Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob ein Handwerksmeister, welcher in dem noch unter dem Namen des Vaters geführten Betrieb tätig ist, hierbei in einem unfallversicherten Beschäftigungsverhältnis (RVO § 537 Nr 1) steht oder als Mitunternehmer (RVO § 633 Abs 1) anzusehen ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die zwischen der Unfallversicherung und der Krankenversicherung bestehenden rechtlichen Verschiedenheiten gestatten nicht eine einheitliche Beurteilung der "Meistersohn" -frage.

 

Normenkette

RVO § 537 Nr. 1 Fassung: 1942-03-09, § 633 Abs. 1 Fassung: 1928-12-20

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. Juli 1957 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Von Rechts wegen

 

Gründe

I

Der im August 1925 geborene Kläger lernte in den Jahren 1940 bis 1943 das Zimmererhandwerk im Betrieb seines 1889 geborenen Vaters J... B.... Nachdem er im April 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war, arbeitete der Kläger als Geselle im Geschäft seines Vaters. Im April 1951 legte der Kläger die Meisterprüfung ab und blieb sodann weiterhin im Zimmereibetrieb tätig; es war geplant, daß der Kläger als einziger Sohn im Jahre 1954, wenn der Vater 65 Jahre alt wurde, den Betrieb von ihm übernehmen sollte.

Am 29. September 1953 stürzte der Kläger bei Dachstuhlarbeiten am Rathaus in B... aus beträchtlicher Höhe ab; infolge der dabei erlittenen Querschnittlähmung wurde er völlig erwerbsunfähig. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 29. Dezember 1953 die Gewährung der Unfallentschädigung ab mit der Begründung, der Kläger sei zur Zeit des Unfalls nicht gegen Arbeitsunfall versichert gewesen; er sei als Mitunternehmer des väterlichen Betriebes anzusehen. Zu dieser Auffassung gelangte die Beklagte auf Grund ihrer Ermittlungen, die ergeben hatten, daß der Kläger für seine Arbeitsleistung keinen Lohn, sondern ein Taschengeld erhalten hatte, seit 1948 nur freiwillig krankenversichert war und im Lohnbuch nicht geführt wurde, daß ferner für den Kläger weder Lohnsteuer noch Unfallversicherungsbeiträge entrichtet worden waren; aus Angaben des Vaters hatte die Beklagte außerdem gefolgert, daß der Kläger als sein Stellvertreter zur Annahme von Arbeitsaufträgen befugt und am Gewinn bzw. Verlust des Geschäfts beteiligt war. Wach alledem entfalle der Versicherungsschutz aus § 537 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Als Mitunternehmer sei der Kläger auch nicht gemäß § 538 RVO in Verbindung mit § 42 der Satzung der Beklagten pflichtversichert gewesen; denn die Voraussetzung hierfür - Verrichtung von nicht mehr als 250 Tagewerken jährlich durch Hilfskräfte - habe 1950 bis 1952 im Betrieb nicht vorgelegen. Eine freiwillige. Unternehmerversicherung (§ 539 RVO) habe der Kläger nicht abgeschlossen.

Mit der Klage machte der Kläger geltend: Sein Vater sei alleiniger Unternehmer, nach dessen Weisungen der Kläger gearbeitet habe. Die Verträge über auszuführende Arbeiten habe grundsätzlich der Vater abgeschlossen, nur den Vertrag über den Rathausumbau in B... habe aus besonderem Anlaß der Kläger unterschrieben. Der Kläger überreichte dem Sozialgericht (SG) Bescheinigungen des Finanzamts, der Handwerkskammer und des Bürgermeisteramts; danach wurde der Zimmereibetrieb als Einzelunternehmen des Vaters J... B... geführt und der Kläger nicht als Mitinhaber angesehen. Die Beklagte legte die Fotokopie einer Werbeanzeige vor, in welcher das Unternehmen als "J... B... & Sohn" bezeichnet wurde. Das SG vernahm den Vater des Klägers sowie zwei Kunden des Zimmereigeschäfts als Zeugen über die betriebliche Stellung des Klägers. Durch Urteil vom 15. September 1955 hat das SG die Beklagte zur Gewährung der Unfallentschädigung verurteilt: Der Kläger sei wie ein Arbeitnehmer im väterlichen Betrieb tätig gewesen. Es fehle an einem entscheidenden Ereignis, auf Grund dessen der Kläger schon vor der für 1954 beabsichtigten Betriebsübergabe als Mitunternehmer neben dem Vater anzusehen gewesen sei. Die von der Beklagten angeführten Umstände seien nicht geeignet, die Unternehmereigenschaft des Klägers zu begründen; das durch seinen Verzicht auf angemessene Entlohnung eingesparte Geld sei nicht der Kapitaleinlage eines Mitunternehmers gleichzustellen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 4. Juli 1957 (BG 1958, 84) zurückgewiesen. In Anlehnung an eine Entscheidung der Berufsgenossenschaftlichen Schiedsstelle (EuM 45, 168) vertritt das LSG die Auffassung, bei der Frage, ob ein "Meistersohn" als Mitunternehmer des väterlichen Handwerksbetriebes anzusehen sei, müßten strenge Anforderungen an den Nachweis gestellt werden, daß die Voraussetzungen des § 633 RVO in der Person des Meistersohnes gegeben seien. Die gesamte wirtschaftliche Stellung des Klägers deute darauf hin, daß er in einem Arbeitsverhältnis zum Vater gestanden habe. Das Zimmereigeschäft sei steuerlich als Einzelunternehmen geführt und in der Handwerksrolle auf den Namen J.... B... eingetragen gewesen. Der Wortlaut der von der Beklagten vorgelegten Werbeanzeige sei demgegenüber nicht ausschlaggebend. Die vom Vater abgegebene Erklärung, jedes Familienmitglied habe gleiche Rechte und nehme am Gewinn und Verlust teil, besage lediglich, daß alle Familienangehörigen - d.h. die Eltern und die Schwester des Klägers sowie dieser selbst - gemeinsam von den Erträgnissen des Zimmereibetriebes und der damit verbundenen kleinen Landwirtschaft lebten und daß bei guten Geschäftseinnahmen mehr Geld für den Lebensunterhalt zur Verfügung stand als bei schlechten. Darin sei eine echte unternehmerische Beteiligung des Klägers am Gewinn und Verlust nicht zu erblicken. Er habe vielmehr genausowenig wie seine Schwester ein Betriebsrisiko getragen, sei auch nicht an der Substanz des Unternehmens beteiligt gewesen und habe bei einem etwaigen Ausscheiden aus dem Betrieb keinen Auseinandersetzungsanspruch gehabt. In kleinen Gewerbebetrieben sei es oftmals üblich, daß der Meistersohn, der später einmal das Geschäft erhalten solle, nur gegen freie Verpflegung, Wohnung und Taschengeld arbeite. Die hierdurch entstehende Differenz gegenüber dem Tariflohn sei nicht als Geschäftseinlage des Meistersohnes zu bewerten, sonst würde die Mitunternehmereigenschaft der Meistersöhne zum Regelfall, und ein wirtschaftlich meist schwacher Personenkreis würde den Unfallversicherungsschutz verlieren; denn gerade der weniger leistungsfähige Handwerksbetrieb sei auf die billige Mitarbeit der Kinder angewiesen. - Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen das am 12. August 1957 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 4. September 1957 Revision eingelegt und sie wie folgt begründet: Rechtsdogmatisch müsse gefordert werden, daß die Begriffsmerkmale des Arbeiters im Sinne der Krankenversicherung (§ 165 Abs. 1 Nr. 1, § 165a RVO) und des auf Grund eines Arbeitsverhältnisses Beschäftigten (§ 537 Nr. 1 RVO) übereinstimmten. In der Unfallversicherung sei deshalb der Versicherungsschutz für die im elterlichen Betrieb tätigen Meistersöhne entsprechend den in der Krankenversicherung hierfür anerkannten Maßstäben abzugrenzen. In der Krankenversicherung komme es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (BSG 3, 30) für die Versicherungspflicht ausschlaggebend darauf an, ob ein Beschäftigungsverhältnis mit einer - als Gegenwert für die geleistete Arbeit angemessenen - Entgeltzahlung vorliege. Dieses Erfordernis habe der Kläger nicht erfüllt; denn nach Ablegung der Meisterprüfung habe er vom Vater keinen Lohn mehr erhalten, sei auch nicht im Lohnbuch und in den der Beklagten eingereichten Jahreslohnnachweisen aufgeführt und nicht als lohnsteuerpflichtig behandelt worden. Diese Umstände, verbunden mit dem Auftreten des Klägers bei Vertragsunterzeichnungen und der Bezeichnung des Unternehmens in der Werbeanzeige, sprächen dagegen, ein Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnis im Sinne des § 537 Nr, 1 RVO anzunehmen. Auch der Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 10 RVO komme dem Kläger nicht zugute; denn der - bei der Betriebstätigkeit nicht an väterliche Weisungen gebundene - Kläger sei nicht wie ein nach § 537 Nr. 1 RVO Versicherter bei seinem Vater, sondern mit seinem Vater zusammen selbstverantwortlich tätig gewesen. Der Kläger sei hiernach als unversicherter Mitunternehmer im Betrieb seines Vaters anzusehen. Gegen seinen Entschädigungsanspruch spreche im übrigen der alte unfallversicherungsrechtliche Grundsatz, daß jemand, der in der Unfallversicherung hinsichtlich der Beitragspflicht als Unternehmer gelten wolle, nicht als versicherter Arbeiter behandelt werden könne, wenn ihm ein Unfall zustoße. Den Erwägungen des LSG über die Schutzbedürftigkeit der Kleingewerbetreibenden sei entgegenzuhalten, daß in derartigen Fällen den Betroffenen der Abschluß einer freiwilligen Versicherung gemäß § 539 RVO zuzumuten sei. Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung der angefochtenen Urteile die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er pflichtet den Entscheidungsgründen des LSG bei und meint, als Unternehmer wäre er erst mit der für 1954 beabsichtigten Betriebsübernahme anzusehen gewesen.

II

Die Revision ist statthaft und zulässig. Sie hatte jedoch keinen Erfolg.

Das LSG vertritt in wörtlicher Übereinstimmung mit den Ausführungen der Berufsgenossenschaftlichen Schiedsstelle (EuM 45, 168, 171) den Standpunkt, bei der Frage, ob ein Meistersohn unfallversicherungsrechtlich als Mitunternehmer im väterlichen Handwerksbetrieb anzusehen sei, kämen die Grundsätze zur Versicherungsfreiheit der Meistersöhne in der Krankenversicherung nicht zur Anwendung, vielmehr müßten hier strengere Anforderungen an den Nachweis gestellt werden, daß der Meistersohn nicht in einem unfallversicherten Beschäftigungsverhältnis (§ 537 RVO) stehe, sondern in seiner Person die Voraussetzungen eines Unternehmers (§ 633 Abs. 1 RVO) erfülle. Diesem Standpunkt ist grundsätzlich beizupflichten. Mit ihrem hiergegen gerichteten Angriff verkennt die Revision, der offenbar eine einheitliche Handhabung des Arbeitnehmerbegriffs in der Krankenversicherung und in der Unfallversicherung vorschwebt, die wesentlichen Unterschiede, die insoweit zwischen der Unfallversicherung einerseits und anderen Versicherungszweigen - insbesondere der Krankenversicherung - erkennbar sind.

Schon der Vergleich der jeweils einschlägigen gesetzlichen Vorschriften zeigt, daß die Unfallversicherung einen weiteren Personenkreis umfaßt als die Krankenversicherung. Nach § 168 RVO sind vorübergehende Dienstleistungen sowie Dienstleistungen gegen geringfügigen Entgelt krankenversicherungsfrei; in der Unfallversicherung besteht demgegenüber kein Zweifel, daß - unbeschadet der Anwendbarkeit sonstiger Vorschriften - der Versicherungsschutz hierfür jedenfalls durch § 537 Nr. 10 RVO gewährleistet ist, sofern es sich nur überhaupt um ernstliche, dem Unternehmen förderliche Arbeitsleistungen handelt, die dem mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen (vgl. BSG 5. 168, SozR § 537 Bl. Aa 14 Nr. 15, Bl. Aa 15 Nr. 16); unentgeltliche vorübergehende Beschäftigungsverhältnisse werden auch noch in § 564 Abs. 1 Nr. 5 RVO als ohne weiteres unfallversichert behandelt. Ferner gilt in der Krankenversicherung die Vorschrift des § 176 Abs. 1 Nr. 2 RVO, aus der zu folgern ist, daß Familienangehörige des Arbeitgebers, die ohne eigentliches Arbeitsverhältnis und ohne Entgelt in seinem Betrieb tätig sind, der Krankenversicherungspflicht nicht unterliegen (vgl. BSG 3, 30, 35); ein Gegenstück hierzu findet sich in der gesetzlichen Unfallversicherung nur in bezug auf unentgeltliche Beschäftigung von Verwandten im Haushalt (§ 541 Nr. 8 RVO). Bereits diese Verschiedenheiten stehen der Heranziehung krankenversicherungsrechtlicher Grundsätze auf einen Sachverhalt der hier vorliegenden Art entgegen.

Infolge der abweichenden gesetzlichen Regelung enthält die Rechtsprechung zur krankenversicherungsrechtlichen Stellung der Meistersöhne außerdem Gedankengänge, die der systematisch anders gearteten Abgrenzung des unfallversicherten Personenkreises nicht angepaßt erscheinen. Bei der Beurteilung der Frage der Krankenversicherungspflicht steht regelmäßig - und zwar in der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts (RVA) wie auch des BSG - im Vordergrund die Alternative, ob es sich um ein Lohnarbeitsverhältnis oder aber um eine Hilfeleistung im Familienbetrieb auf Grund des sittlichen Familienbandes handelt (vgl. AN 1937, 300 Nr. 5134; 1940, 82 Nr. 5337; EuM 47, 430; BSG 3, 30, 39). Für eine dadurch gebotene Berücksichtigung "ethischer Gesichtspunkte" (AN 1924, 115 Nr. 2795).ist im Bereich der Unfallversicherung kein Raum; denn die Beweggründe, die der zu beurteilenden Tätigkeit zugrunde liegen, sind hier unwesentlich (BSG 5, 168, 172), ferner schließt in der Unfallversicherung das Verhältnis des Kindes zum Vater die Arbeitnehmereigenschaft des Kindes im Unternehmen des Vaters allgemein nicht aus (EuM 8, 230). An die Stelle der für die Krankenversicherung bedeutsamen Alternative rückt vielmehr die - vorwiegend nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilende - Frage, ob ein Meistersohn als Mitunternehmer anzusehen, ist, dem der Unfallversicherungsschutz nur unter den besonderen Voraussetzungen der §§ 538, 539 RVO zukommt, oder ob er noch zu dem durch § 537 RVO geschützten Personenkreis gehört. Die strengeren Erfordernisse, denen der Verlust des durch § 537 RVO gewährleisteten Versicherungsschutzes unterliegen muß, rechtfertigen sich nach Ansicht des Senats ohne weiteres schon aus der besonderen Eigenart des Unfallrisikos im Vergleich zu den von anderen Versicherungszweigen betreuten Wechselfällen des Lebens, denen gegenüber eine aus der Familiengemeinschaft gebotene Fürsorge hinreichend erscheinen mag (vgl. AN 1939, 291 Nr. 5306; BSG 3, 38).

Mit dem von ihm vertretenen Standpunkt, der Kläger sei zur Zeit des Unfalls nicht Mitunternehmer im Zimmereibetrieb gewesen, hat das LSG das Gesetz (§ 633 Abs. 1 RVO) zutreffend angewandt. Auf Grund dieser Vorschrift ist als Unternehmer derjenige anzusehen, dem das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens, der Wert oder Unwert der im Unternehmen verrichteten Arbeiten unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen. Maßgebend für die Entscheidung, wer in Fällen der hier gegebenen Art die als Unternehmer in Betracht kommende Person ist, sind die Umstände des Einzelfalles. Dabei ist es wesentlich darauf abzustellen, wer das Geschäftswagnis trägt; jemand, der das Unternehmerrisiko nicht zu tragen hat, kommt in der Regel nicht als Unternehmer in Betracht (vgl. u.a. EuM 21, 4; 37, 290; 45, 172; SozR § 537 Bl. Aa 1 Nr. 1; Hess. LSG, Breith. 1959, 607). Die Feststellungen des angefochtenen Urteils und das Vorbringen der Revision ergeben keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, daß diese Voraussetzung beim Kläger vorgelegen hat. Mit Recht hat das LSG der Äußerung des Vaters J... B... jedes Familienmitglied nehme am Gewinn oder Verlust des Zimmereigeschäftes teil, nicht die Bedeutung zugemessen, daß hierdurch gerade der Kläger als Mitunternehmer gekennzeichnet wurde; denn diese Äußerung bezog sich auf alle vier Familienangehörigen und war offensichtlich nur so zu verstehen, daß von den mehr oder weniger hohen Erträgnissen des Geschäfts die ganze Familie ihr Auskommen finden mußte. Auch hat das LSG zutreffend die durch Minderentlohnung des Klägers im Laufe der Zeit eingesparten Beträge nicht als dessen persönliche Geschäftseinlage angesehen. Im übrigen würde selbst eine tatsächlich geleistete Kapitaleinlage nicht unbedingt dem Kläger die Eigenschaft als Mitunternehmer verliehen haben (EuM 21, 4). Nach dem festgestellten Sachverhalt mangelt es - wie das LSG zutreffend hervorgehoben hat - an einer nach außen wirksamen entscheidenden Änderung in den Unternehmensverhältnissen während der Zeit von 1948 bis zum Unfall, auf Grund deren der Kläger von einem bestimmten Zeitpunkt an als Mitunternehmer neben seinem Vater in Erscheinung getreten wäre. Die Ablegung der Meisterprüfung im April 1951 stellte zweifellos kein solches Ereignis dar; denn hierdurch wurde die Stellung des Klägers im Betrieb nicht berührt. Vielmehr hat er nach den von der Revision nicht wirksam angegriffenen Peststellungen des LSG auch in der Folgezeit nach den Weisungen des Vaters gearbeitet, der auch regelmäßig - mit Ausnahme des Rathausumbaues in B - die Verträge über auszuführende Zimmereiarbeiten abschloß. Der Fassung der von der Beklagten vorgelegten Werbeanzeige hat das LSG in diesem Zusammenhang mit Recht keine erhebliche Bedeutung beigelegt, zumal da die Beklagte selbst nicht vorgetragen hat, daß es sich hierbei um mehr als nur eine vereinzelte Maßnahme handelte. Ein entscheidender Schritt des Vaters in der Richtung, seine Position als Alleinunternehmer aufzugeben, ist hierin um so weniger zu erblicken, als er der Handwerkskammer gegenüber nichts Derartiges in die Wege leitete. Ohne Bedeutung ist schließlich im Hinblick auf die bereits angeführten rechtlichen Verschiedenheiten der Umstand, daß der Kläger seit 1948 bei der AOK nur freiwillig versichert war.

Die von der Beklagten mit besonderem Nachdruck betonte Tatsache, daß der Kläger seit 1950 nicht mehr im Lohnbuch und in den Lohnnachweisen geführt wurde, entspricht dem bereits von der Berufsgenossenschaftlichen Schiedsstelle (EuM 45, 171) gekennzeichneten mehrdeutigen Verhalten vieler handwerklicher Kleinunternehmer. Indessen ist - abweichend von dem damals entschiedenen Fall (aaO 172) - der Kläger nicht in einem Betriebsfragebogen ausdrücklich neben dem Vater als Mitunternehmer angegeben worden. Vielmehr handelt es sich hier um eine reine Unterlassung, die nach Ansicht des Senats für sich allein - ohne das Hinzutreten sonstiger, für eine Mitunternehmerstellung des Klägers sprechender Umstände - nicht ausreicht, um die von der Beklagten daraus gezogenen Folgerungen zu rechtfertigen. Durch dieses Verhalten an sich wurden nicht - wie die Revision meint - Beitragsansprüche der Beklagten hinsichtlich des Klägers ausgeschlossen; vielmehr wäre es der Beklagten möglich gewesen, durch Betriebsprüfung diese Verletzung der Beitragspflicht aufzudecken und den für den Kläger in Betracht kommenden Beitrag vom Unternehmer J... B... einzuziehen. Falls etwa bei einem solchen Anlaß der Unternehmer J... B... eindeutig erklärt haben würde, es bestehe insoweit keine Beitragspflicht, weil der Kläger nicht bei ihm als Arbeitnehmer beschäftigt, sondern Mitunternehmer des Geschäfts sei, so könnte dies allerdings die Heranziehung des Grundsatzes rechtfertigen, daß eine Person, die sich für das Rechtsleben zu einer bestimmten Einstellung entschlossen hat, diese nicht nach Belieben ändern kann (vgl. SozR RVO § 537 Bl. Aa 1 Nr. 1; Hess. LSG aaO). Die Umstände des vorliegenden Falles hingegen lassen es nicht begründet erscheinen, dem Kläger unter diesem Gesichtspunkt den Versicherungsschutz zu versagen.

War nach alledem der Kläger nicht als Mitunternehmer im Geschäft des Vaters anzusehen, so gehörte er zur Zeit des Unfalls zu dem nach § 537 RVO unfallversicherten Personenkreis. Ob hierbei die Nr. 1 oder die Nr. 10 dieser Vorschrift in Betracht kommt, hat das LSG nicht näher untersucht, während das SG offenbar die Nr. 10 für anwendbar gehalten hat. Nach Ansicht des erkennenden Senats spricht der Umstand, daß der Kläger jahrelang ständig im Zimmereigeschäft unter den Weisungen des Vaters gearbeitet hat, mehr dafür, daß die mit einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 537 Nr. 1 RVO verbundene Abhängigkeit vom Unternehmer vorlag. Der Anwendung dieser Vorschrift steht nicht entgegen, daß ein regulärer, insbesondere die tariflichen Bestimmungen einhaltender Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und seinem Vater nicht abgeschlossen worden ist. Von Bedeutung kann eine solche Nichtbeachtung arbeitsrechtlicher Normen allerdings für die - hier nicht näher zu prüfende - Frage sein, nach welchem Arbeitsverdienst bei einem Beschäftigungsverhältnis dieser Gestaltung die dem Kläger zustehenden Leistungen zu berechnen sind (vgl. RVA Entsch. vom 12. März 1943, BG 1943, 112).

Die Revision war hiernach als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 142

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