Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 06.03.1990; Aktenzeichen L 4 V 130/88)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. März 1990 wird zuzurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die klagende Krankenkasse hat für einen Wehrdienstbeschädigten im Jahre 1987 23,39 DM aufgewandt. Der Beschädigte ist nicht krankenversichert, sondern ihr gemäß § 80 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) iVm § 18b, § 18c Abs 2 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) zur Betreuung zugeteilt. Die Erstattung des Betrages, der Behandlungskosten und einen Verwaltungskostenanteil von 8 vH enthält, lehnte der Beklagte unter Hinweis auf § 110 Satz 2 des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – (SGB X) in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Beigeladenen ab. Die Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Trier vom 17. August 1988 und Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Rheinland-Pfalz vom 6. März 1990). Die Gerichte haben den Erstattungsanspruch aus Auftragsrecht und der speziellen Regelung des § 20 BVG für begründet gehalten. Eine Bagatellgrenze gebe es nicht.

Der Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er hält an seiner Rechtsauffassung fest, daß die Bagatellgrenze des § 110 Satz 2 SGB X für alle Erstattungsansprüche gelte. Er beantragt,

die angefochtenen Entscheidungen abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene schließt sich dem Revisionskläger an. Sie hält die §§ 102 ff SGB X für Begleitnormen zu den §§ 19 ff BVG, so daß sie für alle Erstattungsfragen heranzuziehen seien, die im BVG nicht ausdrücklich geregelt seien. Inzwischen sei dies durch die Neufassung des § 21 BVG durch das KOV-Strukturgesetz 1990 (vom 23. März 1990 – BGBl I 2477) klargestellt. Danach könnten die Krankenkassen zwar Erstattungen unterhalb des in § 110 Satz 2 SGB X genannten Betrages verlangen, jedoch nur dann, wenn der Gesamtbetrag des Kostennachweises die Grenze übersteige.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet.

Der Klägerin steht die Erstattung ihrer Aufwendungen nach §§ 20, 21 BVG (hier idF der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 – BGBl I 21 / 27. Juni 1987 – BGBl I 1545) zu. Diese Vorschriften regeln abschließend den Erstattungsanspruch für die Aufwendungen aus Behandlungsfällen gemäß § 18b BVG. Die Erstattungsvorschriften sind Spezialregelungen hinsichtlich des Grundes, des Umfangs und der Verwaltungskosten (§§ 24, 37 SGB I), so daß die Erstattungsregeln des SGB X nicht gelten, weil Abweichendes ausdrücklich geregelt ist; § 110 Satz 2 SGB X, auf den sich der Beklagte stützt, gilt daher nicht. Auch Beträge unter 50,– DM sind zu erstatten.

Daß es sich um Spezialvorschriften handelt, hat der Senat bereits wiederholt ausgeführt (vgl Urteil vom 14. Februar 1990 – 9a/9 RV 17/88 – BKK 1991, 182 = Leistungen 1990, 366 und Urteil vom 31. Mai 1989 – 9/9a RV 12/87 – Leistungen 1990, 296 = USK 89106; vgl zur entsprechenden Lage zwischen Kranken- und Unfallversicherungsträger BSG SozR 2200 § 1504 Nr 8). Auf diese Entscheidungen wird Bezug genommen. Bei der Erstattung der Behandlungskosten zwischen der Versorgungsverwaltung und der Krankenversicherung geht es der Art nach nicht um Erstattungsansprüche iS der §§ 102 ff SGB X. Die Krankenkassen sind weder vorläufig leistende Leistungsträger (§ 102 SGB X), noch entfällt ihre Leistungsverpflichtung nachträglich (§ 103 SGB X); die Krankenkassen sind auch weder nachrangig verpflichtet (§ 104 SGB X), noch werden sie als unzuständige Leistungsträger (§ 105 SGB X) tätig, weil ihnen diese Aufgaben über §§ 18b, 18c BVG gesetzlich zugewiesen sind. Es handelt sich um ein Auftragsverhältnis, auf das allenfalls subsidiär über § 93 SGB X die Vorschriften der §§ 88 ff SGB X entsprechend anwendbar sein könnten.

Eine abweichende Interpretation ist auch nicht deshalb geboten, weil der Gesetzgeber inzwischen § 21 BVG durch das KOV-Strukturgesetz 1990 geändert hat und nunmehr einige Vorschriften der §§ 110 ff SGB X ausdrücklich in Bezug nimmt. Denn dabei werden die Vorschriften zugleich den Besonderheiten des zwischen der Versorgungsverwaltung und der Krankenkasse bestehenden Dauerrechtsverhältnisses angepaßt. Insbesondere wird § 110 Satz 2 SGB X nicht in der Weise angewandt, wie es der Beklagte im vorliegenden Streitfall als geltendes Recht behauptet. Die Bagatellgrenze gilt auch nach neuem Recht nicht schon dann, wenn für einen Behandelten der Aufwand 50,– DM nicht erreicht. § 21 Abs 2 BVG bestimmt in der seit 1. April 1990 geltenden Fassung vielmehr, daß die Krankenkasse die Erstattung auch unterhalb des in § 110 Satz 2 SGB X genannten Betrages verlangen kann, wenn der Gesamtbetrag des Kostennachweises diesen Betrag erreicht. Im Kostennachweis werden aber vierteljährlich alle Behandlungsfälle zusammengefaßt, wobei für jeden Berechtigten ein Hauptbeleg beizufügen ist. Dies war dem Gesetzgeber ausweislich der Materialien zu der Gesetzesänderung, die sich in der Begründung zum KOV-Anpassungsgesetz 1990 befinden (vgl Drucks 11/6760 S 11), bekannt. Die als Klarstellung deklarierte Gesetzesänderung wird zwar mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die oben genannt ist, begründet (unter lit a). Es wird aber zugleich zugestanden, daß die Anwendung des § 110 Satz 2 SGB X in der Form, wie sie die Verwaltung praktizieren wollte, in der Praxis zu Schwierigkeiten geführt habe, weil die Vorschrift die Besonderheiten des regelmäßigen Abrechnungsverkehrs zwischen Krankenkassen und Versorgungsverwaltung und der damit verbundenen Reduzierung von Verwaltungsaufwand für die Abrechnung von Einzelfallkosten nicht berücksichtigt (unter lit b). Aus diesem Grund gibt die neugefaßte Vorschrift nach der Regierungsbegründung den Krankenkassen die Möglichkeit, in den Kostennachweis auch Hauptbelege unter 50,– DM einzubeziehen, deren Einzelerstattung unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verursacht hätte. In den seltenen Fällen, in denen auch der Endbetrag des Kostennachweises unter der Bagatellgrenze liegt, kann nach der Gesetzesbegründung die Krankenkasse den Betrag in einem späteren Kostennachweis geltend machen, solange keine Verjährung eintritt. Diese Begründung der Gesetzesänderung bestätigt die bisherige Argumentation des Senats, der den Ausschluß des SGB X stets mit der Besonderheit des laufenden Auftragsverhältnisses und der dauernden Abrechnung zwischen zwei Sozialleistungsträgern begründet hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175083

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