Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfreiwilliger Auslandsaufenthalt eines Ausländers. Gewöhnlicher Aufenthalt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zu der Streitfrage, ob auch auf einen Ausländer, der sich unfreiwillig gewöhnlich außerhalb des Geltungsbereichs des AVG aufhält, die für Deutsche geltenden Vorschriften der AVG §§ 97 ff anzuwenden sind, braucht der erkennende Senat hier nicht Stellung zu nehmen. Wegen des durch das SozSichAbk CHE vom 1964-02-25 (Art 4 und 28) verbürgten Grundsatzes der Gleichbehandlung ruht die Rente der Klägerin nach RVO §§ 1318 ff.

2. Von einem gewöhnlichen Aufenthalt kann nur gesprochen werden, wenn der Aufenthalt die Natur eines von vornherein für begrenzte und absehbare Zeit gewollten Ausnahmezustandes gehabt hätte.

 

Normenkette

AVG § 97 Abs. 1 Fassung: 1960-02-25; RVO § 1318 Abs. 1 Fassung: 1960-02-25, § 1319 Abs. 2 Fassung: 1960-02-25; SozSichAbk CHE Art. 4 Fassung: 1964-02-25, Art. 28 Fassung: 1964-02-25

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Oktober 1964 wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beigeladenen wird unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Oktober 1964 und des Urteils des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. November 1962 die Klage gegen die Beigeladene, soweit sie den Anspruch auf Auszahlung der Waisenrente für die Zeit vom 1. Januar 1959 bis 30. April 1961 betrifft, abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der in der Schweiz lebenden schweizerischen Klägerin Waisenrente gemäß § 1267 der Reichsversicherungsordnung (RVO) für die Jahre 1957 und 1958 zusteht und sie ihr vom 1. Januar 1959 an bis zum Ende ihrer Berufsausbildung (30. April 1961) auszuzahlen ist.

Die ... 1943 in K/Preußen als schweizerische Staatsangehörige geborene ledige Klägerin beantragte im Juni 1959 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Waisenrente aus der Rentenversicherung ihres Vaters, des schweizerischen Staatsangehörigen und Molkereifachmanns O Z, der von 1936 bis 1945 versicherungspflichtig in Ostpreußen gearbeitet hatte. Von dort war er Anfang 1945 mit seiner Familie in die Schweiz geflohen, wo er am 13.August 1945 starb. Die in Bern bei ihrer Mutter lebende Klägerin befand sich bis zum 18. April 1961 in Berufsausbildung und arbeitet seit dem 1. Mai 1961 als Arztgehilfin.

Nachdem die BfA die Akten an die Beklagte abgegeben hatte, weil zuletzt Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung entrichtet worden seien, lehnte es die Beklagte ab, Waisenrente zu gewähren. Da sowohl der letzte Pflichtbeitrag für den Versicherten als auch alle übrigen Beiträge außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin entrichtet worden seien, seien die Bestimmungen des deutsch-schweizerischen Sozialversicherungsabkommens nicht anzuwenden. Es sei auch nicht möglich, der Klägerin eine Leistung nach dem Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) zu gewähren, wenngleich hierüber zu entscheiden die Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz zuständig sei (Bescheid vom 22. August 1960).

Mit der Klage erstrebte die Klägerin weiterhin Waisenrente. Das Sozialgericht (SG) hob den Bescheid der Beklagten auf und verurteilte die beigeladene LVA R, bei der die Klägerin zwischenzeitlich ebenfalls einen Waisenrentenantrag gestellt hatte, der Klägerin ab 1. Januar 1957 Waisenrente zu gewähren (Urteil vom 30. November 1962). Hiergegen haben die Beklagte und die Beigeladene Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat die Beigeladene durch Bescheid vom 7. Februar 1963 den Waisenrentenanspruch der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1959 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres der Klägerin anerkannt, jedoch ausgesprochen, daß die Rente nach § 1317 RVO ruhe und daher nicht ausgezahlt werden könne; für die Jahre 1957 und 1958 hat sie die Waisenrente verweigert, weil auf sie nach den §§ 8 und 9 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) kein Anspruch bestehe.

Auf die Berufungen hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG abgeändert und die Klage wegen des Bescheides der Beklagten vom 22. August 1960 und die gegen die Beigeladene gerichtete Klage, soweit sie Ansprüche für die Zeit vor dem 1. Januar 1959 und nach dem 30. April 1961 betrifft, abgewiesen. Im übrigen hat es die Berufung der Beigeladenen zurückgewiesen. Es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 16. Oktober 1964).

Die Beigeladene und die Klägerin haben Revision eingelegt. Die Revision der Klägerin rügt in verfahrensrechtlicher Hinsicht Verletzung des § 146 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und im übrigen Verletzung des § 8 FAG und der §§ 1315 ff, RVO.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 16. Oktober 1964 abzuändern und die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des SG Karlsruhe zurückzuweisen, und zwar mit der Maßgabe, daß die Beklagte zur Rentengewährung, die Beigeladene zur Zahlung verpflichtet sind und daß die Berufungen nur insoweit zurückgewiesen werden, als sie Ansprüche der Klägerin bis einschließlich 30. April 1961 betreffen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat zur Revision der Klägerin keinen Antrag gestellt. Sie wendet sich mit ihrer Revision dagegen, die von ihr anerkannte Waisenrente für die Zeit vom 1. Januar 1959 bis 30. April 1961 auszahlen zu müssen.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 16. Oktober 1964, soweit es den Anspruch vom 1. Januar 1959 an betrifft, und das Urteil des SG Karlsruhe vom 30. November 1962, soweit es nicht die Zuständigkeit der Beigeladenen betrifft und der Klägerin mehr als die Anerkennung ihres Rentenanspruchs vom 1. Januar 1959 an zugesteht, aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.

Während die Beklagte zur Revision der Beigeladenen keinen Antrag gestellt hat, beantragt die Klägerin,

die Revision der Beigeladenen zurückzuweisen.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.

II.

Die Revision der Klägerin, die, soweit sie nicht die Zulässigkeit der Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen in Zweifel zieht, ihrem Vorbringen zufolge danach strebt, Waisenrente auch für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis 31. Dezember 1958 zu erlangen, sei es von der Beklagten, sei es von der Beigeladenen, ist erfolglos geblieben.

1) Zu Unrecht wendet sich die Revision der Klägerin in erster Reihe dagegen, daß das LSG die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen für zulässig und nicht nach § 146 SGG für nicht zulässig gehalten hat. Nach dieser Vorschrift ist in Angelegenheiten der Rentenversicherung die Berufung unter anderem nicht zulässig, soweit sie nur Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betrifft. Das LSG hat seine Auffassung damit begründet, die Berufungen beträfen nicht nur Rente für einen bereits abgelaufenen Zeitraum, nämlich für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis 30. April 1961. Vielmehr habe das SG die Waisenrente ohne zeitliche Begrenzung zugesprochen; es sei zudem irrig - das ergebe sich aus den Urteilsgründen des erstinstanzlichen Urteils - davon ausgegangen, daß die Klägerin noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung Anspruch auf Rente gehabt habe. Beiden Berufungsklägern sei es darum zu tun gewesen, dieses Urteil und die Vollstreckungsmöglichkeit aus diesem Urteil zu beseitigen.

Die Revision der Klägerin räumt zwar ein, daß der Entscheidungsausspruch des Urteils des SG nicht auf einen zur Zeit des Urteilserlasses bereits in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beschränkt worden sei. Gleichwohl seien die Berufungen nicht zulässig gewesen. Nach Lage der Dinge sei nämlich klar gewesen, daß die Ausbildung der Klägerin bereits am 30. April 1961 abgeschlossen gewesen sei und nur bis spätestens zu diesem Zeitpunkt habe Waisenrente gefordert werden können. Eine einfache Berichtigung des Urteils gemäß § 138 SGG hätte dies klarstellen können, und zwar deshalb um so eher, als aus den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils nichts dafür zu entnehmen gewesen sei, daß das Urteil sich auch auf die Zukunft habe erstrecken sollen. In Wahrheit handele es sich um ein Rentenbegehren für einen bereits abgelaufenen Zeitraum, so daß die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen nach § 146 SGG ausgeschlossen gewesen seien und deshalb richtigerweise als unzulässig hätten verworfen werden müssen.

Diese Angriffe der Revision der Klägerin gehen fehl. In Angelegenheiten der Rentenversicherung muß gemäß § 146 SGG eine Berufung, um unzulässig zu sein, "die Rente für bereits abgelaufene Zeiträume" betreffen. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, war durch das erstinstanzliche Urteil, obschon im Zeitpunkt seiner Verkündung (30.November 1962) nach der Sach- und Rechtslage nur noch ein Waisenrentenanspruch für einen bereits abgelaufenen Zeitraum (bis 30. April 1961) in Betracht kommen konnte, eine Verurteilung zur Rentengewährung ohne zeitliche Einschränkung ausgesprochen. Dem unbefangenen Betrachter des hier maßgeblichen Urteilsausspruchs: "Die Beigeladene wird verurteilt, der Klägerin ab 1. 1. 1957 eine Waisenrente zu gewähren" konnte sich nur der Eindruck aufdrängen, daß die Verurteilung der Beigeladenen, der Klägerin Waisenrente zu gewähren, unbefristet war. Selbst wenn die Urteilsformel Anlaß zu Zweifeln über ihren Inhalt geben und sie mit Hilfe der Entscheidungsgründe ausgelegt werden würde (BSG 4, 121, 123 f und die dort angeführte Rechtsprechung sowie das dort angegebene Schrifttum), könnte aus den folgenden Sätzen der Entscheidungsgründe des Urteils des SG (Seite 7 dieses Urteils):

"Der Bescheid der Beklagten war demnach aufzuheben, weil im konkreten Falle die Beigeladene über den Rentenanspruch der Klägerin zu entscheiden gehabt hätte. Die Beigeladene war zu verurteilen, ab 1. 1. 1957 aus allen Versicherungszeiten des verstorbenen Vaters der Klägerin an sie eine Waisenrente zu gewähren."

nichts für die Meinung der Revision der Klägerin entnommen werden, das Urteil des SG habe sich nicht auch auf die Zukunft erstrecken sollen. Wegen der zeitlich nicht eingeschränkten Verurteilung lag kein Fall des § 146 SGG vor. Der Beklagten und der Beigeladenen mußte daher das Recht zugestanden werden, von dieser Verurteilung im Wege der Berufung loszukommen, so daß es nicht rechtsfehlerhaft war, daß das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen bejaht hat.

Ob das Urteil des SG nach § 138 SGG hätte berichtigt werden können, wie dies die Revision der Klägerin annimmt, um damit klarzustellen, daß die Verurteilung sich nur bis zum 30. April 1961 habe erstrecken sollen, mag offen bleiben, da das Urteil jedenfalls nicht berichtigt worden ist.

2) Entgegen der Auffassung der Revision der Klägerin hat das LSG zutreffend die Aufhebungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. August 1960 abgewiesen, weil die Beklagte sowohl befugt war, zu der Frage ihrer Zuständigkeit durch förmlichen Bescheid Stellung zu nehmen als auch sachlich richtig feststellen konnte, daß das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Sozialversicherung vom 24. Oktober 1950 (BGBl. 1951 II S. 145 ff = BArbBl. 1951, 314) nicht anzuwenden war und sie damit gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchstabe a der Verwaltungsvereinbarung zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Sozialversicherung vom 21. September 1951 (BArbBl. 1951, 538) in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 Satz 2 des Abkommens nicht als Verbindungsstelle für die deutschen Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten sowie für die Schweizerische Alters- und Hinterlassenenversicherung für den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Waisenrente zuständig war.

Die - vom SG verkannte - Befugnis der Beklagten als der durch die Übergabe des Rentenantrags der Klägerin durch die BfA an sie mit der Sache befaßten Stelle, in einem förmlichen Bescheid ihre Unzuständigkeit festzustellen, würde nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Beklagte - wie dies das LSG angenommen hat - berechtigt gewesen wäre, genau wie die BfA den Antrag formlos an die Beigeladene abzugeben. Der von der Beklagten gewählte förmliche Weg war, wenn nicht sachlich geboten, so doch jedenfalls nicht rechtsfehlerhaft. Ebensowenig ist zu beanstanden, daß die Beklagte in ihrem Bescheid vom 22. August 1960 festgestellt hat, daß das deutsch-schweizerische Sozialversicherungsabkommen vom 24. Oktober 1950 nicht anzuwenden sei. Die hierfür in dem Bescheid gegebene Begründung ist richtig. Nach Nr. 2 b des Schlußprotokolls zu diesem Abkommen (BArbBl. 1951, 318) erstreckt sich dieses Sozialversicherungsabkommen auf deutsche und schweizerische Staatsangehörige, die einem deutschen oder schweizerischen Versicherungsträger oder beiden angehören oder angehört haben, und zwar einschließlich ihrer anspruchsberechtigten Familienangehörigen, sofern der Leistungsanspruch solcher Personen entweder von einem Versicherungsträger mit dem Sitz in der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin festgestellt worden ist oder auf einem Versicherungsverhältnis beruht, das während der Zugehörigkeit zur deutschen Rentenversicherung entweder zuletzt als Pflichtversicherung oder überwiegend als Pflicht- oder freiwillige Versicherung in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin bestanden hat, und zwar auch dann, wenn das Versicherungsverhältnis in dieser Weise vor Errichtung der Bundesrepublik und des Landes Berlin in ihrem Gebiet bestanden hat. Diese Voraussetzungen hat die Beklagte zu Recht verneint: Ein Leistungsanspruch sei bisher nicht festgestellt worden; das Versicherungsverhältnis habe weder zuletzt als Pflichtversicherung noch überwiegend als Pflicht- oder freiwillige Versicherung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder in deren Gebiet vor ihrer Errichtung bestanden, vielmehr seien sowohl der letzte Pflichtbeitrag als auch alle übrigen Beiträge in Ostpreußen und damit außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin entrichtet worden.

Entgegen der Auffassung der Revision der Klägerin ist dem Wortlaut des Bescheides der Beklagten nicht zu entnehmen, daß diese sachlich-rechtlich über einen Anspruch der Klägerin auf Grund des FANG entschieden hätte. Soweit die Revision der Klägerin dem Zusatz hinter der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 22. August 1960: "Nach Aktenlage besteht auch keine Möglichkeit, Ihnen nach Artikel II Ziffer 5 des am 1. 1. 1959 in Kraft getretenen Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes eine Leistung zu gewähren. Für eine diesbezügliche Entscheidung wäre jedoch die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz in Düsseldorf, Königsallee 71, zuständig" entnehmen zu können glaubt, die Beklagte habe doch über einen Anspruch aus dem FANG entschieden, kann ihr nicht gefolgt werden. Schon die Stellung dieses Zusatzes hinter der Rechtsbehelfsbelehrung läßt erkennen - worauf die Beklagte zutreffend aufmerksam macht -, daß keine Entscheidung in der Sache selbst gewollt war. Auch inhaltlich ist dem Zusatz nichts für eine Entscheidung über einen Anspruch aus dem FANG zu entnehmen. Insgesamt kann der Zusatz nur als Hinweis verstanden werden, der aber rechtlich ohne Bedeutung ist.

3) Die im Ausland lebende Klägerin hat für die Zeit vom 1.Januar 1957 bis zum 31. Dezember 1958 keinen Anspruch darauf, daß ihr Waisenrente (§§ 1263, 1267 Satz 1, 2 RVO aF, Art. 2 §§ 5, 20, 25 Abs. 1 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetztes) gewährt wird, und zwar weder gegen die Beklagte noch gegen die Beigeladene. Da mit dem Rentenanspruch eine Leistung aus einem Versicherungsverhältnis bei einem nicht mehr bestehenden Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, nämlich dem Rentenversicherungsträger in Ostpreußen, geltend gemacht wird, müßten für diesen Anspruch die Bestimmungen des FAG vom 7. August 1953 (BGBl I S. 848) in der Fassung vom 21. Januar 1956 (BGBl. I S. 17) und vom 4. September 1956 (BGBl. I S. 767) herangezogen werden. Ein gegen die Beklagte gerichteter Anspruch auf Waisenrente der sich im Ausland aufhaltenden Klägerin scheitert indes bereits daran, daß nach § 8 Abs. 2 Satz 2, 2.Halbsatz FAG hierfür allein die Beigeladene zuständig wäre.

Gegen die Beigeladene hat die Klägerin aber ebenfalls keinen Anspruch auf Waisenrente für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis zum 31. Dezember 1958. Aus Abschnitt I des FAG ergibt sich, daß dieses Gesetz nur die bei Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland und im Lande Berlin erworbenen Versicherungszeiten als solche ansah, die Kraft des als Bundesrecht fortgeltenden Gesetzes die Versicherungsträger in der Bundesrepublik verpflichteten; denn für alle übrigen in der deutschen Rentenversicherung erworbenen Zeiten hatten sie nur nach Maßgabe des FAG zu leisten (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 FAG). Dies hat das Berufungsgericht zutreffend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (vgl. BSG 15, 29, 31 f) entnommen. Aus welchen Versicherungszeiten Leistungen überhaupt in das Ausland gewährt werden durften, bestimmten die §§ 8, 9 FAG (vgl. BSG 15, 29, 32). Die Vorschrift des § 9 FAG scheidet ohnehin aus, weil die Klägerin weder deutsche Staatsangehörige noch frühere deutsche Staatsangehörige im Sinne des Art. 116 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) war. Aber auch die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 2 b) FAG ist entgegen der Auffassung der Revision der Klägerin auf deren Fall nicht anzuwenden. Wie das LSG zutreffend erkannt hat, fehlt die Voraussetzung, daß der Versicherte - der Vater der Klägerin -, der allein Beiträge zum ostpreußischen Rentenversicherungsträger entrichtet hatte, während der Zugehörigkeit zu den deutschen Rentenversicherungen zuletzt im Bundesgebiet oder im Land Berlin pflichtversichert oder in diesen Gebieten überwiegend pflicht- oder freiwillig versichert war (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 b) aa) FAG). Ebensowenig ist die andere alternativ mögliche Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 b) bb) FAG erfüllt. Diese Voraussetzung besteht darin, "daß die Versicherungszeiten in einer Leistung berücksichtigt sind oder werden, die von einem Versicherungsträger mit dem Sitz im Bundesgebiet oder von dem für das Land Berlin zuständigen Träger der Rentenversicherung rechtskräftig festgestellt worden ist oder wird".

Die Revision der Klägerin will die rechtskräftige Feststellung einer Leistung auf Grund bestimmter Versicherungszeiten in dem Bescheid der Beigeladenen vom 7. Februar 1963 erblicken. Das ist indes nicht richtig. Die Revision übersieht offenbar, daß die gesamte Regelung des § 8 FAG wegen des am 1. Januar 1959 in Kraft getretenen FANG vom 25.Februar 1960 (BGBl. I S. 93) (Art. 7 § 3 Abs. 1 Satz 1 FANG) nur bis zum 31. Dezember 1958 Geltung besaß. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte jedenfalls die rechtskräftige Feststellung ergehen müssen. Das war aber nicht der Fall.

Schließlich hat die Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis zum 31. Dezember 1958 gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Waisenrente nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964 (BGBl. II S. 1293 = BArbBl.1964, 133), das nach dem Vorspruch an die Stelle des Abkommens vom 24. Oktober 1950 getreten ist. Ob die Klägerin überhaupt die Voraussetzungen dafür erfüllt, daß ihr die Beklagte nach dem Abkommen vom 25. Februar 1964 eine Waisenrente zu gewähren hätte, kann offen bleiben. Wenn auch dieses am 1. Mai 1966 in Kraft getretene Abkommen (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zu dem Abkommen vom 25. Februar 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit vom 15. September 1965 - BGBl. II S.1293 = BArbBl 1966, 133) nach Art. 41 Abs. 1 auch für vor seinem Inkrafttreten eingetretene Versicherungsfälle gilt, hätte die Beklagte der Klägerin günstigstenfalls nach Art. 42 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 28 des Abkommens erst vom 1. Januar 1959 ab eine Rente gewähren können.

III.

Demgegenüber dringt die Beigeladene mit ihrer Revision durch.

Die Beigeladene stellt den Anspruch der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1959 bis zum 30. April 1961 an sich nicht in Abrede. Sie wendet sich freilich dagegen, daß die beiden Vorinstanzen sie dazu verurteilt haben, der Klägerin die Waisenrente für die genannte Zeit auszuzahlen. Das LSG hat die Vorschrift des § 1315 Abs. 1 Nr. 1 RVO, wonach die Rente ruht, solange der Berechtigte weder Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG noch früherer deutscher Staatsangehöriger im Sinne des Art.116 Abs. 2 Satz 1 GG ist und sich freiwillig gewöhnlich außerhalb des Geltungsbereichs der RVO aufhält, wegen der Vorschrift des Absatzes 2, wonach Abs. 1 Nr. 1 nicht für Waisen gilt, deren Erziehungsberechtigte sich gewöhnlich im Ausland aufhalten, nicht für anwendbar erachtet, da die Klägerin eine Waise ist, deren Erziehungsberechtigte sich gewöhnlich im Ausland aufhält. Dabei hat es sich mit den im Schrifttum und in der Rechtsprechung vertretenen unterschiedlichen Auffassungen zu der Frage auseinandergesetzt, ob die Rente bei unfreiwilligem Auslandsaufenthalt eines Ausländers in vollem Umfang auszuzahlen ist. Es hat sich vornehmlich gegen die Auffassung des Urteils des 1.Senats des BSG vom 27. Mai 1964 - 1 RA 35/62 - (SozR RVO § 1318 Nr. 2) gewandt, die Systematik der gesetzlichen Regelung über die Zahlung von Leistungen bei Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) lasse ebensowenig wie der Wortlaut der Vorschriften eine eindeutige Auslegung in diesem oder jenem Sinne zu; es sei daher von dem Sinn und Zweck der Regelung auszugehen; hiernach erscheine es aber nicht sinnvoll, die vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltene Begrenzung der Verpflichtungen der bundesgesetzlichen Rentenversicherung, d.h. die §§ 97 ff AVG (= §§ 1318 ff RVO), bei einem berechtigten Ausländer nicht anzuwenden, während ihr der Inländer, auch wenn er sich unfreiwillig im Ausland aufhalte, unterliege; daher seien auch auf einen Ausländer, der sich unfreiwillig gewöhnlich außerhalb des Geltungsbereichs des AVG (= der RVO) aufhalte, die für Deutsche geltenden Vorschriften der §§ 97 ff AVG (= §§ 1318 ff RVO) anzuwenden. Das LSG ist sich bei seiner, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG abweichenden Entscheidung bewußt gewesen, daß die von ihm beachtete wort- und sinngetreue Anwendung der §§ 1315 ff RVO zwar zu ungerechten Ergebnissen führen könne, hat aber gemeint, diese zu beseitigen sei nicht Sache der Gerichte, sondern allenfalls des Gesetzgebers. Demgegenüber will die Revision der Beigeladenen, wie die Rechtsprechung des BSG, Sinn und Zweck der Ruhensvorschriften entscheidend sein lassen und daher die Auszahlung der festgestellten Rente verweigern dürfen.

Zu dieser Streitfrage brauchte der Senat indes nicht Stellung zu nehmen. Denn die Klägerin ist keinesfalls berechtigt, die Auszahlung der Waisenrente für die Zeit vom 1. Januar 1959 bis zum 30. April 1961 zu fordern. Dies folgt aus den Bestimmungen des bereits erwähnten revidierten deutsch-schweizerischen Sozialversicherungsabkommens vom 25. Februar 1964.

Nach Art. 4 des deutsch-schweizerischen Sozialversicherungsabkommens vom 25. Februar 1964 stehen die in Art. 3 genannten Personen, nämlich Staatsangehörige der Vertragsparteien sowie ihre Angehörigen und Hinterbliebenen, soweit diese ihre Rechte von den Staatsangehörigen ableiten, in ihren Rechten und Pflichten aus den Rechtsvorschriften der Vertragsparteien einander gleich, soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt. Etwas anderes ist in Art. 28 bestimmt. Danach gilt Art. 4 bei Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften, nach denen auf Grund von Arbeitsunfällen (Berufskrankheiten), die außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland eingetreten sind, und auf Grund von Zeiten, die außerhalb dieses Gebiets zurückgelegt sind, Renten nur bei besonderen Voraussetzungen gezahlt werden, für schweizerische Staatsangehörige, solange sie im Gebiet einer Vertragspartei wohnen. Mit Rücksicht auf den in den Artikeln 4 und 28 des Abkommens enthaltenen Grundsatz der Gleichstellung eines Deutschen im Sinne des Grundgesetzes und eines Schweizerbürgers (vgl. Art. 1 Nr. 1 des Abkommens) greifen die Vorschriften der RVO über die Zahlung von Leistungen bei Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs der RVO ein. Dies sind hier die mit Wirkung vom 1. Januar 1959 in Kraft getretenen (Art. 7 § 3 FANG) und auch auf Versicherungsfälle vor diesem Zeitpunkt anwendbaren §§ 1317 ff RVO (Art. 6 § 5 FANG; vgl. Verbandskommentar, Vorbemerkung vor §§ 1315 Anm. 5), die für Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG gelten, solange sie sich außerhalb des Geltungsbereichs der RVO aufhalten. § 1317 RVO bestimmt, daß die Rente eines Deutschen im genannten Sinne ruht, solange er sich außerhalb des Geltungsbereichs der RVO aufhält und soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt. Wegen des durch das Abkommen verbürgten Grundsatzes der Gleichbehandlung würde also die Rente der Klägerin ruhen, wenn sich auf Grund der §§ 1318 ff RVO nichts anderes ergäbe. In der Tat lassen es aber die §§ 1318 ff RVO nicht zu, die Waisenrente auszuzahlen. Nach § 1318 Abs. 1 RVO könnte die Klägerin die Rentenauszahlung beanspruchen, soweit die Rente auf die im Geltungsbereich der RVO zurückgelegten Versicherungsjahre entfallen würde. Diese Voraussetzung ist aber nicht erfüllt, weil der Versicherte sämtliche Beiträge nur dem ostpreußischen Versicherungsträger erbracht hat. Ebenso versagt § 1319 Abs. 1 RVO als Anspruchsgrundlage, wonach für Zeiten des vorübergehenden Aufenthalts außerhalb des Geltungsbereichs der RVO die volle Rente gezahlt wird, weil sich die Klägerin nicht nur vorübergehend, d. h. nach der Begriffsdefinition des § 1320 Satz 1 RVO bis zur Dauer eines Jahres, sondern ständig in der Schweiz aufhält. Ebensowenig vermag sich die Klägerin mit Erfolg auf die Vorschrift des § 1319 Abs. 2 RVO, die unter gewissen Voraussetzungen bei einem gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland die Rentenauszahlung gestattet, zu stützen. Indes ist der Aufenthalt der Klägerin in der Schweiz kein gewöhnlicher. Von einem gewöhnlichen Aufenthalt könnte nur dann gesprochen werden, wenn der Aufenthalt die Natur eines von vornherein für begrenzte und absehbare Zeit gewollten Ausnahmezustandes gehabt hätte (vgl. Jantz/Zweng/Eicher, Das neue Fremdrenten- und Auslandsrentenrecht, 2. Aufl. 1961, § 1315 Anm. 6). Gerade dies ist aber wegen des ständigen Aufenthalts der Klägerin in der Schweiz nicht der Fall. Nicht anwendbar ist schließlich die Vorschrift des § 1321 RVO, die es in das Ermessen des Rentenversicherungsträgers stellt, unter bestimmten Voraussetzungen u.a. an Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG, die sich gewöhnlich im Gebiet eines auswärtigen Staates aufhalten, in dem die Bundesrepublik Deutschland eine amtliche Vertretung hat, eine Rente auszuzahlen, da sich nach Nr. 6 des Schlußprotokolls zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964, das nach Art. 45 des deutschschweizerischen Sozialversicherungsabkommens dessen Bestandteil ist, die Verpflichtung zur Gleichbehandlung von Schweizerbürgern nicht auf Renten nach § 1321 RVO beziehen soll (vgl. Kintzel in RVO-Gesamtkommentar, Internationales Sozialversicherungsrecht, Stand: 1. September 1967, Schweiz/Abkommen, Art. 4 Anm. 2; Art. 28 Anm. 3).

Zusammenfassend bleibt daher festzustellen, daß die Waisenrente der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1959 bis 30. April 1961 nach § 1317 RVO ruht und nicht an die Klägerin auszuzahlen ist. Die Verurteilung der Beigeladenen zur Auszahlung der Waisenrente durch das LSG erwies sich daher als nicht haltbar; sie mußte auf die Revision der Beigeladenen beseitigt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2375186

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