Leitsatz (amtlich)

Der Rückforderung von zu Unrecht gezahltem Kindergeld steht nicht entgegen, daß die Leistung ganz oder teilweise nicht dem auf Rückzahlung in Anspruch genommenen Elternteil, sondern - auf Grund einer Abtretungserklärung desselben - dem Jugendamt als gesetzlichem Vertreter des berücksichtigten Kindes zugeflossen ist.

 

Normenkette

BKGG § 13 Nr. 3 Fassung: 1964-04-14, Nr. 4 Fassung: 1964-04-14

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 1969 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger ist Vater von fünf Kindern. Das dritte, nichteheliche am 16. Januar 1962 geborene, Kind R St lebt im Haushalt seines Stiefvaters Josef F (F.). Der Kläger trat dem "jeweiligen gesetzlichen Vertreter" des Kindes R als Teilzahlung auf seine Unterhaltsleistung den Betrag des Kindergeldes ab, der auf das Kind entfiel. Demgemäß überwies die Kindergeldkasse von Januar 1965 an aus dem für die Kinder des Klägers bewilligten Kindergeld von monatlich 180 DM den anteiligen Betrag von einem Fünftel, also 36 DM, an das Kreisjugendamt als Amtsvormund des Kindes R. Im Mai 1966 erfuhr die Kindergeldkasse, daß F. bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) N eine Rente aus der Arbeiterrentenversicherung beantragt hatte. Sie unterrichtete den Kläger deshalb am 7. Juni 1966 davon, daß ihm das Kindergeld für das Kind R nur noch "unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zur Bewilligung der Rente" gezahlt werde. Mit Bescheid vom 30. August 1966 gewährte die LVA N rückwirkend ab Januar 1966 dem F. Rente wegen Berufsunfähigkeit und später Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Kindergeldkasse entzog daraufhin dem Kläger mit Bescheid vom 13. Juli 1967 das Kindergeld für das Kind R ab Januar 1966 und forderte das in der Zeit von April 1966 bis Juni 1967 unter Vorbehalt gezahlte Kindergeld in Höhe von 750 DM zurück. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27. September 1967).

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Landshut durch Urteil vom 5. Februar 1969 den Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 1967 aufgehoben und festgestellt, daß der Beklagten ein Rückforderungsanspruch gegenüber dem Kläger nicht zustehe. Auf die Berufung der Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 10. Dezember 1969 das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen, nachdem zuvor die Beklagte mit Bescheid vom 21. April 1969 ihren Rückforderungsanspruch um das für April 1966 gewährte Kindergeld in Höhe von 50 DM auf den Betrag von 700 DM gemindert hatte. In den Entscheidungsgründen hat das LSG ausgeführt: Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) genüge es zum Ausschluß des Kindergeldanspruches, daß irgendeine Person, zu der das Kind in einem Kindschaftsverhältnis stehe, einen Kinderzuschuß aus der gesetzlichen Rentenversicherung für dieses Kind erhalte. Dieses Ergebnis entspreche dem Sinn des BKGG, wonach Doppelleistungen für ein und dasselbe Kind vermieden werden sollten. Das in der Zeit von Mai 1966 bis Juni 1967 gezahlte Kindergeld sei nach § 13 Nr. 3 BKGG mit Recht zurückgefordert worden. Das Kindergeld sei für das Kind R gemäß § 8 Abs. 3 BKGG (idF vom 15. April 1964 - BGBl I 265 -) unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zur Bewilligung der Rente weitergezahlt worden. Aus den vorliegenden Fotokopien des Rechenzentrums der Beklagten über den Absende- und Zahlplan ergebe sich, daß das Kindergeld für die Monate Mai und Juni 1966 dem Kläger frühestens am 10. Juni 1966 und somit nach Erhalt des Schreibens vom 7. Juni 1966 überwiesen worden sei. Der Vorbehalt habe damit die Kindergeldzahlungen für die Monate Mai 1966 bis Juni 1967 umfaßt. Der Kläger sei auch "Empfänger" des Kindergeldes gewesen, obwohl er den Anspruch an den "jeweiligen gesetzlichen Vertreter des Kindes" abgetreten habe. Es sei ihm nämlich durch Bescheid der Beklagten für das nichtehelich geborene Kind R Kindergeld bewilligt worden. Die Kindergeldbeträge seien dem Kläger auch rechtlich und wirtschaftlich zugute gekommen, weil er insoweit kraft eigener Verfügung von seiner Unterhaltspflicht befreit worden sei.

Der Kläger hat - die vom LSG zugelassene - Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 und des § 13 Nr. 3 BKGG. Er führt dazu aus: Ein Anspruch auf Kindergeld sei nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG nur dann nicht gegeben, wenn eine der in dieser Vorschrift genannten Leistungen für das Kind an einen Berechtigten gewährt werde, d. h. an denjenigen, der eine der in § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG genannten Leistungen beziehe. Es sei auch nicht beachtet worden, daß die Rechtswirkungen des von der Beklagten nach § 8 Abs. 3 BKGG gemachten Vorbehalts dort endeten, wo sie den Regelungen der hier zu beachtenden Gesetzesvorschriften, nämlich der übergeordneten Regelung des § 13 Nr. 4 BKGG, widersprächen. Da der "Berechtigte" des Kindergeldes eine Rente aus der Sozialversicherung für den streitigen Zeitraum selbst nicht erhalten habe, könne eine volle Rückzahlungspflicht nach § 13 Nr. 4 BKGG nicht bestehen. Diese Vorschrift wolle nur den tatsächlich eingetretenen Doppelempfang ausgleichen bzw. einem zukünftigen Doppelempfang vorbeugen. Der Kläger habe aber einen Kinderzuschuß nicht erhalten. Der Stiefvater F. des Kindes R sei der eigentliche Empfänger einer Doppelleistung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie schließt sich den Entscheidungsgründen des LSG an; sie hält diese für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.

II

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger stand von Januar 1966 an kein Anspruch auf Kindergeld für das Kind R zu. Die Beklagte war auch berechtigt, das in der Zeit von April 1966 bis Juni 1967 unter Vorbehalt gezahlte Kindergeld für den jetzt noch streitigen Zeitraum von Mai 1966 bis Juni 1967 im Betrag von insgesamt 700 DM zurückzufordern.

Nach § 22 BKGG in der noch 1966 geltenden Fassung vom 15. April 1964 (BGBl I 265) ist das Kindergeld von Amts wegen zu entziehen, soweit die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorgelegen haben. Das LSG hat diesen Entziehungsgrund für die Zeit ab Januar 1966 mit Recht angenommen. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG wird nämlich Kindergeld für ein Kind nicht gewährt, für das einer Person, bei der das Kind nach § 2 Abs. 1 BKGG berücksichtigt wird, Kinderzuschuß aus einer gesetzlichen Rentenversicherung zusteht. Das Kind R, das im Haushalt seines Stiefvaters F. lebt, wird im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 BKGG bei F., der einen Anspruch auf Kinderzuschuß für dieses Kind hat (§ 1262 der Reichsversicherungsordnung - RVO -), berücksichtigt. Da F. seit Januar 1966 diesen Kinderzuschuß bezieht, darf für das Kind R von diesem Zeitpunkt an Kindergeld nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG nicht gewährt werden.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist es insoweit ohne Bedeutung, daß der Kinderzuschuß aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht ihm, sondern dem Stiefvater F. zugeflossen ist. Es genügt, daß irgendeiner Person Kinderzuschuß für das Kind zusteht. Diese Auslegung des Gesetzes wird nicht nur durch den Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG, sondern auch durch den Zweck des Gesetzes gerechtfertigt. Die Regelung soll nämlich dazu dienen, die doppelte Gewährung gleichwertiger öffentlicher Leistungen für ein und dasselbe Kind zu verhindern (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zu den §§ 7 und 8 BKGG - BT-Drucks. IV/818 S. 15 und 16; BVerfG 22, 163; BSG 30, 31 = SozR Nr. 4 zu § 12 BKGG; BSG 30, 135 = SozR Nr. 5 zu § 12 BKGG). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß es in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BKGG heißt, "als Kinder im Sinne dieses Gesetzes werden berücksichtigt Stiefkinder, die der Berechtigte in seinen Haushalt aufgenommen hat". Im Gegensatz zur Auffassung der Revision ist als "Berechtigter" im Rahmen des Kindergeldrechts nicht nur derjenige anzusehen, der tatsächlich das Kindergeld bezieht, sondern auch derjenige, bei dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Das ergibt sich aus der Regelung des § 3 BKGG. Diese Vorschrift legt nämlich ausdrücklich fest, daß nur einer Person aus dem Kreis der "Berechtigten", die die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 1 und 2 BKGG erfüllen, das Kindergeld nach einer in § 3 Abs. 2 BKGG festgelegten Rangfolge der Berechtigten zu zahlen ist (BSG 30, 135). Aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Zweck des BKGG ist deshalb entgegen der Auffassung der Revision zu schließen, daß ab Januar 1966 für das Kind R gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG kein Kindergeld gewährt werden durfte, weil dem Stiefvater F. nach § 1262 RVO ein Kinderzuschuß aus der Arbeiterrentenversicherung zustand. Die Beklagte hat daher mit Recht nach § 22 BKGG dem Kläger ab Januar 1966 das Kindergeld entzogen.

Zutreffend hat das LSG auch angenommen, daß die Beklagte für die Monate Mai 1966 bis Juni 1967 berechtigt war, vom Kläger die entzogenen Kindergeldbeträge zurückzufordern. Nach § 13 Nr. 3 BKGG ist nämlich das Kindergeld zurückzuzahlen, das für einen Monat geleistet worden ist, in dem die Anspruchsvoraussetzungen an keinem Tage - wie hier in der Zeit von Mai 1966 bis Juni 1967 - vorgelegen haben, wenn das Kindergeld unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt worden ist. Dies trifft nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts auf die Zahlungen von Mai 1966 an zu. Die Beklagte war zu einem solchen Vorbehalt auch berechtigt, weil sie im Mai 1966 erfahren hatte, daß F. bei der LVA N eine Rente aus der gesetzlichen Arbeiterrentenversicherung beantragt hatte. Nach § 8 Abs. 3 BKGG in der 1966 geltenden Fassung ist nämlich das Kindergeld unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu gewähren, wenn ein Kinderzuschuß aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG) noch nicht gewährt, aber beantragt ist.

Dem Rückforderungsrecht der Beklagten nach § 13 Nr. 3 in Verbindung mit § 8 Abs. 3 BKGG aF steht auch nicht - wie die Revision zu Unrecht annimmt - die Abtretung des Kindergeldanspruchs des Klägers an den "jeweiligen gesetzlichen Vertreter" des Kindes Regina entgegen. Diese als an das gesetzlich vertretene Kind gewollte Abtretung zwecks Erfüllung der Unterhaltspflicht (vgl. BSG 30, 135) beseitigt die Rückzahlungspflicht des Klägers nicht. Im Gegensatz zu den Vorschriften des § 13 Nr. 1, 2 und 4 BKGG ist in § 13 Nr. 3 BKGG nicht von einer Rückzahlungspflicht des "Empfängers" die Rede. Es muß deshalb schon nach dem Wortlaut und dem Zusammenhang der Regelung angenommen werden, daß für den Rückforderungsanspruch nach § 13 Nr. 3 BKGG Identität zwischen dem Rückzahlungspflichtigen und demjenigen, der den Kinderzuschuß aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten hat, nicht bestehen muß. Gegenteiliges ergibt sich insbesondere nicht aus § 13 Nr. 4 BKGG in der ursprünglich geltenden Fassung. Danach war das Kindergeld, das für einen Monat geleistet worden ist, in dem die Anspruchsvoraussetzungen an keinem Tage vorgelegen haben, auch dann zurückzuzahlen, wenn der Empfänger für denselben Monat eine der in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 BKGG aF genannten Leistungen für das Kind erhalten hat oder beanspruchen kann. Zu diesen Leistungen gehört vor allem auch der Kinderzuschuß aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 BKGG aF). Der Revision ist allerdings zuzugeben, daß eine den Wortlaut allein betrachtende Gesetzesanwendung den Schluß nahelegen könnte, § 13 Nr. 4 BKGG sei gegenüber § 13 Nr. 3 BKGG die speziellere, vorgehende Vorschrift. Eine solche Auslegung würde indessen dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechen. Es würde nämlich dann zu einer Doppelleistung für ein und dasselbe Kind bis zur Bewilligung der Rente mit Kinderzuschuß aus der gesetzlichen Rentenversicherung kommen, wenn auch ein Doppelempfang durch ein und denselben Berechtigten ausgeschlossen wäre. Gegen die Auffassung der Revision, daß Rückforderungsansprüche der Beklagten in jedem Fall durch § 13 Nr. 4 BKGG begrenzt seien, spricht aber vor allem die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Ursprünglich war nämlich diese Vorschrift überhaupt nicht vorgesehen. Sie wurde erst durch den Ausschuß für Arbeit des Bundestages eingefügt (Schriftl. Bericht des Ausschusses - BT-Drucks. IV/1961 S. 5). Grund dafür war die Tatsache, daß Kindergeld zweimonatlich gezahlt wird, und zwar im Laufe der zwei Monate, für die es bestimmt ist. Dabei erhält die eine Hälfte der Berechtigten das Kindergeld jeweils im Laufe des ersten Monats des Zahlungszeitraumes. Bei diesen Personen kann es dann geschehen, daß bis zum Beginn des zweiten Monats einer der Ausschlußtatbestände der §§ 7 und 8 BKGG eintritt, ohne daß sie dies bei Empfang des Kindergeldes vorhersehen konnten. Eine Rückforderung des für den zweiten Monat erhaltenen Kindergeldes ist dann nicht mehr möglich. Auch kann kein Vorbehalt der Rückforderung nach § 13 Nr. 3 BKGG mehr angebracht werden. Dem Gesetzgeber erschien es aber nicht gerechtfertigt, den Empfängern das Kindergeld neben der anderen Leistung, die ihnen in diesen Fällen für das Kind zusteht, zu belassen. § 13 Nr. 4 BKGG hat deshalb den Sinn, die Rückforderung auch in solchen Fällen noch zu ermöglichen und damit auch hier dem Zweck des Gesetzes gerecht zu werden, Doppelleistungen für ein und dasselbe Kind zu verhindern. Daraus ergibt sich, daß § 13 Nr. 4 BKGG nicht als eine Vorschrift aufzufassen ist, die alle übrigen Rückforderungsansprüche nach § 13 BKGG begrenzen sollte. Die Vorschrift ist lediglich als ein zusätzlicher Rückforderungstatbestand aufzufassen, dessen Sinn es ist, auch dann noch die Rückzahlungspflicht zu begründen, wenn diese nach den Regelungen des § 13 Nr. 1 bis 3 BKGG nicht gegeben ist.

Nach allem hat deshalb das Berufungsgericht zutreffend einen Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung des Kindergeldes in dem streitigen Zeitraum gegenüber dem Kläger angenommen. Die Revision kann deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1668822

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