Greifswald (Aktenzeichen 6 (3) A 354/97)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 14. September 1999 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 Million DM festgesetzt.

 

Gründe

Die auf alle drei Tatbestandsalternativen des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Dem Beschwerdevorbringen ist kein Grund für die Zulassung der Revision im Sinne dieser Vorschrift zu entnehmen.

1. Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Die Klägerin will in einem Revisionsverfahren als grundsätzlich bedeutsam geklärt wissen, ob die Regelung in Art. II Nr. 5 der Verordnung über die Bodenreform im Lande Mecklenburg-Vorpommern vom 5. September 1945, derzufolge bestimmte Ländereien und landwirtschaftliches Vermögen nicht der Aufteilung unterlagen, in Anlehnung an die entsprechenden Regelungen in den Bodenreformverordnungen der übrigen vier Länder der sowjetischen Besatzungszone dahin zu verstehen ist, daß die betreffenden Vermögenswerte nicht enteignet werden sollten. Mit dieser Frage wird schon deswegen kein Bedarf nach grundsätzlicher Rechtsklärung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufgezeigt, weil sie kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) betrifft. Abgesehen davon würde sie sich in dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die von der Klägerin nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen werden (s. nachfolgend 3.), ist das umstrittene Gut G. L. von der Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommern bei der Durchführung der Bodenreform im Jahre 1945 dazu bestimmt worden, als staatliche Musterwirtschaft zu dienen. Das Gut unterfiel demnach nicht – wie die Klägerin annimmt – der Bestimmung des Art. II Nr. 5 der Bodenreformverordnung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, sondern der Bestimmung des Art. IV Nr. 14 derselben Verordnung. Nach dieser Bestimmung wurde ein Teil des gemäß Art. II Nrn. 2 bis 4 der Verordnung in den Bodenfonds übergegangenen Bodens – dazu gehörten vornehmlich die enteigneten Güter der „Junker, Feudalherren und der Großgrundbesitzer” mit über 100 ha Land (Art. II Nr. 3 der Verordnung) – aufgrund entsprechender Festlegungen der Landesverwaltung „für die Schaffung von Musterwirtschaften und andere wichtige Zwecke abgesondert”.

Die Klägerin stellt ferner mehrere als klärungsbedürftig bezeichnete Fragen zur Anwendung des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG auf Vermögenswerte, die – wie hier – sowohl der Bodenreform ausgesetzt waren als auch aufgrund des Befehls Nr. 124 der SMAD vom 30. Oktober 1945 beschlagnahmt wurden. Auch diese Fragen können die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht rechtfertigen, weil sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu dem von der Klägerin angesprochenen Fragenkreis bereits in seinem Urteil vom 28. August 1997 – BVerwG 7 C 22.97 – (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 121) Stellung genommen und ausgeführt, daß eine mit der Enteignung im Zuge der Bodenreform konkurrierende Beschlagnahme desselben Vermögenswerts aufgrund des SMAD-Befehls Nr. 124 sowie die spätere Aufhebung der Beschlagnahme der Anwendung des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG nicht entgegenstehen. Das gilt nicht nur dann, wenn – wie in dem damals entschiedenen Fall – die Enteignung der Beschlagnahme nachfolgte, sondern auch dann, wenn – wie möglicherweise im vorliegenden Fall – der betreffende Vermögenswert gleichzeitig mit der Enteignung oder erst danach aufgrund des SMAD-Befehls Nr. 124 beschlagnahmt wurde. Denn auch in einem derartigen Fall läßt sich den Maßnahmen, die auf die Durchführung des Befehls Nr. 124 gerichtet waren, regelmäßig kein Wille der Besatzungsmacht entnehmen, die auf anderer Rechtsgrundlage durchgeführte Enteignung zu unterbinden oder rückgängig zu machen. Für einen der Bodenreformenteignung entgegengesetzten Willen der Besatzungsmacht, der zur Unanwendbarkeit des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG führen würde, bestehen auch im vorliegenden Fall keine greifbaren Anhaltspunkte, selbst wenn, wie die Klägerin vorträgt, das Gut G. L. von der Besatzungsmacht als „herrenloses Reichsvermögen” beschlagnahmt worden sein sollte.

2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts steht ferner nicht in Widerspruch zu den von der Klägerin genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Wie die Klägerin selbst vorträgt, hat das Verwaltungsgericht im Anschluß an die Entscheidungen des beschließenden Senats vom 13. Februar 1997 – BVerwG 7 C 50.95 – (BVerwGE 104, 84 ≪87 f.≫) und vom 14. Januar 1998 – BVerwG 7 B 339.97 – (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 134) ausgeführt, daß der Begriff der Enteignung in § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG im Sinne eines tatsächlichen Eigentumszugriffs verstanden werden muß. Das Verwaltungsgericht ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin der von ihm zugrunde gelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht nur verbal, sondern auch in der Sache gefolgt. Denn es hat die Enteignung des Gutes G. L. aus dem Schreiben des Präsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern an die Oberbürgermeister und Landräte vom 26. September 1945 sowie der zugehörigen „Anweisung der Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommern über die Freistellung von Gütern von der Aufteilung” hergeleitet, in der u.a. das Gut G. L. genannt ist; ferner hat es darauf hingewiesen, daß die betroffenen Güter – darunter das Gut G. L. – in einer späteren Aufstellung über gewährte Zuschüsse als „Landesgüter” aufgeführt sind. Dabei ist es ersichtlich davon ausgegangen, daß das Gut entsprechend den Anweisungen der Landesverwaltung im Schreiben vom 26. September 1945 über die Auswahl und Bestellung der Betriebsleiter und die Aufgaben der freigestellten Güter tatsächlich als Staatseigentum behandelt wurde; dies folgt aus dem zur Bestätigung der vollzogenen Enteignung gegebenen weiteren Hinweises auf die „Anordnung über die Bildung der Vereinigung volkseigener Güter in der sowjetischen Besatzungszone” vom 22. Juni 1949 und die zugehörige Anlage „A”, in der das Gut G. L. ausdrücklich als „volkseigener landwirtschaftlicher Betrieb” bezeichnet ist. Das Verwaltungsgericht hat mithin seine Annahme, daß das Gut im Zuge der Bodenreform enteignet wurde, im Gegensatz zu den Ausführungen der Klägerin nicht lediglich auf eine interne Verwaltungsanweisung über die Freistellung von Gütern von der Aufteilung gestützt, sondern darüber hinaus eine Reihe weiterer Indizien herangezogen, die auch nach Ansicht des beschließenden Senats einen tatsächlichen Eigentumszugriff vor der Gründung der DDR im Oktober 1949 eindeutig belegen.

Das Verwaltungsgericht hat sich auch nicht zu den Ausführungen des Senats im Urteil vom 28. August 1997 – BVerwG 7 C 22.97 – (a.a.O.) in Widerspruch gesetzt, nach denen mit einer Beschlagnahme noch kein endgültiger Entzug des Eigentums verbunden ist, sondern es hat lediglich angenommen, daß das Gut G. L. neben seiner Beschlagnahme nach dem Befehl Nr. 124 aufgrund der Vorschriften über die Bodenreform enteignet wurde. Auch im übrigen ist es nicht von dem zuletzt genannten Urteil abgewichen; im Gegenteil wird – wie sich aus den Ausführungen oben unter 1. ergibt – seine Rechtsauffassung, daß das Gut G. L. wegen Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG von der Restitution ausgenommen ist, durch dieses Urteil gestützt.

3. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen gleichfalls nicht vor.

Insbesondere hat das Verwaltungsgericht nicht durch die Ablehnung der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 14. September 1999 gestellten Beweisanträge seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt. Die mit dem ersten Beweisantrag verlangte Beiziehung des Rechtsträgernachweises vom 15. September 1951 erübrigte sich deshalb, weil sich dieses Schriftstück (in Ablichtung) bereits bei den Verfahrensakten befand. Das Verwaltungsgericht mußte auch nicht entsprechend dem zweiten Beweisantrag der Klägerin den Sachverständigen Dr. F. vom Institut für Zeitgeschichte, Außenstelle Potsdam, zu der Behauptung hören, daß „die Bezeichnung GVVG Waren III im Rechtsträgernachweis vom 15. September 1951 steht für ‚Grupa Vojsk v Germanii’, Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland”. Wie sich aus der bereits erwähnten „Anordnung über die Bildung der Vereinigung volkseigener Güter in der sowjetischen Besatzungszone” vom 22. Juni 1949 (§ 9 Abs. 1) ergibt, wurde die Abkürzung GVVG zur Bezeichnung der aufgrund der Anordnung gebildeten „Gebietsvereinigungen volkseigener Güter” verwendet. Selbst wenn sich bei der von der Klägerin beantragten Beweisaufnahme ergeben hätte, dass diese Abkürzung zugleich auch in dem von der Klägerin vorgetragenen Sinne gebraucht wurde, wäre damit nicht die Frage beantwortet gewesen, wie die Abkürzung im Rechtsträgernachweis vom 15. September 1951 zu verstehen war. Zur Beantwortung dieser Frage war eine besondere Sachkunde nicht erforderlich. Vielmehr durfte das Verwaltungsgericht in Anbetracht der sich aus zahlreichen anderen Indizien ergebenden Vorgeschichte des Gutes G. L. ohne Beratung durch einen Sachverständigen von sich aus die Feststellung treffen, daß mit der Abkürzung GVVG im Rechtsträgernachweis vom 15. September 1951 die örtlich zuständige Gebietsvereinigung volkseigener Güter gemeint war, der nach § 9 Abs. 2 der Anordnung vom 22. Juni 1949 bis zu der Einsetzung der Vereinigung volkseigener Güter Mecklenburg als neuer Rechtsträger im Jahre 1951 die Rechtsträgerschaft an dem Gut zugestanden hatte.

Ebensowenig war das Verwaltungsgericht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO verpflichtet, Nachforschungen über die Authentizität der vom Beklagten vorgelegten Anlage zur „Anordnung über die Bildung der Vereinigung volkseigener Güter in der sowjetischen Besatzungszone” vom 22. Juni 1949 anzustellen. Zu solchen Nachforschungen bestand kein Anlaß, weil die Authentizität der Anlage auch in Anbetracht der Einwände der Klägerin nicht zweifelhaft war. Aus dem Umstand, daß die Anlage in der veröffentlichten Fassung der Anordnung nicht enthalten ist, folgt nichts Gegenteiliges. Soweit die Klägerin darüber hinaus dem Verwaltungsgericht allgemein vorwirft, es habe die Art der über das Gut G. L. ausgeübten Verwaltung (Treuhandverwaltung oder Verwaltung von Staatseigentum) nicht hinreichend aufgeklärt, läßt sie Ausführungen dazu vermissen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), auf welche Weise das Verwaltungsgericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte weiter aufklären können. Derartige Möglichkeiten sind auch sonst nicht zu erkennen.

Schließlich leidet das angefochtene Urteil auch nicht an einem Begründungsmangel (§ 138 Nr. 6 VwGO). Die in den Entscheidungsgründen (S. 18) enthaltene Bezugnahme auf den Bescheid des Beklagten vom 29. Januar 1997 wird durch § 117 Abs. 5 VwGO gerechtfertigt. Aus der Bezugnahme läßt sich zweifelsfrei ersehen, daß das Verwaltungsgericht das Gut G. L. ebenso wie der Beklagte deswegen nicht als von der Besatzungsmacht geschütztes ausländisches Vermögen angesehen hat, weil die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit nicht vor dem Erwerb der schwedischen Staatsangehörigkeit im Jahre 1954 verloren hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Franßen, Dr. Bardenhewer, Herbert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI566575

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