Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Entscheidung vom 18.05.2000; Aktenzeichen A 13 S 2477/97)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 18. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

Die Beschwerde rügt zunächst als Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), das Berufungsgericht hätte die Berufung des Beteiligten mangels einer ausreichenden Berufungsbegründung, welche den Anforderungen des § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO genügt, zurückweisen müssen. Der Bundesbeauftragte habe in seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, auf welchen er zur Berufungsbegründung Bezug genommen habe, lediglich gerügt, dass das Verwaltungsgericht ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG in Verbindung mit Art. 3 EMRK unter Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei einer nichtstaatlichen Verfolgung bejaht habe. Damit sei aber „keine entscheidungserhebliche Tatsachenfrage aufgeworfen”, sondern lediglich eine Rechtsfrage dargelegt worden, weshalb die vom Berufungsgericht zur Zulässigkeit der Bezugnahme in der Berufungsbegründung auf den Zulassungsantrag und den Zulassungsbeschluss zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 23. September 1999 – BVerwG 9 B 372.99 – ≪NVwZ 2000, 67≫) nicht zutreffe.

Mit diesem Vortrag wird ein Verfahrensmangel schon nicht schlüssig bezeichnet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird dem Formerfordernis einer gesonderten Berufungsbegründung nach § 124 a Abs. 3 Satz 1 VwGO regelmäßig genügt, wenn in dem hierfür einzureichenden Schriftsatz – ggf. auch nur durch Verweisung auf den Zulassungsantrag und den Zulassungsbeschluss wie im Ausgangsverfahren – hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, ob und weshalb der Berufungsführer an der Durchführung des zugelassenen Berufungsverfahrens festhalten will (vgl. Beschluss vom 15. Oktober 1999 – BVerwG 9 B 499.99 – ≪NVwZ 2000, 315 = InfAuslR 2000, 98≫ unter Hinweis auf BVerwGE 107, 117, 121; ebenso Beschluss vom gleichen Tag – BVerwG 9 B 491.99 – ≪juris≫; vgl. ferner Beschlüsse vom 8. September 2000 – BVerwG 11 B 50.00 – ≪juris≫ und vom 7. März 2000 – BVerwG 4 B 79.99 – ≪NVwZ 2000, 912≫). Die Bezugnahme auf den Zulassungsantrag und den Zulassungsbeschluss ist daher nicht – wie die Beschwerde vermutet – an das Vorbringen einer tatsächlichen Grundsatzfrage geknüpft, sondern lediglich daran, dass für das Berufungsgericht und alle Beteiligten zuverlässig feststeht, ob der Berufungskläger nach wie vor – nämlich nach Zulassung seiner Berufung – die Durchführung des Berufungsverfahrens erstrebt (Beschluss vom 8. September 2000, a.a.O., und vom 7. März 2000, a.a.O.). Das aber war im Ausgangsverfahren der Fall. Der Beteiligte hat erkennbar an seiner Rechtsauffassung festgehalten, dass das erstinstanzliche Urteil wegen einer Rechtssatzdivergenz fehlerhaft ist und dass er deshalb eine erneute Entscheidung des Berufungsgerichts erstrebt. Mehr musste er zur Berufungsbegründung nicht tun. Die Verfahrensrüge ist daher im Ergebnis auch offensichtlich unbegründet.

Die Beschwerde beruft sich ferner auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die „Ablehnung des mit dem Schriftsatz vom 13.12.1999 gestellten und auch damit begründeten Hilfsbeweisantrages” (Beschwerdebegründung S. 3), weil dessen Ablehnung weder im materiellen Recht noch im Verfahrensrecht eine Stütze finde. Außerdem hätte sich dem Verwaltungsgerichtshof insoweit eine Beweisaufnahme auch aufdrängen müssen (Beschwerdebegründung S. 5).

Diese Rüge ist bereits deshalb nicht ordnungsgemäß erhoben, weil weder der Inhalt des Beweisantrags im Einzelnen nachprüfbar mitgeteilt wird noch ein Schriftsatz vom 13. Dezember 1999 bei den Berufungsakten auffindbar ist. Die Pflicht zur Bezeichnung des Verfahrensmangels nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erfordert – gerade auch zur Entlastung des Revisionsgerichts – die vollständige (und schlüssige) Darlegung des Sachverhalts, aus dem sich der geltend gemachte Verstoß gegen das Prozessrecht ergeben soll. Nur dessen Nachprüfung ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts im Beschwerdeverfahren und nicht die Sichtung der Akten daraufhin, ob sich pauschal behauptete oder unvollständig vorgetragene Verfahrensmängel anhand der Prozessakten erkennen lassen.

Unabhängig davon, dass die Rüge bereits deshalb unzulässig ist, könnte sie auch dann keinen Erfolg haben, wenn man sie auf den Hilfsbeweisantrag in dem letzten im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsatz des Klägers vom 8. November 1999 (VGH-Akten S. 45 ff.) bezieht. Damit wurde die Einholung eines Sachverständigengutachtens von amnesty international und hilfsweise des Instituts für Afrika-Kunde beantragt

„zum Beweis der Tatsache, daß der Kläger wegen seines langjährigen Auslandsaufenthaltes und der Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland, auch wegen seiner persönlichen Herkunft und seinem Aussehen bei einer Rückkehr oder bei einer Abschiebung in die DRK allein schon wegen der vermeintlich besseren Wirtschaftssituation, des willkürlichen Verdachtes der Angehörigkeit zu den Rebellen oder einer der Rebellen nahestehenden Ethnie, zudem wegen des Verdachtes der exilpolitischen Betätigung oder auch Unterstützung der RDC nicht nur eine bis zu 48 Stunden dauernde Inhaftierung und Befragung bzw. Verhöre auf dem Flughafen in Kinshasa zu befürchten hat, sondern darüber hinaus eine weitere Inhaftierung im Zusammenhang mit Folter und Mißhandlung der Gestalt, daß es eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung darstellt, um vermeintliche Unterstellungen im Rahmen einer Aussage zu erpressen.”

Die Beschwerde beanstandet – erstens – die Zurückweisung desjenigen Teils dieses (oder möglicherweise eines ähnlichen anderen, nicht zu den Akten gelangten) Beweisantrags, den der Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung, es handele sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis, abgelehnt hat (vgl. Beschwerdebegründung S. 4 a.E., letzter Satz). Mit dieser Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof den Hilfsbeweisantrag insoweit abgelehnt, als er „auf eine Gefährdung des Klägers wegen seiner persönlichen Herkunft, seines Aussehens und des Verdachts der Zugehörigkeit zu einer den Rebellen nahe stehenden Ethnie” ziele (BA S. 8); denn das Vorliegen dieser vermeintlich gefahrenerhöhenden persönlichen Merkmale werde ohne Angabe jeglicher tatsächlicher Grundlagen lediglich ins Blaue hinein behauptet. Entsprechendes gelte für das in dem Beweisantrag als gefahrenerhöhend angeführte Verdachtsmoment der exilpolitischen Betätigung; denn der Kläger habe nicht einmal geltend gemacht, sich in Deutschland gegen das Kabila-Regime öffentlich engagiert zu haben (BA S. 8). Insoweit versucht die Beschwerde lediglich, die vom Tatrichter gegebene und an sich prozessrechtlich zulässige Ablehnungsbegründung mit eigenen Erwägungen in Zweifel zu ziehen, ohne indessen auf den Kern der Ablehnungsbegründung einzugehen. Soweit die Beschwerde darüber hinaus zugleich einwendet, der Beweisantrag sei auch auf willkürliche Verfolgungsmaßnahmen „aufgrund der vermeintlich besseren Wirtschaftssituation, des Verdachtes einer exilpolitischen Betätigung oder Unterstützung der RDC (nicht tatsächliche exilpolitische Betätigung, sondern der Verdacht)” bezogen gewesen, führt die Rüge ins Leere. Bei verständiger Würdigung der Berufungsentscheidung kann nicht unterstellt werden, dass der Verwaltungsgerichtshof den Hilfsbeweisantrag auch insoweit mit der angegriffenen Begründung abgelehnt hat. Im Übrigen ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht insoweit eine Substantiierung der gefahrenerhöhenden Merkmale vermisst hat (vgl. hierzu auch die Ausführungen im angefochtenen Beschluss S. 6/7 zu Gefahren aufgrund der persönlichen Herkunft und des Aussehens). Außerdem hat das Berufungsgericht mit seinen Ausführungen auf S. 6/7 des angefochtenen Beschlusses deutlich gemacht, dass allein die Gefahr willkürlicher Behandlung – ohne besondere individuelle gefahrenerhöhende Momente – von seinem tatrichterlichen und rechtlichen Standpunkt aus nicht genügt, um die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer gezielten Misshandlung im Sinne von Art. 3 EMRK annehmen zu können, wenngleich deren Möglichkeit – wie für die Mehrheit der kongolesischen Bevölkerung und der Rückkehrer – nicht gänzlich auszuschließen ist. Dies gilt ersichtlich entsprechend für alle aus dem Willkürcharakter der Maßnahmen abgeleiteten Verletzungsgefahren, also auch wegen des willkürlichen „Verdachtes der exilpolitischen Betätigung oder auch Unterstützung der RDC” im Sinne des Hilfsbeweisantrags. Auch insoweit ist es deshalb nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Substantiierung individueller gefahrenerhöhender Momente vermisst hat. Außerdem hatte sich das Berufungsgericht – was die Beschwerde nicht erwähnt – bereits im Rahmen einer erneuten Anhörungsmitteilung nach § 130 a VwGO in der Verfügung vom 26. Januar 2000 (VGH-Akten Bl. 72) zur Ablehnung des gesamten Hilfsbeweisantrags darauf berufen, dass sich der Senat „in seinen Urteilen vom 6. Oktober 1999 … und vom 17. November 1999 … auch unter Beiziehung von Erkenntnisquellen von amnesty international und des Instituts für Afrika-Kunde eingehend” befasst habe; „relevante neue Gesichtspunkte” seien durch den Schriftsatz vom 8. November 1999 „nicht aufgezeigt” worden. Damit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander; auch hätte der Kläger danach eine weitere Präzisierung seines Beweisantrags innerhalb der eingeräumten Äußerungsfrist vornehmen können.

Die Beschwerde wendet zusätzlich – zweitens – ein, „allein wegen der Willkür sowohl bezüglich der Verdachtsmomente gegen eine Person als auch wegen der Willkür bei erfolgten Verfolgungshandlungen, hätte es sich dem VGH Baden-Württemberg aufdrängen müssen, dem Hilfsbeweisantrag nachzugehen, wobei die angegebenen Beweismittel als Aufklärungsmöglichkeiten durchaus in Betracht” gekommen wären (Beschwerdebegründung S. 5 oben). Damit macht die Beschwerde indes der Sache nach lediglich eine Verletzung der Aufklärungspflicht geltend, ohne auf die bereits erwähnte Begründung des Berufungsgerichts einzugehen, dass es zu einer Beurteilung der Lage aufgrund der eingeführten Stellungnahmen, auch der als Gutachter benannten Stellen, in der Lage sei, ohne weitere Sachverständigengutachten einzuholen.

Einen weiteren Aufklärungsmangel sieht die Beschwerde schließlich noch darin, dass sich dem Verwaltungsgerichtshof eine Beweisaufnahme „gerade in bezug auf das Beweisthema” auch deshalb hätte aufdrängen müssen, „weil der 13. Senat des VGH Baden-Württemberg in zumindest drei weiteren noch anhängigen Berufungsverfahren am 25.07., 26.07. und 27.07.2000 eine Beweisaufnahme” durchführe, „und zwar durch Vernehmung eines Zeugen O. und zwar als ehemaliger Leiter der kongolesischen Immigrationsbehörde DGM” dazu, „daß grundsätzlich jeder Asylbewerber, der in der Zeit nach dem Sturz des Mobutu-Regimes abgeschoben” werde, „als potentieller Regimefeind gelte, da man ihm unterstelle, gegen das Kabila-Regime zu sein, weil er sich nach dem Sturz Mobutus noch länger im Ausland aufgehalten habe” (Beschwerdebegründung S. 5 Abs. 3). Diese Rüge muss schon daran scheitern, dass entsprechende Tatsachenbehauptungen nicht Gegenstand des in Bezug genommenen Hilfsbeweisantrags gewesen sind.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

 

Unterschriften

Dr. Paetow, Hund, Richter

 

Fundstellen

Dokument-Index HI544067

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