Leitsatz (amtlich)

1. Im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit kann in entsprechender Anwendung der ZPO §§ 274, 275 (SGG § 202) über die Zuständigkeit des Gerichts durch Zwischenurteil entschieden werden. 2. Im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit sind ZPO §§512a und 549 Abs 2 entsprechend anwendbar (SGG § 202).

2. Ist streitig, ob das SG des Wohnsitzes (des Beschäftigungsorts) zuständig (SGG § 57) oder ob der Bezirk einer Kammer eines anderen SG wirksam auf den Bezirk jenes SG erstreckt worden ist (SGG § 10 Abs 3), so liegt ein Streit über die örtliche Zuständigkeit des Gerichts vor.

3. Ein Rechtsmittel, das lediglich darauf gestützt wird, das Gericht des ersten Rechtszuges habe seine örtliche Zuständigkeit mit Unrecht angenommen, ist nicht statthaft.

4. Die Zulassung der Revision gegen ein Zwischenurteil, das die örtliche Zuständigkeit des Gerichts angenommen hat, ist unwirksam.

 

Normenkette

SGG § 10 Abs. 3 Fassung: 1953-09-03, § 57 Fassung: 1953-09-03, § 162 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 202 Fassung: 1953-09-03; ZPO §§ 275, 512a, 549 Abs. 2, § 274

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Februar 1958 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der im Bundesbahn-Betriebswerk N beschäftigte Kläger erlitt im Jahre 1954 einen Arbeitsunfall. Die Beklagte gewährte ihm deswegen eine vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) von 25 v. H. Durch Bescheid vom 11. Januar 1957 stellte sie die Rentenzahlung unter Ablehnung der Dauerrente ein, weil Unfallfolgen nicht mehr vorhanden seien.

Diesen Bescheid hat der Kläger mit der Klage zum Sozialgericht (SG.) Nürnberg angegriffen. Die Beklagte hat unter Hinweis auf § 2 der Verordnung über Zuständigkeiten in der Sozialgerichtsbarkeit vom 9. April 1954 (Bayer. GVBl. S. 56 - ZVO) eingewandt, zur Entscheidung des Rechtsstreits sei nicht das angerufene Gericht, sondern das SG. München zuständig. Nach der angeführten Vorschrift ist beim SG. München für Angelegenheiten der Versicherungsträger der Deutschen Bundesbahn eine Kammer gebildet und deren Bezirk auf das Gebiet des Freistaates Bayern erstreckt worden. Die Beteiligten haben übereinstimmend beantragt, über die Zuständigkeit des Gerichts abgesondert zu verhandeln und durch Zwischenurteil zu entscheiden.

Das SG. hat durch Urteil vom 14. Mai 1957, das in den Gründen als Zwischenurteil gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit §§ 274, 275 der Zivilprozeßordnung (ZPO) bezeichnet ist, die prozeßhindernde Einrede der Unzuständigkeit des SG. Nürnberg verworfen. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Das SGG kenne nur nach Versicherungszweigen gegliederte Fachkammern (§ 10 SGG). Gegen dieses Prinzip verstoße § 2 ZVO, indem er eine Kammer für einen bestimmten Versicherungsträger vorsehe.

Die von der Beklagten hiergegen eingelegte Berufung hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG.) durch Urteil vom 12. Februar 1958 zurückgewiesen. Es hat die Berufung nach § 143 SGG als statthaft angesehen. Die vom SG. bejahte Frage, ob § 2 ZVO gegen § 10 SGG verstößt, hat es unentschieden gelassen; es hat aber § 2 ZVO deshalb als rechtsunwirksam erachtet, weil die darin angeordnete Bildung einer Kammer für Angelegenheiten der Versicherungsträger der Deutschen Bundesbahn ausschließlich eine Angelegenheit der dem Präsidium des Gerichts zustehenden Geschäftsverteilung sei und Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes in Bayern vom 21. Dezember 1953 (GVBl. S. 195) nur zur Ausdehnung des Bezirks einer Kammer, nicht aber zur Bildung von Kammern ermächtige. - Das LSG. hat die Revision zugelassen.

Das Urteil ist der Beklagten am 5. Juni 1958 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 2. Juli 1958 Revision eingelegt und diese am 25. Juli 1958 begründet.

Die Beklagte hält § 2 ZVO für rechtswirksam und demgemäß das SG. München für zuständig. Sie beantragt,

das Urteil des Bayerischen LSG. vom 12. Februar 1958 aufzuheben und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige SG. München zu verweisen.

Der Kläger beantragt,

das Verfahren auszusetzen und die Frage der Zuständigkeit des Gerichts dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Er ist der Auffassung, daß eine solche Verfahrensweise nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geboten sei.

II

Die Revision hatte keinen Erfolg; sie ist trotz ihrer ausdrücklichen Zulassung durch das LSG. nicht statthaft.

Es ist verfahrensrechtlich unbedenklich, daß die Vorinstanzen über die Zuständigkeit des Gerichts durch Zwischenurteil entschieden haben. Das SGG selbst enthält keine Bestimmungen, die den Erlaß von Zwischenurteilen regeln. Auf Grund des § 202 SGG haben daher die Vorinstanzen mit Recht §§ 274, 275 ZPO für entsprechend anwendbar und demgemäß ein Zwischenurteil über die Zuständigkeit des Gerichts für zulässig gehalten. Die grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit und dem Zivilprozeß schließen die Zulässigkeit von Zwischenurteilen nicht aus. Gerade in jenen Streitigkeiten, die zumeist für den Berechtigten lebensnotwendige Leistungen zum Gegenstand haben, besteht ein dringendes Bedürfnis, den Eintritt der Rechtskraft durch eine rationelle Absonderung und Vorwegerledigung gewisser Streitpunkte zu beschleunigen. Gegen die Zulässigkeit von Zwischenurteilen im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit bestehen um so weniger Bedenken, als in den anderen Gerichtsbarkeiten ebenso verfahren wird. Auf dem Gebiet der Arbeitsgerichtsbarkeit gilt die Regelung über Zwischenurteile im Zivilprozeß entsprechend (§ 46 Abs. 2, § 64 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes - ArbGG -). Für die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit läßt die Militärregierungsverordnung (MRVO) 165 Zwischenurteile über die sachliche oder örtliche Zuständigkeit des Gerichts ausdrücklich zu (§ 73 Abs. 1). Die Gesetze über die Verwaltungsgerichtsbarkeit für die süddeutschen Länder und das Verwaltungsgerichtsgesetz (VGG) für Rheinland-Pfalz enthalten keine besonderen Bestimmungen über Zwischenurteile, nach allgemein anerkannter Auffassung werden jedoch auch dort in entsprechender Anwendung des § 303 ZPO (§ 34 VGG) Zwischenurteile für zulässig gehalten (Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsgesetz für Bayern, Bremen, Hessen und Württemberg-Baden, § 78 Anm. II 1 b, bb; van Husen, Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern, Württemberg-Baden und Hessen, 1947 S. 105; Hufnagl, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der amerikanischen und britischen Zone 1950 S. 285; Schmuck - De Clerck, Gesetz über das Bundesverwaltungsgericht, Kommentar, S. 123; vgl. auch OVG. Münster in DÖV. 1959 S. 473). Bei diesem Rechtszustand soll es nach dem Entwurf der Verwaltungsgerichtsordnung (Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 55) im wesentlichen bleiben, wenn darin auch nur ein einziger Fall des Zwischenurteils (über die Zulässigkeit der Klage - § 110) ausdrücklich geregelt ist (vgl. amtl. Begründung a. a. O. S. 42 zu §§ 108 bis 110). Schließlich sind auch im Verfahren der Finanzgerichtsbarkeit Zwischenurteile zulässig (§ 284 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung).

Haben die Vorinstanzen somit in zulässiger Weise über die Zuständigkeit des Gerichts durch Zwischenurteil entschieden, so hatte der Senat zu prüfen, inwieweit diese Urteile - mit der Berufung bzw. Revision - anfechtbar sind.

Im Zivilprozeß sind Zwischenurteile, durch die eine prozeßhindernde Einrede verworfen wird, hinsichtlich der Rechtsmittel als Endurteile anzusehen und daher grundsätzlich selbständig mit dem statthaften Rechtsmittel anfechtbar (§§ 275, 511, 545 Abs. 1 ZPO). Dieser Grundsatz erleidet insofern eine Einschränkung, als in Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche Berufung und Revision nicht darauf gestützt werden können, daß das Gericht des ersten Rechtszuges seine örtliche Zuständigkeit mit Unrecht angenommen habe (§§ 512 a, 549 Abs. 2 ZPO). Diese von der Gleichwertigkeit gleichartiger Gerichte ausgehenden Vorschriften dienen der Prozeßökonomie. Einmal soll vermieden werden, daß eine von der Vorinstanz geleistete Sacharbeit aus förmlichen Gründen hinfällig wird, vor allem aber sollen die Rechtsmittelgerichte von - praktisch nutzlosen - Streitigkeiten über die örtliche Zuständigkeit freigestellt werden (vgl. BGH. in NJW. 1953 S. 222 unter Anführung des Kommissionsberichts zu § 549 Abs. 2 ZPO, Drucksache des Reichstages 1903/05 Nr. 782 S. 74; RGZ. 93 S. 351 (352)). Die die Anfechtbarkeit von Urteilen einschränkende Regelung der §§ 512 a, 549 Abs. 2 ZPO gilt, wie allgemein anerkannt ist, auch in den Fällen, in denen über prozeßhindernde Einreden nach § 275 ZPO entschieden worden ist. Hat also ein erstinstanzliches Gericht in einer Streitigkeit über vermögensrechtliche Ansprüche durch Zwischenurteil nur über die prozeßhindernde Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des Gerichts entschieden und diese verworfen, so ist dieses Urteil praktisch jeder Anfechtung entzogen. Anders ist die verfahrensrechtliche Regelung z. B. im Verwaltungsgerichtsverfahren nach der MRVO 165. Dort sind kraft ausdrücklicher Bestimmung des § 73 Abs. 2 auch Zwischenurteile, die über die Zuständigkeit des Gerichts in bejahendem Sinne entscheiden, selbständig anfechtbar.

Im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit ist die Regelung der MRVO 165 nicht entsprechend anwendbar, weil das SGG gegenüber den Verfahrensvorschriften der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit ein Spezialgesetz darstellt und ausdrücklich auf die Zivilprozeßordnung verweist, soweit es selbst keine Bestimmungen über das Verfahren enthält (§ 202 SGG). Da das SGG nicht regelt, ob und inwieweit bei Streitigkeiten über die Zuständigkeit des Gerichts die Anfechtbarkeit einer Entscheidung eingeschränkt wird, sind §§ 512 a, 549 Abs. 2 ZPO im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit entsprechend anzuwenden, es sei denn, daß grundsätzliche Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies ausschließen würden. Einen solchen Unterschied sieht die Revision zu Unrecht darin, daß es im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit - im Gegensatz zu der im Zivilprozeß geltenden Regel - unzulässig und daher rechtlich wirkungslos ist, eine Vereinbarung über den Gerichtsstand zu treffen. Auch die ZPO kennt Fälle des ausschließlichen, also der Vereinbarung nicht unterliegenden (§ 40 Abs. 2 ZPO) - dinglichen - Gerichtsstandes (§ 24 ZPO); gleichwohl können gemäß §§ 512 a, 549 Abs. 2 ZPO in diesen Fällen Berufung und Revision nicht darauf gestützt werden, daß die untere Instanz ihre ausschließliche örtliche Zuständigkeit mit Unrecht angenommen habe (OGHBrZ. 1 S. 297; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 7. Aufl. S. 155). Ein sonstiger grundsätzlicher Unterschied in den beiden Verfahrensarten, der für die Beschränkung der Rechtsbehelfe von Bedeutung sein könnte, ist nicht ersichtlich. Es besteht daher kein Grund, §§ 512 a, 549 Abs. 2 ZPO im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit nicht entsprechend anzuwenden, zumal da hier das Bedürfnis, die Rechtskraft der Sachentscheidung nicht durch ausgedehnte Zuständigkeitsstreitigkeiten hinauszuziehen, ebenso besteht wie im Zivilprozeß. Zur entsprechenden Anwendbarkeit der §§ 512 a, 549 Abs. 2 ZPO im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit führt auch die Erwägung, daß eine solche Regelung eine folgerichtige Ergänzung zu § 98 SGG bedeutet: Ebenso wie ein SG. im Falle der Verneinung seiner örtlichen Zuständigkeit in unanfechtbarer Weise bestimmen kann, welches andere SG. zur Sachentscheidung berufen ist, erscheint es auch vertretbar, daß, da alle Sozialgerichte als gleichwertig anzusehen sind, ein SG. bei Bejahung seiner örtlichen Zuständigkeit durch Zwischenurteil dies ebenso unanfechtbar ausspricht.

Sind somit im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit §§ 512 a, 549 Abs. 2 ZPO entsprechend anwendbar, so konnte im vorliegenden Streitfalle schon das Urteil des SG. Nürnberg, welches über einen Anspruch auf Zahlung einer Unfallrente, also über einen vermögensrechtlichen Anspruch entschieden hatte (vgl. BGHZ. 14 S. 74), nicht mit der Begründung angefochten werden, nicht das SG. Nürnberg, sondern das SG. München sei örtlich zuständig. Dasselbe gilt für die Anfechtbarkeit des Berufungsurteils mit der Revision.

Den Streit über die Zuständigkeit der angeführten Sozialgerichte hat der Senat in Übereinstimmung mit der Revision als einen Streit über die örtliche, und nicht etwa über die sachliche oder funktionelle Zuständigkeit angesehen. Die örtliche Zuständigkeit betrifft die Verteilung der Klagen unter mehreren gleichartigen Gerichten an eines, zu dem eine räumliche Beziehung besteht. Demgegenüber regelt die sachliche Zuständigkeit die Verteilung der Klagen an die verschiedenen Arten der erstinstanzlichen Gerichte, während die funktionelle Zuständigkeit die Verteilung der verschiedenen Rechtspflegefunktionen in ein und derselben Sache an verschiedene Rechtspflegeorgane zum Gegenstand hat (vgl. Rosenberg a. a. O. S. 118, 119). Ist - wie im vorliegenden Falle - streitig, ob das SG. des Wohnsitzes (Beschäftigungsorts) zuständig oder ob der Bezirk einer Kammer eines anderen SG., also eines gleichwertigen Gerichts, wirksam auf den Bezirk jenes nach § 57 SGG als örtlich zuständig in Betracht kommenden SG. erstreckt worden ist (§ 10 Abs. 3 SGG), so liegt ein Streit über die örtliche Zuständigkeit des Gerichts vor. Der Charakter der Gleichwertigkeit der Sozialgerichte Nürnberg und München entfällt nicht dadurch, daß durch § 2 ZVO die Angelegenheiten der Versicherungsträger der Deutschen Bundesbahn beim SG. München zusammengezogen worden sind; dadurch ist das SG. München nicht insoweit zu einem Sondergericht geworden, wie dies z. B. im Verhältnis der ordentlichen Gerichte zu den Gerichten für Arbeitssachen gilt (vgl. Rosenberg a. a. O. S. 64, 65; RGZ. 158, S. 193).

Dieser Auffassung steht nicht entgegen, daß der Bundesgerichtshof (BGH.) die Frage, ob das nach § 51 Abs. 2 des Patentgesetzes vom 5. Mai 1936 (RGBl. II S. 117) für die Erledigung von Patentstreitsachen aus den Bezirken mehrerer Landgerichte bestimmte Landgericht oder die Zivilkammer eines anderen Landgerichts zuständig ist, als eine Frage der sachlichen Zuständigkeit angesehen hat (BGHZ. 14 S. 72 (75); vgl. auch BGHZ. 8 S. 16 (21), wo offen gelassen ist, ob es sich hierbei um die sachliche oder funktionelle Zuständigkeit oder um beides handelt). Bei der Zuweisung von Patentstreitsachen an bestimmte Landgerichte ist der rechtliche Ausgangspunkt nicht der gleiche wie bei der Erstreckung des Bezirks einer Kammer, welche für die Angelegenheiten der Versicherungsträger der Deutschen Bundesbahn eingerichtet ist, auf Bezirke anderer Sozialgerichte; § 51 Abs. 1 des Patentgesetzes erklärt nämlich für Patentstreitsachen die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Streitwert für - sachlich - ausschließlich zuständig. Der BGH. schließt nun aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung - Verbesserung der Rechtsprechung durch die besondere Schulung der Patentgerichte, die dadurch erreicht werden soll, daß die beteiligten Richter aus dem bei ihnen zusammenfließenden Prozeßstoff eines größeren Bezirks die wünschenswerten Sonderkenntnisse und Erfahrungen unter günstigeren Bedingungen gewinnen können -, daß nicht nur die Landgerichte als solche für Patentstreitsachen ausschließlich zuständig gemacht worden seien, sondern diese ausschließliche Zuständigkeit sich auch auf die zu Gerichten für Patentstreitsachen besonders bestimmten Landgerichte erstrecke (BGHZ. 8 S. 19). Der aus dem Zweck des § 51 Abs. 2 des Patentgesetzes hergeleitete Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit mit den besonderen Gerichten - z. B. den Arbeitsgerichten (RGZ. 158 S. 193) und den Rheinschiffahrtsgerichten (RGZ. 167 S. 305) - trifft auf die Bildung der Kammer für Angelegenheiten der Versicherungsträger der Deutschen Bundesbahn und die Erstreckung ihres Bezirks auf das Gebiet des Freistaates Bayern nicht zu. Durch § 2 ZVO ist der 14. Kammer des SG. München ein bestimmtes Rechtsgebiet nicht zur Erzielung einer fachlich besonders qualifizierten Rechtsprechung zugewiesen worden, vielmehr war hierbei die Erwägung maßgebend, daß die günstige geographische Lage des Sitzes der Beklagten zum Gerichtsort München eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung für den Versicherungsträger bedeute. Es ist also der Grundgedanke der in § 57 SGG enthaltenen Regelung der örtlichen Zuständigkeit, wonach den Versicherten und Versorgungsberechtigten die gerichtliche Verfolgung ihrer Ansprüche möglichst erleichtert werden soll (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: Februar 1959, Bd. I S. 238 f), für die Mehrzahl der Versicherten und Versorgungsberechtigten in sein Gegenteil verkehrt worden. Diese Änderung der Gerichtsstandsregelung des § 57 SGG macht deutlich, daß ein Streit über die örtliche Zuständigkeit vorliegt.

Über die verfahrensrechtlichen Folgerungen, die sich daraus ergeben, daß gegen ein lediglich die örtliche Zuständigkeit bejahendes Zwischenurteil ein Rechtsmittel unter Nichtbeachtung der §§ 512 a, 549 Abs. 2 ZPO eingelegt worden ist, gehen die Meinungen auseinander. Ausgehend von § 549 Abs. 1 ZPO, der nach allgemeiner Auffassung nicht die Statthaftigkeit, sondern das Begründetsein der Revision betrifft, zieht man teilweise - namentlich im Schrifttum - den Schluß, daß der den gleichen Wortlaut ("kann nicht darauf gestützt werden") aufweisende Abs. 2 des § 549 ebenfalls nur zur Unbegründetheit der Revision führe (so Buzengeiger , Anm. zu JW. 1925 S. 1638 Nr. 2; Stein-Jonas, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., § 512 a Anm. I Noten 5 und 7, § 549 Anm. VII; Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 25. Aufl., § 512 a Anm. 2, § 549 Anm. 6; OLG. München, ZZP. Bd. 52 S. 326). Demgegenüber hat das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung dem Wortlaut der §§ 512 a und 549 Abs. 2 ZPO keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, vielmehr aus Sinn und Zweck der Vorschriften gefolgert, daß ein Rechtsmittel gegen ein ausschließlich die örtliche Zuständigkeit bejahendes Urteil schlechthin unstatthaft sei (RGZ. 93 S. 351 f., 110 S. 56 ff., 157 S. 389 (391); RG. in JW. 1916 S. 1022 Nr. 11, 1925 S. 1638 Nr. 2; so auch OGHZ. 1 S. 296 (297)). Dieser Auffassung haben sich der BGH. und ein Teil des Schrifttums - neuerdings auch Rosenberg - angeschlossen (BGHZ. in NJW. 1953 S. 222; Rosenberg a. a. O. S. 155, 156, 703; Wieczoreck, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, § 512 a Anm. B I b, § 549 Anm. J I; Zöller, Zivilprozeßordnung, 9. Aufl., Anm. zu § 512 a). Auch der erkennende Senat ist ihr beigetreten. Die Auffassung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs läßt sich einerseits noch mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbaren und dient andererseits dem offenbaren Zweck des Gesetzes, zur beschleunigten Klärung der örtlichen Zuständigkeit beizutragen, indem dem Rechtsmittelgericht verwehrt wird, das die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit verwerfende Zwischenurteil unter irgendeinem verfahrensrechtlichen Gesichtspunkt nachzuprüfen. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grunde die positive Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit hinsichtlich ihrer Anfechtbarkeit anders behandelt werden sollte als die in einem Verweisungsbeschluß bezw. -urteil (§ 276 ZPO, § 98 SGG) liegende negative, ausdrücklich als unanfechtbar bezeichnete Entscheidung.

Die Revision der Beklagten ist daher nach § 202 SGG in Verbindung mit § 549 Abs. 2 ZPO unstatthaft. Daß das gleiche nach § 202 SGG in Verbindung mit § 512 a ZPO für die zum LSG. eingelegte Berufung gilt, gab dem Revisionsgericht nicht die Pflicht oder auch nur die Möglichkeit, dieserhalb das Berufungsurteil im Tenor zu ändern; dies verbot sich, weil bei unstatthafter Revision für eine Nachprüfung des Berufungsurteils kein Raum ist.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daß das LSG. die Revision nicht hätte zulassen dürfen; denn sein Urteil war unanfechtbar. Die somit offensichtlich entgegen dem Gesetz erfolgte Zulassung ist nach der Auffassung des Senats unwirksam. Für die Zulassung der Revision gegen ein nach § 214 Abs. 5 SGG endgültiges Urteil hat das Bundessozialgericht (BSG.) dies bereits in BSG. 1 S. 104 ausgesprochen. Ferner hat der erkennende Senat in einem Urteil vom 30. Juli 1959 - 2 RU 159/58 - die Zulassung der Revision gegen ein auf Grund der §§ 98, 153 Abs. 1 SGG ergangenes - unanfechtbares - Verweisungsurteil für unwirksam erklärt. Auch im vorliegenden Falle ist die Zulassung des Rechtsmittels unwirksam, weil sie ein nach dem Verfahrensrecht der Sozialgerichtsbarkeit nicht anfechtbares Urteil betrifft, also offensichtlich in gesetzwidriger Weise ausgesprochen worden ist (vgl. hierzu Brackmann, a. a. O., Bd. I S. 252 i, 250 t und u mit weiteren Nachweisen; ferner für die Zivilgerichtsbarkeit: BGHZ. 2 S. 396; BGH. in MDR. 1959 S. 378 = NJW. 1959 S. 725 Nr. 9; OGHZ. 1 S. 296; Rosenberg a. a. O. S. 670; Stein-Jonas a. a. O. § 546 Anm. VI 3 c; Baumbach-Lauterbach a. a. O. § 546 Anm. 4; für die Arbeitsgerichtsbarkeit: RAG. 22 S. 1; BAG. 2 S. 26 sowie 3 S. 46 (Großer Senat); Dietz-Nikisch, Arbeitsgerichtsgesetz, Kommentar 1954, § 72 Anm. 23 und 24; für die Verwaltungsgerichtsbarkeit: BVerwG. in NJW. 1954 S. 47 Nr. 25; Werner, DVBl. 1951 S. 341 (342); Ule, Gesetz über das Bundesverwaltungsgericht 1952, § 53 Anm. II 3).

Die Revision der Beklagten mußte daher als unzulässig verworfen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 233

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