Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlagepflicht an den EuGH. Verfassungsmäßigkeit des DurchfG zur VO(EWG) Nr 19/1962 § 5

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das DurchfG zur VO(EWG) Nr. 19/1962 § 5 ist mit GG Art. 80 Abs. 1 S. 2 vereinbar. Insbesondere kann die unterschiedliche Auslegung von VO Nr. 19 Art. 4 durch den BFH einerseits und den EuGH andererseits der Vorschrift nicht ihre Bestimmtheit nehmen.

2. Weil der BFH keinen Zweifel über den Inhalt der anzuwendenden VO EWG hatte, brauchte er sich auch nicht mit der Frage der Vorlagepflicht an den EuGH nach Art. 177 Abs. 3 EWGV auseinanderzusetzen. Eine willkürliche Unterlassung der Vorlage ist somit nicht gegeben. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der EuGH insoweit als deutsche Gerichte zur Vorlage an ihn verpflichtet sind, gesetzlicher Richter i.S.d. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ist.

 

Normenkette

GG Art. 80 Abs. 1 S. 2, Art. 101 Abs. 1 S. 4; EWGV19DG § 5; EWGV 19/1962 § 5

 

Verfahrensgang

BFH (Urteil vom 11.07.1972; Aktenzeichen VII R 91/69)

FG Hamburg (Urteil vom 25.06.1969; Aktenzeichen IV a 67-68/68 H (IV))

 

Gründe

Grundrechte der Beschwerdeführerin werden durch das angegriffene Urteil nicht verletzt. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 28. Februar 1973 2 BvL 19/70 – festgestellt hat, ist § 5 DurchfG VO Nr. 19 auch unter Beachtung des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 12. Mai 1971 (Rspr. XVII, 393) mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar (a.a.0. S. 23}. Insbesondere kann die unterschiedliche Auslegung von Art. 4 VO Nr. 19 durch den Bundesfinanzhof einerseits und den Europäischen Gerichtshof andererseits der Vorschrift nicht ihre Bestimmtheit nehmen.

Dem Abschöpfungsbescheid fehlte es auch nicht insofern an einer Rechtsgrundlage, als der Mindestdifferenzbetrag, der gemäß Art. 1 VO Nr. 67 der Kommission erreicht sein mußte, bevor bei einer Änderung der Berechnungsfaktoren die Abschöpfungssätze neu zu berechnen waren, bis zum 25. März 1964 nicht durch einen innerstaatlichen Rechtsetzungsakt festgelegt war. Die Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofes, daß bis zu diesem Zeitpunkt von dem Mindestbetrag von 0,45 RE pro Tonne auszugehen war, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Beschluß vom 28. Februar 1973, S. 20 f.).

Schließlich kann auch eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht festgestellt werden, denn dem Bundesfinanzhof mußten sich Zweifel an der Richtigkeit seiner Auslegung von Art. 1 VO Nr. 67 nicht aufdrängen. Da der Begründung des Urteils eindeutig zu entnehmen ist, daß der Bundesfinanzhof über den Inhalt der Vorschrift nicht in Zweifel war, brauchte der Bundesfinanzhof sich auch nicht ausdrücklich mit der Frage der Vorlagepflicht nach Art. 177 Abs. 3 EWGV auseinanderzusetzen (vgl. BVerfGE 29, 198 [248]). Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß der Bundesfinanzhof die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof willkürlich unterlassen hat. An der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach eine Entziehung des gesetzlichen Richters durch eine Maßnahme, Unterlassung oder Entscheidung eines Gerichts nur dann festgestellt werden kann, wenn diese Maßnahme, Unterlassung oder Entscheidung auf Willkür beruht (BVerfGE 31, 145 [169]; 29, 198 [207] mit weiteren Nachweisen), wird festgehalten. Da diese Voraussetzung hier nicht erfüllt ist, kann weiterhin dahingestellt bleiben, ob der Europäische Gerichtshof insoweit, als Gerichte der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV zur Vorlage an ihn verpflichtet sind, gesetzlicher Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1678993

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