Leitsatz (redaktionell)

Die Voraussetzungen des KOV-VfG § 47 Abs 3 sind gegeben, wenn der Empfänger wesentliche Tatsachen in dem Bewußtsein nicht angegeben hat, etwas zu verheimlichen, was zu offenbaren offenbar seine Pflicht gewesen wäre. Es bleibt dahingestellt, ob schlechthin eine Rechtspflicht des Versorgungsberechtigten zur Offenlegung auch aller jener als wesentlich objektiv in Betracht kommenden Tatsachen besteht, nach denen er nicht gefragt worden ist.

Nach der Rechtslage vor dem 1955-04-01 ist eine zu Unrecht empfangene Leistung in aller Regel in vollem Umfange zu erstatten, es sei denn, daß die Rückforderung gegen Treu und Glauben verstoßen würde.

 

Normenkette

KOVVfG § 47 Abs. 3 Fassung: 1955-05-02; BGB § 242

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Juli 1961 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger leistete von März 1942 bis März 1943 sowie von September 1944 bis Kriegsende Wehrdienst und wurde Ende Mai 1945 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Er beantragte 1947 Gewährung einer Rente nach dem Bayerischen Gesetz über Leistungen an Körperbeschädigte (BKBLG) wegen eines Myocardschadens, der während des Wehrdienstes durch eine Angina entstanden sei. Zur Begründung legte er ua die Fotokopie einer ärztlichen Benachrichtigung über seine Lazarettbehandlung vom 9. Februar bis 26. Mai 1945 wegen eines Myocardschadens mit ventriculärer Extrasystolie und zentraler Hornhautnarben beiderseits sowie die Fotokopie einer Lazarettzusammenfassung vom 26. Mai 1945 vor. In der letztgenannten Urkunde war angegeben, daß Wehrdienstbeschädigung (WDB) im Sinne der Verschlimmerung eines alten Leidens vorliege. Bei der versorgungsärztlichen Untersuchung am 12. November 1948 erklärte der Kläger, vor Eintritt in die Wehrmacht niemals ernstlich krank gewesen zu sein.

Mit Bescheid vom 11. Mai 1951 bewilligte das Versorgungsamt (VersorgA) nach dem BKBLG ab 1. Februar 1947 Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v. H. wegen Herzmuskelschadens mit absoluter Arrhythmie. Im Umanerkennungsbescheid vom 12. Mai 1951 erkannte es Herzerkrankung nach Angina mit schon in Ruhe bestehenden Zeichen von Unausgeglichenheit als Schädigungsfolge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) an. Wegen dieser Gesundheitsstörung bezog der Kläger ab 1. Oktober 1950 Rente nach einer MdE um 40 v. H. und ab 1. November 1950 nach einer MdE um 70 v. H.

Bei einer ärztlichen Untersuchung 1954 wurde eine Besserung des Herzleidens insofern ermittelt, als Ausgleichsstörungen nicht mehr nachweisbar waren. Das VersorgA stellte die Versorgungsbezüge mit Bescheid vom 15. Dezember 1954 gemäß § 62 Abs. 1 BVG neu fest und gewährte dem Kläger ab 1. Februar 1955 nur noch eine Rente nach einer MdE um 40 v. H. wegen Herzerkrankung nach Angina ohne Zeichen der Unausgeglichenheit, jedoch mit Einschränkung der Leistungsbreite bei Belastung. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch. Bei den folgenden Ermittlungen wurden Fürsorge- und Versorgungsakten des VersorgA Würzburg aufgefunden. Darin befand sich eine Auskunft der Arbeiterersatzkasse Aschaffenburg aus 1943, in der ua angegeben war, daß der Kläger vom 13. Januar bis 25. Februar 1940 arbeitsunfähig krank war. Für diesen Zeitraum war als Krankheitsbezeichnung eingetragen: Frostbeulen, Magenbeschwerden Grippe Eiterung? KBU. Grippe Lymphangitis 1. Arm Nervenentz. Herzleiden. Diese Akten ergaben weiterhin, daß ein vom Kläger 1943 wegen seiner Herzbeschwerden gestellter Versorgungsantrag nach dem Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsgesetz (WFVG) durch Bescheid vom 22. Mai 1944 abgelehnt wurde, weil es sich bei der Herzerkrankung um ein in der Anlage begründetes Leiden handele, das schicksalmäßig aufgetreten sei. Sie enthielten ferner die Beschwerde gegen diesen Ablehnungsbescheid, über die nicht mehr entschieden wurde, sowie ein Schreiben des Klägers vom 3. August 1944, in dem dieser ausführte, er sei überrascht gewesen, als ihm der Arzt bei der Untersuchung im März 1944 gesagt habe, daß er laut Mitteilung der Arbeiterersatzkasse Aschaffenburg schon vor der Einberufung herzkrank gewesen sei; hiervon wisse er nichts.

Mit Bescheid vom 17. November 1955 hob das VersorgA die bisherigen Rentenbescheide nach dem BKBLG und dem BVG gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) auf, lehnte den Versorgungsantrag des Klägers nach dem BKBLG und dem BVG ab und forderte die in der Zeit vom 1. Februar 1947 bis 31. Dezember 1955 gewährten Leistungen in Höhe von 5029,- DM zurück. Der Widerspruch blieb erfolglos.

Das Sozialgericht (SG) hob mit Urteil vom 24. Oktober 1957 den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid insoweit auf, als in ihnen eine Rückforderung von 5029,- DM angeordnet war; im übrigen wies es die Klage ab.

Auf die Berufung des Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 13. Juli 1961 das Urteil des SG auf und wies die Klage in vollem Umfang ab. Da der Kläger das Urteil des SG nicht angefochten habe, stehe rechtsverbindlich fest, daß ihm keine Versorgungsbezüge zustünden. Soweit es sich um die Rückforderung zu Unrecht erhaltener Bezüge handele, sei § 47 Abs. 3 VerwVG in der vor dem Ersten Neuordnungsgesetz vom 27. Juni 1960 geltenden Fassung anzuwenden. Danach sei die Rückforderung, zulässig, wenn die Unrichtigkeit der früheren Bescheide darauf beruhe, daß der Empfänger Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen seien, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen habe. Verschweigen sei das bewußte Vorenthalten einer für die Entscheidung als wesentlich erkannten Tatsache; es müsse in dem Bewußtsein erfolgt sein, etwas zu verheimlichen, was zu offenbaren Pflicht gewesen wäre. Der Kläger habe nicht angegeben, daß er vor dem Wehrdienst in der Zeit vom 13. Januar bis 15. (richtig 25.) Februar 1940 ua auch wegen eines Herzleidens arbeitsunfähig krank gewesen sei. Er habe auch verschwiegen, daß bereits einmal ein Versorgungsverfahren eingeleitet gewesen sei. Diese Tatsachen seien für die Entscheidung wesentlich gewesen. Bei der versorgungsärztlichen Untersuchung im November 1948 habe der Kläger auf ausdrückliche Frage angegeben, vor dem Wehrdienst niemals ernstlich krank gewesen zu sein. Nach einer früheren Antragstellung auf Versorgung sei der Kläger dagegen nicht gefragt worden. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in BSG 9, 48 jedoch entschieden habe, sei bei Anwendung des § 47 VerwVG der dem Rechtsverhältnis zwischen Versorgungsverpflichteten und Versorgungsberechtigten innewohnende Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten. Hieraus ergebe sich für den Versorgungsberechtigten die Verpflichtung, auch ohne ausdrückliche Befragung die Tatsachen offenzulegen, die er als wesentlich für die Entscheidung erkennen könne. Dem Kläger sei es zuzumuten gewesen, die Bedeutung der früheren Ablehnung seines Versorgungsantrages, insbesondere aber der Vorerkrankung an einem Herzleiden zu erkennen, zumal er bereits am 3. August 1944 geschrieben hatte, die Mitteilung über eine vorwehrdienstliche Herzerkrankung habe ihn überrascht. Der Versorgungsberechtigte, der in Kenntnis der Wichtigkeit einer Tatsache seiner Offenbarungspflicht nicht nachkomme, verschweige diese Tatsache bewußt. Trotz eingehender Schilderung der gesundheitlichen und wehrdienstlichen Verhältnisse 1942 bis 1945 habe der Kläger den Umstand nicht erwähnt, daß der von ihm 1943 gestellte Rentenantrag abgelehnt worden sei. Er habe auch nur Unterlagen aus 1945 eingereicht. Aus allem ergebe sich die Absicht des Klägers, sich durch Verschweigen dieser wesentlichen Tatsachen eine günstigere Rechtsstellung zu verschaffen. Das werde auch durch sein späteres Verhalten bestätigt; nunmehr habe er entgegen seinem bisherigen Vorbringen behauptet, hauptsächlich die zweite Einberufung habe sein Herzleiden verschlimmert; er habe nicht bestritten, wesentliche Tatsachen wissentlich verschwiegen zu haben. Der angefochtene Rückerstattungsbescheid sei deshalb rechtmäßig. Das LSG ließ die Revision zu.

Mit der Revision beantragt der Kläger, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Würzburg vom 24. Oktober 1957 zurückzuweisen;

hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Revision rügt Verletzung des § 47 Abs. 3 Nr. 1 VerwVG und der §§ 103, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der festgestellte Tatbestand rechtfertige nicht die Annahme, der Kläger habe Tatsachen, die für die frühere Entscheidung des VersorgA von wesentlicher Bedeutung gewesen seien, wissentlich verschwiegen. Gehe man davon aus, daß § 47 Abs. 3 Nr. 1 VerwVG nicht nur objektiv das Verschweigen, sondern auch subjektiv die Wissentlichkeit der Nichtangabe von für die Entscheidung als wesentlich erkannten Tatsachen erfordere, so komme es bei der subjektiven Tatseite zunächst darauf an, ob der Versorgungsberechtigte seiner Persönlichkeit nach in der Lage gewesen sei, zu erkennen, daß eine Tatsache für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen sei und ob er diese Tatsache bewußt verheimlicht habe. Das LSG hätte daher prüfen müssen, ob der Kläger überhaupt in der Lage gewesen sei zu erkennen, daß die Nichtangabe des früheren Herzleidens für die Entscheidung erheblich sei. Hier habe sich die Anhörung des Klägers selbst angeboten, die ergeben hätte, daß er eine Persönlichkeit einfachen Standes und minderen Bildungsgrades sei, nur in ganz beschränktem Umfang am Rechtsleben teilnehme und deshalb keinen Einblick in die maßgeblichen Zusammenhänge habe. Darüber hinaus hätte das LSG prüfen müssen, welcher Natur die Herzerkrankung überhaupt gewesen sei, wegen der der Kläger vorwehrdienstlich behandelt wurde. Die Feststellung im Berufungsurteil, der Kläger sei in der Zeit vom 13. bis 25. Februar 1940 ua wegen eines Herzleidens arbeitsunfähig erkrankt gewesen, stehe im Widerspruch mit den Entscheidungsgründen, in denen eine Erkrankungsdauer vom 13. Januar bis 15. Februar 1940 zugrunde gelegt worden sei. Das Urteil sei deshalb auch insoweit wegen Verletzung der §§ 103, 128 SGG zu beanstanden. Die Dauer der früheren Herzerkrankung sei für die subjektive Tatseite von wesentlicher Bedeutung. Je kürzer sie gewesen sei, um so weniger habe ihr der Kläger die Bedeutung einer ernstlichen Erkrankung beilegen müssen. Der Kläger habe damals gleichzeitig auch an anderen Erkrankungen gelitten und selbst im Gutachten der Medizinischen Poliklinik der Universität Würzburg vom 25. Mai 1957 werde zugegeben, es bestehe auch jetzt noch Unklarheit hinsichtlich der Diagnose des Herzleidens. Das LSG hätte deshalb auch prüfen müssen, um welche Art von Herzleiden es sich seinerzeit gehandelt habe. Es hätte insbesondere den damals behandelnden Arzt über die Befunde und die damalige Diagnose des Herzleidens sowie darüber befragen müssen, welcher selbständige Krankheitswert diesem Leiden neben den gleichzeitig aufgetretenen anderen Krankheitserscheinungen zugekommen sei. Diese gebotene Sachaufklärung hätte ergeben, daß es sich damals nur um kurzfristige vorübergehende Herzbeschwerden im Zusammenhang mit anderen Leiden gehandelt habe, denen nicht die Bedeutung einer "ernstlichen" Erkrankung beizumessen war. Ein "Verschweigen" i. S. des § 47 Abs. 3 Nr. 1 VerwVG könne nach den bisherigen Feststellungen nicht angenommen werden.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Kläger habe sehr wohl gewußt, was für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen sei. In seinem Rentenantrag 1947 habe er angegeben, der geltend gemachte Myocardschaden sei durch eine Angina entstanden. Die schädigende Einwirkung der Angina auf das Herz sei ihm demnach bekannt gewesen. Unter diesen Umständen könne er wohl nicht glaubhaft behaupten, die Angina sei keine ernstliche Erkrankung gewesen. Es frage sich auch, warum der Kläger nicht angegeben habe, daß er außerdem vom 30. September bis 8. Dezember 1940 an Angina, Nervenleiden, Neurose, Kopfschmerzen und nervösem Erschöpfungszustand arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Das lasse sich nur damit erklären, daß er befürchtet habe, diese Angaben würden eine für ihn ungünstige Entscheidung zur Folge haben. Die Pflicht zur Angabe aller für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen ergebe sich aus dem das gesamte Versorgungsrecht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben. Hier komme hinzu, daß der Kläger sich selbst erboten habe, Hergang und Entstehung seiner Dienstbeschädigung wahrheitsgemäß zu schildern. Zu einer weiteren Sachaufklärung hinsichtlich der Persönlichkeit des Klägers und der Art des vordienstlichen Herzleidens habe keine Veranlassung bestanden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt. Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und damit zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

Die Rüge der Revision, das LSG hätte den Kläger selbst hören müssen, um sich ein Bild vom Umfang seiner Einsichtsfähigkeit zu machen, greift nicht durch. Ein Verstoß gegen § 103 SGG läge nur vor, wenn sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu dieser von der Revision vermißten Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen (vgl. BSG in SozR SGG § 103 Da 2 Nr. 7). Das ist nicht der Fall. Nach der Auffassung des Berufungsgerichts kam es darauf an, ob der Kläger seine Erkrankung 1940 und die Ablehnung seines Versorgungsantrages nach dem WFVG 1944 bewußt verschwiegen hat, obwohl ihm bekannt war, daß diese Tatsachen für die Entscheidung der Versorgungsbehörde von wesentlicher Bedeutung waren. Um diese Feststellungen treffen zu können, brauchte das LSG den Kläger nicht persönlich anzuhören. Die in den alten und neuen Versorgungsakten enthaltenen Unterlagen reichten aus, um beurteilen zu können, ob der Kläger seine frühere Erkrankung und die Ablehnung seines ersten Versorgungsantrages bewußt und gewollt verheimlichte. Diese Unterlagen ergaben, daß der Kläger vom 13. Januar bis 25. Februar 1940 (ua wegen eines Herzleidens) und vom 30. September bis 8. Dezember 1940 (ua wegen einer Angina) erkrankt war und daß ihm die Angaben der Arbeiterersatzkassen über seine Herzerkrankung mitgeteilt worden waren. Sie ergaben ferner, daß der 1943 nach dem WFVG gestellte Versorgungsantrag abgelehnt wurde, weil es sich bei der Herzerkrankung um ein in der Anlage begründetes Leiden handelte. In seinem Schreiben vom 3. August 1944 und im Rentenantrag von 1947 hatte der Kläger angegeben, die von ihm geltend gemachten Herzbeschwerden seien durch eine Angina entstanden. Bei der versorgungsärztlichen Untersuchung im November 1948 hatte er auf Frage des Arztes erklärt, vor seinem Eintritt in die Wehrmacht niemals ernstlich krank gewesen zu sein. In seiner Klageschrift hatte der Kläger schließlich angegeben, die Herzerkrankung sei hauptsächlich durch den zweiten Teil des Wehrdienstes verschlimmert worden; die Herzerkrankung könne auf Grund dieser Sachlage nur im Sinne der Verschlimmerung anerkannt werden, "statt wie bisher i. S. der Entstehung". Diese Tatsachen ermöglichten es dem LSG, die von ihm als rechtserheblich angesehenen subjektiven Umstände zu beurteilen. Sie boten Hinweise für die Kenntnis des Klägers über die Art seiner Erkrankungen im Jahre 1940 und über die Bedeutung dieser Erkrankungen für eine Entscheidung der Versorgungsverwaltung. Aus ihnen läßt sich weder allein noch im Zusammenhang mit dem sonstigen Akteninhalt entnehmen, daß sich das LSG zu einer persönlichen Anhörung des Klägers gedrängt sehen mußte. Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, die dafür sprächen, daß der Kläger die Bedeutung der früheren Erkrankungen und der Ablehnung des Versorgungsantrages nach dem WFVG für eine Entscheidung über den nach dem zweiten Weltkrieg geltend gemachten Versorgungsanspruch verkannt haben könnte. Unter diesen Umständen bestand für das LSG keine Veranlassung, den Kläger persönlich anzuhören.

Entgegen der Auffassung der Revision brauchte das LSG auch keine Ermittlungen darüber anzustellen, welcher Natur das Herzleiden im Jahre 1940 war. Zu dieser Sachaufklärung wäre das LSG nur verpflichtet gewesen, wenn die Art der Herzerkrankung für die Entscheidung über die Rückerstattung der empfangenen Leistungen rechtserheblich gewesen wäre. Das trifft nicht zu. Maßgebend war für das LSG allein, ob der Kläger eine "ernstliche Erkrankung", nicht dagegen, ob er auch eine ernstliche Herz erkrankung vor seiner Wehrdienstzeit bewußt verschwiegen hat. Um diese Frage beantworten zu können, reichten die vorhandenen Unterlagen aus. Denn nach der Auskunft der Arbeiterersatzkasse Aschaffenburg war der Kläger 1940 nicht nur kurzfristig, sondern mehr als drei Monate erkrankt, wobei während der letzten Erkrankungszeit auch Krankenhausbehandlung gewährt wurde. Diese Krankheitszeiten und der Umstand, daß der Kläger arbeitsunfähig war, rechtfertigen die Annahme, daß es sich nicht um eine unbedeutende bzw. nicht ernstliche Erkrankung gehandelt hat. Dies gilt im übrigen auch für die allein vom LSG in Betracht gezogene Erkrankung vom 13. Januar bis 25. Februar 1940 (Grippe, Lymphangitis 1. Arm, Nervenentzündung, Herzleiden usw.). Eine Aufklärung der Art der Herzerkrankung war deshalb entbehrlich. Die von der Revision nach § 103 SGG erhobenen Rügen sind demnach unbegründet.

Auch die auf § 128 SGG gestützten Verfahrensrügen gehen fehl. Die unterschiedlichen Angaben des LSG über die Krankheitsdauer im Februar 1940 beruhen nicht auf einem Verstoß gegen § 128 SGG; denn aus dem Zusammenhang des LSG-Urteils ist zu entnehmen, daß die voneinander abweichenden Zeitangaben auf einem Schreibfehler beruhen und daß das LSG von der richtigen Krankheitszeit - 13. Januar 1940 bis 25. Februar 1940 - ausgegangen ist. Das LSG hat sich hierzu auf die Auskunft der Arbeiterersatzkasse Aschaffenburg vom 9. Dezember 1943 bezogen und damit klargestellt, daß es die hier genannte Erkrankungszeit seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Ein rechtserheblicher Widerspruch des Urteils mit der Aktenlage ist deshalb nicht festzustellen; die bloßen Schreibfehler konnten nach § 138 SGG berichtigt werden.

Zu Unrecht rügt die Revision aber auch, das LSG habe aus den festgestellten Tatsachen nicht folgern dürfen, daß der Kläger die Bedeutung der von ihm verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Versorgungsbehörde gekannt habe. Eine solche Kenntnis konnte das LSG auf Grund der vorhandenen Unterlagen bejahen. Die bei der ärztlichen Untersuchung am 12. November 1948 gestellte Frage über Erkrankungen vor dem Eintritt in die Wehrmacht machte es dem Kläger deutlich, daß solche Erkrankungen zumindest aber ernstliche Erkrankungen, für die Entscheidung wesentlich waren. Über die Ernstlichkeit seiner Erkrankung Anfang 1940 konnte er sich schon deshalb nicht geirrt haben, weil diese Erkrankung über einen Monat dauerte und Arbeitsunfähigkeit bedingte und weil er außerdem wußte, daß der Versorgungsarzt schon 1944 auf die Herzerkrankung abgehoben hatte.

Das LSG hat auch nicht gegen § 128 SGG verstoßen, soweit es aus dem Verhalten des Klägers auf dessen Absicht geschlossen hat, sich durch Verschweigen seiner früheren Erkrankung eine günstigere Rechtsstellung zu verschaffen. Es liegt kein Anhalt dafür vor, daß der Kläger diese vorwehrdienstliche Erkrankung aus einem anderen als dem vom LSG angenommenen Grund verheimlicht haben könnte. Das LSG konnte aus der Nichtangabe der Erkrankung trotz ihrer offensichtlichen Bedeutung für die Entscheidung der Versorgungsbehörde in Verbindung mit der Nichterwähnung des Versorgungsverfahrens nach dem WFVG und der Ablehnung des Versorgungsantrages nach diesem Gesetz ohne Verfahrensverstoß schließen, daß der Kläger nur die für ihn günstigen Umstände angeben wollte, um eine nochmalige Ablehnung seines Antrages zu verhindern. Bei dieser Sachlage läßt sich eine Überschreitung der Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung durch das LSG nicht feststellen. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen konnten deshalb keinen Erfolg haben.

Da der Kläger gegen das Urteil des SG kein Rechtsmittel eingelegt hat, ist der Bescheid vom 17. November 1955 rechtsverbindlich geworden, soweit durch ihn die früheren Bewilligungsbescheide nach dem BKBLG und dem BVG aufgehoben und die geltend gemachten Rentenansprüche nach diesen Gesetzen abgelehnt wurden. Damit steht fest, daß der Kläger die danach gewährten Leistungen zu Unrecht empfangen hat. Für die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsanspruchs kommt es somit, da die Höhe der festgestellten Überzahlung nicht angegriffen ist, nur noch darauf an, ob der Kläger Tatsachen, die für die Entscheidung der Versorgungsverwaltung wesentlich gewesen sind, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen hat. Das ist anzunehmen, wenn der Empfänger wesentliche Tatsachen in dem Bewußtsein nicht angegeben hat, etwas zu verheimlichen, was zu offenbaren seine Pflicht gewesen wäre (vgl. Urteil vom 14. Dezember 1960 - 10 RV 405/57 - in Breithaupt 1961, 461). Hiervon ist das LSG ausgegangen. Es hat festgestellt, daß dem Kläger zuzumuten war, die Bedeutung seiner Erkrankung 1940 für die Entscheidung der Versorgungsbehörde zu erkennen und daß er diesen Umstand zur Erlangung einer günstigeren Rechtsstellung absichtlich verschwiegen hat, obwohl er ausdrücklich danach gefragt worden ist. Diese Feststellungen genügen bereits, um ein wissentliches Verschweigen wesentlicher Tatsachen im Sinne von § 47 Abs. 3 Nr. 1 VerwVG und damit den Rückforderungsanspruch des Beklagten zu bejahen. Bei dieser Sachlage konnte der Senat unerörtert lassen, ob auch die Nichtmitteilung der Rentenablehnung aus dem Jahre 1944, nach der der Kläger nicht ausdrücklich gefragt worden war, das Verschweigen einer wesentlichen Tatsache im Sinne des § 47 Abs. 3 Nr. 1 VerwVG darstellt. Der Senat neigt allerdings zu der Annahme, daß der dem Rechtsverhältnis zwischen Versorgungsverpflichteten und Versorgungsberechtigten innewohnende Grundsatz von Treu und Glauben (BSG 9, 48) noch nicht ohne weiteres zu der Feststellung berechtigt, es bestehe schlechthin eine Rechtspflicht des Versorgungsberechtigten zur Offenlegung auch aller jener als wesentlich objektiv in Betracht kommenden Tatsachen, nach denen er nicht gefragt worden ist.

Das LSG hat somit im Ergebnis zutreffend die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung der für die Zeit vom 1. Februar 1947 bis zum 31. März 1955 zu Unrecht empfangenen Versorgungsleistungen bejaht. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob der Erstattungsanspruch in § 47 VerwVG eine unmittelbare Rechtsgrundlage findet (vgl. BSG 3, 234; 6, 11; 11, 44, 46 f) oder ob insoweit die Rechtsgrundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts Anwendung finden müssen, weil das VerwVG erst am 1. April 1955 in Kraft getreten ist (vgl. BSG in SozR VerwVG § 41 Ca 3 Nr. 9). Hier wird jedenfalls das sachliche Ergebnis durch eine solche unterschiedliche rechtliche Beurteilung nicht beeinflußt. Nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts, die mangels einer besonderen Regelung im BKBLG für die Zeit vor dem 1. April 1955 als Rechtsgrundlage in Betracht kämen, ist eine zu Unrecht empfangene Leistung in aller Regel in vollem Umfange zu erstatten, es sei denn, daß die Rückforderung gegen Treu und Glauben verstoßen würde (vgl. BSG in SozR SVA 11 Allg. Ca 5 Nr. 9, SozR VerwVG § 47 Ca 11 Nr. 13, ferner BSG, Urt. vom 17.5.1962 - 11 RV 116/60 -). Ein solcher Verstoß gegen Treu und Glauben ist hier nicht gegeben. Das vom LSG festgestellte absichtliche Verschweigen wesentlicher Tatsachen zum Zwecke, sich eine günstigere Rechtsstellung für das neue Versorgungsverfahren zu verschaffen, rechtfertigt es nicht, den Erstattungsanspruch nach Treu und Glauben einzuschränken oder zu verneinen. Der Kläger durfte sich angesichts seines eigenen Verhaltens nicht darauf verlassen, daß ihm die Rente zu Recht gewährt wurde und daß er die zugebilligten Beträge behalten könne. Darum ist er auch nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts verpflichtet, die ihm rechtswidrig zugeflossenen Beträge zu erstatten.

Das LSG hat somit die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheides vom 17. November 1955 im Ergebnis zutreffend bestätigt. Die Revision des Klägers konnte daher keinen Erfolg haben und war nach § 170 Abs. 1 SGG als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2375004

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