Leitsatz (amtlich)

1. Zur Anwendung der Ausstrahlungslehre bei Bauarbeiten, die vor dem 1. Weltkrieg in Rußland (Libau) von einem inländischen Bauunternehmen mit inländischen und zum Teil am Beschäftigungsort erst eingestellten ausländischen Arbeitern durchgeführt wurden.

2. RVO § 596 aF ist im Rahmen der nach FRG § 5 maßgebenden bundesrechtlichen Vorschriften auf den in diesem Gesetz bezeichneten Personenkreis nicht anwendbar.

 

Normenkette

RVO § 537 Nr. 1 Fassung: 1942-03-09, § 596 Abs. 1 Fassung: 1925-07-14; FRG § 5

 

Tenor

Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. Februar 1962 wird mit den ihm zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Die Klägerin beansprucht Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) wegen des tödlichen Unfalls, dem ihr Ehemann, der Maschinist Viktor G (G.), am 27. April 1914 in Libau erlegen ist. G. war dort bei Bauarbeiten für die Firma Robert G G. m. b. H. in Danzig (Fa. Gr.), einem Filialbetrieb der gleichnamigen Baufirma in Hannover, tätig gewesen. Bei diesen Arbeiten wurden deutsche und russische Arbeiter beschäftigt. G. war russischer Staatsangehöriger, wohnte in Libau und wurde dort von der Fa. Gr. eingestellt. Der Danziger Betrieb der Fa. Gr. war Mitglied der Nordöstlichen Baugewerks-Berufsgenossenschaft (BG), Sektion IV (Westpreußen), in Danzig. Diese BG stellte im September 1914 die Hinterbliebenenrente für die Klägerin fest und zahlte von dem bis dahin aufgelaufenen Rentenbetrag 306,56 Mark an die Fa. Gr. zum Ausgleich von Vorschüssen, welche diese an die Klägerin in Erwartung der Unfallentschädigung geleistet hatte; die weiteren laufenden Rentenbeträge wurden beim Genossenschaftsvorstand in Berlin wegen der Kriegsverhältnisse hinterlegt.

Alsbald nach dem Krieg prüfte die nunmehr zuständige Überleitungsstelle der BG in Danzig die Anspruchsberechtigung der Klägerin nach; sie hielt die Versicherungspflicht des Verunglückten G. nach wie vor für gegeben, verneinte aber ihre Leistungspflicht gegenüber der Klägerin auf Grund des § 596 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und lehnte im April 1921 den Rentenanspruch der Klägerin ab. Als diese im Jahre 1941 nach Deutschland umgesiedelt worden war, gewährte ihr die BG aus Billigkeitsgründen freiwillige Leistungen in Höhe der gesetzlichen Hinterbliebenenrente. Die Klägerin verlor diese Leistungen wieder, da sie nach Kriegsende in ihre Heimat repatriiert wurde.

Ende 1959 kam die Klägerin in die Bundesrepublik; sie lebt seitdem in Husum. Ihre Rentenangelegenheit wurde wieder aufgegriffen; ein Leistungsantrag gelangte über die Bau-BG Hamburg an die beklagte Bau-BG, weil der Geschäftsbetrieb der Danziger Filiale der Fa. Gr. - schon im Jahre 1916 - auf deren Hauptniederlassung in Hannover übergegangen war. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 16. September 1960 den Anspruch auf Gewährung der Hinterbliebenenrente unter Bezugnahme auf den rechtskräftigen Bescheid der Nordöstlichen Baugewerks-BG vom April 1921 ab.

Das Sozialgericht Schleswig hat durch Urteil vom 25. Mai 1961 die Klage abgewiesen. Es ist der Ansicht, daß es keine gesetzliche Grundlage für den Rentenanspruch der Klägerin gebe; insbesondere sei dieser nicht aus dem Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I 93), Art. 1, Fremdrentengesetz (FRG), herzuleiten, da der Verunglückte G. nicht unter § 1 dieses Gesetzes fallen könne.

Die Klägerin hat dieser Auffassung mit der Berufung widersprochen. Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 6. Februar 1962 die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Ein Hinterbliebenenanspruch der Klägerin aus der gesetzlichen UV sei wegen § 596 Abs. 1 RVO nicht entstanden. Daran ändere nichts, daß diese Vorschrift inzwischen durch das Gesetz zum Übereinkommen Nr. 102 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1952 über die Mindestnormen der sozialen Sicherheit vom 18. September 1957 (BGBl II 1321) außer Kraft gesetzt worden sei; denn Bestimmungen darüber, daß auch Unfälle, die sich vor dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens ereigneten, zu entschädigen seien, enthalte die auf Grund des Übereinkommens ergangene gesetzliche Regelung nicht. Auch das FRG verhelfe der Klägerin nicht zu ihrer Rente. Zwar gehöre die Klägerin zu dem Kreis der nach diesem Gesetz berechtigten Personen; aber die Voraussetzungen des § 5 FRG seien im vorliegenden Fall nicht gegeben, da der tödlich verunglückte Ehemann der Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls nicht bei einem deutschen Träger der gesetzlichen UV versichert gewesen sei. Der Umstand, daß seinerzeit von der Fa. Gr. auch für die in Libau beschäftigten russischen Arbeitskräfte Beiträge an den zuständigen Versicherungsträger geleistet worden seien, habe für G. kein Versicherungsverhältnis begründen können, da er als russischer Staatsangehöriger nicht der deutschen UV unterstanden habe; er hätte sich in ihr auch nicht freiwillig versichern können.

Das LSG hat die Revision im Urteilsausspruch zugelassen, die Rechtsmittelbelehrung dagegen mit der Erklärung eingeleitet, daß für die Zulassung der Revision keine Veranlassung bestehe, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Das Urteil ist der Klägerin am 16. Oktober 1962 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 8. November 1962 Revision eingelegt und diese am 19. November 1962 wie folgt begründet:

1) Die Revision sei zufolge des Ausspruchs über ihre Zulassung im Urteilstenor statthaft. Die gegenteilige Erklärung anläßlich der Rechtsmittelbelehrung sei unschädlich.

2) Das LSG habe § 5 Abs. 1 Nr. 1 FRG unrichtig angewandt. Es habe verkannt, daß der Ehemann der Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls bei einem deutschen Träger der gesetzlichen UV versichert gewesen sei. Dem Versicherungsschutz des Verunglückten habe nicht entgegengestanden, daß er russischer Staatsangehöriger gewesen sei. Den Fremdrentenanspruch der Klägerin schließe § 596 Abs. 1 RVO nicht aus; durch diese Vorschrift werde der nach dem FRG berechtigte Personenkreis nicht beschränkt.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen und den Bescheid der Beklagten vom 16. September 1960 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihr vom 1. Januar 1959 an die Witwenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält ebenfalls die Revision für wirksam zugelassen und führt zur Sache aus: Das LSG habe die Anwendung des FRG mit Recht verneint. Die Fa. Gr. habe zwar im Jahre 1914 für die in Libau beschäftigten deutschen und russischen Arbeitskräfte Unfallversicherungsbeiträge an die damals zuständige BG abgeführt; gleichwohl habe der Versicherungsschutz den Ehemann der Klägerin als russischen Staatsangehörigen weder im Wege der sogenannten Ausstrahlung noch der Formalversicherung erfaßt. § 5 Abs. 1 Nr. 1 FRG sei daher nicht anwendbar. Außerdem stünde ihrem Rentenanspruch § 596 Abs. 1 RVO entgegen. Nach dieser Vorschrift wirke der Ausschluß ihres Rechts auf den Hinterbliebenenanspruch nicht nur für die Dauer ihres Aufenthaltes im Ausland.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

II

Die Revision ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft, da das LSG sie ordnungsmäßig nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen hat. Der Ausspruch hierüber ist im Urteilstenor enthalten; die Niederschrift vom 6. Februar 1962 über die Verkündung dieses Urteils haben sämtliche an der Urteilsfällung beteiligten Richter unterzeichnet. Im Widerspruch zu dem Urteilsausspruch ist die schriftliche Rechtsmittelbelehrung allerdings mit der Erklärung eingeleitet worden, daß für die Zulassung der Revision gegen das Urteil keine Veranlassung bestehe, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht gegeben seien. Diese Erklärung ist dem LSG bei der Absetzung des Urteils offensichtlich infolge eines Versehens unterlaufen. Sie kann daher, wie auch von keinem der Beteiligten in Zweifel gezogen wird, die Wirksamkeit der im Urteilsausspruch enthaltenen Revisionszulassung nicht in Frage stellen. Die Revision hatte auch Erfolg.

Der Anspruch auf Hinterbliebenenrente, den die Klägerin aus Anlaß des tödlichen Unfalls ihres Ehemannes vom 27. April 1914 in Libau für die Zeit vom 1. Januar 1959 an geltend macht, ist entgegen der Auffassung des LSG nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 FRG berechtigt. Auf Grund dieser Vorschrift wird nach den für die gesetzliche UV maßgebenden bundesrechtlichen Vorschriften auch ein außerhalb des Geltungsbereichs des FRG eingetretener Arbeitsunfall entschädigt, wenn der Verletzte im Zeitpunkt des Unfalls bei einem deutschen Träger der gesetzlichen UV versichert war. Das LSG hat zu Unrecht angenommen, daß der Verunglücke G. der deutschen gesetzlichen UV schon deshalb nicht unterstanden habe, weil er russischer Staatsangehöriger gewesen sei. Es hat verkannt, daß auch Ausländer den Schutz der deutschen gesetzlichen UV genießen können (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-6. Aufl., Bd. II S. 470; RVO-Mitgl.-Komm., Bd. III, 2. Aufl., S. 66 Anm. 5 c zu § 544). Damit ist die Frage nach der Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 1 FRG auf den vorliegenden Streitfall - Nr. 2 dieser Vorschrift kommt auch nach Ansicht der Revision hier nicht in Betracht - allerdings noch nicht entschieden. Sie hängt, da sich der Unfall bei Arbeiten ereignete, die im Ausland verrichtet worden sind, in erster Linie davon ab, ob sich der Versicherungsschutz des verunglücken G. auch auf diese Arbeiten erstreckte. Das Recht der gesetzlichen UV ist vom Territorialprinzip beherrscht; an den politischen Grenzen des deutschen Staatsgebietes endet der Versicherungsschutz. Im Ausland beschäftigte Personen unterliegen daher grundsätzlich nicht der deutschen Versicherungspflicht. Ausnahmen hiervon sind jedoch möglich. Sie können je nach Lage des Falles kraft Gesetzes sowie supranationalen Rechts und auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen gegeben sein; darüber hinaus ist das deutsche innerstaatliche Sozialversicherungsrecht durch die in der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts entwickelte sogenannte Ausstrahlungslehre auf im Ausland vorgenommene Betriebsarbeiten ausgedehnt worden (vgl. AN 1885, 345 Nr. 72; Handbuch der Unfallversicherung Bd. I S. 227 ff und Bd. III S. 848 ff; RVO-Mitgl.-Komm. Bd. III, 2. Aufl., S. 3 Anm. 1 zu § 537; Brackmann aaO Bd. I S. 294 b II; EuM Bd. 38, 146; 49, 265; BSG 7, 257, 265; 17, 173, 177; BG 1959, 124). Danach wird die Durchbrechung des Territorialprinzips für gerechtfertigt erachtet, wenn sich der inländische Betrieb nicht in einem solchen Maß ins Ausland ausdehnt, daß dort ein Betriebsteil mit selbständiger wirtschaftlicher Bedeutung entstanden ist; er muß sich vielmehr als abhängiger Teil, Zubehör oder Fortsetzung des inländischen Betriebes darstellen. Diese allgemein anerkannte Ausstrahlungslehre, die als sinnvolle Erweiterung des inländischen Sozialversicherungsrechts in ihrem Kern heute noch gültig ist, ermöglichte es, zu der hier in Frage stehenden Zeit den Versicherungsschutz nicht nur den Personen, die von einem inländischen Betrieb ins Ausland entsandt wurden, zu erhalten, sondern auch auf solche Personen zu erstrecken, die erst im Ausland eingestellt wurden (vgl. AN 1904, 506 Nr. 1149; 1916, 610 Nr. 2897; EuM Bd. 4. 425). Inwieweit diese - erhebliche - Ausweitung des Versicherungsschutzes inzwischen an Bedeutung verloren hat, weil auch in den ausländischen Staaten weitgehend für die Gewährleistung der sozialen Sicherheit Sorge getragen ist, so daß der Versicherungsschutz der von einem inländischen Unternehmen im Ausland angeworbenen ausländischen Beschäftigten den Trägern der Versicherung ihres Heimatlandes überlassen werden kann, bedurfte aus Anlaß der Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts keiner Prüfung. Denn der Unfall des Ehemannes der Klägerin ereignete sich zu einer Zeit, als es noch geboten war, den Versicherungsschutz kraft Ausstrahlung auf alle Personen zu erstrecken, die für einen inländischen Betrieb im Ausland tätig wurden (vgl. BSG 7, 265).

Der erst in Libau als Arbeitskraft eingestellte Ehemann der Klägerin stand unter Berücksichtigung der angeführten Grundsätze unfallversicherungsrechtlich einem inländischen Beschäftigten gleich und wurde bei der zum Unfall führenden Arbeit vom inländischen Versicherungsschutz kraft Ausstrahlung erfaßt. Nach den vom LSG getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen handelte es sich bei den in Libau ausgeführten Bauvorhaben der Fa. Gr. schon nach der Natur dieser Arbeiten um vorübergehende Betriebstätigkeiten, welche das im Inland liegende Schwergewicht des Bauunternehmens nicht berührten. Es ist jedenfalls kein Anhalt dafür ersichtlich, daß die in Rußland ausgeführten Bauvorhaben dem in Danzig befindlichen Betrieb gegenüber selbständige Bedeutung gehabt hätten. Im übrigen spricht, wie die Revision mit Recht geltend macht, für die Annahme eines Ausstrahlungsbetriebs im vorliegenden Falle der Umstand, daß die Nordöstliche Baugewerks-BG im Jahre 1914 das Recht der Klägerin auf Hinterbliebenenentschädigung - allerdings in anfänglicher Verkennung der sich für die Klägerin aus § 596 Abs. 1 RVO ergebenden Rechtslage - anerkannt hat.

Diese BG war der damals für den Verunglückten G. zuständige Versicherungsträger. Sie hatte ihren Sitz in Berlin und damit im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 (§ 3 FRG). Der Ehemann der Klägerin war somit bei einem deutschen Träger der gesetzlichen UV im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 FRG versichert. Hieran ändert nichts, daß der Unfallbetrieb verwaltungsmäßig zu einer Sektion dieser BG mit dem Sitz in Danzig gehörte. Der rechtlich maßgebende Sitz der BG wird nur durch diese selbst bestimmt, nicht auch durch deren einzelne Sektion, der keine Rechtspersönlichkeit zukommt (Brackmann aaO Bd. I S. 154 b und die dort angeführten Nachweisungen).

Der in Libau eingetretene und dem Danziger Baubetrieb zuzurechnende Unfall hat sich, wie keiner näheren Darlegung bedarf, außerhalb des Geltungsbereichs des FRG ereignet. Der Verunglückte G. wäre auch im Bundesgebiet versichert gewesen, wenn sich der Unfall hier ereignet hätte. Maßgebend hierfür ist das Recht, das im Zeitpunkt des Unfalls galt. Danach gehörte G. auch als russischer Staatsangehöriger auf Grund seiner Beschäftigung in dem Ausstrahlungsbetrieb des Danziger Unternehmens zu dem Kreis der nach dem damals geltenden § 544 RVO versicherten Personen. G. ist somit einem Arbeitsunfall im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 FRG erlegen (vgl. Jantz/Zweng/Eicher, Komm. zum FANG, 2. Aufl., S. 22 Anm. 8 zu § 5 FRG; Hoernigk/Jahn/Wickenhagen, Komm. zum FRG vom 25.2.1960, Stand Januar 1962, S. 99 Anm. 8 und 9 zu § 5).

Der Klägerin standen freilich aus Anlaß dieses Unfalls nach § 596 Abs. 1 RVO keine Hinterbliebenenansprüche zu, da sie sich zur Zeit des Unfalls nicht gewöhnlich in Deutschland aufhielt. Daran ändert entgegen ihrer Ansicht nichts, daß diese Vorschrift inzwischen durch das Gesetz zum Übereinkommen Nr. 102 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1952 über die Mindestnormen der sozialen Sicherheit vom 18. September 1957 mit Wirkung vom 21. Februar 1959 außer Kraft gesetzt worden ist.

Dieser Ausschlußgrund entfällt bei dem aus dem FRG hergeleiteten Hinterbliebenenanspruch der Klägerin. § 596 Abs. 1 RVO galt zwar im Zeitpunkt des Inkrafttretens des FANG (1.1.1959) noch. Bei der Anwendung des Fremdrentenrechts ist er jedoch, wie die Revision zutreffend ausgeführt hat, nicht mehr zu berücksichtigen. Für die Entstehung der Leistungsansprüche nach dem Fremdrentenrecht ist der Grundgedanke maßgebend, daß die berechtigten Personen den Einheimischen gleichzustellen sind. Dieser Grundgedanke beherrschte bereits das erste Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz (FAG) vom 7. August 1953 (BGBl. I 848) und erhält im FANG wegen des diesem Gesetz zugrunde liegenden Eingliederungsprinzips erhöhte Bedeutung. Es widerspräche diesem Prinzip, wenn der nach dem Fremdrentenrecht an sich bestehende Leistungsanspruch daran scheitern müßte, daß der Berechtigte zur Zeit des Unfalls im Ausland wohnte und Angehöriger eines fremden Staates war. Zu Recht ist schon im Schrifttum die Auffassung vertreten worden, daß es mit dem Sinn und Zweck des FAG nicht vereinbar wäre, wenn eine die Ausländer benachteiligende Sondervorschrift des Bundesrechts, so § 596 RVO, angewandt würde (vgl. Brackmann aaO Bd. I S. 294 k VII und Hoernigk/Jahn/Wickenhagen, Komm. zum FAG 2. Aufl., S. 57 Anm. 71 h zu § 2). Dies hat nach der Meinung des Senats erst recht für die Regelung des FRG zu gelten.

Die Klägerin, die nicht zu dem in § 1 FRG bezeichneten Personenkreis gehört, ist nach § 5 Abs. 4 Satz 1 dieses Gesetzes leistungsberechtigt; die Erweiterung des Kreises der Leistungsberechtigten durch § 5 Abs. 4 bezieht sich auf alle gegen Unfall versicherte Personen, und zwar Verletzte wie Hinterbliebene (vgl. Jantz/Zweng/Eicher aaO S. 25 Anm. 18 zu § 5; Hoernigk/Jahn/Wickenhagen, Komm. zum FRG, Bd. 2, S. 107 Anm. 19 zu § 5).

Kommt nach alledem als Grundlage für den Rentenanspruch der Klägerin § 5 FRG in Betracht, so ist die Beklagte nicht der zuständige Versicherungsträger. Nach § 9 Abs. 1 FRG ist für die Feststellung der Gewährung der Leistungen der Träger der UV zuständig, der nach der Art des Unternehmens, in dem sich der Arbeitsunfall ereignet hat, zuständig wäre, wenn sich der Arbeitsunfall an dem für das anzuwendende Recht maßgeblichen Ort (§ 7) ereignet hätte. Dieser Ort bestimmt sich nach dem Aufenthalt des Berechtigten im Geltungsbereich des FRG zur Zeit der Anmeldung des Anspruchs. Die Klägerin wohnt seit ihrer Übersiedlung in das Bundesgebiet in Husum. Für sie kommt daher die Bau-BG Hamburg als zuständiger Versicherungsträger in Betracht.

Der Senat hat aus prozeßökonomischen Gründen davon abgesehen, die gegen die Beklagte gerichtete Klage wegen mangelnder Passivlegitimation abzuweisen. Er hat in Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen, damit der zuständige Versicherungsträger beigeladen werden kann.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 69

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