Leitsatz (amtlich)

Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse (BVG § 62 Abs 1) liegt nur vor, wenn sich das durch Einflüsse des Wehrdienstes hervorgerufene Leiden verschlimmert oder verbessert, nicht aber, wenn in dem davon unabhängigen Zustand des Betroffenen eine Änderung eintritt. Deshalb rechtfertigt bei Verlust eines Auges im Wehrdienst die spätere, davon unabhängige Erblindung des anderen Auges keine erhöhte Bewertung der Erwerbsminderung.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die seelischen Begleiterscheinungen, die für die Festsetzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit von Bedeutung sein können, dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als sie wehrdienstbedingt sind.

 

Normenkette

BVG § 62 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. Dezember 1959 und des Sozialgerichts Köln vom 16. Juli 1956 wie folgt abgeändert:

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Der Kläger bezog wegen Verlustes des rechten Auges und wegen anderer Erkrankungen als Folgen des ersten Weltkrieges Kriegsopferrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H. Im Januar 1954 erkrankte er an einer Netzhautablösung des linken Auges, durch die er nunmehr praktisch blind ist. Er beantragte deshalb Erhöhung der Rente. Der Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, es bestehe kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Netzhautablösung links und dem Verlust des rechten Auges. Mit seiner Klage begehrte der Kläger Rente nach einer MdE um 100 v. H. sowie Pflegezulage. Das Sozialgericht (SG) verurteilte den Beklagten, für die anerkannten Leiden eine Rente nach einer MdE um 70 v. H. zu zahlen, und wies im übrigen die Klage ab; es ließ die Berufung zu. Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung des Beklagten zurück: Die Netzhautablösung im linken Auge hänge zwar mit dem anerkannten Verlust des rechten Auges nicht zusammen. Es sei aber eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) eingetreten, weil dieser Spätschaden von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung der Höhe der MdE sei, die sich aus dem Verlust des rechten Auges ergebe. In der Erblindung des linken Auges sei eine Verschärfung der Folgen der Erblindung des ersten Auges zu sehen, da durch den Verlust des rechten Auges nunmehr an Stelle einer bloßen Erwerbsbeschränkung weitgehende Hilflosigkeit eingetreten sei. Überdies träfen jetzt die seelischen Begleiterscheinungen den Kläger erheblich schwerer als vorher. Das LSG ließ die Revision zu.

Der Beklagte legte gegen das am 27. April 1960 zugestellte Urteil am 17. Mai 1960 Revision ein und begründete sie am 19. Juli 1960, nachdem ihm die Begründungsfrist verlängert worden war.

Er trägt vor, eine Erhöhung der Rente für die anerkannten Gesundheitsstörungen könne im Rahmen des § 62 BVG nur dann erfolgen, wenn tatsächlich eine Änderung bei den anerkannten Leiden vorliege; dies sei hier nicht der Fall, da der Augenschaden links mit dem Verlust des rechten Auges in keinem Zusammenhang stehe. Auch unter dem Gesichtspunkt der Berücksichtigung seelischer Begleiterscheinungen könne keine Höherbewertung erfolgen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung der Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 9. Dezember 1959 und des SG Köln vom 16. Juli 1956 die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die durch die Zulassung statthafte, auch form- und fristgerecht eingelegte Revision ist begründet, weil ein Anspruch auf Erhöhung der Rente wegen der Netzhautablösung am linken Auge nicht besteht.

Nach § 62 Abs. 1 BVG werden die Versorgungsbezüge neu festgestellt, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eintritt. Das LSG hat festgestellt, daß die Netzhautablösung am linken Auge medizinisch nicht mit dem durch die Wehrdienstbeschädigung entstandenen Verlust des rechten Auges im Zusammenhang steht. Gegen diese Feststellung sind kei ne Angriffe erhoben worden, so daß der Senat nach § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) daran gebunden ist. Eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des Versorgungsrechts ist durch den nicht wehrdienstbedingten Verlust der Sehfähigkeit auf dem linken Auge nicht eingetreten.

Schon das Reichsversicherungsamt (RVA) hatte in seiner Grundsätzlichen Entscheidung Nr. 1955 vom 28. Juni 1902 (AN 1902, 560) in einem gleichgelagerten Fall aus der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeführt, das vom Unfall unabhängige Fortschreiten einer Krankheit an dem nicht von dem Unfall betroffenen anderen Auge könne nicht als eine wesentliche Änderung der bei der Rentenfeststellung maßgebend gewesenen Verhältnisse angesehen werden. Wenn es sich darum handele, ob wegen einer Änderung der Verhältnisse und wegen der dadurch bedingten Erhöhung der MdE die einmal festgestellte Rente zu erhöhen sei so könne dies nur dann geschehen, wenn auch die Steigerung der Erwerbsunfähigkeit durch den Unfall herbeigeführt sei. Dies sei sie nur dann, wenn auch der Eintritt der Veränderung selbst noch als eine Folge des Unfalls erscheine. Trete dagegen die Veränderung unabhängig von dem Unfall durch ein mit diesem nicht im Zusammenhang stehendes selbständiges Ereignis ein, so sei die dadurch etwa bedingte Steigerung der Erwerbsunfähigkeit nicht mehr durch den Unfall herbeigeführt, sondern sie sei eine Folge dieses anderen Ereignisses und daher ohne Einfluß auf den auf den Unfall gegründeten Entschädigungsanspruch des Verletzten. Denn für die Bemessung der Beschädigung gebe lediglich der zur Zeit des Unfalls bestehende Zustand des Verletzten den ein für allemal feststehenden Vergleichspunkt mit dem durch den Unfall geschaffenen Zustand ab. Diese Erwägungen träfen auch bei Augenverletzungen zu. Der Gedanke, daß durch die Verletzung auch nur eines Auges infolge eines Unfalls das Sehvermögen in seiner Totalität betroffen werde, treffe grundsätzlich auch für Verletzungen anderer Körperteile zu.

In einer weiteren Grundsätzlichen Entscheidung - Nr. 2268 - (AN 1908, 571) hat das RVA die vorgenannte Entscheidung bestätigt und noch weiter ausgeführt, der menschliche Körper stelle in allen seinen Teilen ein einheitliches Ganzes dar, das bei Verletzungen auch nur eines Teiles mehr oder minder in seiner Gesamtheit betroffen werde. Nicht nur bei Augenverletzungen, sondern auch bei anderen Verletzungen trete diese Wirkung ein. Die entgegengesetzte Ansicht würde der Berufsgenossenschaft die Verpflichtung auferlegen, jede Altersveränderung des erhalten gebliebenen Sehorgans zu entschädigen.

Der Große Senat des Reichsversorgungsgerichts (RVG) hat sich für das Gebiet der Kriegsopferversorgung in einem Urteil vom 5. Februar 1926 (RVG 6, 28) dem RVA angeschlossen: Eine wesentliche Veränderung der für die Festsetzung einer Rente maßgebend gewesenen Verhältnisse könne nur dann anerkannt werden, wenn die Veränderung in dem durch den Unfall herbeigeführten Zustand eintrete und auf den Unfall ursächlich zurückzuführen sei; in Ermangelung dieser Voraussetzungen bestehe ein Anspruch des Verletzten auf Rentenerhöhung dann nicht, wenn nach einem Unfall, der zum Verlust der Sehkraft eines Auges geführt habe, das durch den Unfall nicht betroffene Auge auf Grund von Umständen erblinde, die mit dem früheren Unfall nicht in ursächlichem Zusammenhang stehen. Die Zuerkennung der vollen Rente und Pflegezulage in dem Fall, daß nach bereits vorhandener Erblindung eines Auges das andere infolge einer Dienstbeschädigung die Sehkraft verliere, beruhe auf der Tatsache, daß hier ein ursächlicher Zusammenhang unmittelbar zwischen der in der Erblindung des zuletzt verletzten Auges liegenden Dienstbeschädigung und dem völligen Erblinden bestehe. Anders verhalte es sich aber, wenn erst nach dem zur völligen Erblindung nicht führenden, als Wehrdienstbeschädigung anzusehenden Verlust der Sehkraft eines Auges unabhängig davon das andere Auge erblinde; hier sei ein ursächlicher Zusammenhang nicht mehr gegeben. Ein solcher lasse sich auch nicht mit der Erwägung begründen, daß die völlige Erblindung nicht eingetreten wäre, wenn nicht vorher das andere Auge infolge der Dienstbeschädigung erblindet gewesen wäre. Das notwendige Band des ursächlichen Zusammenhangs mit der Dienstbeschädigung oder dem Unfall sei gelöst, wenn durch andere Ursache wie z. B. Körperbeschaffenheit (auch Alter), neue Beschädigungen oder Unfälle, die völlige Erblindung oder die weitere Beeinträchtigung des Sehvermögens herbeigeführt werde. Wenn die abweichende Rechtsauffassung anführe, daß beide Augen eines Menschen zusammen sein Sehvermögen ausmachten und daß daher bei der Beurteilung des Einflusses der Dienstbeschädigung auf das Sehvermögen stets der Zustand des nicht beschädigten Auges als der wesentlichste Umstand für die Bemessung des Einflusses der Dienstbeschädigung auf die Erwerbsfähigkeit und jede Veränderung der Sehkraft des nicht beschädigten Auges zu berücksichtigen sei, so könne diese Auffassung nicht gebilligt werden, weil der ganze menschliche Körper, insbesondere alle korrespondierenden Teile, wie Ohren, Beine und Arme, als ein einheitlich Zusammenhängendes erscheine, das bei Verletzung auch nur eines Teiles in seiner Totalität betroffen werde. Eine Ausnahmebehandlung der Augen lasse sich nicht rechtfertigen.

Diese in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze hält der erkennende Senat trotz der in letzter Zeit gegen sie erhobenen Bedenken auch heute noch für zutreffend. In der Kriegsopferversorgung wie auch in der gesetzlichen Unfallversicherung werden nur solche Schäden berücksichtigt, die durch Einflüsse des Wehrdienstes bzw. durch einen Arbeitsunfall entstanden oder verschlimmert sind. Es muß also zwischen diesen Einflüssen und der Gesundheitsschädigung ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Als Ursachen sind nur diejenigen Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Haben mehrere Bedingungen mitgewirkt, so können sie nur dann nebeneinander Mitursachen sein, wenn sie etwa gleichwertige Ursachen gewesen sind. Kommt dagegen dem einen der Umstände gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, so ist dieser Umstand die wesentliche Bedingung und damit allein Ursache im Sinne des Rechts der Kriegsopferversorgung. Im Einzelfall muß die Entscheidung darüber, welche Bedingung im Rechtssinn als Ursache oder Mitursache zu gelten hat und welche nicht, aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (BSG 1, 72, 76).

Unter Beachtung dieser Rechtsprechung sind bei dem Kläger nur aus dem Ausfall des rechten, nicht aber aus dem des linken Auges Folgerungen für die Kriegsopferrente zu ziehen. Man darf nicht, wie es Roemer (KOV 1961, 29) tut, einen ursächlichen Zusammenhang in der Form annehmen, daß der Verlust des einen Auges schon von vornherein den Eintritt des weiteren Schadens, die spätere Erblindung, in sich trage; R. meint, sofern der von vornherein vorgezeichnete, wenn auch nur bedingt durch weitere Schädigung des verbliebenen Auges projizierte Verlauf durch das reale Geschehen, nämlich den Verlust des zweiten Auges, bestätigt werde, sei die Zuordnung des Schadensersatzes in vollem Umfang mit einer durch die Erblindung eingetretenen Veränderung der Verhältnisse geboten. Ebensowenig kann sich der Senat der Auffassung Wilkes (KOV 1961, 73) anschließen, wonach bei Verlust des zweiten Auges der Verlust des ersten eine erhebliche Bedeutung für den Eintritt der Blindheit gewinne, so daß die Schädigung eine gleichwertige, zum mindesten aber annähernd gleichwertige Bedingung für den Eintritt der Erblindung darstelle. Denn der Verlust eines Auges, wie auch jede sonstige Schädigung des Körpers, enthält nicht schon irgendwie die Grundlage für den Verlust des anderen Auges oder für eine andere Körperschädigung; der Eintritt der Blindheit ist nicht schon durch den Verlust des einen Auges in seiner Grundlage geschaffen. Vielmehr muß, damit Blindheit eintritt, erst ein neues völlig ungewisses Ereignis (Erkrankung, Unfall) hinzukommen. Dieses neue Ereignis ist nicht mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten, sondern so ungewiß, daß man bei natürlicher Betrachtungsweise die Erblindung nicht noch als eine Folge des ersten Augenverlustes ansehen kann. Zur Erblindung führt erst das neue Ereignis; dieses ist also allein ursächlich. Der Erfolg, der durch den wehrdienstbedingten Verlust des rechten Auges eingetreten war, die Schädigungsfolge, für die eine Rente gezahlt wird, kann nicht mehr durch Ereignisse berührt werden, die später ohne ursächlichen Zusammenhang eingetreten sind; die Erblindung infolge Verlustes der Sehkraft auch auf dem linken Auge liegt nicht mehr im Rahmen der versorgungsrechtlich erheblichen Ursachenreihe.

Man kann den vorliegenden Fall einer nachträglichen Erblindung auch nicht dem umgekehrten gleichstellen, in dem der Betroffene durch Wehrdiensteinflüsse ein Auge verliert, nachdem er schon vorher die Sehfähigkeit des anderen Auges eingebüßt hatte. Diese Fälle unterscheiden sich wesentlich voneinander. Im zweiten ist die Erblindung eine unmittelbare Folge des Wehrdienstes. Durch die Vorschriften des BVG und die nach ihm gewährten Renten soll ausgeglichen werden, was sich gegenüber dem Zustand geändert hat, bevor die Wehrdienstbeschädigung erlitten wurde. Es sollen die durch Einflüsse des Wehrdienstes hervorgerufenen Gesundheitsschädigungen einschließlich später etwa noch eintretender Verschlimmerungen entschädigt werden. Deshalb wird bei Bemessung der Entschädigung darauf abgestellt, welche Ausfälle der Versehrte durch die Schädigung erlitten hat. Es ist somit gerechtfertigt, bei jemandem, der bei Eintritt der Schädigung schon die Sehkraft auf einem Auge verloren hatte, die MdE bei Verlust der Sehfähigkeit des anderen Auges höher festzusetzen, weil er durch die Schädigung nunmehr blind geworden ist. In diesem Sinne bestimmt § 31 Abs. 4 BVG, daß Blinde stets die Rente eines Erwerbsunfähigen erhalten; hierbei braucht die Blindheit nicht die alleinige Folge der Schädigung zu sein, es genügt vielmehr, wenn sie erst durch die Schädigung eingetreten ist, wie die Verwaltungsvorschriften zu § 31 BVG idF vom 3.9.1958 zutreffend annahmen.

Wenn Fischer (KOV 1960, 120) darlegt, beide Augen seien das Sehvermögen, deshalb sei nicht nur das eine Auge, sondern auch die Veränderung der Sehkraft des anderen Auges zu berücksichtigen, die MdE dürfe nie isoliert für den Verlust oder die Schädigung eines Körperteils bewertet werden, so ist dem entgegenzuhalten, daß bei Schädigung der Augen die Höhe der Erwerbsminderung nicht nach anderen Grundsätzen festgesetzt werden darf als bei Schädigung anderer Körperteile, wie schon das RVA und das RVG in den genannten Entscheidungen begründet haben. Es trifft den Fall auch nicht wenn Fischer sagt, eine Änderung der Verhältnisse brauche nicht immer auf einer Änderung des Gesundheitszustandes zu beruhen, sondern könne auch in anderen Umständen liegen. Denn dies gilt nicht allgemein, sondern nur dann, wenn auch andere Umstände für die Leistung wesentlich sind, z. B. das Einkommen bei der Ausgleichsrente, die ja von den Einkommensverhältnissen abhängt (§ 33 BVG), so daß eine Änderung der Einkommensverhältnisse dort auch eine wesentliche Änderung im Sinne des § 62 BVG sein kann. Bei einer Änderung des Gesundheitszustandes ist dagegen darauf abzustellen, ob diese Änderung das durch den Wehrdienst hervorgerufene Leiden betrifft oder nicht.

Mit Recht sind deshalb Hofmann (KOV 1961, 49) und Goetz (KOV 1961, 126) der Auffassung, daß eine vom Wehrdienst unabhängig eintretende Gesundheitsschädigung keine wesentliche Bedingung mehr für den neuen Gesamtzustand des Verletzten setze. Es fehlt also bei dem späteren Verlust des linken Auges und der dadurch hervorgerufenen Erblindung des Klägers an dem ursächlichen Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis. Auch aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. August 1960 (BSG 13, 40) läßt sich nichts zu Gunsten des Klägers entnehmen. Hier ist bezüglich der Pflegezulage ausgeführt, es komme für ihre Gewährung allein darauf an, ob die Schädigungsfolge die wesentliche Bedingung oder eine der wesentlichen Bedingungen für den Eintritt der Hilflosigkeit und damit alleinige Ursache oder Mitursache der Hilflosigkeit sei; nicht entscheidend sei, ob die Schädigungsfolge zeitlich die letzte, die Hilflosigkeit auslösende Ursache sei. Dieses Urteil wendet also nur die allgemeine im Versorgungsrecht geltende Kausalitätsnorm an. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch gerade an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verlust des rechten Auges und der Erblindung des Klägers.

Unter diesen Umständen liegt keine Änderung der Verhältnisse vor, wie sie § 62 Abs. 1 BVG für die Neufeststellung der Grundrente verlangt. Wie bereits in BSG 6, 87 ausgeführt, kommt eine Neufeststellung nach § 62 nur in Frage, wenn sich die wehrdienstbedingten Schädigungsfolgen verschlimmert oder gebessert haben, nicht dagegen, wenn in dem Gesundheitszustand unabhängig von der Schädigung eine Änderung eintritt. Für § 62 BVG sind nur die relevanten Verhältnisse von Bedeutung, d. h. die für die Feststellung der MdE maßgebenden Verhältnisse. Jede davon unabhängig eintretende Änderung des Gesundheitszustandes ist unbeachtlich. Demgemäß erhält z. B. jemand, der wegen Verlustes eines Unterschenkels durch Wehrdiensteinflüsse Rente bezieht, diese Rente auch dann weiter, wenn er hinterher durch einen Unfall, der mit dem Wehrdienst nichts zu tun hat, das betreffende Bein ganz verliert, obwohl sich dann sagen ließe, die Gesundheitsschädigung durch den Wehrdienst sei nunmehr nicht mehr vorhanden (ebenso Wilke, KOV 1961, 73). Wollte man alle nachträglich eintretenden Veränderungen im Gesundheitszustand, die nicht wehrdienstbedingt sind, bei der Bewertung der MdE mit berücksichtigen, so würde dies dazu führen, daß nicht nur spätere Unfälle und Krankheiten, sondern auch Altersbeschwerden zu einer Rentenerhöhung führen müßten, weil sich vielfach mit zunehmendem Alter ein Schaden stärker auswirkt als in jungen Jahren. Dies kann aber nicht Sinn des von dem Gesetz gewollten Ausgleichs sein. Vielmehr muß, wenn der spätere Unfall ein Arbeitsunfall ist, der zuständige Versicherungsträger eintreten, für Ansprüche aus unerlaubter Handlung oder dergleichen der Schuldige. Aber auch wenn keine anderweitigen Ansprüche gegeben sind, wäre es mangels Kausalzusammenhangs nicht gerechtfertigt, die Versorgung damit zu belasten.

Wenn das LSG schließlich ausführt, die seelischen Begleiterscheinungen des Verlustes des rechten Auges seien nunmehr erheblicher, nachdem auch die Sehfähigkeit des linken Auges weggefallen sei, so verkennt es, daß die seelischen Begleiterscheinungen, die für die Festsetzung der MdE von Bedeutung sein können, ebenfalls nur insoweit berücksichtigt werden dürfen, als sie wehrdienstbedingt sind. An dem notwendigen ursächlichen Zusammenhang fehlt es aber auch in dieser Beziehung.

Da nach allem der nachfolgende Verlust der Sehkraft des linken Auges bei dem Kläger keine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 BVG darstellt, die eine Erhöhung der Rente rechtfertigen würde, müssen die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage in vollem Umfange abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 99

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