Leitsatz (amtlich)

1. RVO § 368c Abs 3 genügt als Ermächtigung zur Regelung der Beschäftigung von Assistenten in der kassenärztlichen (kassenzahnärztlichen) Versorgung dem verfassungsmäßigen Erfordernis, daß Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt sind (GG Art 80 Abs 1 S 2).

2. Die auf RVO § 368c Abs 3 gestützte Sachregelung (ZO-Zahnärzte § 32) hält sich im Rahmen der erteilten Ermächtigung.

3. Die Regelung über die Beschäftigung von Assistenten in der kassenzahnärztlichen Versorgung (ZO-Zahnärzte § 32) verstößt nicht gegen das Grundgesetz (GG Art 3 Abs 1, GG Art 12, GG Art 14).

 

Normenkette

RVO § 368c Abs. 3 Fassung: 1955-08-17; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 12 Fassung: 1956-03-19, Art. 14 Fassung: 1956-03-19, Art. 80 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1949-05-23; ZO-Zahnärzte § 32 Fassung: 1957-05-28

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Februar 1961 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Der 1926 geborene Kläger ist zur Kassenpraxis zugelassener Zahnarzt in N. . Nachdem die Zulassungsordnung für Kassenzahnärzte vom 28. Mai 1957 - BGBl I 582 - (ZO-Zahnärzte) am 1. Juni 1957 in Kraft getreten war, beantragte er mit Schreiben vom 28. November 1957 bei der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) die Genehmigung zur Beschäftigung des Zahnarztes H. als Ausbildungsassistenten nach § 32 Abs. 2 Satz 1 dieser Zulassungsordnung mit der Begründung, er habe, bedingt durch die Größe seiner Praxis, seit 1948 laufend Ausbildungsassistenten beschäftigt; auch habe er im Jahre 1955 im Vertrauen auf die Möglichkeit der jederzeitigen Assistentenbeschäftigung einen Praxisneubau errichtet, den er in diesem Umfange nicht errichtet hätte, wenn man ihn rechtzeitig von der geplanten Einschränkung der Assistentenbeschäftigung unterrichtet hätte. Außerdem könne der jeweilige Ausbildungsassistent bei ihm besondere Erfahrungen in der Milchzahnbehandlung und auf dem Gebiet der Kieferorthopädie sammeln.

Die beklagte KZV genehmigte mit Bescheid vom 20. Januar 1958 die Beschäftigung dieses Assistenten bis zum 30. Juni 1958, lehnte aber die Zustimmung zu einer weiteren Assistentenbeschäftigung ab, da sie der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfanges diene und bei dieser Sachlage auch die gründliche Ausbildung des Assistenten nicht gewährleistet sei; der Kläger rechne eine weit über dem Durchschnitt liegende Scheinzahl - annähernd dreimal so viel wie die Kollegen mit vergleichbarer Praxis - ab; auf die früheren Verhältnisse könne keine Rücksicht genommen werden, da die ZO-Zahnärzte keine Besitzstandswahrung vorsähe. Den Widerspruch des Klägers wies der Vorstand nach Anhörung der Vertreterversammlung durch Bescheid vom 16. April 1958 zurück.

Die Klage, die neben der Aufhebung der Bescheide der beklagten KZV ursprünglich die Verurteilung der Beklagten zur Genehmigung der Beschäftigung des Ausbildungsassistenten H. erstrebte, wies das Sozialgericht (SG) Reutlingen durch Urteil vom 15. Juli 1959 als unbegründet ab.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag,

das Urteil und die Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Genehmigung zur Beschäftigung eines Ausbildungsassistenten, hilfsweise eines sonstigen Assistenten zu erteilen.

Der Kläger ist der Auffassung, daß die Bestimmungen über die Beschäftigung von Assistenten in der Kassenpraxis verfassungswidrig sind. Das gelte schon für die Ermächtigungsnorm des § 368 c Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO), die mangels der erforderlichen Klarheit und Bestimmtheit dem Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) widerspreche, ferner auch für die in der ZO-Zahnärzte ausgesprochenen Beschränkungen, die Grundrechte (Art. 2, 12 und 14 GG) verletzten. Auch werde der Begriff der "übergroßen Praxis" von der beklagten KZV und dem SG durch die alleinige Heranziehung von Durchschnittszahlen zu schematisch umgrenzt. Da die Bestimmung des § 32 Abs. 3 ZO-Zahnärzte dem Schutz der Patienten dienen solle, liege eine übergroße Praxis nur vor, wenn eine ordnungsgemäße Versorgung der Patienten nicht mehr gewährleistet sei. Das habe das SG für die Praxis des Klägers einfach unterstellt, die in dieser Richtung erforderlichen Erhebungen aber nicht getroffen. Die Maßnahmen der Beklagten liefen daher auf eine unzulässige Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit hinaus. Auf jeden Fall müsse ihm, dem Kläger, aber, da sein Gesundheitszustand angegriffen sei, was eine Bescheinigung des Gesundheitsamtes vom 23. September 1959 beweise, die Beschäftigung eines Entlastungsassistenten nach § 32 Abs. 2 Satz 2 ZO-Zahnärzte zugestanden werden.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 16. Februar 1961). Nach Auffassung des LSG genügt § 368 c Abs. 3 RVO als Ermächtigungsnorm dem Erfordernis des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, daß Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt sind. Die hierauf gestützte Sachregelung (§ 32 ZO-Zahnärzte) habe sich im Rahmen der Ermächtigung gehalten. Sie verstoße auch nicht gegen Grundrechtsverbürgungen (Art. 2, 12, und 14 GG).

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt mit dem Antrag,

das angefochtene Urteil sowie das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der beklagten KZV aufzuheben und diese zu verpflichten, die Beschäftigung eines Ausbildungsassistenten, hilfsweise: eines sonstigen Assistenten, ganz hilfsweise: des Zahnarztes H. zu genehmigen,

hilfsweise (für den Fall der Ablehnung des Verpflichtungsantrags):

festzustellen, daß der Kläger für die Beschäftigung eines Ausbildungsassistenten, hilfsweise eines sonstigen Assistenten einer Genehmigung der beklagten KZV nicht bedarf.

Als Begründung hat er vorgetragen:

Zur freien Entfaltung der Persönlichkeit gehöre, daß eine einmal erworbene eigentumsähnliche Position, wie sie die Kassenpraxis darstelle, geschützt werde, außer wenn zwingende öffentlich-rechtliche Gründe dazu führten, sie zu zerstören. Anderenfalls sei die Zerschlagung eines derartigen Eigentums eine verfassungswidrige Enteignung. Als Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG müßten Vorschriften angesehen werden, die den Assistenten den Zugang zu den tüchtigsten Zahnärzten versperrten, von denen sie am meisten lernen könnten. - Es sei fehlerhaft, die Frage, ob eine übergroße Praxis vorliege, anhand eines Zahlenvergleichs (nach dem "arithmetischen Mittel") zu prüfen. Andere Zahnärzte im Kreise Calw, die ebenfalls Assistenten beschäftigten, erreichten immerhin auch über 500 RVO-Behandlungsfälle im Vierteljahr (beim Kläger regelmäßig über 900). Es sei nicht einzusehen, warum erst eine Praxis vom Umfang des Klägers als übergroß angesehen werde. - Der Durchschnittswert der erarbeiteten Leistungen je Behandlungsfall liege beim Kläger bei 15 DM, während der Durchschnitt für alle zugelassenen Zahnärzte im Bezirk der beklagten KZV bei etwa 16,50 DM liege. Die Krankenkassen führen demnach beim Kläger nicht schlecht. Auch gehe hieraus hervor, daß der Kläger nicht zur Polypragmasie neige. Der Kläger sei ein gesundheitlich stark mitgenommener Mann, der nicht in der Lage sein dürfte, unbegrenzt lange mit voller Kraft tätig zu sein. Er müsse demnach das, wofür sich andere eine verhältnismäßig längere Zeit nehmen könnten, in kürzerer Zeit vollbringen. - Einem Zahnarzt als Angehörigem eines freien Berufs dürfe es nicht verwehrt werden, seine Arbeitskraft durch Rationalisierungsmaßnahmen bis zur Grenze des Möglichen auszuweiten. Dabei sei aber die Beschäftigung eines Assistenten unerläßlich. Nicht selten - insbesondere bei der Kieferchirurgie - werde ein Eingriff zweckmäßigerweise unter Assistenten durchgeführt. In solchen Fällen sei es für den Patienten beruhigend zu wissen, daß beim Ausfall des behandelnden Zahnarztes der fachkundige Assistent eingreifen könne.

Die beklagte KZV hat Zurückweisung der Revision beantragt.

II.

Die Revision ist nicht begründet.

Die vom Kläger in erster Linie erhobene Verpflichtungsklage, die beklagte KZV allgemein zur Genehmigung der Beschäftigung eines Assistenten zu verurteilen, ist unzulässig. Die Genehmigung zur Beschäftigung eines Ausbildungsassistenten (§ 32 Abs. 2 Satz 1 ZO-Zahnärzte) oder eines Entlastungsassistenten "aus Gründen der Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung" (§ 32 Abs. 2 Satz 2 ZO-Zahnärzte) kann nicht allgemein erteilt werden. Eine solche Beschäftigung kann nur im Hinblick auf die jeweils beim Kassenzahnarzt vorliegenden Verhältnisse und für einen bestimmten Assistenten genehmigt werden. Bei Entlastungsassistenten muß überdies - unter Berücksichtigung des konkreten Entlastungsbedürfnisses - die Dauer der Beschäftigung befristet werden (§ 32 Abs. 2 Satz 3 RVO). Auch muß geprüft werden, ob in der Person des Assistenten etwa Gründe vorliegen, die bei einem Kassenzahnarzt zur Entziehung der Zulassung führen können (§ 32 Abs. 2 Satz 4 RVO). Aus diesen Gründen ist es ausgeschlossen, daß die KZV verpflichtet werden könnte, eine generelle Genehmigung zur Beschäftigung eines Ausbildungs- oder Entlastungsassistenten zu erteilen. Hinzu kommt, daß zu diesem Antrag des Klägers kein ablehnender Verwaltungsakt der beklagten KZV und demgemäß kein Vorverfahren vorliegen. Die beklagte KZV hat - durch Verwaltungsakt und Widerspruchsbescheid - nur über den Antrag auf Genehmigung der Beschäftigung des Zahnarztes H. als Assistenten entschieden.

Die hilfsweise erhobene Klage auf Verpflichtung der beklagten KZV, die Beschäftigung des Zahnarztes H. als Assistenten zu genehmigen, ist zulässig. Sie ist jedoch wie die Klage auf Aufhebung des angefochtenen Ablehnungsbescheides der beklagten KZV in der Gestalt des Widerspruchsbescheids unbegründet.

Die Grundlage für die Regelung der Beschäftigung von Assistenten durch Kassenzahnärzte findet sich in § 32 Abs. 2 bis 4 ZO-Zahnärzte. Diese Vorschrift beruht auf § 368 c Abs. 3 RVO. Mit Recht hat das LSG die Auffassung des Klägers zurückgewiesen, die Ermächtigung in § 368 c Abs. 3 RVO (i. V. m. § 368 Abs. 1 Satz 4 RVO) zur Regelung der Beschäftigung von Assistenten durch Kassenzahnärzte in der Zulassungsordnung sei mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar. Die Ermächtigungsnorm genügt dem in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 SGG aufgestellten Erfordernis, daß Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt sind; davon ist der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung vom 21. November 1958 (BSG 8, 256, 260) ausgegangen. Ausdrücklich enthält zwar § 368 c Abs. 3 RVO zur näheren Bestimmung des Rahmens der Sachregelung nur eine Verweisung auf die "Grundsätze der Ausübung eines freien Berufs". Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ist jedoch nicht so zu verstehen, daß Zweck, Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung allein daran zu messen sind, was im Text des Gesetzes ausdrücklich bestimmt ist. Auch eine Ermächtigungsvorschrift ist vielmehr wie jede andere Norm unter Zuhilfenahme der allgemeinen Auslegungsgrundsätze, insbesondere unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs der Norm mit anderen Vorschriften und des Ziels, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, auszulegen (BVerfG 8, 274, 307; vgl. auch die in dieser Entscheidung in Bezug genommenen Entscheidungen in BVerfG 7, 267, 272 und 7, 282, 291).

Hiernach muß der Leitgedanke des gesamten Zulassungsrechts, nämlich die Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung, als immanenter Bestandteil der Ermächtigungsnorm des § 368 c Abs. 3 RVO angesehen werden, auch ohne besonderen Ausdruck in ihr gefunden zu haben. Damit ist aber in Verein mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Grundsätze der Ausübung eines freien Berufs die in der ZO-Zahnärzte zu treffende Regelung so klar umgrenzt, daß § 368 c Abs. 3 RVO als hinreichend bestimmt i. S. des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen ist.

Diese Grenzen der Ermächtigungsnorm sind in der hierauf gestützten Regelung der ZO-Zahnärzte (§ 32) vom Verordnungsgeber beachtet worden. Wie der erkennende Senat in BSG 8, 256, 260 näher dargelegt hat, gehört zum Wesen des freien Berufs, daß er im allgemeinen persönlich ausgeübt wird. Der Verweisung auf die Grundsätze der Ausübung eines freien Berufs in § 368 c Abs. 3 RVO trägt § 32 Abs. 1 Satz 1 ZO-Zahnärzte Rechnung: Hiernach hat der Kassenzahnarzt seine Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben. Dieser Grundsatz verträgt nur in beschränktem Umfange Ausnahmen, die durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sein müssen. Als solche läßt § 32 Abs. 2 Satz 2 bis 4 ZO-Zahnärzte nur die Ausbildung des kassenzahnärztlichen Nachwuchses und vorübergehende Bedürfnisse des Kassenzahnarztes nach Entlastung gelten. In allen Fällen aber gilt für die Beschäftigung von Assistenten die Schranke, daß sie - im Interesse einer guten kassenzahnärztlichen Versorgung - nicht der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dienen darf (§ 32 Abs. 3 ZO-Zahnärzte).

Hiernach ist mit dem LSG zunächst festzustellen, daß das Erfordernis der persönlichen Berufsausübung in § 32 ZO-Zahnärzte in schärferer Form als in der für die Tätigkeit in der Privatpraxis geltenden Berufsordnung zur Durchführung gelangt ist.

Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 der Berufsordnung der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg vom 16. Februar 1956 bedarf in der zahnärztlichen Privatpraxis nur die Beschäftigung von mehr als einem Assistenten der Zustimmung der Bezirksärztekammer. Die Beschäftigung eines einzigen Assistenten in der Privatpraxis unterliegt somit keinen Beschränkungen, insbesondere auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs. Es bestehen demnach verschiedene Maßstäbe für die Beschäftigung von Assistenten in der Privatpraxis und in der Kassenpraxis.

Diese Verschiedenheit der Maßstäbe ist jedoch nicht unbegründet, weil bei der Kassenpraxis im Gegensatz zur Privatpraxis nicht nur die Grundsätze der Ausübung des freien Berufs, sondern auch die Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung zu berücksichtigen sind. Nur die Verknüpfung beider Gesichtspunkte gibt den Rahmen für die besondere Regelung der Beschäftigung von Assistenten in der Kassenpraxis. Was in der Privatpraxis noch tragbar sein kann, braucht daher in der Kassenpraxis nicht mehr hingenommen zu werden, wenn die Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung eine strengere Handhabung rechtfertigt. Dabei muß in Kauf genommen werden, daß der Gesetz- und Verordnungsgeber von dem Gesamtbild ausgehen darf, das sich aus den vorliegenden Erfahrungen ergibt, und eine nur auf Einhaltung der großen Linie bedachte, vereinfachende Sachregelung trifft, die nicht jeder Besonderheit des Einzelfalls Rechnung trägt (vgl. BVerfG 11, 245, 254; 13, 21, 29).

Regelmäßig aber muß in einer übergroßen Kassenpraxis eine Gefahr für die Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung gesehen werden. Bei einer solchen Kassenpraxis, die im allgemeinen ein Vielfaches der Privatpraxis des Zahnarztes ausmacht, ist zu befürchten, daß der zur Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs beschäftigte Assistent sich mehr oder weniger selbst überlassen ist und der zur persönlichen Ausübung der kassenzahnärztlichen Tätigkeit verpflichtete Praxisinhaber auch nicht mehr beim Ausbildungsassistenten anleitend und im übrigen allgemein überwachend tätig wird (vgl. § 32 Abs. 4 ZO-Zahnärzte). Auch ist bei einer in der gleichen Praxis nebeneinander durchgeführten Behandlung von Kassenpatienten und Privatpatienten die Gefahr nicht völlig von der Hand zu weisen, daß die persönliche Behandlung durch den Praxisinhaber selbst mehr den Privatpatienten als den Versicherten zugute kommt. Jedenfalls läßt sich die engere Regelung der Beschäftigung von Assistenten in § 32 ZO-Zahnärzte auf den für diese Sachregelung geltenden besonderen Gesichtspunkt der Ermächtigungsnorm (§ 368 c Abs. 3 RVO) zurückführen, daß die kassenzahnärztliche Versorgung sicherzustellen ist.

Damit ist aber auch dargetan, daß die unterschiedliche Gestaltung der Voraussetzungen für die Beschäftigung von Assistenten in der Privatpraxis und in der Kassenpraxis nicht den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt. Der besondere nur für die Kassenpraxis geltende Gesichtspunkt, daß die kassenzahnärztliche Versorgung sicherzustellen ist, rechtfertigt die gegenüber dem Berufsordnungsrecht schärfere Bestimmung, daß die Beschäftigung eines Assistenten nicht der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dienen darf. Auch hierin zeigt sich, daß die kassenzahnärztliche Betätigung an strengere Voraussetzungen als die in der Privatpraxis gebunden ist: Während z. B. für die Ausübung der Zahnheilkunde die Bestallung genügt, die ihrerseits nur das erfolgreiche Bestehen der zahnärztlichen Prüfung voraussetzt (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde vom 31. März 1952 - BGBl I, 221) ist nach § 3 Abs. 2 Buchst. b i. V. m. Abs. 3 und 4 ZO-Zahnärzte für die Zulassung als Kassenzahnarzt eine mindestens zweijährige Vorbereitungszeit erforderlich (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Regelung der Vorbereitungszeit für Kassenärzte Bayer. LSG im Urteil vom 29. November 1962 in ÄM 1963, 1044). Zwar ist nicht auszuschließen, daß die auf Eindämmung übergroßer Kassenpraxen zielenden Maßnahmen - in diesem Zusammenhang ist auch auf § 368 f. Abs. 1 letzter Satz RVO hinzuweisen - von dem Gedanken mitbestimmt sind, den anderen Kassenärzten einen angemessenen Anteil an der Gesamtvergütung zu sichern. Ob solche mehr die Versorgung der Kassenzahnärzte als der Kassenpatienten anstrebenden Zielsetzungen einer dirigistischen Einkommenslenkung vor dem mit der Ausübung des freien Berufs untrennbar verbundenen Grundsatz des freien Wettbewerbs bestehen könnten, bedarf hier keiner Erörterung. Jedenfalls trägt schon der das gesamte Kassenarztrecht durch ziehende Leitgedanke, daß eine gute kassenzahnärztliche Versorgung der Patienten sichergestellt sein muß, die gegenüber dem Berufsordnungsrecht strengere Gestaltung der Voraussetzungen für die Beschäftigung von Assistenten in der Kassenpraxis.

Auch ein Verstoß gegen das Grundrecht der freien Berufswahl (Art. 12 GG) liegt nicht vor. Mit dem LSG ist davon auszugehen, daß die Regelung der Beschäftigung von Assistenten in § 32 ZO-Zahnärzte nicht die Berufswahl hindert, sondern nur die Berufsausübung betrifft. Die Revision hat zwar geltend gemacht, den jungen Zahnärzten, die noch nicht voll ausgebildet seien, werde durch die Schranke des § 32 Abs. 3 ZO-Zahnärzte der Zugang gerade zu den tüchtigsten Zahnärzten versperrt, von denen sie am meisten lernen könnten; diese Beschränkung berühre somit das in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG verbürgte Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Diese Auffassung ist jedoch unrichtig. Schon die allgemeine Gleichsetzung von wirtschaftlichem Erfolg mit ärztlicher Tüchtigkeit und weiterhin mit besonderer Eignung für die Ausbildung junger Ärzte ist nach der Lebenserfahrung nicht begründet. Auf jeden Fall ist aber die Einschränkung, die sich für den jungen Zahnarzt daraus ergibt, daß er nicht zur Aufrechterhaltung der übergroßen Praxis eines Kassenzahnarztes beitragen darf, angesichts der verschwindend kleinen Zahl der hiervon betroffenen Kassenpraxen so unbedeutend, daß von einer ernsthaften Behinderung der Wahl des Berufs oder der Ausbildungsstätte nicht die Rede sein kann. Dabei ist in Rechnung zu stellen, daß der Begriff "des übergroßen Praxisumfangs" nicht zu eng ausgelegt werden darf, weil genügend Kassenpraxen zur Ableistung des Vorbereitungsdienstes (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 ZO-Zahnärzte) zur Verfügung stehen müssen, andererseits die Beschäftigung von Assistenten regelmäßig nur finanziell leistungskräftigen Zahnärzten mit entsprechend großer Praxis möglich ist. Somit ist § 32 Abs. 3 ZO-Zahnärzte im wesentlichen als eine Regelung der Berufsausübung der Kassenzahnärzte i. S. d. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zu werten, die die Freiheit der Berufswahl nicht beeinträchtigt.

Als Regelung der Berufsausübung ist sie bereits zulässig, wenn vernünftige Gründe des Gemeinwohls dafür bestehen; Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit sind ausreichend, wenn die Regelung für die Betroffenen zumutbar und nicht übermäßig belastend ist (BVerfG in BVerfG 7, 377, 406; 11, 30, 42; Beschl. vom 23. Juli 1963 Abschn. IV 3 in "Die Sozialgerichtsbarkeit" 1963, Sonderheft v. 21. September 1963, S. 22 = ÄM 1963, 1703). An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Beschränkung der Beschäftigung von Assistenten nach § 32 Abs. 3 ZO-Zahnärzte als gerechtfertigt. Die Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung ist nicht nur ein vernünftiger, sondern für das einschlägige Rechtsgebiet überragender Grund des Gemeinwohls. Wenn unter diesem Gesichtspunkt - und nicht nur als ein dem freien Beruf eigentümlicher Wesenszug - die Pflicht zur persönlichen Ausübung der kassenzahnärztlichen Tätigkeit besonders betont wird (§ 32 Abs. 1 Satz 1 ZO-Zahnärzte), worauf neuerlich auch das BVerfG (in seinem Beschl. vom 23.7.1963 aaO Abschn. IV 5) mit Recht hingewiesen hat, so müssen solche Ausgestaltungen der Kassenpraxis als bedenklich angesehen werden, bei denen ein persönliches Tätigwerden des Kassenzahnarztes in dem auch bei Beschäftigung eines Assistenten noch erforderlichen Umfang nicht mehr gewährleistet ist. Deshalb ist die Beschränkung, daß die Beschäftigung eines Assistenten nicht der Aufrechterhaltung einer übergroßen Kassenpraxis dienen darf, nach Abwägung der privaten und öffentlichen Interessen als eine für die betroffenen Zahnärzte zumutbare Regelung ihrer Berufsausübung anzusehen, die Art. 12 GG nicht verletzt.

Mit Recht hat das LSG schließlich § 368 c Abs. 3 RVO als vereinbar mit der Eigentumsverbürgung des Art. 14 GG erachtet. Wie der erkennende Senat in BSG 5, 40, 45 näher dargelegt hat, ist bei dem durch die Zulassung und die hierauf gestützte eigene Leistung des zugelassenen Zahnarztes begründeten Rechtsstand, der Eigentumsschutz nach Art. 14 GG genießt, der Schutzbereich der Individualsphäre wesentlich durch den die Zulassungsregelung in erster Linie bestimmenden Zweck - die zahnärztliche Versorgung der Versicherten - begrenzt. Der Kassenzahnarzt muß daher grundsätzlich als Konkretisierung der Eigentumsbindung i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG solche Einschränkungen in der Ausübung seiner kassenzahnärztlichen Tätigkeit hinnehmen, die im Interesse einer sachgemäßen zahnärztlichen Versorgung der Versicherten geboten sind. Diese "ausgeprägte Sozialpflichtigkeit" des kassenzahnärztlichen Rechtsstandes läßt auch eine Neufestsetzung der Rechte und Pflichten der Kassenzahnärzte durch den Gesetzgeber zu, die in dem einen oder anderen Punkt eine Schlechterstellung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand zur Folge haben (vgl. BSG 15, 71, 74 f), sofern nur das verbürgte Grundrecht nicht in seinem Wesensgehalt angetastet wird (Art. 19 Abs. 2 GG). Insofern genießt der Kassenzahnarzt keinen Schutz seines Vertrauens auf den unveränderten Fortbestand seiner Rechtsstellung. Deshalb ist es unerheblich, ob sich der Kläger, wie er vorträgt, auf eine unbeschränkte Beschäftigung eines Assistenten - insbesondere durch Errichtung eines Neubaus für seine Kassenpraxis - eingerichtet hat.

Zusammenfassend ist demnach festzustellen, daß § 32 Abs. 3 ZO-Zahnärzte gültig ist; davon ist offenbar auch das BVerfG im Zusammenhang mit der Hervorhebung der Pflicht des Kassenarztes zur persönlichen Ausübung der kassenärztlichen Tätigkeit ausgegangen (Beschl. v. 23.7.1963 aaO Abschn. IV 5).

Hiernach ist dem Kläger zu Recht die Genehmigung zur Beschäftigung des Zahnarztes H. als Assistenten versagt worden. Die Praxis des Klägers ist übergroß, auch wenn man im Hinblick auf das bereits dargelegte Erfordernis, daß zur Ausbildung von Assistenten eine ausreichende Zahl finanziell leistungsfähiger Zahnärzte mit entsprechend großer Kassenpraxis zur Verfügung steht, die "Übergröße" auf seltene Grenzfälle beschränkt. Der Maßstab hierfür kann nach der Rechtsprechung des Senats (BSG 8, 256, 264) nur durch einen Vergleich mit Kassenpraxen anderer Zahnärzte gefunden werden, die nach den örtlichen und regionalen Gegebenheiten mit der des Klägers vergleichbar sind. Hiernach hat der Senat - in dem oben angeführten Fall - bereits eine Kassenpraxis, die etwa zweieinhalbmal so groß wie der Durchschnitt vergleichbarer Kassenärzte war, als "übergroß" angesehen. Die Kassenpraxis des Klägers ist etwa dreimal so groß wie im Durchschnitt die Kassenpraxen der Kassenzahnärzte seines Bezirks; er liegt in weitem Abstand vor der Spitzengruppe der - nach dem Kläger - bestverdienenden Kassenzahnärzte. Auch steht nach den Feststellungen des LSG außer Zweifel, daß die Beschäftigung des Assistenten H. der Aufrechterhaltung des übergroßen Praxisumfangs zu dienen bestimmt war. Daß es hierbei unerheblich ist, ob die Beschäftigung des Assistenten zur Ausbildung (§ 32 Abs. 2 Satz 1 ZO-Zahnärzte) oder "aus Gründen der Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung" (§ 32 Abs. 2 Satz 2 ZO-Zahnärzte) erfolgt, weil die Beschränkung des § 32 Abs. 3 ZO-Zahnärzte unterschiedslos gilt, hat bereits das LSG zutreffend dargelegt.

Demnach hat das LSG zu Recht das klageabweisende Urteil des SG bestätigt. Die Revision ist in vollem Umfange als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 52

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