Verfahrensgang

Hamburgisches OVG (Aktenzeichen 7 Bf 303/98.PVB)

 

Tenor

Die Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts – Fachsenat für Personalvertretungssachen nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz – über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in seinem Beschluß vom 17. Dezember 1999 wird aufgehoben, soweit es im Rahmen der Entscheidung über den Hilfsantrag um die Nichtigkeit des § 8 Abs. 1 Buchst. b der Dienstvereinbarung vom 9. Juli 1991 geht. In diesem Umfang wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Im übrigen wird die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im vorgenannten Beschluß zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Die geltend gemachte und hier allein statthafte Abweichungsrüge nach § 83 Abs. 2 BPersVG in Verbindung mit § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2, § 92 a Satz 1 ArbGG greift nur zum kleineren Teil durch.

a) Hinsichtlich des Kündigungs- und Rückgruppierungsverbots in § 4 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 Satz 2 der Dienstvereinbarung vom 9. Juli 1991 liegt eine Abweichung von den zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht vor.

aa) Insoweit weicht der angefochtene Beschluß zunächst nicht vom Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. März 1986 – BVerwG 6 P 38.82 – (Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 45 S. 44) ab. In diesem Beschluß wird aus dem Mitbestimmungstatbestand nach § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG hergeleitet, daß durch den Sozialplan die wirtschaftlichen Nachteile ausgeglichen oder gemildert werden sollen, die den Beschäftigten infolge von Rationalisierungsmaßnahmen entstehen (a.a.O. S. 45). Zwar liegt dieser Aussage auch die Vorstellung zugrunde, daß Sozialpläne regelmäßig in die Form von Dienstvereinbarungen gekleidet werden. Einen Rechtssatz des Inhalts, ein von § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG erfaßter, als Dienstvereinbarung aufgestellter Sozialplan könne entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts keinesfalls die Situation, vor der er schützen solle, im Sinne einer präventiven Regelung antizipieren, läßt sich jener Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch nicht entnehmen. Die dort gleichfalls enthaltene Aussage, der Sozialplan beruhe seiner Natur nach häufig auf Prognosen, die sich in der Folgezeit als unzutreffend erwiesen (a.a.O. S. 46), belegt im Gegenteil eher ein Verständnis, wonach dem Sozialplan typischerweise fließende, noch nicht abgeschlossene Lebenssachverhalte zugrunde liegen, die präventive Regelungen erforderlich machen.

bb) Eine Abweichung vom Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. November 1983 – BVerwG 6 P 28.82 – (ZBR 1984, 151) liegt ebenfalls nicht vor. Danach ist der Abschluß einer Dienstvereinbarung eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme, sofern der Gegenstand der Dienstvereinbarung der Mitbestimmung der Personalvertretung unterliegt. Dazu hat sich das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluß nicht in Widerspruch gesetzt. Im Gegenteil offenbart die Aussage im angefochtenen Beschluß, eine Dienstvereinbarung nach dem Einleitungssatz des § 75 Abs. 3 BPersVG habe den Sinn, anstelle der Durchführung einer Vielzahl von Mitbestimmungsverfahren aus Anlaß von gleich- oder ähnlichgelagerten Fällen im vorhinein generelle Regelungen für zukünftige Mitbestimmungsfälle vorzusehen, daß das Oberverwaltungsgericht den Charakter einer mitbestimmungspflichtigen Dienstvereinbarung ebenso gesehen hat wie das Bundesverwaltungsgericht im zitierten Beschluß vom 1. November 1983. Zur Frage, ob und inwieweit Regelungen der in § 4 der Dienstvereinbarung getroffenen Art der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG unterliegen, verhält sich dagegen jener Beschluß nicht.

b) Hinsichtlich der „30/70-Regelung” in § 10 Abs. 1 Satz 2 der Dienstvereinbarung bleibt die Abweichungsrüge gleichfalls ohne Erfolg. Insoweit weicht der angefochtene Beschluß nicht vom Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Oktober 1989 – BVerwG 6 P 7.88 – (Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 71) ab. Danach unterliegen Anordnungen, die die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben der Beschäftigten regeln, also mit ihrer Arbeitsleistung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, oder diensttechnische Regelungen, die den Ablauf des Dienstes gestalten, nach Sinn und Zweck der personalvertretungsrechtlichen Beteiligung nicht der Mitbestimmung der Personalvertretung (a.a.O. S. 51). Eine allgemeine Anordnung wie z.B. eine Hausordnung kann sowohl das allgemeine Verhalten der Beschäftigten betreffen wie auch die Erfüllung von dienstlichen Aufgaben regeln. Mitbestimmungsfrei sind solche Regelungen, bei denen die Diensterfüllung eindeutig im Vordergrund steht und bei denen Verhaltens- und Ordnungsmaßnahmen sich nur als zwangsläufige Folge dieser Zielsetzung darstellen (a.a.O. S. 52). An diesen Grundsätzen für die Unterscheidung zwischen mitbestimmungsfreier Aufgabenerfüllung und mitbestimmungspflichtigen innerdienstlichen Maßnahmen hat sich das Oberverwaltungsgericht unter Zitierung der einschlägigen Senatsrechtsprechung orientiert. Es hat nämlich die Regelung in § 10 Abs. 1 Satz 2 der Dienstvereinbarung (auch) dem innerdienstlichen Bereich zugeordnet, da diese nicht oder jedenfalls nicht ausschließlich die gesetzliche Aufgabenerfüllung, sondern (vorwiegend) den Gesundheitsschutz der Beschäftigten im Blick habe.

c) Hinsichtlich der Pausenregelung in § 8 Abs. 1 Buchst. b der Dienstvereinbarung hat die Abweichungsrüge dagegen Erfolg.

aa) In dieser Hinsicht weicht der angefochtene Beschluß von den Beschlüssen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. April 1988 – BPV TK 3334/87 – sowie des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 26. November 1991 – 15 S 1572/90 – ab. In beiden Beschlüssen wird übereinstimmend die Auffassung vertreten, die zeitliche Festlegung bezahlter Pausen, welche die Arbeitszeit unterbrächen, falle nicht unter den Mitbestimmungstatbestand nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG. Im Widerspruch dazu heißt es im angefochtenen Beschluß, die Frage, ob und inwieweit zum Zwecke des Gesundheitsschutzes vorgesehene Pausen zur Arbeitszeit zählten, sei gesetzlich und tarifvertraglich nicht geregelt, könne aber regelungsbedürftig sein und unterliege deshalb der Mitbestimmung der Personalvertretung nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG (S. 14 des BA).

bb) Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur vorstehenden Rechtsfrage ist bislang nicht ergangen. Im Beschluß vom 9. Dezember 1998 – BVerwG 6 P 6.97 – (BVerwGE 108, 135), in welchem der Senat die frühere Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Arbeitsbedingungen aufgegeben hat, hat er zur Frage der Arbeitszeitregelung nicht Stellung genommen (a.a.O. S. 153).

cc) Der angefochtene Beschluß beruht auf der vorbezeichneten Abweichung. Den zitierten Ausführungen auf S. 14 des Beschlusses ist zu entnehmen, daß für das Oberverwaltungsgericht die Bejahung der Mitbestimmungspflichtigkeit bezahlter Pausen entscheidungserheblich war.

2. Der Erfolg der Abweichungsrüge in bezug auf die Regelung in § 8 Abs. 1 Buchst. b der Dienstvereinbarung rechtfertigt nicht die uneingeschränkte Zulassung der Rechtsbeschwerde.

a) Soweit das Oberverwaltungsgericht den Hauptantrag abgewiesen hat, der auf Nichtigerklärung der gesamten Dienstvereinbarung vom 9. Juli 1991 gerichtet ist, stellt sich der angefochtene Beschluß auch dann im Ergebnis als richtig dar (§ 563 ZPO), wenn man unterstellt, daß sich § 8 Abs. 1 Buchst. b der Dienstvereinbarung im Rechtsbeschwerdeverfahren als nichtig erweist. Mit Blick auf den in § 139 BGB enthaltenen Rechtsgedanken verbietet sich die Annahme, daß die Unwirksamkeit der vorgenannten Regelung zugleich die Unwirksamkeit aller übrigen Regelungen der Dienstvereinbarung, insbesondere derjenigen zum Kündigungs- und Rückgruppierungsverbots (§ 4) und zur Verteilung der Arbeitszeit (§ 10) nach sich zieht.

b) Da die Abweichungsrüge nur bezüglich der Entscheidung über die im Hilfsantrag – neben anderen – einzeln angesprochene Regelung in § 8 Abs. 1 Buchst. b der Dienstvereinbarung Erfolg hat, kann die Rechtsbeschwerde nur in bezug auf den Hilfsantrag und auch nur hinsichtlich dieses Teils des Hilfsantrages zugelassen werden.

 

Unterschriften

Albers, Büge, Dr. Graulich

 

Fundstellen

Dokument-Index HI566534

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