Verfahrensgang

BVerwG (Beschluss vom 01.09.1992; Aktenzeichen 2 B 126.92)

Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 30.04.1992; Aktenzeichen 3 L 313/91)

VG Schleswig-Holstein (Gerichtsbescheid vom 13.06.1991; Aktenzeichen 11 A 104/90)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

A.

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Kürzung seines Ruhegehalts nach § 57 Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) vom 24. August 1976 (BGBl I S. 2485) in der Fassung der Änderung durch Art. 1 Nr. 3 des Siebenten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 1985 (BGBl I S. 1513).

1. Der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich findet u.a. in der Form der Begründung von Rentenanwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung (Quasi-Splitting – § 1587b Abs. 2 i.V.m. § 1587a Abs. 2 Nr. 1 BGB –) statt. Beim Quasi-Splitting werden die Versorgungsbezüge des aus dem Versorgungsausgleich verpflichteten Ehegatten und seiner Hinterbliebenen gekürzt. Dazu bestimmt das Beamtenversorgungsrecht in § 57 Abs. 1 BeamtVG:

(1) Sind Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587 b Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch Entscheidung des Familiengerichts begründet worden, werden nach Wirksamkeit dieser Entscheidung die Versorgungsbezüge des verpflichteten Ehegatten und seiner Hinterbliebenen nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften um den nach Absatz 2 oder 3 berechneten Betrag gekürzt. Das Ruhegehalt, das der verpflichtete Ehegatte im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich erhält, wird erst gekürzt, wenn aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten eine Rente zu gewähren ist. …

(2) – (4)

2. Der im Jahre 1940 geborene Beschwerdeführer stand bis zu seiner vorzeitigen Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit zum 28. Februar 1990 als Regierungsoberinspektor im Dienste des Landes Schleswig-Holstein. Die Ehe des Beschwerdeführers war 1986 geschieden worden. Das Urteil, mit dem für die Ehefrau Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 726,95 DM – bezogen auf den 31. Dezember 1985 – begründet wurden, ist seit dem 30. Dezember 1986 rechtskräftig. Die frühere Ehefrau des Beschwerdeführers übt eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst aus und hat keine Unterhaltsansprüche gegen den Beschwerdeführer.

Mit Bescheid vom 20. März 1990 wurden die Versorgungsbezüge des Beschwerdeführers auf der Grundlage eines Ruhegehaltsatzes von 71 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge auf monatlich 2.872,44 DM festgesetzt, wobei der Kürzungsbetrag nach § 57 BeamtVG unter Berücksichtigung des Scheidungsurteils mit 817,49 DM berechnet wurde. Nach erfolglosem Vorverfahren erhob der Beschwerdeführer Klage mit dem Antrag, seine Versorgungsbezüge ohne einen Kürzungsbetrag nach § 57 BeamtVG festzusetzen.

3. Mit Gerichtsbescheid vom 13. Juni 1991 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die nach § 57 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BeamtVG vorgenommene Kürzung sei nicht zu beanstanden. Daß die Ehefrau des Beschwerdeführers noch keine Rente beziehe, stehe nicht entgegen. Dieser Umstand sei nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG nur bedeutsam, wenn sich der verpflichtete Ehegatte zur Zeit der familiengerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich bereits im Ruhestand befinde. Eine Ausweitung des Kürzungsprivilegs auf vorzeitig in den Ruhestand versetzte Beamte sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertrete, eine Kürzung des Ruhegehalts käme erst in Betracht, wenn er die Altersgrenze erreicht habe, ziele er darauf ab, eine Versorgungsausgleichsregelung herbeizuführen, die sich auf seine Versorgungsbezüge nicht anders auswirke als ein Versorgungsausgleich, wie er bei unterbliebener vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand und Erreichen der Altersgrenze durchzuführen wäre.

Die Berufung des Beschwerdeführers wies das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. April 1992 unter Bezugnahme auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung zurück. Zu den grundrechtsrelevanten Auswirkungen des Versorgungsausgleichs verwies der Senat ergänzend auf seine – mit der Verfassungsbeschwerde nicht vorgelegte – Entscheidung vom 19. September 1991 – 3 L 221/91 –. Von dieser abzuweichen gebe auch der Umstand, daß in jenem Verfahren der Kürzungssatz 17,26 v.H. bei einem Ruhegehaltsatz von 63 v.H. betragen habe, während es hier um einen Kürzungssatz von 28,46 v.H. bei einem Ruhegehaltsatz von 71 v.H. gehe, keine Veranlassung. Auch diese – gesetzlich vorgesehene – größere Kürzung erscheine verfassungsrechtlich noch hinnehmbar.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 1. September 1992 zurück. Der geltend gemachte Revisionsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sei nicht gegeben. Die aufgeworfene Frage, ob die Kürzungsvorschrift des § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG auch dann eingreife, wenn die Entscheidung über den Versorgungsausgleich während des aktiven Beamtenverhältnisses wirksam werde, sodann der Beamte in den Ruhestand versetzt werde und Versorgungsbezüge erhalte, seine ausgleichsberechtigte frühere Ehefrau selbst im öffentlichen Dienst tätig, bei ihr der Rentenfall aber noch nicht eingetreten sei, sei nicht klärungsbedürftig. Ihre Verneinung ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz.

Die unterschiedliche Regelung über die Kürzung der Versorgungsbezüge nach dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung über den Versorgungsausgleich – vor oder nach der Versetzung des verpflichteten Ehegatten in den Ruhestand –, die einer entsprechenden Bestimmung im Rentenrecht nachgebildet sei und mit der der Besitzstand des Ruhegehaltsempfängers weitgehend geschützt werden solle, sei im Hinblick auf den Gleichheitssatz jedenfalls nicht willkürlich.

II.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

Aus welchen Gründen es nicht möglich sein solle, die Minderung der Altersversorgung des Ausgleichsverpflichteten und die Erhöhung der Altersversorgung des Ausgleichsberechtigten jeweils unmittelbar voneinander abhängig zu machen, könne nicht nachvollzogen werden.

Das Maß seiner Belastung in Höhe einer Kürzung von 40 v.H. der ruhegehaltfähigen Bezüge (Kürzungssatz von 28,46 v.H. bei einem Ruhegehaltsatz von 71 v.H.) stehe außer Verhältnis zur Bedeutung etwaiger versicherungsrechtlicher Grundsätze. Unter diesen Umständen könne nicht mehr von einem verhältnismäßigen Eingriff in seine Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG im Rahmen des Versorgungsausgleichs gesprochen werden.

Das in § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG verankerte Pensionistenprivileg verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, weil es diejenigen Beamten besserstelle, die im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts bereits Ruhegehalt bezögen. Es seien keinerlei nachvollziehbare Gründe dafür ersichtlich, daß ein Beamter, der erst später in den Ruhestand trete, nicht genauso behandelt werde, also bis zur Gewährung einer Rente an den ausgleichsberechtigten Ehegatten das volle Ruhegehalt bekomme. In beiden Fällen seien die Beamten regelmäßig nicht mehr in der Lage, die Minderung ihres Einkommens durch eine Ausweitung oder Fortführung ihrer Erwerbstätigkeit auszugleichen.

III.

Zu der Verfassungsbeschwerde hat das Bundesministerium des Innern namens der Bundesregierung Stellung genommen. Für die beanstandeten beamtenversorgungsrechtlichen Regelungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BeamtVG lägen sachlich vertretbare Gründe vor.

 

Entscheidungsgründe

B.

Nach Art. 8 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 2. August 1993 (BGBl I S. 1442) findet das Gesetz in der vom Inkrafttreten des Gesetzes an geltenden Fassung auch auf die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren Anwendung.

Die Verfassungsbeschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, da ihr keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 a) BVerfGG zukommt. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 b) BVerfGG), da sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet. Die den angegriffenen Entscheidungen zugrundeliegenden Regelungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 und 2 BeamtVG verstoßen weder gegen Art. 33 Abs. 5 GG noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG (zum Maßstab vgl. BVerfGE 76, 256 ≪295≫ m.w.N.).

I.

1. a) Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist die Versorgung des aus dem Versorgungsausgleich verpflichteten Ehegatten grundsätzlich dann zu kürzen, wenn Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587b Abs. 2 BGB durch Entscheidung des Familiengerichts begründet worden sind. Der ausgleichspflichtige Beamte erhält danach bei Eintritt in den Ruhestand nur noch um den Versorgungsausgleich gekürzte Ruhestandsbezüge, und zwar unabhängig davon, ob der ausgleichsberechtigte Ehegatte schon eine Rente bezieht oder nicht. Die Regelung entspricht dem Grundsatz des sofortigen und endgültigen Vollzugs des Versorgungsausgleichs, dessen verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 28. Februar 1980 (BVerfGE 53, 257 ≪301 f.≫) ausgesprochen hat. Der im Zeitpunkt des Vollzugs des Versorgungsausgleichs stattfindende Eingriff in die versorgungsrechtliche Position des Ausgleichsverpflichteten ist durch Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG legitimiert. Nach Durchführung des Versorgungsausgleichs bestehen zwei selbständige Versicherungs- bzw. Versorgungsverhältnisse, so daß – entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers – die renten- bzw. versorgungsrechtlichen Schicksale der geschiedenen Ehegatten grundsätzlich unabhängig voneinander zu sehen sind (BVerfGE 80, 297 ≪312≫).

b) Eine Koppelung der Versorgungskürzung an den tatsächlichen Rentenbezug des Ausgleichsberechtigten ist grundsätzlich auch in Fällen vorzeitiger Zurruhesetzung des Ausgleichsverpflichteten verfassungsrechtlich nicht geboten.

Im Verhältnis zum Dienstherrn besteht der sachliche Grund für die gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG durchzuführende Kürzung des Ruhegehalts nach Eintritt in den Ruhestand darin, daß er durch die Ehescheidung des Beamten bezüglich der gesamten Versorgungsaufwendungen nicht höher belastet werden soll, als wenn der Beamte sich nicht hätte scheiden lassen (BVerwG, Beschluß vom 22. Januar 1987 – 2 B 49.86 – ZBR 1987, S. 217 m.w.N.). Hierzu könnte es jedoch kommen, da die Aufwendungen, die dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung als Folge der Begründung einer Rentenanwartschaft nach § 1587b Abs. 2 BGB entstehen, von dem zuständigen Träger der Versorgungslast zu erstatten sind (§ 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, vor dem 1. Januar 1992: § 1304b Abs. 2 Satz 2 RVO, § 83b Abs. 2 Satz 2 AVG). Zum Ausgleich der diesem hierdurch entstandenen Belastung dient im Innenverhältnis zwischen ihm und dem Beamten die nach beamtenrechtlichen Grundsätzen vorzunehmende Kürzung der Versorgungsbezüge nach Maßgabe des § 57 BeamtVG (vgl. BVerwG, a.a.O.). Im vorliegenden Zusammenhang ist dabei entscheidend, daß der Träger der Versorgungslast und damit die Allgemeinheit mit der Erstattungspflicht zusätzliche Belastungen übernimmt, die ohne die Ehescheidung des Beamten nicht entstanden wären und die an die Stelle des beim Splitting maßgeblichen Versicherungsprinzips treten (vgl. hierzu im einzelnen BVerfGE 80, 297 ≪314 f.≫). Mit Blick auf diese Belastungen erscheint die Kürzung der Versorgungsbezüge nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG aus verfassungsrechtlicher Sicht – auch in Fällen vorzeitiger Zurruhesetzung – vertretbar, unabhängig davon, ob aus der Versicherungsanwartschaft bereits eine Rente fließt oder nicht (s. auch BVerwG, Urteil vom 24. November 1994 – BVerwG 2 C 14.93 –, Buchholz 239.1 § 57 BeamtVG Nr. 11, S. 10; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz, Stand: Januar 1994, § 57 Erl. 1 Nr. 7.2).

§ 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG führt auch in Fällen vorzeitiger Zurruhesetzung nicht zu einer im Hinblick auf die Garantie des Art. 33 Abs. 5 GG nicht mehr zu rechtfertigenden Härte.

Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1980 verliert der rechtskräftig vollzogene Versorgungsausgleich mit der Folge zweier getrennter Versicherungs- bzw. Versorgungsverhältnisse seine Rechtfertigung durch Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG und mindert den Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Alimentation dann in verfassungswidriger Weise, wenn eine spürbare Kürzung der Versorgungsbezüge gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG dem Berechtigten nicht angemessen zugute kommt (BVerfGE 53, 257 ≪302 f., 307 f.≫). Zu den insoweit – zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Zustands – für regelungsbedürftig gehaltenen ≪nunmehr in den §§ 4 und 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (– VAHRG – vom 21. Februar 1983, BGBl I S. 105) geregeltere Fallgruppen (vgl. BVerfGE 53, 257 ≪303 f., 307 f.≫) zählt die vorliegende Sachverhaltsgestaltung indes nicht. Hier steht der Versorgungskürzung der Erwerb einer selbständigen Rentenanwartschaft durch den Ausgleichsberechtigten gegenüber, die später zu angemessenen Rentenleistungen führen wird. Auch wird die Versorgung des Beschwerdeführers nach den Feststellungen der Fachgerichte nicht – ungeachtet der Kürzung seiner Versorgungsbezüge zugunsten des Anspruchsberechtigten – zusätzlich durch eine diesem gegenüber bestehende Unterhaltspflicht belastet.

c) Im übrigen ist – wie die Fachgerichte der Sache nach zutreffend festgestellt haben – eine einzelfallbezogene Härteregelung verfassungsrechtlich nicht geboten (vgl. BVerfGE 80, 297 ≪310 f.≫). Dies gilt jedenfalls auch für die hier vorliegende vorzeitige Ruhestandsversetzung wegen – nicht dienstunfallbedingter – Dienstunfähigkeit. Zwar muß der Beschwerdeführer wegen des für ihn ungünstigeren Verhältnisses der – aufgrund der vorzeitigen Zurruhesetzung verkürzten – ruhegehaltfähigen Gesamtdienstzeit zu der ehezeitlich verbrachten ruhegehaltfähigen Dienstzeit (vgl. § 1587a Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 BGB) tendenziell eine stärkere und im übrigen vermutlich länger andauernde Kürzung seiner Versorgungsbezüge hinnehmen als der erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand tretende Beamte. Dies beruht indes – worauf die Bundesregierung zu Recht hingewiesen hat – letztlich auf der Tatsache, daß er in einem erheblich kürzeren Zeitraum als der „Regelbeamte” in den Genuß seiner Versorgungsbezüge kommt. Mit Blick auf diesen sachbezogenen Gesichtspunkt und die verfassungsrechtlich unbedenkliche Annahme des Gesetzgebers, daß das während der Dauer der Ehe erworbene Versorgungsvermögen im Falle der Scheidung grundsätzlich beiden Ehegatten zu gleichen Teilen zusteht (vgl. BVerfGE 53, 257 ≪298 f., 307≫; 71, 364 ≪386≫), sind die Angriffe der Verfassungsbeschwerde gegen das Maß der Kürzung nicht geeignet, eine Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers aufzuzeigen. Dies gilt um so mehr, als vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden und bei dem hier in Rede stehenden Umfang der Versorgungskürzung auch nicht erkennbar ist, daß für ihn die untere Grenze eines der Bedeutung seines Amtes sowie den allgemeinen Verhältnissen noch angemessenen Lebensunterhaltes unterschritten wäre.

2. Auch die Vorschrift des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Mit der Privilegierung von Ruhegehaltsempfängern, die ihre Versorgungsbezüge ungekürzt bis zu dem Zeitpunkt erhalten, zu dem Ausgleichsberechtigten eine Rente zu gewähren ist, durchbricht der Gesetzgeber den Grundsatz der sofortigen und endgültigen Vollziehung des Versorgungsausgleichs (vgl. BVerfGE 53, 257 ≪302≫). Die dem Rentenrecht folgende (vgl. § 101 Abs. 3 SGB VI, vor dem 1. Juli 1992: §§ 1304a Abs. 4 Satz 2 RVO, 83a Abs. 4 Satz 2 AVG), nach dem Zeitpunkt des Vollzugs des Versorgungsausgleichs – vor oder nach Versetzung des verpflichteten Ehegatten in den Ruhestand – differenzierende Regelung beruht indes auf sachlichen Gesichtspunkten.

Die Stornierung der Auswirkungen des Versorgungsausgleichs wird mit dem Schutz des Besitzstandes und damit begründet, daß ein Versorgungsempfänger im Gegensatz zu einem aktiven Beamten aufgrund seiner geringeren Bezüge geringere finanzielle Möglichkeiten hat, die Kürzung des Ruhegehalts ganz oder teilweise auszugleichen (vgl. die Begründung zu Art. 4 Nr. 1 d ≪§ 1304a RVO≫ im Zweiten Bericht des Rechtsausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts ≪1. EheRG≫ – BTDrucks 7/650 – BTDrucks 7/4361, S. 56; BVerfGE 53, 257 ≪302≫ zu § 1304a Abs. 4 Satz 2 RVO; BVerwG, Urteil vom 28. April 1994 – 2 C 22.92 –, BVerwGE 95, 375 ≪377≫; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. Dezember 1990, DÖD 1991, S. 261 f.; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Band 1, § 57 BeamtVG Rn. 35). Diese Erwägungen lassen die den Ruhegehaltsempfängern eingeräumte Privilegierung, die vom Bundesverwaltungsgericht mittlerweile in gefestigter Rechtsprechung für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten wird (Urteile vom 10. März 1994 – BVerwG 2 C 4.92 –, Buchholz 239.1 § 57 BeamtVG Nr. 9, vom 28. April 1994 – BVerwG 2 C 22.92 –, a.a.O., Nr. 10, sowie vom 24. November 1994 – BVerwG 2 C 14.93 –, a.a.O., Nr. 11), als jedenfalls vertretbar erscheinen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die wirtschaftliche Situation der Ruhestandsbeamten und der aktiven Beamten unterscheide sich regelmäßig nicht in einer Weise, die die letztgenannten eher in den Stand setze, die Minderung der Versorgung zu kompensieren, bleibt ohne Substanz.

C.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Limbach, Klein, Graßhof

 

Fundstellen

Haufe-Index 1134565

NJW 1996, 2296

NVwZ 1996, 584

DVBl. 1996, 502

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