Leitsatz (amtlich)

1. ArVNG Art 2 § 52 gilt auch für diejenigen ehemals selbständigen Vertriebenen, die schon vor der Vertreibung zeitweilig versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sind.

2. Nach ArVNG Art 2 § 52 Abs 1 können Beiträge für die Zeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres auch noch nach Vollendung des 65. Lebensjahres und auch für Zeiten nach der Vertreibung nachentrichtet werden.

3. Wird die Wartezeit durch Beiträge erfüllt, die gemäß ArVNG Art 2 § 52 Abs 1 wirksam nachentrichtet sind, so ist die Rente erst vom Beginn des Monats der Nachentrichtung an zu gewähren (Anschluß an BSG 1964-07-07 1 RA 253/61 = BSGE 21, 193).

 

Normenkette

ArVNG Art. 2 § 52 Abs. 1 Fassung: 1965-06-09, Abs. 2 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1248 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, Abs. 4 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 13. November 1963 unter teilweiser Zurückweisung der Berufung der Beklagten und das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 16. Juli 1962 unter teilweiser Abweisung der Klage dahin abgeändert, daß die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 14. Januar 1960 verurteilt wird, dem Kläger vom 1. Juli 1962 an ein Altersruhegeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob, wenn der Kläger die Wartezeit von 180 Kalendermonaten für das Altersruhegeld nicht erfüllt hat (§ 1248 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung - RVO -), diese Wartezeit nach Art. 2 § 52 Abs. 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) als erfüllt gilt.

Der am 30. Juni 1894 geborene Kläger floh im April 1953 aus der sowjetischen Besatzungszone und erhielt den Ausweis C für Sowjetzonenflüchtlinge.

Vor seiner Flucht war der Kläger - nach einer Lehrzeit vom 30. Juni 1910 bis zum 30. September 1911 - von 1913 bis 1915 versicherungspflichtig beschäftigt; vom 12. Juni 1915 bis 28. November 1918 war er Soldat und von 1919 bis 1953 - mit Unterbrechung im Jahre 1945 - als selbständiger Landwirt in der sowjetischen Besatzungszone tätig, wobei er - ohne Einschluß von Familienmitgliedern - mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigte. Während dieser Zeit selbständiger Erwerbstätigkeit entrichtete er keine Sozialversicherungsbeiträge.

Nach seiner Flucht in die Bundesrepublik war der Kläger zunächst 10 Monate lang arbeitslos. Am 8. Februar 1954 nahm er eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Abgesehen davon, daß der Kläger im Mai 1954 nicht versichert und in den 6 Monaten von August 1957 bis Januar 1958 sowie im Juni 1959 weder versicherungspflichtig beschäftigt noch arbeitslos gemeldet war, war er in der Zeit vom 8. Februar 1954 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres am 30. Juni 1959, unterbrochen durch Zeiten, in denen er krank oder arbeitslos war, versicherungspflichtig beschäftigt.

Den Antrag des Klägers, ihm das Altersruhegeld zu gewähren, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 14. Januar 1960 ab, weil die Wartezeit von 180 Kalendermonaten nicht erfüllt sei. Art. 2 § 52 ArVNG hielt sie nicht für anwendbar, weil der Kläger bereits vor Vollendung des 50. Lebensjahres versicherungspflichtig tätig gewesen sei.

Während des erstinstanzlichen Verfahrens erklärte die Beklagte, der Kläger erfülle die Voraussetzungen für die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG, nicht aber diejenigen des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG, weil die Zeit von der Vollendung des 50. bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nicht voll mit Versicherungs- und Ausfallzeiten belegt sei.

Am 16. Juli 1962 leistete der Kläger 10 freiwillige Monatsbeiträge für die seit der Flucht bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres noch offenstehenden Zeiten.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger mit Wirkung vom 1. Juni 1959 ein Altersruhegeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren (Urteil vom 16. Juli 1962).

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 13. November 1963).

Die Beklagte hat Revision eingelegt, mit der sie Verletzung des Art. 2 § 52 ArVNG und der §§ 1248 Abs. 1 RVO, 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO rügt: Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG setze voraus, daß im Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres die gesamte Zeit seit der Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung voll mit Versicherungs- und Ausfallzeiten belegt sei. Eine Nachentrichtung freiwilliger Beiträge sei vor Vollendung des 65. Lebensjahres zum Zwecke der Vollbelegung im Sinne des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG nur nach § 1418 RVO und nur unter den Voraussetzungen des § 1233 Abs. 1 Satz 1 RVO möglich, die der Kläger jedoch nicht erfüllt habe. Für eine Nachentrichtung nach Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG aber sei im Rahmen des Abs. 2 dieser Vorschrift kein Raum. Die systemwidrige Sonderbestimmung des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG, die durch Anrechnung einer fiktiven Versicherungszeit den Begünstigten entgegen dem Grundsatz der beitragsgerechten Rente zu Lasten der Versichertengemeinschaft Rechtsvorteile einräume, dürfe nicht ausdehnend dahin ausgelegt werden, daß die Vollbelegung mit Versicherungs- und Ausfallzeiten noch im Wege der Beitragsnachentrichtung nach Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG erreichbar sei. Eine solche Nachentrichtung nach Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG sei nur für Zeiten zwischen dem 1. Januar 1924 und der Vertreibung zulässig. Sie eröffne daher einem Versicherten i.S. des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG, der die Zeit seit Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung bis zum 65. Lebensjahr nicht voll belegt habe, lediglich die Möglichkeit, die Wartezeit des § 1248 Abs. 4 RVO zu erfüllen und dadurch einen Anspruch auf Altersruhegeld zu erwerben. Könnte er nach Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG sowohl für Zeiten vor der Vertreibung als auch zum Zwecke der Vollbelegung für die Zeit danach Beiträge nachentrichten, so müßten bei der Berechnung des Altersruhegeldes außer der fiktiven Versicherungszeit des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG von 180 Kalendermonaten auch noch die für beitragslose Zeiten vom 1. Januar 1924 bis zur Vertreibung entrichteten Beiträge berücksichtigt werden. Ein derartiges Ergebnis sei aber vom Gesetzgeber nicht gewollt, da die Wartezeitfiktion nur den Sinn haben könne, dem Personenkreis des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG - unter Anrechnung von insgesamt 180 Versicherungsmonaten - überhaupt einen Anspruch auf Altersruhegeld zu verschaffen. Bei enger Auslegung lasse sich im übrigen die Auffassung vertreten, daß Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG nur für Personen gelte, die - anders als der Kläger - in der gesamten Zeit vor der Vertreibung als Selbständige erwerbstätig gewesen seien. Wer auf Grund einer früheren Pflichtversicherung berechtigt gewesen sei, durch Entrichtung freiwilliger Beiträge die Anwartschaft aufrechtzuerhalten, bedürfe nicht der Rechtsvorteile des Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Altersruhegeld seien jedenfalls erst Ende Juli 1962 erfüllt gewesen, da die am 16. Juli 1962 geleisteten freiwilligen Beiträge erst im Zeitpunkt ihrer Entrichtung hätten Rechtswirkungen entfalten können. Gemäß § 1290 Abs. 1 Satz 2 RVO sei das Altersruhegeld daher erst vom 1. August 1962 an zu gewähren. Dem vom LSG angezogenen Urteil des BSG (18, 212) zu § 1418 RVO könne nicht gefolgt werden. Im vorliegenden Fall dürfe nicht anders entschieden werden, als wenn der 180. Beitrag im Juli 1962 für diesen Monat entrichtet worden wäre.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Urteile des Landessozialgerichts Bremen vom 13. November 1963 und des Sozialgerichts Bremen vom 16. Juli 1962 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 1960 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II

Die Revision ist insoweit begründet, als das LSG, indem es die Berufung gegen das Urteil des SG zurückgewiesen hat, dem Kläger Altersruhegeld auch für die Zeit vom 1. Juni 1959 bis zum 30. Juni 1962 zuerkannt hat. Im übrigen ist sie unbegründet.

Die Vorinstanzen haben dem Kläger zu Recht Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs. 1 und 4 RVO iVm Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG zuerkannt. Nach § 1248 Abs. 1 RVO erhält Altersruhegeld der Versicherte, der das 65. Lebensjahr vollendet hat, wenn die Wartezeit erfüllt ist. Der Kläger hat das 65. Lebensjahr vollendet. Zwar hat er die Wartezeit nicht dadurch erfüllt, daß er eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten zurückgelegt hat (§ 1248 Abs. 4 RVO), jedoch auf Grund der Sondervorschrift des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG. Nach dieser Vorschrift gelten bei einem Versicherten im Sinne des Absatzes 1 des Art. 2 § 52 ArVNG, der nach Vollendung des 50. Lebensjahres eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen hat, wenn die Zeit von der Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres voll mit Versicherungs- und Ausfallzeiten belegt und die Wartezeit des § 1248 Abs. 4 RVO durch Versicherungszeiten seit der Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erfüllt ist, die fehlenden Monate als Versicherungszeit im Sinne der §§ 1249 und 1258 RVO. Versicherte im Sinne des Absatzes 1 des Art. 2 § 52 ArVNG in der Fassung, die ihm Art. 2 Satz 1 Nr. 10a des erst nach dem angefochtenen Urteil ergangenen Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 (BGBl I S. 476), aber mit Wirkung schon vom 1. Januar 1957, also auch mit Wirkung für den vorliegenden Fall, gegeben hat - sind Personen im Sinne der §§ 1 bis 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG), die vor der Vertreibung der Flucht oder der Evakuierung als Selbständige erwerbstätig waren und binnen drei Jahren nach der Vertreibung, der Flucht oder der Evakuierung oder nach Beendigung einer Ersatzzeit im Sinne des § 1251 Abs. 1 Nr. 6 RVO eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen haben oder aufnehmen.

Der Kläger ist Sowjetzonenflüchtling im Sinne des § 3 BVFG und vor seiner Flucht im April 1953 als selbständiger Landwirt erwerbstätig gewesen; er hat am 8. Februar 1954 - d.h. nach Vollendung des 50. Lebensjahres und binnen drei Jahren nach der Flucht - eine mit Beiträgen belegte versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen und durch Versicherungszeiten seit diesem Zeitpunkt die Wartezeit des § 1248 Abs. 4 RVO nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht der Revision ist Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG nicht deshalb unanwendbar, weil der Kläger bereits vor der Flucht während seiner Berufsausbildung sowie von 1913 bis 1915 versicherungspflichtig beschäftigt war und bei Vollendung des 65. Lebensjahres die Zeit seit der Aufnahme der an die Flucht anschließenden versicherungspflichtigen Beschäftigung (8. Februar 1954) noch nicht voll mit Versicherungs- und Ausfallzeiten belegt hatte.

Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift des Art. 2 § 52 ArVNG ergeben, daß sie auch für diejenigen Vertriebenen gilt, die - wie der Kläger - nicht erstmalig nach der Vertreibung eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen haben:

Dem Wortlaut nach sprechen beide Absätze dieser Vorschrift von der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, womit nach allgemeinem Sprachgebrauch die "Wiederaufnahme" einer solchen nicht ausgeschlossen wird (BSG 15, 203, 204). Irgendeine Einschränkung, etwa dahin, daß die Aufnahme eine erstmalige sein müßte, fehlt. Satz 2 des Absatzes 1, wonach die in Satz 1 bezeichneten Personen Beiträge nachentrichten können, und zwar "auch wenn eine Versicherung vor der Zeit, für die Beiträge nachentrichtet werden, nicht bestanden hat", spricht dafür, daß eine frühere Versicherungspflicht mit der Zugehörigkeit zum Personenkreis des Art. 2 § 52 ArVNG vereinbar ist. Die Bezugnahme in Abs. 2 auf "Versicherte im Sinne des Absatzes 1" regelt den persönlichen Anwendungsbereich nur insoweit anders als in Absatz 1, als dies ausdrücklich in Absatz 2 bestimmt ist. Frühere Versicherungszeiten sind für die Fiktion der Erfüllung der Wartezeit bedeutungslos, da die Wartezeit des § 1248 Abs. 4 RVO durch Versicherungszeiten seit der Aufnahme der auf die Vertreibung folgenden versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht erfüllt sein darf.

Die Auslegung aus dem Wortlaut des Art. 2 § 52 ArVNG wird durch diejenige aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift gestützt: Nach der Begründung zu § 1418 Abs. 3 des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (BT-Drucks. II 2437 vom 5. Juni 1956 S. 86), an den Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG anknüpft, sollte zwar eine Sonderregelung geschaffen werden für die "Vertriebenen, die erst nach der ... Vertreibung eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen haben ...". Dieser Gedanke hat aber nicht nur im Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG, sondern schon im damaligen Entwurf keinen entsprechenden Ausdruck gefunden und ist auch vom Ausschuß für Sozialpolitik im schriftlichen Bericht zu Art. 2 § 51 (dem späteren Art. 2 § 52 ArVNG) - BT-Drucks. II zu 3080 vom 10.1.1957 S. 25 - nicht mehr aufgegriffen worden (BSG 15, 203, 205; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band III, 6. Aufl. 1967, S. 628 p; Verbandskommentar, zur RVO, 4. u. 5. Buch 6. Aufl., Stand 1966, § 1252 Anm. 23).

Auch nach dem Sinn und Zweck des Art. 2 § 52 ArVNG ist es nicht gerechtfertigt, die dort vorgesehenen Vergünstigungen einem ehemals selbständigen Vertriebenen, Flüchtling usw. deshalb zu versagen, weil er bereits vor der Vertreibung, Flucht usw. zeitweise versicherungspflichtig beschäftigt war. Die Vorschrift des Art. 2 § 52 ArVNG, die ausschließlich auf den Kreis bestimmter besonders schutzbedürftiger Versicherter zugeschnitten ist, nimmt auch hinsichtlich ihrer näheren Ausgestaltung im Recht der Sozialversicherung eine Sonderstellung ein, die übrigens in gleicher Weise noch für die streitige Frage des Rentenbeginns zu beachten sein wird:

Die Sonderregelung des Art. 2 § 52 ArVNG will mit den Mitteln der gesetzlichen Rentenversicherung einen Ausgleich schaffen (BSG SozR ArVNG Art. 2 § 52 Nrn. 3, 6) für Schäden und Notlagen, die nicht in den herkömmlich in der Sozialversicherung versicherten Risiken, sondern in außergewöhnlichen Ereignissen und politischen Maßnahmen der Kriegs- und Nachkriegszeit begründet sind (Schneider, DRV 1962, 73; BSG 21, 193, 195.) Aus dem - dem Sozialversicherungsrecht ursprünglich fremden - Gedanken des Lastenausgleichs und der Vertriebenenfürsorge und -betreuung soll den früher selbständigen Erwerbstätigen, für die der Schutz der Sozialversicherung wegen ihrer Existenzgrundlage als Selbständiger ursprünglich entbehrlich schien, die aber durch die Vertreibung, Flucht usw. ihre selbständige Existenz und die darin begründete wirtschaftliche Sicherheit verloren haben, die Möglichkeit gegeben werden, sich nach ihrem Eintritt in den Kreis der Versicherten nachträglich im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung eine neue Alters- und Hinterbliebenenversorgung zu schaffen (BSG 15, 203, 204; 21, 193, 195 bis 197; 24, 146, 149; 24, 194, 196; BSG SozR ArVNG Art. 2 § 52 Nrn. 3, 6, 7, 10; BSG, DAngVers 1968, 67, 68; Eicher/Haase, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, 3. Aufl. 1966, Art. 2 § 52 ArVNG, Anm. 2; Koch/Hartmann/v. Altrock/Fürst, AVG, 2. Aufl. 1967, Teil V § 10 Anm. D III 1 b; Verbandskomm., aaO, § 1233 Anm. 19, § 1252 Anm. 21; Beuster, Blätter für Steuerrecht 1965, 332; Priesnitz, SozSich 1967, 9, 10; Söchting, SozVers. 1959, 62). Für das Schutz- und Sicherungsbedürfnis eines ehemals Selbständigen, dem die Vorschrift des Art. 2 § 52 ArVNG ja Rechnung tragen will, macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob bereits vor der Vertreibung eine gewisse Zeit versicherungspflichtiger Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt oder eine solche erstmalig nach der Vertreibung aufgenommen wurde, zumal letzteres selten sein dürfte, da der überwiegende Teil der Selbständigen zumindest in der Lehrlings- und Gesellenzeit versicherungspflichtig gewesen ist. War ein Vertriebener, bevor er sich selbständig machte, zeitweilig als Arbeitnehmer versicherungspflichtig, so schließt das nicht aus, daß seine wirtschaftliche Sicherheit und Alterssicherung - wie bei den übrigen Selbständigen - in erster Linie im eigenen Betrieb und in seiner selbständigen Erwerbstätigkeit lag, die er durch die Vertreibung eingebüßt hat. Seine Lage ist grundsätzlich nicht anders zu beurteilen als die der übrigen vertriebenen Selbständigen, und zwar insbesondere dann, wenn - wie beim Kläger - die Dauer seiner abhängigen Beschäftigung vor der Vertreibung gegenüber derjenigen der Selbständigkeit kaum ins Gewicht fällt.

Diese Erwägungen treffen in gleicher Weise zu für die unter Absatz 1 des Art. 2 § 52 ArVNG fallenden Berechtigten wie für die besondere Gruppe der älteren, ehemals selbständigen Vertriebenen in Absatz 2. Die Regelung des Absatzes 2 trägt gerade dem Umstand Rechnung, daß die dort genannten Personen, wenn sie sich nach der Vertreibung in abhängige Beschäftigung begeben und damit versicherungspflichtig werden, hierdurch die Wartezeit des § 1248 Abs. 4 RVO infolge des späten Eintritts in die gesetzliche Rentenversicherung bis zur Erreichung der Altersgrenze in der Regel nicht mehr erfüllen können (vgl. BT-Drucks. II zu 3080 S. 25). Auch sie sollen die Möglichkeit erhalten, die jüngere Vertriebene ohne die Fiktion von Versicherungszeiten schon auf Grund der in Absatz 1 eingeräumten Sonderrechte haben, allein durch die nach der Vertreibung fristgemäß vollzogene, nach dem strengen Maßstab der "Vollbelegung" zu beurteilende Eingliederung in den Kreis der Versicherten den Eintritt der Voraussetzungen des § 1248 Abs. 4 RVO herbeizuführen. Da der Gesetzgeber allgemein für den Verlust der selbständigen Existenz durch Vertreibung im Rahmen der Rentenversicherung einen Ausgleich gewähren will, würde dieser Zweck vereitelt, wenn die Vergünstigungen, die gerade den grundsätzlich härter betroffenen älteren Vertriebenen zugedacht sind, wegen einer früheren versicherungspflichtigen Beschäftigung entfallen sollten. Das gilt jedenfalls insoweit, als für die Fiktion in Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG im konkreten Falle überhaupt ein Bedürfnis besteht, weil die Wartezeit von 180 Kalendermonaten nicht schon durch die Zeiten einer früheren versicherungspflichtigen Beschäftigung oder durch diese Zeiten zusammen mit den nach der Vollendung des 65. Lebensjahres und der Vertreibung zurückgelegten Versicherungszeiten erfüllt ist.

Die Anwendung des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG auf vertriebene, ehemals Selbständige, die vor der Vertreibung liegende anrechenbare Beitragszeiten aufweisen, führt auch nicht - wie die Revision meint - zu ungerechtfertigten, dem Gesetzeszweck widersprechenden Ergebnissen. Zwar ergeben sich durch diese früheren Beitragszeiten als Folge der Fiktion der Wartezeiterfüllung mehr als 15 anrechenbare Versicherungsjahre, so daß die Höhe des Altersruhegeldes den Mindestbetrag übersteigt. Bei 15 anrechenbaren Versicherungsjahren wird es aber regelmäßig schon im Falle eines erstmals versicherungspflichtig gewordenen Vertriebenen i.S. des Absatzes 2 nicht bleiben, da auch bei ihm bis zum ersten Pflichtbeitrag zurückgelegte Ersatzzeiten gem. § 1251 Abs. 1 Nr. 6 RVO zu berücksichtigen sind. Hiernach läßt sich nicht behaupten, Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG wolle den Begünstigten ausschließlich zum Anspruch auf Altersruhegeld auf der Grundlage von keinesfalls mehr als 180 anrechenbaren Kalendermonaten verhelfen.

Daß der Kläger bei Vollendung des 65. Lebensjahres am 30. Juni 1959 die Monate Mai 1954, August 1957 bis Januar 1958 und Juni 1959 weder mit Versicherungs- noch mit Ausfallzeiten belegt hatte, steht der Anwendbarkeit des Art. 2 § 52 ArVNG nicht entgegen, weil er die "Vollbelegung" im Sinne dieser Vorschrift durch die Entrichtung von zehn freiwilligen Monatsbeiträgen in rechtlich zulässiger Weise am 16. Juli 1962 nachträglich herbeigeführt hat. Der Kläger war zwar zur Nachentrichtung nach den Vorschriften der §§ 1233, 1418 RVO nicht berechtigt, weil für ihn nicht innerhalb von 10 Jahren während mindestens 60 Kalendermonaten (Pflicht-) Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet worden waren. Die Wirksamkeit der am 16. Juli 1962 nachgebrachten Beiträge ergibt sich jedoch aus der Sondervorschrift des Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG, die die Nachentrichtung auch für Zeiten nach der Vertreibung bis zur Altersgrenze und noch in einem Zeitpunkt nach Vollendung des 65. Lebensjahres gestattet.

Die Zulässigkeit der Nachentrichtung auch für Zeiten nach der Vertreibung ist schon dem Wortlaut des Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG zu entnehmen, der in Satz 2 die Beitragsnachentrichtung ausdrücklich nur für Zeiten nach der Vollendung des 65. Lebensjahres verbietet. Zwar hat der Ausschuß für Sozialpolitik bei seinen Beratungen erwogen (BT-Drucks. II zu 3080): "Der genannte Personenkreis kann sich freiwillig weiterversichern ohne die sonst geforderten fünf Beitragsjahre zurückgelegt zu haben, und aus eigenen Mitteln für Zeiten der Selbständigkeit vor der Vertreibung bis zum 1. Januar 1924 zurück freiwillige Beiträge nachentrichten, um einen Anspruch auf Rente zu erwerben oder zu erhöhen", jedoch hat diese Auffassung im Art. 2 § 52 ArVNG keinen Niederschlag gefunden. Ihr stünden im übrigen auch Sinn und Zweck des Gesetzes entgegen. Der Begründung einer auskömmlichen Alterssicherung, wie sie den Berechtigten ermöglicht werden soll, ist nur gedient, wenn auch die Zeiten nach der Vertreibung, soweit sie keine Versicherungszeiten sind, lückenlos mit Beiträgen ausgefüllt werden können. Andernfalls würden den Berechtigten viele Jahre Beitragszeit verloren gehen, die für die Alterssicherung eines älteren Berechtigten entscheidend sein können. Der Zweck des Gesetzes wäre, wenn die Möglichkeit der Beitragsnachentrichtung nur für Zeiten vor der Vertreibung bestünde, nur unvollkommen zu erreichen (vgl. BSG 24, 194, 199 und im Anschluß an diese Entscheidung: Hanow/Lehmann/Bogs, Rentenversicherung der Arbeiter, 5. Aufl., Stand Nov. 1966, § 1233 Anm. 23; VerbKomm, § 1418 RVO Anm. 12; Koch/Hartmann/ v. Altrock/Fürst, aaO, V § 10 Anm. D III 2 a). Die demgegenüber abweichende Auffassung der Revision, wonach Art. 2 § 52 Abs. 1 Nr. 1 ArVNG die Nachentrichtung nur für Zeiten vor der Vertreibung ermöglicht, findet in dem von ihr angezogenen Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 11.6.1963 - L 3 An 594/61 - Breith. 1964, 595 keine Stütze. Es betrifft die Frage, ob das Nachentrichtungsrecht des Art. 2 § 50 AnVNG nur für Zeiten gilt, in denen während einer selbständigen Tätigkeit vor der Vertreibung keine Pflicht- oder freiwillige Versicherung bestand.

Daß die Nachentrichtung im Rahmen des Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG für Zeiten vor der Vollendung des 65. Lebensjahres noch nach diesem Tage zulässig ist, ergibt sich schon daraus, daß die Fristen des § 1418 RVO nach Satz 2 des Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG nicht anzuwenden sind, sowie aus Satz 4 dieser Vorschrift, wonach lediglich der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1967 eingetreten sein muß, unter dieser Voraussetzung demnach das Nachentrichtungsrecht unbefristet bestehen bleiben soll (vgl. z.B. Hanow/Lehmann/Bogs, aaO, § 1233 Anm. 24 unter e).

Mit der demnach nach Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG zulässigen Nachentrichtung von zehn freiwilligen Beiträgen für die noch offenstehenden Monate hat der Kläger die Zeit von der Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung nach seiner Flucht bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres im Sinne des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG voll mit Versicherungs- und Ausfallzeiten belegt, so daß die Wartezeit von 180 Kalendermonaten kraft gesetzlicher Fiktion als erfüllt anzusehen ist. Die Vollbelegung mit Versicherungs- und Ausfallzeiten brauchte nicht bereits im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles des Alters - hier am 30. Juni 1959 - vorhanden zu sein, wie sich schon daraus ergibt, daß Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG auf den Begriff der "Versicherungszeit" (§ 1250 Abs. 1 RVO) zurückgreift. Dieser umfaßt nicht nur Beschäftigungszeiten, während derer Pflichtbeiträge abgeführt wurden, sondern ebenso die beschäftigungslosen Zeiten, für die - wie hier - freiwillige Beiträge wirksam nachgebracht worden sind.

Daß Vertriebene im Sinne des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG die Vollbelegung mit Versicherungs- und Ausfallzeiten noch durch Beitragsnachentrichtung nach Vollendung des 65. Lebensjahres herbeiführen können, erscheint im übrigen auch insofern gerechtfertigt, als - infolge des dort vorgesehenen weitgehenden Nachentrichtungsrechts - auch die allein unter Absatz 1 fallenden jüngeren Vertriebenen nicht genötigt sind, schon bis zum Eintritt des Versicherungsfalls die Voraussetzungen des Rentenanspruchs vollständig zu erfüllen.

Aus der Regelung des Absatzes 1 ergibt sich, daß es an der in Art. 2 § 52 ArVNG vorausgesetzten Eingliederung eines Vertriebenen in den Kreis der Versicherten dann nicht fehlt, wenn er zwar in der nach der Vertreibung verbliebenen Zeit seines Arbeitslebens nur mit Unterbrechungen versicherungspflichtig beschäftigt war, jedoch in entsprechendem Umfang Beiträge freiwillig nachentrichtet hat.

Wenn das Gesetz den ehemals selbständigen Vertriebenen, die die lange Wartezeit noch durch tatsächlich zurückgelegte Beschäftigungszeiten bis zur Altersgrenze erfüllen könnten, die Möglichkeit einräumt, nach der Vertreibung zeitweilig auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten oder selbständig zu werden, ohne dadurch versicherungsrechtliche Nachteile zu erleiden, so kann erst recht den älteren Vertriebenen des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG, die auf die Wartezeitfiktion angewiesen sind, diese Möglichkeit nicht verschlossen sein. Insoweit muß auch außer Betracht bleiben, daß die nach Absatz 2 des Art. 2 § 52 ArVNG gewährten Rechtsvorteile über die Sonderrechte nach Absatz 1 dieser Vorschrift noch erheblich hinausgehen. Denn die für die älteren Vertriebenen eingreifende zusätzliche Vergünstigung der Wartezeitfiktion findet ihren Grund bereits in der durch den unverschuldet späten Eintritt in die Rentenversicherung bedingten besonderen Notlage dieser Personengruppe.

Da der Kläger infolge der Wartezeitfiktion und der zulässigen Nachentrichtung von Beiträgen die Wartezeit des § 1248 Abs. 4 RVO - Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten - erfüllt hat, steht ihm Altersruhegeld zu.

Das Altersruhegeld ist aber erst vom 1. Juli 1962 an zu gewähren, weil erst mit der Entrichtung von zehn freiwilligen Beiträgen am 16. Juli 1962 die Voraussetzungen der Rente vollständig erfüllt waren (§ 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO). Nicht gefolgt ist der Senat dabei der Ansicht der Vorinstanzen und des Klägers, die die Beklagte zu Leistungen bereits vom 1. Juni 1959 an, d.h. vom Beginn des Monats für verpflichtet halten, in dem der Kläger das 65. Lebensjahr vollendet hat.

In Fällen der Nachentrichtung gemäß § 1418 RVO hat das BSG allerdings mehrfach ausgesprochen, die zur Erfüllung der Wartezeit nach Eintritt des Versicherungsfalles für Zeiten vorher freiwillig nachgebrachten Beiträge seien so zu behandeln, als ob sie bereits in dem Zeitpunkt entrichtet wären, für den sie gelten sollen. Der Beginn der Rente bestimme sich deshalb nicht nach dem Zeitpunkt der tatsächlichen Entrichtung; er falle auf den Ersten des Monats, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist (BSG 6, 136; BSG SozR ArVNG Art. 2 § 42 Nr. 6; BSG 18, 212; BSG SozR ArVNG Art. 2 § 42 Nr. 11; BSG SozR RVO § 1290 Nr. 9; BSG 23, 37; ebenso: RVA AN 1938, 196; RVA EuM 42, 435; RVA AN 1939, 326). Indes lassen sich die von dieser Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze auf das vom Regelfall des § 1418 RVO abweichende Nachentrichtungsrecht der Sondervorschrift des Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG nicht ohne weiteres übertragen. Das folgt schon aus der sozialpolitischen Zweckbestimmung dieser Vorschrift, wonach - wie ausgeführt - den Versicherungsträgern zusätzliche Funktionen (Schneider, DRV 1962, 73) - des Lastenausgleichs und der Vertriebenenfürsorge - zugewiesen werden, die sich ihrer Natur nach einer Einordnung in das System der Rentenversicherung weitgehend entziehen (BSG 24, 146, 149; 24, 194, 196; 21, 193, 195).

Aber auch in ihrer versicherungsrechtlichen Ausgestaltung greifen die in Art. 2 § 52 ArVNG vorgesehenen außergewöhnlichen Vergünstigungen (BSG 21, 193, 195; 24, 194, 196), für die ehemals selbständigen Vertriebenen über den Rahmen der Rentenversicherung hinaus. Dies gilt hinsichtlich seiner Voraussetzungen, seines Inhalts und Umfangs (BSG 21, 193, 195) insbesondere für das Nachentrichtungsrecht des Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG, das den unter diese Vorschrift fallenden Vertriebenen unbefristet und u.U. schon auf Grund eines einzigen tatsächlich zurückgelegten Beitragsmonats die Möglichkeit einräumt, sich durch Entrichtung von Beiträgen für die Zeit vom 1. Januar 1924 bis zum Eintritt des Versicherungsfalls nachträglich nach Art einer Kapitalversicherung in die Sozialversicherung gleichsam "einzukaufen" (BSG 24, 194, 196; BSG DAngVers 1968, 67, 68). Es erscheint nicht gerechtfertigt, gemäß Art. 2 § 52 Abs.1 ArVNG nachgebrachten Beiträgen ungeachtet des Zeitpunktes ihrer Verwendung in jedem Falle die gleiche Wirkung wie den schon vor Beginn des Versicherungsfalles entrichteten Beiträgen beizumessen. Eine derartige Vergünstigung, die überdies umfangreiche Rentennachzahlungen auslösen könnte, überschritte das Maß des Ausgleichs, den der Gesetzgeber den Vertriebenen gerade für den kriegsbedingten Verlust der früheren Selbständigkeit und der auf sie gegründeten eigenen Vorsorge hat gewähren wollen (entsprechend BSG SozR ArVNG Art. 2 § 52 Nr. 10; BSG 24, 194, 197). Demgemäß hat bereits der 1. Senat des BSG in seinem zu Art. 2 § 50 Abs. 1 ArVNG (= Art. 2 § 52 Abs. 1 ArVNG) ergangenen Urteil vom 7.Juli 1964 (BSG 21, 193, 198 = SozR ArVNG Art. 2 § 52 Nr.4) entschieden, daß im Falle der Nachentrichtung auf Grund dieser Sonderregelung für den Rentenbeginn auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Beitragsentrichtung abzustellen ist und erst mit ihr die Voraussetzungen für die Rentengewährung erfüllt sind. Das Urteil hat in Rechtsprechung und Literatur fast einhellige Zustimmung gefunden (LSG Schleswig, Breith. 1966 S. 47; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band III, 6. Aufl. 1967 S. 628 q; Eicher, BArbBl 1965, 606, 609; Beuster, Blätter für Steuerrecht, 1965, 332; Eicher/Haase aaO Art. 2 § 52 ArVNG Anm. 7; Koch/Hartmann/von Altrock/ Fürst aaO Teil V § 10 Anm. D III 1 a; Rogowski/Horsch, Die Rentenversicherung 1967, 99, 101; Scherer, SGb 1965 193, 197, 198; Schneider, BArbBl 1964, 729, 731; - gleicher Ansicht schon vor diesem Urteil: Beck, WzS 1958, 338, 339; Ludwig, Die Praxis 1958, 481, 489; Söchting, SozVers. 1959, 62, 64; Scherer, SozVers. 1962, 368; - anderer Ansicht: Gesamtkommentar, Stand 1967, § 1418 RVO Anm. 2, Art. 2 § 52 ArVNG Anm. 9). Es lag bereits vor, als das RVÄndG vom 9. Juni 1965, BGBl I S. 476, beraten wurde (vgl. auch Eicher, BArbBl 1965, 606, 609). Im Zuge der sonstigen Änderungen und Ergänzungen des Art. 2 § 52 ArVNG durch die "Härtenovelle" hätte es nahegelegen, auch die Frage des Rentenbeginns im Falle der Beitragsnachentrichtung auf Grund des Abs. 1 dieser Vorschrift klarstellend zu regeln, wenn insoweit deren Auslegung durch die Rechtsprechung des BSG mit den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht in Einklang gestanden hätte. Ersichtlich hat der Gesetzgeber des RVÄndG hierzu aber keine Veranlassung gesehen.

Soweit die Revision unter Berufung auf das Urteil des BSG vom 20. Dezember 1963 (SozR RVO § 1290 Nr. 7) die Auffassung vertritt, das Altersruhegeld des Klägers sei erst vom Beginn des auf die tatsächliche Beitragsentrichtung folgenden Monats, hier also erst vom 1. August 1962 an, zu gewähren, konnte ihr freilich nicht gefolgt werden. In dem von der Beklagten angezogenen Urteil handelte es sich - anders als im vorliegenden Falle - um die Wirkung solcher freiwilliger Beiträge, die zur Weiterversicherung nach Vollendung des 65. Lebensjahres für Zeiten nicht vor sondern erst nach Erreichen der Altersgrenze entrichtet waren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2374902

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge