Verfahrensgang

BAG (Beschluss vom 21.08.1990; Aktenzeichen 1 ABN 20/90)

LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 21.12.1989; Aktenzeichen 13 TaBV 18/89)

 

Tenor

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

1. Der Beschwerdeführerin, einem Chemieunternehmen, war auf Antrag des Betriebsrats durch einen arbeitsgerichtlichen Beschluß untersagt worden, in einer Werkszeitung Zuschriften von Beschäftigten ohne Verfassernamen wiederzugeben. Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihres Grundrechts auf Pressefreiheit gerügt. Dem Betriebsrat ist als Antragsteller des Ausgangsverfahrens gemäß § 94 Abs. 3 BVerfGG Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Hiervon hat er durch einen von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt Gebrauch gemacht. Das Bundesverfassungsgericht hat den angefochtenen Beschluß aufgehoben, weil er die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verletzte. Das Land Baden-Württemberg hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten (BVerfGE 95, 28).

2. Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf § 40 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) die Festsetzung der Anwaltskosten, die aufgrund der Beauftragung eines Anwalts durch den Betriebsrat im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstanden sind. Der Rechtspfleger hat diesen Antrag zurückgewiesen, weil es nicht möglich sei, nicht erstattungsfähige Kosten eines gemäß § 94 Abs. 3 BVerfGG Äußerungsberechtigten als notwendig eigene der Beschwerdeführerin anzuerkennen, auch wenn diese die Kosten des Äußerungsberechtigten – gleich aus welchem Rechtsgrund – bezahlt habe. Die geltend gemachten Kosten hätten ferner nicht der eigenen zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Beschwerdeführerin gedient. Dagegen richtet sich die Erinnerung der Beschwerdeführerin, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Erinnerung ist unbegründet.

1. Wie der Begriff „notwendige Auslagen” im Sinne von § 34 a Abs. 2 BVerfGG zu definieren ist, regelt das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht nicht. Im allgemeinen werden darunter diejenigen Auslagen verstanden, die zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht aufgewendet werden müssen (vgl. BVerfGE 87, 270 ≪272≫; 88, 382 ≪383≫). Hiernach sind Auslagen erstattungsfähig, wenn sie bei Durchführung der Verfassungsbeschwerde aufzuwenden sind und dem mit der Verfassungsbeschwerde verfolgten Zweck entsprechen. Diese Voraussetzungen liegen unbeschadet der Frage, ob die Beschwerdeführerin gegenüber dem Betriebsrat nach § 40 Abs. 1 BetrVG zur Kostentragung verpflichtet ist, nicht vor, weil die Anwaltskosten des Betriebsrats jedenfalls nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Beschwerdeführerin dienten. Die Zweckrichtung der Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin bestand in der Durchsetzung von Grundrechten und der Aufhebung der angefochtenen fachgerichtlichen Entscheidungen. Demgegenüber bezweckte der Betriebsrat mit der Bevollmächtigung eines Anwalts die sachgerechte Wahrnehmung der Äußerungsmöglichkeit gemäß § 94 Abs. 3 BVerfGG. Diese Zweckrichtung ändert sich nicht dadurch, daß die Beschwerdeführerin unter den Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG zur Tragung der hierdurch verursachten Kosten verpflichtet ist. Für die Durchführung der Verfassungsbeschwerde waren diese Kosten weder erforderlich noch sachdienlich, ihr Erfolg hing nicht von der Wahrnehmung des Anhörungsrechts durch den Betriebsrat ab. Soweit die Beschwerdeführerin die Kosten dem Betriebsrat erstattet oder diesen hiervon freigestellt hat, wollte sie damit eine nach § 40 Abs. 1 BetrVG bestehende gesetzliche Verpflichtung erfüllen.

2. Nach den Grundsätzen des arbeitsgerichtlichen Prozeßrechts, die zur Auslegung des Begriffs „notwendige Auslagen” ergänzend herangezogen werden können (vgl. BVerfGE 89, 313 ≪314≫), gilt für die Erstattungsfähigkeit nichts anderes. Für Streitigkeiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat findet gemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz das Beschlußverfahren Anwendung, in dem ein Kostenausspruch nicht vorgesehen ist. Materiellrechtlich hat der Arbeitgeber unter den Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG die Kosten der Prozeßführung des Betriebsrats stets zu tragen, das heißt selbst dann, wenn er in dem Streit mit dem Betriebsrat obsiegt (vgl. Fitting/Kaiser/ Heither/Engels, Betriebsverfassungsgesetz, 18. Aufl., § 40 Rn. 14). Auch in diesem Fall dienen die durch den Betriebsrat veranlaßten Anwaltskosten nicht der eigenen Rechtsverfolgung des Arbeitgebers, sie bezwecken vielmehr im Gegenteil die Verteidigung gegenüber dieser.

3. Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. BVerfGE 46, 321 ≪323≫; 81, 387 ≪389≫; 88, 382 ≪383≫) rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Die einem Anhörungsberechtigten entstehenden Kosten sind im Verfassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht erstattungsfähig (vgl. BVerfGE 55, 132 ≪133≫). Der Umstand, daß ein Anhörungsberechtigter einen materiellrechtlichen Freistellungs- oder Erstattungsanspruch gegenüber dem Beschwerdeführer hat, verändert nicht den Entstehungsgrund dieser Kosten. Daß der Arbeitgeber in einem solchen Fall die Verfassungsbeschwerde nur unter Inkaufnahme dieser Kosten erheben kann, ist nicht auf eine Besonderheit im verfassungsgerichtlichen Verfahren, sondern auf die gesetzliche Regelung im Betriebsverfassungsgesetz zurückzuführen.

4. Schließlich kann die Erstattungsfähigkeit auch nicht auf Billigkeitserwägungen gestützt werden. Billigkeitsgründe können nur im Rahmen der im Ermessen stehenden Kostengrundentscheidung nach § 34 a Abs. 3 BVerfGG Berücksichtigung finden. Hingegen ist die Kostenfestsetzung keine Ermessensentscheidung. Sie ist an den normativen Begriff „notwendige Auslagen” in § 34 a Abs. 2 BVerfGG gebunden.

 

Unterschriften

Papier, Grimm, Kühling, Seibert, Jaeger, Haas, Hömig, Steiner

 

Fundstellen

Haufe-Index 1113479

BVerfGE, 46

NJW 1999, 203

NVwZ 1999, 175

NZA 1998, 1135

AGS 1999, 134

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