Leitsatz (redaktionell)

Gegenüber der Bezeichnungsverfügung der obersten Verwaltungsbehörde eines Landes aus RVO § 657 Abs 1 Nr 2 nF steht den dadurch in ihrer katasterrechtlichen Belangen unmittelbar betroffenen BG der Sozialrechtsweg aus SGG § 51 selbst dann offen, wenn der Verwaltungsakt nicht ausdrücklich an sie gerichtet ist.

 

Normenkette

RVO § 657 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1963-04-30; SGG § 51

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 23. April 1964 wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beigeladenen zu 3) wird das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 23. April 1964 insoweit mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben, als es den Antrag dieser Beigeladenen zurückgewiesen hat. In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Die Berufsgenossenschaft (BG) der Gas- und Wasserwerke erteilte der Stadtwerke Bremen AG, deren Betrieb von 1931 bis 1947 bei der Eigenunfallversicherung des Landes Bremen (EUV) und seitdem beim Bremischen Gemeindeunfallversicherungsverband (GUV) versichert war, den Aufnahmebescheid vom 6. Januar 1955; der Widerspruch hiergegen wurde durch Bescheid vom 9. Februar 1955 zurückgewiesen.

Nachdem die Klage der Stadtwerke AG zur Aufhebung dieser Bescheide geführt hatte, erhob die Beklagte im Berufungsverfahren Widerklage mit dem Antrag auf Feststellung des zuständigen Versicherungsträgers gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Berufung und Widerklage wurden zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten hat das Bundessozialgericht (BSG) durch Urteil vom 29. Juni 1962 (BSG 17, 139) das Berufungsurteil, soweit es die Widerklage betraf, mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und in diesem Umfang die Sache an das Landessozialgericht (LSG) Bremen zurückverwiesen; im übrigen hat das BSG die Revision zurückgewiesen.

Im erneuten Berufungsverfahren hat das LSG durch Beschluß vom 24. September 1962 die BG der Feinmechanik und Elektrotechnik beigeladen. Die Beklagte hat zunächst den Sachantrag gestellt, insoweit als zuständiger Unfallversicherungs(UV)-träger für die Stadtwerke Bremen AG erklärt zu werden, als die in ihre spezielle Zuständigkeit gehörenden Betriebe, insbesondere das Gas- und Wasserwerk, in Frage stehen. In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 23. April 1964 hat die Beklagte beantragt, gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG den für die Stadtwerke AG zuständigen UV-Träger festzustellen, als solchen die beigeladene BG der Feinmechanik und Elektrotechnik zu bezeichnen, und zwar jedenfalls für die Zeit von der Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung an, evtl. auch schon für die Zeit vom 1. April 1964 an, indem der noch anhängige Rechtsstreit für die vorangegangene Zeit in der Hauptsache für erledigt erklärt werde. Die beigeladene BG der Feinmechanik und Elektrotechnik hat zunächst die Feststellung ihrer Zuständigkeit als UV-Träger für die Elektrizitätserzeugungs- und -verteilungsanlagen der Stadtwerke Bremen AG beantragt. Diesen Antrag hat sie später dahin geändert, es möge festgestellt werden, daß die BG der Feinmechanik und Elektrotechnik der für die gesamte Stadtwerke Bremen-AG zuständige UV-Träger ist. In der Berufungsverhandlung schließlich hat sich die beigeladene BG dem Antrag der Beklagten angeschlossen. Diese Änderung der Anträge haben die beteiligten BGen damit begründet, nach den Angaben der Stadtwerke liege der Schwerpunkt des Unternehmens offensichtlich bei der Elektrizitätserzeugung und -verteilung. Gemäß § 647 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) vom 30. April 1963 (RVO nF) sei die BG der Feinmechanik und Elektrotechnik, da ihr das Hauptunternehmen angehöre, für die gesamten Stadtwerke zuständig.

Ein Schreiben des Bremischen Senators für die Finanzen vom 5. Februar 1964 an den Vorstand des GUV, das der GUV dem LSG abschriftlich überreicht hat, lautet wie folgt:

"Betr.: Zuständiger Versicherungsträger für die Stadtwerke Bremen AG.

Als für die Beteiligungen der Freien Hansestadt Bremen zuständige oberste Verwaltungsbehörde bezeichne ich gemäß § 657 Abs. 1 Ziff. 2 RVO idF des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung vom 30.4.63 (BGBl 1963 I 241) im Einvernehmen mit dem als oberste Verwaltungsbehörde für die Sozialversicherung zuständigen Senator für Arbeit den Bremischen Gemeindeunfallversicherungsverband als Träger der Unfallversicherung für die Stadtwerke Bremen AG. Die Stadtwerke Bremen AG werden in der selbständigen Rechtsform einer Aktiengesellschaft betrieben. An ihr ist die Stadtgemeinde Bremen als alleinige Aktionärin beteiligt. Im Auftrag gez. Dr. K"

Aus dem vom LSG beigezogenen Geschäftsverteilungsplan des Senators für die Finanzen der Freien Hansestadt Bremen geht hervor, daß zu der Abteilung C (Leiter: Reg. Direktor Dr. K) u. a. das Arbeitsgebiet "Stadtwerke Bremen AG" gehört.

Die Stadtwerke Bremen AG, die EUV und der GUV haben in der Berufungsverhandlung beantragt, die Widerklage und den Antrag der Beigeladenen zu 3) abzuweisen, hilfsweise, die Freie Hansestadt Bremen, vertreten durch den Senator für die Finanzen, beizuladen.

Durch Urteil vom 23. April 1964 hat das LSG die Widerklage der Beklagten abgewiesen und den Antrag der Beigeladenen zu 3) als unbegründet zurückgewiesen: Da die Beklagte jetzt nicht mehr ihre eigene Zuständigkeit für die UV der Stadtwerke Bremen AG behaupte, vielmehr selbst die Beigeladene zu 3) für zuständig erachte, fehle der Beklagten nunmehr das berechtigte Interesse an der mit der Widerklage begehrten Feststellung, daß die Beigeladene zu 3) zuständiger UV-Träger für das gesamte Unternehmen der Widerbeklagten sei; deshalb sei die Widerklage als unzulässig abzuweisen.

Der Feststellungsantrag der Beigeladenen zu 3) sei hingegen zulässig. Der Antrag gehe nicht über das hinaus, was die Beigeladene zu 3) auf Grund ihrer Rechtsstellung in diesem Verfahren als notwendig Beigeladene (§ 75 Abs. 2 SGG) erstreben könne. Da nach § 75 Abs. 4 SGG bei einer notwendigen Beiladung abweichende Sachanträge zulässig seien und nach § 75 Abs. 5 SGG ein Versicherungsträger nach Beiladung verurteilt und somit als Beigeladener in eine Parteirolle gedrängt werden könne, brauche nicht geprüft zu werden, ob es sich beim ursprünglichen Feststellungsantrag der Beigeladenen zu 3) um einen abweichenden Sachantrag gehandelt habe. Gegen ihren Feststellungsantrag in der letzten Fassung bestünden keinesfalls Bedenken, da sich die Beigeladene zu 3) hiermit dem Antrag der Beklagten angeschlossen habe. Mit dem Bundesgerichtshof (BGHZ 2, 250) sei auch die Zulässigkeit einer Feststellungsklage trotz der möglichen Erhebung einer Leistungsklage dann zu bejahen, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt einer gesunden Prozeßökonomie zu einer einfacheren Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führe, wie es hier der Fall sei; auch das BSG habe in seinem Urteil vom 29. Juni 1962 keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Feststellungswiderklage geäußert, und zwar auch nicht, soweit diese die Feststellung des zuständigen UV-Trägers für die Vergangenheit betreffe.

Der Feststellungsantrag der Beigeladenen zu 3) sei jedoch unbegründet. Bis zum 31. März 1964 sei auf keinen Fall die Beklagte oder die Beigeladene zu 3) für die UV der Stadtwerke Bremen AG zuständig gewesen. Diese beiden BGen könnten ihren Zuständigkeitsanspruch nicht aus Nr. 4 des Erlasses des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 16. März 1942 - Gemeindliche UV - (AN 1942, 201) herleiten, da diese Bestimmung nicht bezweckt habe, den BGen auch diejenigen Betriebe wiederzuzuführen, für die sie früher einmal zuständig gewesen seien. Im Jahre 1931 sei die Stadtwerke Bremen-AG nicht auf Grund von Betriebsveränderungen von den beiden beteiligten BGen zur EUV übergewechselt, sondern weil damals das Land Bremen seine EUV errichtet habe und mit seinen Betrieben aus den BGen, denen es bis dahin als Mitglied angehörte, ausgetreten sei. In dem maßgebenden Zeitpunkt (31. Dezember 1941), auf den es der RAM-Erlaß für die katastermäßige Zugehörigkeit abgestellt habe, sei die Stadtwerke Bremen-AG noch ein Betrieb des Landes Bremen gewesen; erst 1947 sei sie ein gemeindliches Unternehmen (§ 628 RVO aF i. V. m. Nr. 2 des RAM-Erlasses vom 16. März 1942) geworden. "Bisher zuständiger Versicherungsträger" im Sinne der Nr. 4 des RAM-Erlasses sei also die EUV gewesen, so daß die Stadtwerke Bremen-AG nach diesem Erlaß auch über den 31. Dezember 1941 hinaus zunächst bei der EUV versichert geblieben sei. Ob 1947 durch die Überleitung der Stadtwerke-AG in das Vermögen der Stadtgemeinde Bremen der GUV zuständiger UV-Träger geworden sei, könne dahingestellt bleiben. Dafür jedenfalls, daß die Zuständigkeit auf die Widerklägerin oder die Beigeladene zu 3) übergegangen sei, fehle jegliche gesetzliche Grundlage.

Daran habe sich auch seit dem Inkrafttreten des UVNG nichts geändert. Für die Zeit vom 1. April 1964 an bestimme § 657 Abs. 1 Nr. 2 RVO nF, daß die Gemeinden und GUVe UV-Träger für Versicherte in den von der zuständigen obersten Verwaltungsbehörde des Landes ... bezeichneten Unternehmen sind, die in selbständiger Rechtsform betrieben werden und an denen Gemeinden ... überwiegend beteiligt sind. Personen, die in gemeindlichen ... Elektrizitäts-, Gas- oder Wasserwerken ... beschäftigt würden, seien jedoch nach § 657 Abs. 2 RVO nF bei den zuständigen BGen versichert. Auf Grund des gemäß § 657 Abs. 1 Nr. 2 RVO nF ergangenen Schreibens des Finanzsenators vom 5. Februar 1964 sei der GUV nach neuem Recht Träger der UV für die Stadtwerke Bremen-AG. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Finanzsenators sei der leitende Regierungsdirektor Dr. K zur Unterzeichnung dieses Schreibens befugt gewesen.

Die Beigeladene zu 3) habe in diesem Rechtsstreit nicht mit ihrer Behauptung durchdringen können, daß die Bestimmung des GUV zum zuständigen UV-Träger gemäß § 657 Abs. 1 Nr. 2 RVO nF zu Unrecht erfolgt sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die von der Beigeladenen zu 3) vertretene Auslegung des § 657 RVO nF zutreffe. Im vorliegenden Verfahren sei nicht zu prüfen, ob der Finanzsenator zu Recht den GUV als zuständigen UV-Träger für die Stadtwerke Bremen-AG bezeichnet habe. Diese Überprüfung könne vielmehr nur in einem neuen Verfahren der BG der Feinmechanik und Elektrotechnik gegen den Finanzsenator oder einer Herausgabeklage dieser BG gegen den GUV erfolgen. Ein solches Verfahren sei bisher nicht durchgeführt worden. Die Verfügung des Finanzsenators vom 5. Februar 1964 sei daher im vorliegenden Rechtsstreit für das LSG bindend.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Das Urteil ist der BG der Feinmechanik und Elektrotechnik am 29. Mai 1964 zugestellt worden; sie hat hiergegen am 08 Mai 1964 Revision eingelegt. Die BG der Gas- und Wasserwerke, der das Urteil am 23. Mai 1964 zugestellt worden ist, hat die Revision durch ihren Prozeßbevollmächtigten am 14. Mai 1964 einlegen und vorläufig begründen lassen. Dieser hat sodann in Vollmacht beider BGen die Revisionen am 10. Juni 1964 begründet, ferner hat er am 9. Oktober 1964 eine von ihm unterzeichnete Übersicht über die Geschichte des § 657 Abs. 2 RVO nF eingereicht, die im wesentlichen eine Wiederholung der Revisionsbegründung darstellt.

Die Revisionsbegründung macht hauptsächlich folgendes geltend. Die Auffassung des LSG, die Widerklage sei wegen des mangelnden Interesses der Beklagten an der begehrten Feststellung unzulässig, treffe nicht zu. Obwohl beide BGen sich inzwischen über die alleinige Zuständigkeit der Beigeladenen zu 3) geeinigt hätten, bestehe ein solches Interesse auch bei der Beklagten fort; denn die Möglichkeit sei nicht ausgeschlossen, daß ein im Betriebsteil Gas- oder Wasserwerk verunglückter Versicherter wegen seines Arbeitsunfalls die Beklagte in Anspruch nehme; darüber hinaus habe die Beklagte noch allgemein ein eigenes Interesse daran, daß gegenüber der Gegenseite, welche die Zuständigkeit gewerblicher BGen für die Stadtwerke Bremen-AG schlechthin bestreite, die von der Beklagten in vollem Umfang anerkannte Zuständigkeit der Beigeladenen zu 3) höchstrichterlich festgestellt werde. Schließlich könne die Beklagte, deren Aufnahmebescheid vom 6. Januar 1955 den vorliegenden Katasterstreit ausgelöst habe, vor der rechtskräftigen Entscheidung des Katasterproblems nicht aus dem Verfahren ausscheiden.

Unzutreffend sei ferner die Ansicht des LSG, die Rechtmäßigkeit des vom Finanzsenator erlassenen Bezeichnungsschreibens vom 5. Februar 1964 könne nicht in diesem Rechtsstreit, sondern erst in einem neuen Verfahren überprüft werden. Hierbei habe das LSG übersehen, daß die Berufungsanträge der beiden BGen mehr auf eine Herausgabeklage als auf ein bloßes Feststellungsbegehren hindeuteten; über dieses Herausgabeverlangen hätte das LSG im Sinne der Prozeßökonomie materiell entscheiden sollen. Soweit das LSG ein - von ihm nicht näher gekennzeichnetes - Verfahren gegen den Verwaltungsakt des Finanzsenators als erforderlich angesehen habe, könne es sich nur um eine Angelegenheit der Sozialversicherung (§ 51 Abs. 1 SGG) handeln. Da hierfür die Sozialgerichtsbarkeit zuständig sei, hätte sich das LSG im Interesse der Prozeßökonomie der Entscheidung auch gegenüber dem Finanzsenator nicht entziehen dürfen. Im übrigen sei der Verwaltungsakt des Finanzsenators wegen Verstoßes gegen § 657 Abs. 2 RVO nF rechtswidrig.

Schließlich vertreten die Revisionsklägerinnen mit eingehenden Darlegungen zur Entstehungsgeschichte des § 657 Abs. 1 und 2 RVO nF den Standpunkt, bei den in § 657 Abs. 2 RVO nF aufgeführten Vorbehaltsunternehmen komme es auf deren Rechtsform - Regiebetrieb oder privatrechtlich selbständiges Unternehmen - nicht entscheidend an. Maßgebend sei vielmehr, daß diese Unternehmen nach ihren technischen Merkmalen wegen der Belange der Unfallverhütung einheitlich den fachlich für sie in Betracht kommenden BGen zugeordnet würden.

Die BG der Feinmechanik und Elektrotechnik stellt den Antrag,

unter Aufhebung des LSG-Urteils vom 23. April 1964 festzustellen, daß die BG der Feinmechanik und Elektrotechnik für die Zeit ab 1. April 1964 der für die gesamten Bremer Stadtwerke-AG zuständige UV-Träger ist.

Die BG der Gas- und Wasserwerke stellt den Antrag,

I. Gemäß § 55 Abs. 1 Ziff. 2 SGG den für die Klägerin, Berufungswiderbeklagte und Revisionsbeklagte zuständigen Träger der sozialen (gesetzlichen) Unfallversicherung festzustellen und

II. als solchen die zu 3) beigeladene Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik zu bezeichnen und

III. dies auf alle Fälle für die Zeit von der Rechtskraft der diesbezüglichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren ab, ggf. aber

IV. sogar für die Zeit vom 1. April 1964 ab, indem dann der Rechtsstreit in dem Umfange, den er seit dem erneuten Berufungsverfahren vor dem Vorderrichter als Katasterstreit nach § 55 Abs. 1 Ziff. 2 SGG für die vorangegangene Zeit noch hatte, in der Hauptsache für erledigt erklärt werden möge.

Hilfsweise beantragen beide Revisionsklägerinnen,

das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Die Klägerin sowie die Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen Zurückweisung der Revisionen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Bremen zurückzuverweisen.

Sie pflichten im wesentlichen dem angefochtenen Urteil bei. Im einzelnen tragen sie vor: Würde man die Feststellungswiderklage der Beklagten jetzt noch als zulässig ansehen, so käme dies praktisch einer Zulassung der Popularklage in der Sozialgerichtsbarkeit gleich. Entgegen der Auffassung des LSG sei aber auch der Feststellungsantrag der Beigeladenen zu 3) unzulässig. Das Institut der Beiladung - auch der notwendigen - dürfe nicht zu einem vollständigen Parteienwechsel führen. Der Beigeladenen zu 3) fehle das Feststellungsinteresse, da sie eine Herausgabeklage gegen den GUV hätte erheben können. Der vom LSG angeführte Gesichtspunkte der Prozeßökonomie habe sich nicht ausgewirkt; denn das LSG habe die materiell-rechtlichen Streitfragen in diesem Feststellungsverfahren gerade nicht klären können, weil es sich zutreffend an das - von der Beigeladenen zu 3) bislang noch nicht angefochtene - Schreiben des Finanzsenators gebunden gefühlt habe. Da somit eine Sachentscheidung unter den bisherigen Prozeßbeteiligten noch gar nicht habe ergehen können, sei der Feststellungsantrag auch nicht aus Gründen der Prozeßökonomie als zulässig anzusehen.

Die Revision der Beigeladenen zu 3) sei auch sachlich unbegründet. § 657 Abs. 1 und 2 RVO nF sei so klar und eindeutig gefaßt, daß für eine Auslegung kein Raum bleibe; die Ausnahmevorschrift des Abs. 2 beziehe sich allein auf die in Abs. 1 Nr. 1 aufgeführten Regiebetriebe, dagegen keinesfalls auf die in Abs. 1 Nr. 2 aufgeführten Unternehmen, die in selbständiger Rechtsform betrieben würden. Hierbei handele es sich nicht um einen Redaktionsfehler, sondern um eine vom Gesetzgeber in Erkenntnis der sich ergebenden Konsequenzen bewußt gewollte Fassung. Das Bezeichnungsschreiben des Bremischen Finanzsenators könne hiernach keineswegs von vornherein wirkungslos, sondern allenfalls anfechtbar sein. Im Falle einer Zurückverweisung müsse zumindest die Freie Hansestadt Bremen, die durch ihren Finanzsenator den Verwaltungsakt erlassen habe, beigeladen werden.

II

Die Revisionen sind statthaft durch Zulassung (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Ihrer Zulässigkeit steht es nicht entgegen, daß die Rechtsmittelschriftsätze am 8. bzw. 14. Mai 1964 - also nach der Verkündung, aber noch vor der Zustellung des Berufungsurteils - beim BSG eingegangen sind; denn die Worte "nach Zustellung des Urteils" (§ 164 Abs. 1 Satz 1 SGG) beziehen sich lediglich auf den Beginn der Revisionsfrist, nicht hingegen auf die Zulässigkeit der Revisionseinlegung (Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 3. Aufl., Anm. 1 zu § 164; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-6. Aufl., Band I, S. 250 y, 252 l; vgl. auch Stein/Jonas/Schönke/Pohle, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., Anm. III zu § 516).

Die Revision der Beklagten ist unbegründet, da das LSG ihre Widerklage zutreffend als unzulässig erachtet hat. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten an der mit der Widerklage begehrten Feststellung (§ 55 Abs. 1 SGG) lag zur Zeit der Berufungsverhandlung nicht mehr vor. Insofern hat sich seit der Entscheidung des erkennenden Senats vom 29. Juni 1962 die Beziehung der Beklagten zur Unternehmen der Klägerin als der Gegenstand des streitigen Rechtsverhältnisses wesentlich geändert: Während die Beklagte im erneuten Berufungsverfahren zunächst noch ihre wenigstens teilweise Zuständigkeit als UV-Träger für die Bremer Stadtwerke - nämlich für das dazu gehörende Gas- und Wasserwerk - geltend machte, hat sie in der Berufungsverhandlung ihren eigenen Zuständigkeitsanspruch völlig preisgegeben und nur noch das Feststellungsbegehren der Beigeladenen zu 3) verfolgt, und zwar im Hinblick darauf, daß das Elektrizitätswerk offensichtlich den Schwerpunkt und das Hauptunternehmen der Stadtwerke Bremen-AG bildet. Diese - zur Zeit des früheren Revisionsverfahrens noch nicht absehbare - Wandlung der technisch-wirtschaftlichen, katasterrechtlich bedeutsamen Gegebenheiten hat also prozessual dazu geführt, daß der eigene Rechtsbereich der Beklagten vom Bestehen des - nur noch zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 2) und 3) umstrittenen - Rechtsverhältnisses nicht mehr berührt wird; damit muß aber zugleich das Feststellungsinteresse der Beklagten verneint werden (vgl. BSG 15, 118, 126; 18, 190, 193 mit weiteren Nachweisen). Die Gesichtspunkte, unter denen sie in ihrer Revisionsbegründung ein dennoch weiterbestehendes berechtigtes Interesse an der Feststellungswiderklage darzulegen sucht, sind nicht überzeugend. Die Möglichkeit, daß die Beklagte wegen eines im Bremer Gas- oder Wasserwerk eingetretenen Arbeitsunfalls irrtümlich auf Entschädigung in Anspruch genommen werden könnte, liegt - zumal im Hinblick auf die gesetzlich vorgeschriebene Unterrichtung der Beschäftigten (§§ 660, 769 Abs. 1 RVO nF) - so fern, daß hieraus ein Feststellungsinteresse nicht hergeleitet werden kann. Das von der Beklagten vorgebrachte allgemeine Interesse daran, die Zuständigkeitsansprüche der gewerblichen BGen gegenüber den Trägern der gemeindlichen EUV prinzipiell zu verfechten, tritt hier jedenfalls schon deshalb zurück, weil dieses Interesse bereits von der Beigeladenen zu 3) wahrgenommen wird. Schließlich kann auch die Erwägung der Beklagten, in den durch ihren Aufnahmebescheid ausgelösten Katasterstreit sei die Beigeladene zu 3) erst viel später hineingezogen worden, nicht dazu dienen, ein Feststellungsinteresse der Beklagten bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Streitfrage als weiterbestehend anzuerkennen. Die Revision der Beklagten ist hiernach zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Revision der Beigeladenen zu 3) ist begründet. Den von ihr in der Berufungsverhandlung vorgetragenen Feststellungsantrag, der sich mit dem gleichzeitig formulierten Sachantrag der Beklagten deckte, hat das LSG unter dem verfahrensrechtlichen Gesichtspunkt des § 75 Abs. 4 SGG mit Recht als zulässig angesehen. Wenn es sodann die Zulässigkeit auch noch unter dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie geprüft hat, so steht der bejahende Ausgang dieser Prüfung allerdings in offenbarem Widerspruch zum folgenden Teil der Entscheidungsgründe, in welchem das LSG zu dem Ergebnis gelangt ist, die Rechtmäßigkeit des Schreibens, das der Bremische Finanzsenator am 5. Februar 1964 auf Grund des § 657 Abs. 1 Nr. 2 RVO nF an den Beigeladenen zu 2) gerichtet hatte, sei in diesem Rechtsstreit nicht zu beurteilen; hierfür bedürfe es vielmehr eines von der Beigeladenen zu 3) zu betreibenden neuen Klageverfahrens. Von diesem Ergebnis her betrachtet hätte es unter dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie zweifellos nähergelegen, den Feststellungsantrag der Beigeladenen zu 3) als unzulässig zu bezeichnen und damit den jetzt anhängigen Prozeß, der bei dieser Betrachtungsweise doch nicht zu einer Klärung der materiellen Streitfrage führen kann, zu beenden. Hält man den Feststellungsantrag jedoch für zulässig, so erfordert der Gedanke der Prozeßökonomie die Einbeziehung des genannten Schreibens in die Entscheidung des Falles; denn nur so wird dem Verlangen der Beteiligten nach Erledigung der zwischen ihnen - jetzt nur noch für die vom 1. April 1964 an - streitigen Katasterprobleme Rechnung getragen.

Nach Meinung des Senats ist auch - ganz unabhängig von dieser Erwägung - die Zulässigkeit des von der Beigeladenen zu 3) erhobenen Feststellungsbegehrens nicht dadurch beeinträchtigt worden, daß kurz vor der Berufungsverhandlung der Finanzsenator mit seinem genannten Schreiben die streitigen Katasterverhältnisse von sich aus zu regeln unternahm. Mit diesem Schreiben vom 5. Februar 1964, das den GUV als den zuständigen UV-Träger für die Stadtwerke Bremen-AG bezeichnete, hat der Finanzsenator als zuständige oberste Verwaltungsbehörde eine hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet der Sozialversicherung mit unmittelbar rechtlicher Wirkung für die Beteiligten treffen, d. h. einen Verwaltungsakt erlassen wollen (vgl. Brackmann aaO S. 232 b; BSG 10, 218, 221; 12, 65, 67). Gegen einen solchen Verwaltungsakt könnten die in ihren katasterrechtlichen Belangen unmittelbar betroffenen gewerblichen BGen - hier die Beigeladene zu 3) - die Aufhebungsklage (§§ 51 Abs. 1, 54 Abs. 1 SGG) erheben, wobei es nicht darauf ankäme, ob der Verwaltungsakt ausdrücklich an sie gerichtet ist (BSG 15, 118, 122). Ergeht nun eine solche verwaltungsmäßige Regelung, während ein Feststellungsklageverfahren gerade über die hernach im Verwaltungsakt geregelte Streitfrage anhängig ist, durch eine an diesem Verfahren bis dahin nicht beteiligte Behörde, so kann dies nach Meinung des Senats nicht bewirken, daß das Eingreifen der Verwaltung ohne weiteres den Gang des gerichtlichen Verfahrens von seinem Ziel ablenkt. Vielmehr ist bei dieser Prozeßlage anzunehmen, daß der anhängige Rechtsstreit sich nunmehr auch auf die Frage erstreckt, ob das Eingreifen der Verwaltung rechtmäßig ist; diese Frage muß einheitlich mit dem anhängigen Feststellungsbegehren beurteilt und entschieden werden. Für diese Ansicht spricht auch eine konsequente Handhabung des - bei Feststellungsklagen unzweifelhaft geltenden - Grundsatzes (vgl. BSG 8, 108, 111), daß das Gericht seiner Urteilsfindung die materielle Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zugrunde zu legen hat; eine Verwaltungsmaßnahme, welche sich als Vollzug des noch zu berücksichtigenden neuen Rechts bezeichnet, muß folgerichtig der gerichtlichen Beurteilung gleichfalls zugänglich sein. Das in den Anträgen der Beteiligten bisher zum Ausdruck gelangte reine Feststellungsbegehren ist nunmehr in einen verbundenen Aufhebungs- und Feststellungsantrag umzudeuten, wie es auch im vorliegenden Fall hinsichtlich des Berufungsantrags der Beigeladenen zu 3) angebracht gewesen wäre. Die Verwaltungsbehörde, die durch ihre Maßnahme in das streitbefangene Rechtsverhältnis eingegriffen hat, ist selbstverständlich - entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung - gemäß § 75 Abs. 2 SGG beizuladen.

Das LSG hat diese verfahrensrechtlichen Zusammenhänge verkannt. Das angefochtene Urteil ist deshalb, soweit es sich mit dem von der Beigeladenen zu 3) gestellten Antrag befaßt, aufzuheben. Eine Sachentscheidung durch den erkennenden Senat kommt schon wegen der bisher noch ausstehenden Beiladung des Bremischen Senators für die Finanzen nicht in Betracht, vielmehr ist die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Von einer Stellungnahme zur Auslegung des § 657 RVO nF ist abzusehen, zumal im Hinblick darauf, daß dem Senator für die Finanzen bisher noch keine Gelegenheit geboten worden ist, sein Vorgehen zu rechtfertigen und die Erwägungen, die für die Abfassung seines Schreibens vom 5. Februar 1964 maßgebend gewesen sind, dem Gericht zu erläutern. Da die Beigeladene zu 3) ihren Zuständigkeitsanspruch auf die Zeit vom 1. April 1964 (Art. 4 § 16 Abs. 1 Satz 2 UVNG) an beschränkt hat, erscheint an sich ein Eingehen auf die bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Rechtslage entbehrlich. Lediglich unter dem Gesichtspunkt der Rechtsentwicklung bis zum UVNG könnte eine Auslegung des RAM-Erlasses vom 16. März 1942 angebracht sein. Hierbei wird das LSG zu beachten haben, daß die von ihm im angefochtenen Urteil vertretene Auffassung von der Rechtsprechung des erkennenden Senats abweicht (vgl. Urteil vom 26. Juli 1963, SozR RAM-Erl. vom 16.3.1942, (Gemeindliche UV) Allg. Bl. Aa 3 Nr. 4).

Bei der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung hat der Senat berücksichtigt, daß die Revision der Beklagten ohne Erfolg geblieben ist. Soweit der Rechtsstreit zurückverwiese worden ist, bleibt die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens dem abschließenden Urteil des LSG vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380481

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