Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenleistungen aus Höherversicherungsbeiträgen für Zeiten vor dem 1973-01-01

 

Leitsatz (amtlich)

Allein aus einem nach der am 1972-10-18 erfolgten Verkündung des RRG entrichteten Beitrag zur Höherversicherung kann zwar noch für die Zeit vor dem 1973-01-01 ein Rentenanspruch hergeleitet werden. Doch stellt die Verweigerung der Zustimmung zur Abfindung dieser Rente nach RVO § 1295 (Fassung: 1957-02-23) jedenfalls dann eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn das Recht zur Entrichtung von Höherversicherungsbeiträgen erst durch das RRG begründet worden ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach dem bis zum 1972-12-31 geltenden Recht reichte für die Gewährung von Rentenleistungen aus der Höherversicherung bereits die Entrichtung eines Höherversicherungsbeitrages aus; sofern nur ein Rentenanspruch aus Beiträgen der Höherversicherung bestand und diese Rente den Betrag von 75 DM jährlich nicht überschritt, konnte der Rentenversicherungsträger den Berechtigten mit dessen Zustimmung nach RVO § 1295 aF (AVG § 72 aF) mit einem dem Wert der Höherversicherungsrente entsprechenden Kapital abfinden.

 

Normenkette

RVO § 381 Abs. 4 Fassung: 1970-12-21, § 1234 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, Abs. 1 Fassung: 1972-10-16, § 1233 Fassung: 1965-06-09, § 1233 Fassung: 1972-10-16, § 1295 Fassung: 1972-10-16, § 1295 Fassung: 1957-02-23; RRG Art. 6 § 8 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art. 2 § 26a Fassung: 1972-10-16; BGB § 242 Fassung: 1896-08-18

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Februar 1974, das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 2. Oktober 1973 und der Bescheid der Beklagten vom 29. März 1973 aufgehoben; die Beklagte wird unter Vorbehalt ihres Rechts, den Rentenanspruch der Klägerin ohne ihre Zustimmung abzufinden, verurteilt, der Klägerin ab 1. Dezember 1972 Altersruhegeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin ist am 8. Oktober 1901 geboren. Sie ist Ordensschwester und war als solche versicherungsfrei. Sie hat niemals eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt und für sie sind bis zur Vollendung ihres 71. Lebensjahres keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (RentV) entrichtet worden. Das Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 eröffnete durch die nach Artikel 6 § 8 Abs 2 dieses Gesetzes am 19. Oktober 1972 in Kraft getretene Neufassung des § 1233 Reichsversicherungsordnung (RVO) für bestimmte Personen die Möglichkeit, freiwillige Beiträge zu entrichten. Die ebenfalls durch das RRG erfolgte Neufassung des § 1295 RVO, die bestimmt, daß ein Anspruch auf Versichertenrenten aus Beiträgen der Höherversicherung (HV) nur neben einen Anspruch auf entsprechende Renten aus anderen Beiträgen besteht, ist nach Artikel 6 § 8 Abs 1 RRG am 1. Januar 1973 in Kraft getreten.

Am 30. November 1972 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Altersruhegeld aus der HV mit Beginn am 1. Dezember 1972 und überwies gleichzeitig einen freiwilligen Versicherungsbeitrag in Höhe von 17,-- DM und einen HV-Beitrag in gleicher Höhe. Außerdem beantragte sie, ihr zu ihrem an die Barmer Ersatzkasse zu zahlenden Krankenversicherungsbeitrag den sich aus § 381 Abs 4 RVO ergebenden Betrag zu zahlen.

Die Beklagte hat den Rentenantrag mit Bescheid vom 29. März 1973 abgelehnt. Nach ihrer Ansicht würde eine derartige Leistung dem erklärten Willen des Gesetzgebers widersprechen, der - wie sich aus der Gesetzesbegründung ergebe - ausdrücklich durch die Neufassung des § 1295 RVO, wonach ein Rentenanspruch aus Beiträgen der HV nur neben einem Anspruch auf entsprechende Renten aus anderen Beiträgen besteht, für künftige Versicherungsfälle ausschließen wollte, daß allein mit Beiträgen der HV Leistungsansprüche aus der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) erworben werden können. Zwar sei § 1295 RVO erst am 1. Januar 1973 in Kraft getreten, jedoch würde es dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift widersprechen, wenn durch die allein im Hinblick auf den niedrigeren Beitragssatz des Jahres 1972 bereits mit dem 19. Oktober 1972 erfolgte Öffnung der RentV leistungsrechtliche Vorschriften, die durch das RRG eingeschränkt werden sollten, zunächst noch auf weitere Personenkreise ausgedehnt würden. Es handele sich offensichtlich um eine Gesetzeslücke, die so zu schließen sei, wie sie vom Gesetzgeber selber und nach seiner im Gesetz zum Ausdruck gebrachten Zielsetzung geschlossen worden wäre, wenn er sie bei Erlaß des Gesetzes erkannt hätte. Da der Gesetzgeber des RRG eindeutig reine Höherversicherungsrenten habe ausschließen wollen, sei auch schon bei Versicherungsfällen vor dem 1. Januar 1973 die Gewährung einer reinen Höherversicherungsrente auszuschließen, wenn die Entrichtung des Grundbeitrages auf dem Recht zur freiwilligen Versicherung nach § 1233 Abs 1 RVO nF beruht habe.

Die gegen den Bescheid vom 29. März 1973 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Detmold mit Urteil vom 2. Oktober 1973 abgewiesen. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 14. Februar 1974 zurückgewiesen. Es könne zwar nicht in Abrede gestellt werden, daß die Klägerin dem Buchstaben des Gesetzes nach ab 19. Oktober 1972 zur Entrichtung der geleisteten 2 Beiträge berechtigt gewesen sei und im Zeitpunkt der Rentenantragstellung die Voraussetzungen für die Gewährung des Altersruhegeldes aus dem zur HV erbrachten Beitrag erfüllt waren (§§ 1233, 1234 RVO, Art 6 § 8 Abs 2 RRG, § 1248 Abs 5 RVO aF). Es entspräche aber nicht dem Willen des Gesetzgebers, daß mit einer Beitragsleistung von genanntem Umfange ein Anspruch auf eine Rente aus der HV ausgelöst werden sollte. Gegen das Urteil hat das LSG die Revision zugelassen.

Die Klägerin beruft sich zur Begründung der von ihr eingelegten Revision auf die nach ihrer Ansicht eindeutigen gesetzlichen Regelungen. Durch die in dem Urteil des LSG vorgenommene richterliche Rechtsfortbildung sei Artikel 20 Grundgesetz (GG) verletzt, der das Rechtsstaatprinzip in der Gestalt der Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht formuliere. Von einer Lückenausfüllung könne im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Hierzu brauche nicht entschieden zu werden, ob die einschlägigen Vorschriften der RVO für den vorliegenden Fall eine Lücke beinhalten, denn selbst bei Unterstellung einer lückenhaften Regelung sei im gegebenen Sachverhalt eine Rechtsfortbildung durch den Richter unzulässig. Gegen eine zulässige Rechtsfortbildung spreche zunächst, daß der Gesetzgeber selbst mit Wirkung vom 1. Januar 1973 eingegriffen und die Möglichkeit der Gewährung von Altersruhegeld aus einer HV beseitigt habe, somit diese Rechtsfolge für die Zukunft ausgeschlossen habe. Außerdem müsse die Rechtsfortbildung durch den Richter immer ein Ausnahmefall bleiben, wenn die Bindung des Richters an das Gesetz einen verfassungsrechtlichen Sinn haben, das Prinzip der Gewaltenteilung nicht ad absurdum geführt werden und die Rechtssicherheit als gleichberechtigter Gegenpol zur Billigkeit als Gerechtigkeit im Einzelfall gewahrt bleiben solle. Greife nämlich der Gesetzgeber selbst und vor allen Dingen kurzfristig innerhalb weniger Wochen ein, um ein (mögliches) Versehen zu korrigieren, so sei es auch dem Richter verwehrt, in der Zeit nach dem Eingreifen für die dazwischen liegende Zeit das Recht fortzubilden. Mit dem Eingreifen komme zum Ausdruck, daß er eine abschließende Regelung getroffen habe und der Richter nicht jetzt noch für die Zeit, in der sich die alte Regelung habe auswirken können, nachträglich rechtsfortbildend tätig werden dürfe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Februar 1974, das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 2. Oktober 1973 und den Bescheid der Beklagten vom 29. März 1973 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ab 1. Dezember 1972 Altersruhegeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für richtig.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet, soweit sie von der Beklagten begehrt, ihr ab 1. Dezember 1972 ein Altersruhegeld aus den einem von ihr zur HV erbrachten Beitrag zu gewähren; es stellt jedoch eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn die Klägerin die Zustimmung zu der nach § 1295 RVO aF möglichen Abfindung dieser Rente verweigert.

Durch das am 18. Oktober 1972 verkündete RRG vom 16. Oktober 1972 ist die RentV für Selbständige, nicht erwerbstätige Hausfrauen und weitere Gesellschaftsgruppen durch eine Änderung des § 1233 RVO geöffnet worden. Während es nach dem seit dem 1. Januar 1957 in Kraft befindlichen § 1233 RVO aF für die Klägerin nicht möglich war, freiwillig Beiträge zur gesetzlichen RentV zu entrichten, weil sie nicht innerhalb von 10 Jahren mindestens 60 Kalendermonate Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet hatte, läßt § 1233 RVO in der ihm durch das RRG gegebenen Fassung die Entrichtung von Beiträgen nunmehr auch dann zu, wenn diese Voraussetzung nicht gegeben ist. § 1233 RVO ist nach Artikel 6 § 8 Abs 2 RRG am Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes, also am 19. Oktober 1972 in Kraft getreten. Da nach § 1234 RVO neben Beiträgen, die auf Grund der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung entrichtet sind, zusätzliche Beiträge zum Zwecke der HV entrichtet werden dürfen, entrichtete die Klägerin im November 1973 einen freiwilligen und einen HV-Beitrag zu je 17,-- DM und beantragt, ihr aus dem HV-Beitrag ab 1. Dezember 1972 Altersruhegeld und zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag zur Barmer Ersatzkasse den sich aus § 381 Abs 4 RVO ergebenden Betrag zu gewähren.

Aus der Entstehungsgeschichte des RRG ist zu entnehmen, daß nach den Entwürfen des RRG als Voraussetzung für die freiwillige Versicherung das Vorliegen von 60 Beitragsmonaten beibehalten werden Drucksache VI/2916, Artikel 1 § 1 Nr 4, Drucksache VI/3767, Artikel 1 § 1 Nr 5 und nach dem ersten Entwurf die Neufassung des § 1233 RVO erst am 1. Januar 1973 in Kraft treten sollte (Drucksache VI/2916, Artikel 4 § 4). Aus dem ergibt sich, daß die Vorschriften über die Öffnung der RentV schon am Tage nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten sollen, um die Beitragsnachentrichtung noch im Jahre 1972 zu dem in diesem Jahre noch geringeren Beitragssatz zu ermöglichen. So ist es dann auch geschehen. Das Vorliegen von 60 Beitragsmonaten als Voraussetzung für die freiwillige Versicherung ist sogar noch im Entwurf des RRG der Drucksache VI/3767 vom September 1972 enthalten und daher offensichtlich erst kurz vor der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes fallengelassen worden.

Durch das RRG ist auch § 1295 RVO neu gefaßt worden. Nach § 1295 RVO aF konnte ein Rentenversicherungsträger die Leistung aus Beiträgen der HV mit Zustimmung des Berechtigten mit einem Kapitalbetrag abfinden, wenn die Leistung den Betrag von 75,-- DM jährlich nicht überstieg. Diese Abfindungsmöglichkeit ist durch eine Änderung des § 1295 RVO erweitert worden. Künftig besteht ein Anspruch auf Rente aus Beiträgen der HV nur neben einem Anspruch auf Rente aus anderen Beiträgen. Besteht danach kein Anspruch, so hat der Versicherungsträger den Versicherten oder die Hinterbliebenen mit einem Kapitalbetrag abzufinden, der dem Wert der sich aus den Beiträgen der HV ergebenden Leistungen entspricht, es sei denn, daß der Versicherte gegenüber dem Versicherungsträger die Abfindung ablehnt. Diese Vorschrift ist - wie vom Anfang an in den Entwürfen vorgesehen - am 1. Januar 1973 in Kraft getreten und gilt für alle nach dem 31. Dezember 1972 eingetretenen Versicherungsfälle (Artikel 6 § 8 Abs 1 RRG und der durch das RRG neu eingefügte § 26a ArVNG). Nach dieser Neuregelung besteht ein Anspruch auf Rentenleistungen aus der HV also nur noch dann, wenn ein Rentenanspruch aus anderen Beiträgen gegeben ist, sich also aus anderen Beiträgen die Erfüllung einer Wartezeit von 60 bzw 180 Kalendermonaten ergibt. Mit dieser Neuregelung hat der Gesetzgeber die Notwendigkeit beseitigt, Renten allein aus HV-Beiträgen zu zahlen.

Wenn das RRG aus den dargelegten Gründen auch die Neuregelung der §§ 1233 und 1295 RVO zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft gesetzt hat, so ist dieses Gesetz doch mit seinen Ziel- und Zweck*-setzungen und den von ihm getroffenen Lösungen als einheitliches Ganzes zu sehen. Mit der angeordneten Unzulässigkeit einer Zahlung von Renten allein aus HV-Beiträgen und der geschaffenen Möglichkeit einer Kapitalabfindung für derartige Beiträge soll verhindert werden, daß allein aufgrund von HV-Beiträgen beitragsunabhängige Leistungen (wie zB der Krankenversicherungsschutz für Rentner) gezahlt werden müssen und damit die Solidargemeinschaft im Verhältnis zu den erbrachten HV-Beiträgen mit unverhältnismäßig großen Ausgaben belastet wird. Das Erbringen von beitragsunabhängigen Leistungen aus HV-Beiträgen kann auch deshalb als ungerechtfertigt angesehen werden, weil die HV als Zusatzversicherung gegenüber der eigentlichen Sozialversicherung mehr privatrechtliche Züge aufweist (vgl hierzu BSG in SozR Nr 19 zu § 183 RVO). Daraus ergeben sich für die Versicherten Vor- und Nach*-teile. So können auch bei der durch das RRG in § 1295/RVO getroffenen Regelung die zur HV entrichteten Beiträge - anders als sonstige Versicherungsbeiträge - bei Eintritt des Versicherungsfalles nicht wegen Nichterfüllung der Wartezeit verlorengehen, sondern es kann dafür eine Kapitalabfindung verlangt werden, so unterliegen auch Renten aus HV-Beiträgen nicht den Kürzungs- und Ruhens*-vorschriften, denen die sonstigen Renten aus der gesetzlichen RentV unterliegen (vgl BSG aaO), andererseits werden sie aber auch nicht an die wirtschaftliche Entwicklung angepaßt.

Mit der Zielsetzung des RRG, reine HV-Renten zu beseitigen, läßt es sich nicht vereinbaren, daß andererseits aus diesem Gesetz die Möglichkeit hergeleitet werden kann, daß unter gegenüber der Zeit vor der Verkündung dieses Gesetzes erleichterten Bedingungen an Personen, die vor der Verkündung dieses Gesetzes keine HV-Beiträge entrichten konnten, noch aus nach dem 19. Oktober 1972 entrichteten HV-Beiträgen bereits vor dem 1. Januar 1973 reine HV-Renten zu zahlen wären und damit die Zahl der HV-Renten noch vergrößert würde. Daß der Gesetzgeber diese Möglichkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat, erklärt sich lediglich durch die aufgezeigten Änderungen der Gesetzentwürfe. Wäre das Inkrafttreten des § 1233 RVO nicht vom 1. Januar 1973 auf den 19. Oktober 1972 vorverlegt worden, oder wäre als Voraussetzung für eine freiwillige Versicherung nicht kurz vor der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes das Vorhandensein von 60 Beitragsmonaten fallengelassen worden, hätte die Klägerin keinen Rentenanspruch aufgrund der von ihr in der Zeit vom 19. Oktober 1972 bis zum 31. Dezember 1972 entrichteten 2 Beiträge erwerben können. Bei der beschleunigten Verabschiedung des Gesetzes ist vom Gesetzgeber nicht gesehen worden, daß nach den vorgenommenen Änderungen der Gesetzentwürfe unter besonderen Voraussetzungen noch Personen von der Möglichkeit zur Entrichtung von freiwilligen HV-Beiträgen in der Zeit vom 19. Oktober bis zum 31. Dezember 1972 Gebrauch machen und sich dadurch noch vor dem 1. Januar 1973 einen Rentenanspruch allein aus einem oder mehreren HV-Beiträgen verschaffen könnten. Hier liegt also ein offensichtliches Versehen des Gesetzgebers vor. Es ist nicht richtig, daß - wie die Klägerin meint - der Gesetzgeber dieses Versehen erkannt und bewußt ab 1. Januar 1973 beseitigt hat. Dieses Versehen führt aber nicht ohne weiters zum Abschluß des nach dem Gesetz bestehenden Rentenanspruchs. Daß grundsätzlich aus einem einzigen HV-Beitrag ein Rentenanspruch bestehen kann, hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden. (SozR 2200 § 1248 Nr 2).

Der Senat ist allerdings der Ansicht, daß auf diese Weise erworbene Rentenansprüche nach § 1295 RVO aF abgefunden werden können. Nach dieser Bestimmung konnten Renten, die allein auf Beiträgen zur HV beruhten und nicht den Betrag von 75,-- DM jährlich überschritten, mit Zustimmung des Versicherten mit einem dem Wert der zustehenden Leistung entsprechenden Kapital abgefunden werden. Der Senat hat schon mehrfach ausgesprochen, daß auch dem Versicherten aus dem Versicherungsverhältnis Mitwirkungs- und Mitteilungs*-pflichten erwachsen (vgl zB SozR Nr 25 zu § 29 RVO), und daß der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) auch die Beziehung zwischen Versicherten und Versicherungsträger beherrscht. (vgl Urteil vom 21. Januar 1975 - 5 RKnU 12/74 -).

Auch die Verweigerung der Zustimmung zur Beseitigung unangemessener Folgen eines offensichtlichen Versehens des Gesetzgebers kann eine unzulässige Rechtsausübung darstellen, wenn die angestrebte Art der Beseitigung dieser Folgen dem Versicherten keinen unzumutbaren Schaden zufügt.

So stellt die Verweigerung der Zustimmung zur Abfindung einer Rente aus allein nach der am 18. Oktober 1972 erfolgten Verkündung des RRG entrichteten Beiträgen zur HV und das Bestehen auf die Zahlung dieser Rente noch für die Zeit vor dem 1. Januar 1973 jedenfalls dann eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn das Recht zur Entrichtung von HV-Beiträgen erst durch das RRG begründet worden ist.

Wenn die Beklagte von der Möglichkeit der Abfindung der Rente keinen Gebrauch machen will, wird sie noch über den Antrag der Klägerin, ihr zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag den sich aus § 381 Abs 4 RVO ergebenden Betrag zu zahlen, zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651092

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