Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung von Verwaltungsakten. Vollmacht eines Korrespondentreeders. Parteibezeichnung. Arbeitnehmerüberlassung. Territorialitätsprinzip. Flaggenprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Seeschiff von einer Partenreederei (§ 489 Abs 1 HGB) betrieben, so trifft diese als Arbeitgeber/Reeder die Pflicht, die Beiträge zu allen Zweigen der See-Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung für die auf dem Schiff beschäftigten versicherten Seeleute einzuzahlen.

2. Enthält der Beitragsbescheid der See-Berufsgenossenschaft (Einzugsstelle) die Bezeichnung des Seeschiffes, auf dem der Versicherte beschäftigt ist, dann ist in der Regel anzunehmen, daß er an den Reeder (bei mehreren Anteilseignern an die Partenreederei) des betreffenden Schiffes gerichtet ist.

 

Orientierungssatz

1. Auch Verwaltungsakte sind unter Anwendung der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen auszulegen (vergleiche BSG vom 1960-01-28 3 RJ 211/56 = BSGE 11, 248 und vom 1962-06-20 1 RA 66/59 = BSGE 17, 124). Hiernach ist maßgebend, wie der Empfänger und davon betroffene Dritte die Erklärung nach den Umständen des Einzelfalles bei verständiger Würdigung zu deuten hatten.

2. Die Vollmacht eines Korrespondentreeders erstreckt sich auch auf die Bemannung des Schiffes, so daß die hieraus entstehenden Verpflichtungen Dritten gegenüber die Reederei treffen (§ 494 HGB).

3. Für die Parteibezeichnung ist grundsätzlich die größtmögliche Klarheit zu fordern; das Bestreben nach Klarheit darf aber nicht zu einer der konkreten Sachlage nicht angemessenen Förmelei geraten.

4. Die Vorschriften des AÜG gelten auch für Ausländer sowie für Gesellschaften und juristische Personen, die entweder nicht nach deutschem Recht gegründet sind oder die weder ihren satzungsmäßigen Sitz noch ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, wenn sie Arbeitnehmer in das Inland hinein überlassen (vgl Art 1 § 3 Abs 2 AÜG). Nach dem Territorialitätsprinzip erfaßt die Erlaubnispflicht die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung im Inland. Aus diesem Grund benötigen auch ausländische Verleiher eine Erlaubnis, sofern sie sich auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich West-Berlin) mit der gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern befassen wollen.

5. Einer besonderen Bestimmung, daß auf den die Bundesflagge führenden Schiffen wegen der Einbeziehung in das Territorium des Heimatlandes auch das AÜG gilt, bedarf es nicht (vergleiche BSG vom 1973-11-29 8/2 RU 158/72 = BSGE 36, 276, 278).

 

Normenkette

RVO § 490 Abs 2 Fassung: 1927-12-16, §§ 881, 886 Fassung: 1963-04-30, § 891a Fassung: 1972-10-16; AVG § 118 Abs 1 S 1 Fassung: 1957-02-23; HGB § 494; BGB § 133; AÜG Art 1 § 3 Abs 2 Fassung: 1972-08-07, § 9 Fassung: 1972-08-07, § 10 Fassung: 1972-08-07

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Entscheidung vom 02.12.1981; Aktenzeichen III UBf 25/80)

SG Hamburg (Entscheidung vom 01.09.1980; Aktenzeichen 25 U 541/77)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 5) - ein britischer Staatsangehöriger - während der Zeit vom 19. Mai 1974 bis 5. Juli 1974, in der er als Seeoffizier auf dem die deutsche Bundesflagge führenden Seeschiff "A S " zur See gefahren ist, der deutschen Sozialversicherungspflicht unterlag und ob deshalb die Klägerinnen für ihn Beiträge zur Kranken-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung sowie zur Seemannskasse nachentrichten müssen.

Das Seeschiff "A S " gehörte einer nur aus deutschen Reedern bestehenden Partenreederei. Der Anteil der Klägerin zu 1) betrug 30 vH. Für dieses Schiff war sie zugleich Korrespondentreeder (§ 493 des Handelsgesetzbuches -HGB-).

Die Verwendung des Beigeladenen zu 5) auf der "A S " erfolgte auf der Grundlage eines zwischen der Klägerin zu 1) und der zyprischen Firma S - Beigeladene zu 6) - nach zyprischem Recht geschlossenen "Crew Hiring Contract".

Mit Bescheid vom 5. Mai 1975 forderte die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 77.361,82 DM (darunter auch die auf den Beigeladenen zu 5) entfallenden) nach. Der Bescheid enthielt eine namentliche Auflistung der versicherungs- und beitragspflichtigen Seeleute, jeweils unter Angabe des Schiffes (oder der Schiffe), auf denen sie in der entscheidungserheblichen Zeit tätig waren. Er war an die Klägerin zu 1) adressiert. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 17. Oktober 1975; Urteil des Sozialgerichts -SG- Hamburg vom 1. September 1980). Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat (ebenso wie schon das SG) den Bescheid als gegen die Klägerin zu 1) gerichtet angesehen und die Klage als Klage der Klägerin zu 1) in Person ausgelegt. Es hat durch Teilurteil vom 2. Dezember 1981 bezüglich des Beigeladenen zu 5) das Urteil des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 1975 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 1975 dahin geändert, daß Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung von der Klägerin zu 1) nur nach dem Verhältnis ihres Anteils an dem Schiff "A S " erhoben werden dürfen. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen, soweit sie den Beigeladenen zu 5) betrifft. Das LSG hat die neben der Beklagten als Inhaber von Beitragsansprüchen in Betracht kommenden übrigen Träger der Seesozialversicherung sowie die nach § 3 des "Crew Hiring Contract" als Arbeitgeber bezeichnete zyprische Firma und den britischen Seeoffizier H gemäß § 75 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigeladen. In der Sache hat es den Beigeladenen zu 5) als Mitglied der Besatzung eines damals deutschen Seeschiffes als versicherungspflichtig angesehen. Die Voraussetzungen für eine Versicherungsfreiheit nach § 168 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und § 4 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) in den bis 30. Juni 1977 geltenden Fassungen (Nebenbeschäftigung) oder nach den Regeln der Einstrahlungslehre hat das LSG verneint. In der Überlassung des Beigeladenen zu 5) durch die Beigeladene zu 6) hat es ein gemäß Art 1 § 9 Nr 1 des Arbeitnehmer-Überlassungsgesetzes (AÜG) mangels Erlaubnis nichtiges Leiharbeitsverhältnis erblickt, das gemäß Art 1 § 10 Abs 1 AÜG die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin zu 1) und dem Beigeladenen zu 5) bewirkt habe. Die Beitragspflicht der Klägerin zu 1) zur See-Krankenversicherung ergebe sich aus § 488 Abs 2 RVO, der die Verpflichtung des Reeders zum Aufbringen der Hälfte des Beitrages des Besatzungsmitglieds eines deutschen Seeschiffes festlege; ihre Beitragspflicht zur Angestelltenversicherung folge aus § 118 Abs 1 AVG. Daß sie nur Mitreeder mit einem Anteil von 30 vH an der "A S " gewesen sei, stehe der Geltendmachung des vollen Beitrages nicht entgegen, weil Mitreeder nur in der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Verhältnis ihrer Anteile am Schiff für die Beiträge hafteten, in den übrigen Zweigen der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung dagegen die Beiträge ohne Rücksicht auf die Beteiligung an der Partenreederei schuldeten. In der See-Unfallversicherung gelte die Partenreederei als Unternehmer und damit auch als Beitragsschuldner gemäß § 852 Abs 2 RVO. Die Klägerin zu 1) hafte aber gemäß § 886 Abs 1 Satz 2 RVO nach dem Verhältnis ihrer Anteile am Schiff.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision wendet sich die Klägerin zu 1) weiterhin gegen die Verurteilung zur Beitragsleistung für den Beigeladenen zu 5). Sie rügt eine Verletzung des Rechtsgrundsatzes der Einstrahlung. Die Beschäftigung des Beigeladenen zu 5) auf dem von ihr bereederten Schiff und damit die "Entsendung" im Sinne der Einstrahlung sei von vornherein auf sechs Monate begrenzt worden. Auch seien die Vorschriften des AÜG zu Unrecht auf die ausländische Verleihfirma angewendet worden. Art 1 § 1 AÜG könne jedenfalls für die Beschäftigung an Bord eines Schiffes keine Geltung haben, da inländische Rechtsvorschriften nur dann auch auf Seeschiffen wirksam seien, wenn dies ausdrücklich im Gesetz bestimmt sei. Aber selbst bei Bejahung der Erlaubnispflicht für die Überlassung des Beigeladenen zu 5) hätte Art 1 § 9 Nr 1 AÜG nicht angewendet werden dürfen, da die Rechtmäßigkeit des Arbeitsvertrages zwischen der Firma H und dem Beigeladenen zu 5) allein nach zyprischem Recht zu beurteilen sei. In dem fraglichen Zeitraum habe die Firma zudem auch keine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung betrieben. Da sie - die Klägerin zu 1) - als Entleiherin nicht Arbeitgeberin des Beigeladenen zu 5) gewesen sei, habe das LSG ihre Verpflichtung zur Entrichtung der vollen Beiträge zu Unrecht angenommen. Bezüglich der Krankenversicherung ergebe sich nach § 488 Abs 2 RVO zwar bezüglich des Arbeitgeberanteils eine Zahlungsverpflichtung als Mitreederin der Partenreederei MS A S " nur im Umfange ihrer Beteiligung am Schiff von 30 vH. Daraus lasse sich aber weder eine formelle Einzahlungsverpflichtung noch eine materielle Haftungspflicht bezüglich des vollen Beitrags herleiten.

Die Klägerin zu 1) beantragt,

das Teilurteil des LSG vom 2. Dezember 1981 aufzuheben sowie das Urteil des SG vom 1. September 1980 und den Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 1975 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 1975 aufzuheben, soweit von ihr Sozialversicherungs- beiträge bezüglich des Beigeladenen zu 5) gefordert werden.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1) bis 4) beantragen,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte hat ihrerseits Revision gegen das Teilurteil des LSG eingelegt, soweit bezüglich des Beigeladenen zu 5) Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung nur nach dem Verhältnis des Anteils der Klägerin zu 1) am Motorschiff "A S " erhoben werden dürfen.

Sie beantragt,

das Teilurteil des LSG insoweit aufzuheben, als eine Änderung des Urteils des SG und des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 1975 vorgenommen wird.

Die Klägerin zu 1) beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die im Revisionsverfahren nicht vertretenen Beigeladenen zu 5) und 6) haben sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen der Klägerin zu 1) und der Beklagten führen zur Aufhebung des angefochtenen Teilurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG.

Das Urteil war aufzuheben, weil das LSG seiner Entscheidung Überlegungen zugrunde gelegt hat, die einen anderen Streitgegenstand betreffen. Zu entscheiden war nicht über einen Bescheid, der die Klägerin zu 1) als (mithaftende) Person in Anspruch nimmt. Der Bescheid richtete sich vielmehr - soweit hier entscheidungserheblich - gegen die Partenreederei AS als zur Beitragseinzahlung verpflichteten Reeder.

Der streitbefangene Bescheid war allerdings an die Klägerin zu 1) adressiert. Das allein qualifiziert ihn aber noch nicht als Bescheid gegen sie in Person. Es bedarf noch der Prüfung, wie er nach seinem übrigen Inhalt zu verstehen ist. Auch Verwaltungsakte sind unter Anwendung der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen auszulegen (vgl BSGE 11, 248; 17, 124). Hiernach ist maßgebend, wie der Empfänger und davon betroffene Dritte die Erklärung nach den Umständen des Einzelfalles bei verständiger Würdigung zu deuten hatten (vgl Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG Komm, 2. Aufl 1983, § 35 RdNrn 52, 53 mwN).

Der Text des Bescheides läßt erkennen, daß die Beklagte nicht einen Mithaftenden in Anspruch nehmen wollte und auch nicht einen Parteneigner in bezug auf seinen Anteil, sondern den als Unternehmer und Arbeitgeber zur Beitragsabführung verpflichteten Reeder.

Unternehmer iS von § 881 iVm §§ 740 ff RVO (Seeunfallversicherung) und iS von § 891a iVm der Satzung der Seemannskasse (Überbrückungsgeldversicherung) ist die Partenreederei. § 886 RVO regelt die Haftung, nicht hingegen die primäre Beitragszahlungspflicht. Arbeitgeber - auch im Sinne der Vorschriften über die Sozialversicherung - ist grundsätzlich ebenfalls der Reeder, hier also die Partenreederei (oder in Fällen des § 136 des Seemannsgesetzes -SeemG- mehrere Partenreedereien). Der Reeder ist unter den Voraussetzungen des Art 1 §§ 9/10 AÜG auch Arbeitgeber der entliehenen Seeleute. Als Arbeitgeber hat der Reeder nach § 490 Abs 2 RVO iVm der Satzung der Seekrankenkasse die Beiträge zur Krankenversicherung einzubehalten und abzuführen. Für die Rentenversicherung gelten die allgemeinen Vorschriften (§ 118 AVG). Für die Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit ist der Reeder zahlungspflichtig nach § 176 AFG.

Aus diesen Gründen durfte das LSG den Bescheid nicht teilweise mit der Begründung bestätigen, daß die Klägerin zu 1) für die auf ihren Part entfallenden Unfallversicherungsbeiträge hafte. Dies war nicht Bescheidinhalt.

Obwohl der Bescheid an die Klägerin zu 1) adressiert war, also nicht an den Reeder der MS A S , war er dennoch der Reederei gegenüber wirksam. Die Klägerin zu 1) hatte in bezug auf dieses Schiff die Stellung eines Korrespondentreeders, war also Bevollmächtigte der Partenreederei (§ 493 HGB). Als solche konnte sie zwar nicht in eigenem Namen für die Partenreederei in Anspruch genommen werden. Das ist aber auch nicht geschehen. Bei der Auslegung des Beitragsbescheides ist zu berücksichtigen, daß im Seehandelsrecht wie überhaupt im rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Reedereien nicht stets die Reederei unter Angabe der einzelnen beteiligten Reeder benannt werden muß. Es genügt, wenn aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ersichtlich ist, daß die Reederei gemeint ist. Regelmäßig reicht dazu die Bezugnahme auf das Schiff (Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland/Seehandelsrecht, 4. Aufl 1978, Rz 1 zu § 494 HGB; zur Geltendmachung von Forderungen gegenüber der Reederei s auch aa0 § 489 Anm 15 und 21). Der Beitragsbescheid enthält neben der Bezeichnung der Beschäftigten den Namen des jeweiligen Schiffes, auf dem die als versicherungspflichtig angesehenen Seeoffiziere beschäftigt waren. Aus dieser namentlichen Bezugnahme in dem angefochtenen Bescheid auf die verschiedenen von der Klägerin zu 1) bereederten Schiffe ergibt sich bei verständiger Würdigung unter Einbeziehung des oben dargelegten materiellen Inhalts, daß die Beklagte die jeweilige Reederei in Anspruch genommen hat und die Adressierung an die Klägerin zu 1) in bezug auf die Rechtsstellung erfolgte, die sie im Verhältnis zu dem genannten Schiff bzw der durch den Schiffsnamen repräsentierten Reederei hat. Eine solche Auslegung wird auch den Anforderungen an einen reibungslosen Rechtsverkehr und dem Gebot der Verwaltungsvereinfachung gerecht. Damit ist zwar nicht gesagt, daß es nicht unter Umständen im Interesse der Rechtsklarheit zu begrüßen wäre, daß die Beklagte deutlicher zum Ausdruck bringt, wen sie in Anspruch nehmen will. Bei sehr differenzierten Rechtsverhältnissen (s zB gerade bei Bescheiden, die sich auf verschiedene Schiffe mit unterschiedlichen Rechtsverhältnissen beziehen) kann aber durchaus auch einmal eine vereinfachende Formulierung gewählt werden. Soweit die Beklagte im Falle des Beigeladenen H  die Klägerin zu 1) unter Nennung des Schiffes in Anspruch genommen hat, wirkt dies also für die angesprochene Reederei, weil die Klägerin zu 1) Korrespondentreeder dieser Reederei war und in dieser Eigenschaft mit unmittelbarer Wirkung für die vertretene Partenreederei angegangen werden kann, und zwar auch bzgl arbeits- und sozialrechtlicher Ansprüche. Die Vollmacht eines Korrespondentreeders erstreckt sich nämlich auch auf die Bemannung des Schiffes (Schaps/Abraham aa0 Rz 13 zu § 493 HGB mwN), so daß die hieraus entstehenden Verpflichtungen Dritten gegenüber die Reederei treffen (§ 494 HGB).

An dieser Auslegung des Bescheides war der Senat nicht durch die Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des LSG gehindert. Ebenso wie bei der Auslegung von Willenserklärungen ist auch bei der Auslegung von Bescheiden zwischen der Wertung tatsächlicher Umstände, die für die Auslegung von Bedeutung sind, und der rechtlichen Wertung des Erklärungsinhalts zu unterscheiden (vgl BSG SozVers 81, 52; BSGE 43, 37, 39; BSG SozR 1500 § 163 Nr 2; BSG SozR 5070 § 10a Nr 3; May, NJW 1983, 980). Hier handelt es sich um die rechtliche Qualifikation des unbestrittenen Erklärungswortlauts. Dazu ist auch das Revisionsgericht berechtigt und verpflichtet. Da diese Prüfung ergibt, daß es sich um einen Bescheid handelt, der zwar an die Klägerin zu 1) adressiert war, sich jedoch an die Klägerin zu 2), vertreten durch die Klägerin zu 1) richtete, war die Frage, inwieweit die einzelnen Parteneigner für Beiträge haften, in diesem Verfahren nicht zu prüfen.

Nach diesen Erkenntnissen über den Inhalt des Bescheides bestimmen sich auch der Streitgegenstand und die Beteiligten im Klageverfahren: Die Klägerin zu 1) hat erkennbar nicht zur Abwehr von Mithaftungsansprüchen, sondern als in Anspruch genommener Reeder Klage erhoben. Unter den besonderen Umständen des Falles muß dies auch ohne ausdrückliche Erklärung dahin gedeutet werden, daß sie es in ihrer jeweiligen (unterschiedlichen) Rechtsstellung (Reeder, Korrespondentreeder, Vertragsreeder) in bezug auf die verschiedenen im Bescheid angesprochenen Schiffe getan hat. Daß ihr Prozeßbevollmächtigter sie dabei zunächst irrtümlich als Eigentümer und damit alleiniger Reeder bezeichnet hat, ist im Hinblick auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides unschädlich. Zwar ist grundsätzlich für die Parteibezeichnung größtmögliche Klarheit zu fordern; das Bestreben nach Klarheit darf aber nicht zu einer der konkreten Sachlage nicht angemessenen Förmelei geraten (vgl auch Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung 40. Aufl, § 253 Anm 3A). Dies gilt insbesondere, wenn - wie gegenwärtig - bei den Beteiligten offenbar noch weitgehende Unsicherheit darüber besteht, was als Bezeichnung einer Partenreederei für den Inhalt eines Bescheides und einer darauf folgenden Klage ausreicht bzw erforderlich ist. Im übrigen ist es bei Zweifeln Aufgabe des Gerichts, auf Klarstellung hinzuwirken (BGH FamRZ 80, 655).

Nach alledem ist davon auszugehen, daß die Klage von der Klägerin zu 1) zumindest auch als Vertreterin und im Namen der Partenreederei AS erhoben worden ist.

Auch das Urteil des SG betrifft den durch den Bescheid der Beklagten abgegrenzten Streitgegenstand. Es hat nicht über die Haftung der Klägerin zu 1) als Parteneigner, sondern über die Beitragszahlungspflicht des Reeders entschieden. Es hat lediglich wegen eines Irrtums über die Eigentumsverhältnisse zu Unrecht die Klägerin zu 1) als Reeder angesehen. Wie die Berufung zu deuten ist, wird das LSG im Rahmen des weiteren Verfahrens zu entscheiden haben.

Materiell-rechtlich hat das LSG zutreffend (und von der Revision ungerügt) entschieden, daß bei dem Beigeladenen zu 5) die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit nach § 168 Abs 1 RVO aF und § 4 Abs 1 AVG aF nicht vorlagen. Daß Versicherungsfreiheit auch nach den Regeln der sogenannten "Einstrahlung" nicht angenommen werden kann, hat das LSG ebenfalls zu Recht erkannt. Nach diesem erst durch § 5 des Sozialgesetzbuches - Viertes Buch - (SGB IV) gesetzlich normierten Rechtsinstitut konnten vor dem 1. Juli 1977 bei einem ausländischen Arbeitgeber beschäftigte ausländische Arbeitnehmer bei vorübergehender Dienstleistung im Inland nur unter eng begrenzten Voraussetzungen versicherungsfrei sein. Hierzu hat sich der Senat in dem am selben Tage ergangenen Urteil in dem Rechtsstreit - 12 RK 51/81 - ausführlich geäußert. Darauf wird im einzelnen verwiesen. Diese Voraussetzungen der Einstrahlung lagen für den Beigeladenen zu 5) nicht vor.

Das LSG hat ferner zutreffend ausgeführt, daß die Überlassung des Beigeladenen zu 5) zur Dienstleistung auf dem "MS A S " eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung gewesen sein kann, die gem Art 1 § 9 Nr 1 AÜG Art 1 § 10 Abs 1 AÜG die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Beigeladenen zu 5) und dem Entleiher bewirkt. Die Vorschriften des AÜG gelten auch für Ausländer sowie für Gesellschaften und juristische Personen, die entweder nicht nach deutschem Recht gegründet sind oder die weder ihren satzungsmäßigen Sitz noch ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, wenn sie Arbeitnehmer in das Inland hinein überlassen (vgl Art 1 § 3 Abs 2 AÜG). Nach dem Territorialitätsprinzip erfaßt die Erlaubnispflicht die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung im Inland. Aus diesem Grund benötigen auch ausländische Verleiher eine Erlaubnis, sofern sie sich auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich West-Berlin) mit der gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern befassen wollen (Becker/Wulfgramm, aa0 Art 1 § 1 RdNr 40; BT-Drucks VI/2303 S 10 und 12). Daß zum Territorium der Bundesrepublik Deutschland auch die unter der Bundesflagge fahrenden Schiffe als "schwimmender Gebietsteil des Heimatlandes" gehören und daß das AÜG auch für Seeschiffe gilt, hat das BSG bereits entschieden (BSGE 36, 276, 278). Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Einer besonderen Bestimmung, daß auf den die Bundesflagge führenden Schiffen wegen der Einbeziehung in das Territorium des Heimatlandes auch das AÜG gilt, bedarf es nicht.

Dennoch kann der erkennende Senat nicht abschließend entscheiden, weil noch festgestellt werden muß, ob es sich hierbei um eine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung gehandelt hat (zum Begriff s Becker/Wulfgramm, AÜG 2. Aufl, Einleitung Rz 14 ff). Das LSG wird noch ermitteln müssen, ob die von der Beigeladenen zu 6) anderen Reedern überlassenen Seeoffiziere, insbesondere auch der Beigeladene zu 5), zu dem Zweck eingestellt waren, sie entgeltlich anderen Unternehmern zeitweise zur Verfügung zu stellen. Wegen der noch erforderlichen Feststellungen muß der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden.

Die Kostenentscheidung bleibt dem das Verfahren abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659977

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