Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Beschluss vom 21.02.2008; Aktenzeichen 7 T 543/07)

LG Gießen (Beschluss vom 22.01.2008; Aktenzeichen 7 T 543/07)

 

Tenor

Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. Dezember 2006 – 3-13 O 28/06 – wird bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Annahme der Verfassungsbeschwerde eingestellt, soweit dem Beschwerdeführer die eidesstattliche Versicherung abgenommen werden soll.

Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen im Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.

 

Tatbestand

I.

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft ein auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gerichtetes Verfahren der Zwangsvollstreckung.

Die Gläubigerin betreibt aufgrund eines für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils die Zwangsvollstreckung und hat in diesem Zusammenhang beantragt, dem Beschwerdeführer die eidesstattliche Versicherung abzunehmen. Den im betreffenden Termin erhobenen Widerspruch des Beschwerdeführers hat das Amtsgericht zurückgewiesen, ohne die Voraussetzungen des § 765a ZPO im Hinblick auf ein hausärztliches und ein amtsärztliches Attest über eine für den Beschwerdeführer bestehende Gefahr eines Schlaganfalls näher zu prüfen.

Das Landgericht hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 22. Januar 2008 zwar den rechtlichen Ausgangspunkt des Amtsgerichts berichtigt und die Voraussetzungen des § 765a ZPO geprüft. Es hat die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers aber zurückgewiesen. Die vorgelegten amtsärztlichen Atteste genügten nicht den strengen Anforderungen an den Nachweis einer der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung entgegenstehenden Gesundheitsgefahr.

Mit dem weiter angegriffenen Beschluss hat das Landgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 sowie aus Art. 103 Abs. 1 GG durch die Beschlüsse des Landgerichts.

III.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen hier vor.

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei müssen die Gründe, welche für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechen, außer Betracht bleiben, es sei denn, die Hauptsache erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Ist dies nicht der Fall, müssen die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, mit den Nachteilen abgewogen werden, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 94, 334 ≪347≫; 96, 120 ≪128 f.≫; 104, 23 ≪28 f.≫; 108, 34 ≪41 f.≫; stRspr).

Nach diesen Maßstäben hat der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hier Erfolg. Die Verfassungsbeschwerde ist nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Vielmehr erscheint eine Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Zusammenhang mit der Würdigung der amtsärztlichen Atteste durch das Landgericht im Rahmen der §§ 765a, 900 Abs. 4 ZPO möglich.

Die danach gebotene Folgenabwägung fällt zugunsten des Beschwerdeführers und seines Rechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG aus. Denn dem Beschwerdeführer droht nach den vorliegenden Attesten Lebensgefahr und damit ein irreparabler Rechtsverlust. Dem steht lediglich eine Verzögerung der von der Gläubigerin beantragten Zwangsvollstreckung durch Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gegenüber. Das auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung des Beschwerdeführers gerichtete Verfahren kann aber jederzeit fortgesetzt werden. Eine dem Gläubiger drohende irreparable Rechtsbeeinträchtigung ist derzeit nicht erkennbar.

IV.

Wegen der jederzeit möglichen Fortsetzung des auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gerichteten Verfahrens, der für den Beschwerdeführer nach den Attesten bestehenden erheblichen Gesundheitsgefahr und der daraus folgenden besonderen Dringlichkeit der Sache sieht die Kammer nach § 32 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG davon ab, den Äußerungsberechtigten bereits vor der Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG.

 

Unterschriften

Hoffmann-Riem, Eichberger, Schluckebier

 

Fundstellen

Haufe-Index 1959778

WM 2008, 740

DGVZ 2008, 123

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