Entscheidungsstichwort (Thema)

Sperrzeit. Ablehnung einer mit einem Tabu behafteten Arbeit. Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung. wichtiger Grund für Arbeitsablehnung

 

Orientierungssatz

1. Dem Schutzbereich der Gewissensfreiheit (Art 4 Abs 1 GG) unterfällt neben der Gewissensbildung auch die Gewissensbetätigung (Festhaltung an BSG vom 18.2.1987 - 7 RAr 72/85 = BSGE 61, 158 = SozR 4100 § 119 Nr 30).

2. Die im Rahmen von § 119 Abs 1 S 1 AFG zu beachtende verfassungsrechtlich geschützte Gewissensposition des Arbeitslosen kann jedoch eine zusätzliche Belastung der Versichertengemeinschaft nur dann rechtfertigen, wenn bei der gebotenen Rechtsgüterabwägung der Gewissensposition des Arbeitslosen ein höheres Gewicht zukommt als der Funktionsfähigkeit des Systems, in dem Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gewährt werden. Die Funktionsfähigkeit dieses Systems zu gewährleisten, entspricht einem sozialstaatlichen und damit mit Verfassungsrang ausgestatteten Gebot, so daß deren Rechtswert wegen der Einheit der Verfassung imstande ist, auf der Folgenseite der Wahrnehmung selbst uneinschränkbarer Grundrechte belastende Grenzen zu ziehen (vgl BSG vom 23.6.1982 - 7 RAr 89/81 = BSGE 54, 7, 11 = SozR 4100 § 119 Nr 19).

3. Die Sperrzeitregelung des § 119 Abs 1 AFG bietet grundsätzlich die Gewähr, daß ein Mißbrauch von Gewissenspositionen abgewehrt werden kann, ohne hierbei Verhaltensalternativen zu verschließen, die der Gewissensentscheidung des Einzelnen Raum lassen.

4. Die Berufung auf Art 4 Abs 1 GG genießt uneingeschränkten Vorrang dort, wo die Aufnahme einer angebotenen Arbeit objektiv nicht nur die Möglichkeit einer ständigen Gewissensverletzung in sich birgt, sondern sie diese unmittelbar konterkarieren muß, der Gegensatz also jedermann ohne weiteres einleuchtend auf der Hand liegt. Eine solche Sachlage ist gegeben, wenn ein Sinti in einer mit einem Tabu behafteten Einrichtung (hier: Altenpflegeheim, das ursprünglich als Krankenhaus genutzt worden ist) tätig werden soll.

 

Normenkette

AFG § 119 Abs 1 S 1 Nr 2; GG Art 4 Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Bremen (Entscheidung vom 17.10.1985; Aktenzeichen L 5 Ar 8/85)

SG Bremen (Entscheidung vom 11.01.1982; Aktenzeichen S 17 Ar 205/80)

 

Tatbestand

Im Streit ist, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) wegen des Eintritts einer zweiten Sperrzeit erloschen ist.

Der 1935 geborene Kläger, ein Analphabet, ist Sinto. Nachdem er zunächst zehn Jahre als selbständiger Schrotthändler tätig war, arbeitete er vom 28. Juli bis 23. Oktober 1971 als Bauwerker. Im Anschluß daran bezog er seit Oktober 1971 mit Unterbrechungen Alhi. Mit dem bindend gewordenen Bescheid vom 29. Juni 1973 stellte die Beklagte den Eintritt einer vierwöchigen Sperrzeit vom 7. Juni bis 4. Juli 1973 fest. Für die Zeit danach bewilligte die Beklagte erneut Alhi, zuletzt aufgrund des Bescheides vom 19. November 1979 bis zum 18. November 1980, dem Ende des Bewilligungsabschnittes. In der Zeit vom November 1973 bis September 1979 wies die Beklagte dem Kläger insgesamt elf Arbeitsstellen nach. Zu einer Arbeitsaufnahme kam es nicht.

Am 18. Juli 1980 wurde dem Kläger eine Arbeit als Wegebauarbeiter in einem Altenheim, das früher ein Krankenhaus war, bei der Beigeladenen zu 1) zum 1. August 1980 angeboten. Der Kläger trat diese Arbeit nicht an. Er begründete dies mit fehlender Arbeitskleidung und verblieb auch dabei, nachdem ihm eine Eingliederungsbeihilfe und ein Gutschein für Arbeitskleidung bewilligt worden war, die er zurückgab. Mit Bescheid vom 8. August 1980 stellte die Beklagte daraufhin den Eintritt einer zweiten Sperrzeit von vier Wochen fest und hob die bisherige Leistungsbewilligung mit Wirkung vom 2. August 1980 auf. Der hiergegen gerichtete Widerspruch, in dem der Kläger erstmalig darauf hinwies, daß er nach den Sippenbestimmungen der Sinti die angebotene Arbeit nicht annehmen dürfe, da es sich um Tätigkeiten in einem ehemaligen Krankenhaus handele, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16. September 1980).

Durch Urteil vom 11. Januar 1982 hat das Sozialgericht (SG) die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe einen wichtigen Grund gehabt, die ihm angebotene Arbeit abzulehnen. Nach den ungeschriebenen Gesetzen der Sinti sei ua der Bereich der medizinischen Versorgung tabuisiert. Dieses Tabu habe der Kläger nicht durch Annahme der angebotenen Arbeit verletzen dürfen. Mit der Befolgung dieser sittlichen Verpflichtung habe er eine Gewissensentscheidung getroffen, die gemäß Art 4 Abs 1 Grundgesetz (GG) verfassungsrechtlichen Schutz genieße. Den Kläger treffe kein Verschulden von der Ablehnung des Arbeitsangebots. Er stehe dem Arbeitsmarkt auch weiter zur Verfügung.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 17. Oktober 1985 das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat dazu ausgeführt: Gemäß § 134 Abs 2 Satz 1 iVm § 119 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der hier maßgeblichen, bis zum 31. September 1981 geltenden Fassung (aF) erlösche der Anspruch auf Alhi bei Eintritt einer zweiten vierwöchigen Sperrzeit, wenn der Arbeitslose bereits früher Anlaß für den Eintritt einer vierwöchigen Sperrzeit gegeben und hierüber einen schriftlichen Bescheid erhalten habe. Der Eintritt der ersten vierwöchigen Sperrzeit stehe durch den bindend gewordenen Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 1973 fest. Das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem ihm am 18. Juli 1980 unterbreiteten Angebot als Wegebauarbeiter habe den Tatbestand einer Sperrzeit nach § 119 Abs 1 AFG erfüllt. Ob der Kläger Anlaß für eine Sperrzeit nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 oder Nr 2 AFG gegeben habe, könne offen bleiben. Gehe man davon aus, daß zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) ein Arbeitsverhältnis begründet worden sei, dann habe der Kläger durch dessen Beendigung den Eintritt einer Sperrzeit nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG aF herbeigeführt, weil er keinen wichtigen Grund zur Rechtfertigung seines Verhaltens gehabt habe. Nach den Meidungsvorschriften der Sinti erfasse die Tabuisierung eines Krankenhauses auch solche Gebäude, die früher als Einrichtungen der Krankenversorgung gedient hätten. Die sich am Tabusystem der Sinti orientierende Entscheidung des Klägers werde grundsätzlich durch Art 4 Grundgesetz (GG) geschützt. Dem Freiheitsrecht des Klägers stehe das verfassungsrechtlich geschützte Gemeinschaftsinteresse an einer funktionsfähigen und finanzierbaren Arbeitslosenversicherung gegenüber. Im Rahmen der vorzunehmenden Güterabwägung gebühre letzterem der Vorrang. Als vorrangige Aufgabe obliege es der Bundesanstalt für Arbeit (BA), durch Vermittlungen ein Ende der Arbeitslosigkeit herbeizuführen. Eine Anerkennung der konkreten Meidungsvorschriften als wichtiger Grund iS von § 119 Abs 1 AFG aF verhindere eine zügige und sachgerechte Vermittlungstätigkeit, da das Arbeitsamt in diesem Fall vor jedem Arbeitsangebot zunächst im Wege einer lokalen Geschichtsforschung feststellen müsse, ob an dem vorgesehenen Arbeitsort eine "unreine" Einrichtung bestanden habe. Eine derartige Erschwerung der Vermittlungstätigkeit schränke die Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung unverhältnismäßig ein. In diesem Zusammenhang sei es ohne Bedeutung, ob der Anspruchsteller Alhi oder eine beitragsorientierte Leistung der BA begehre.

Sollte zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem Kläger ein Arbeitsvertrag nicht geschlossen worden sein, dann habe der Kläger den Sperrzeittatbestand des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG aF erfüllt. Hiernach sei eine vierwöchige Sperrzeit dann eingetreten, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt angebotene Arbeit nicht angenommen habe, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Einen wichtigen Grund könne der Kläger nach der bereits vorgenommenen Güterabwägung nicht haben. Ob das Arbeitsangebot ausreichend bestimmt gewesen sei, könne dahingestellt bleiben. Der Kläger habe nach Erhalt des Angebots Kontakt mit dem Personalamt aufgenommen, so daß er sich dadurch selbst die Gelegenheit verschafft habe, bisher fehlende Informationen über das Arbeitsangebot zu erhalten. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen P.      stehe fest, daß dem Kläger rechtzeitig auch eine zureichende Rechtsfolgenbelehrung erteilt worden sei. Die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Sperrzeit nach § 119 Abs 2 AFG aF seien nicht gegeben.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 119 AFG und trägt hierzu vor: Entgegen der Auffassung des LSG komme der Sperrzeittatbestand des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG nicht in Betracht, da ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beigeladenen zu 1) nicht bestanden habe. Durch die Ablehnung der angebotenen Arbeit habe er auch keinen Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG gegeben. Es fehle bereits an einer wirksamen Rechtsfolgenbelehrung iS dieser Vorschrift. Sie sei erst erteilt worden, nachdem er seine Verhandlungen mit dem Arbeitgeber aufgenommen und diesem gegenüber das Arbeitsangebot abgelehnt habe. Im übrigen sei sein Verhalten auch gerechtfertigt. Ein Hinwegsetzen über das konkrete Tabu hätte den Verstoß aus der Sippe und eine kritische Bedrohung seiner Identität zur Folge gehabt. Der faktische Zwang zur Annahme der Arbeit beinhalte einen unmittelbaren Eingriff in den Kernbereich seiner durch Art 4 Abs 1 GG geschützten Gewissensposition. Das LSG habe im Rahmen der Güterabwägung unter Verkennung der besonderen Umstände des Einzelfalles dem Interesse der Allgemeinheit den Vorrang eingeräumt. Bereits aus der Schwere des Eingriffs folge, daß den Belangen der Arbeitslosenversicherung der geringere Stellenwert zukomme. Während der Kläger für die gesamte Dauer des eingegangenen Arbeitsverhältnisses in eine Gewissens- und Glaubensnot gerate, erlange die Beklagte nur Einsparungen für die Dauer der Sperrzeit. Zudem hätte eine Nichtbeachtung des Tabusystems der Sinti eine Entfremdung dieser religiösen Minderheit vom Staat zur Folge.

Die Beachtung des vorliegenden Tabus verhindere entgegen der Ansicht des LSG weder beim Kläger noch bei anderen Sinti eine sachgerechte Vermittlung. Das örtliche Arbeitsamt sei über die zur Rede stehenden Tabubestimmungen der Sinti informiert gewesen und habe auch gewußt, daß der Kläger dieser Volksgruppe angehöre. Es hätte auch keiner lokalen Geschichtsforschung bedurft, um festzustellen, ob an dem vorgesehenen Arbeitsplatz in der Vergangenheit eine "unreine" Einrichtung bestanden habe. Bei dem dem Kläger als Arbeitsstätte zugewiesenen Altersheim habe es sich um ein ehemals stadtbekanntes Krankenhaus gehandelt. In Kenntnis dieser Umstände hätte die Beklagte dieses Arbeitsangebot nicht unterbreiten dürfen. Zumindest hätte sie die Sperrzeit nach § 119 Abs 2 AFG auf zwei Wochen herabsetzen müssen. Die Tabubestimmungen der Sinti würden nicht zuletzt aufgrund ihrer Erfahrungen während des "Dritten Reichs" von ihnen geheimgehalten. Aus diesem Grund könne es dem Kläger nicht angelastet werden, daß er seine tatsächlichen Motive erst im Widerspruchsverfahren offenbart habe.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des LSG die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 8. August 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 1980 (§ 95 SGG). Damit hat die Beklagte den Bescheid vom 19. November 1979, mit dem sie dem Kläger weiterhin Alhi bis zum 18. November 1980 bewilligt hatte, mit Wirkung vom 2. August 1980 aufgehoben. Der Kläger wendet sich gegen diesen Bescheid zu Recht mit einer Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG. Die begehrte Aufhebung des angefochtenen Bescheides hätte ohne weiteres zur Folge, daß der Bescheid vom 19. November 1979, mit dem dem Kläger zuvor die Alhi bewilligt worden war, in seiner ursprünglichen Fassung vollinhaltlich wiederhergestellt würde und die Beklagte hieraus zur Zahlung der Alhi auch für die Zeit vom 2. August bis 18. November 1980 verpflichtet wäre (BSGE 48, 33, 34 = SozR 4100 § 44 Nr 19). Das Anfechtungsbegehren des Klägers ist auch begründet. Die Beklagte war entgegen der Ansicht des LSG zur teilweisen Aufhebung ihres Bewilligungsbescheides nicht berechtigt.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung ist § 151 Abs 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1980 geltenden Fassung. Hiernach sind Entscheidungen, durch die Leistungen nach dem AFG bewilligt worden sind, insoweit aufzuheben, als die Voraussetzungen für die Leistungen nicht mehr vorliegen oder weggefallen sind. Der § 151 Abs 1 AFG ist in dieser Fassung im vorliegenden Falle anwendbar geblieben, da er durch das Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - vom 18. August 1980 (BGBl I 1469 -SGB 10-) erst mit Wirkung vom 1. Januar 1981 aufgehoben worden ist, und die an seine Stelle getretenen §§ 45 und 48 SGB 10 nach dessen Art II § 40 Abs 2 Satz 1 erstmals anzuwenden sind, wenn nach dem 31. Dezember 1980 ein Verwaltungsakt aufgehoben wird. Dies hat zur Folge, daß die Rechtmäßigkeit einer vor dem 1. Februar 1981 erfolgten Aufhebung einer Leistungsbewilligung im Rahmen einer Anfechtungsklage nach dem bisherigen Recht zu beurteilen ist (BSG SozR 1300 § 45 Nr 1; SozR 5866 § 12 Nr 6; s. auch die Urteile des Senats vom 14. Juni 1983 - 7 RAr 62/82 - und 22. August 1984 - 7 RAr 46/84 -). Die Beklagte wäre daher zur Aufhebung der Leistungsbewilligung befugt gewesen, wenn das Verhalten des Klägers anläßlich des Arbeitsangebotes im Juli 1980 zum Eintritt einer Sperrzeit geführt hätte, wodurch der bisherige Alhi-Anspruch ganz oder teilweise nicht mehr bestand. Eine solche Rechtsfolge hat dieses Verhalten des Klägers jedoch nicht ausgelöst. Die Voraussetzungen des § 119 Abs 1 Nr 1 und 2 und seines Absatzes 3 iVm § 134 Abs 2 Satz 1 AFG in der hier noch anzuwendenden ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 1979, die insoweit in Betracht kommen, liegen hier nicht vor.

Hiernach tritt eine Sperrzeit von vier Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis gelöst oder, was hier nicht einschlägig ist, durch ein vertragswidriges Verhalten Anlaß für die Kündigung des Arbeitgebers gegeben hat und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (§ 119 Abs 1 Nr 1), oder trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt angebotene Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten hat (§ 119 Abs 1 Nr 2), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Alhi. Hat der Arbeitslose nach der Entstehung des Anspruchs bereits einmal Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen gegeben und hat er hierüber einen schriftlichen Bescheid erhalten, so erlischt, wenn er erneut für den Anlaß einer Sperrzeit von vier Wochen gibt, der ihm noch zustehende Anspruch auf Alhi.

Ob zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, das der Kläger gelöst hat, wovon das LSG in erster Linie ausgeht, kann hier dahingestellt bleiben. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde hier die Regelung des § 119 Abs 1 Nr 2 Alternative 2 AFG in Betracht kommen. Der Kläger hat nämlich auf jeden Fall eine vom Arbeitsamt angebotene Arbeit nicht angetreten. Insoweit ist diese Bestimmung lex specialis im Verhältnis zu § 119 Abs 1 Nr 1 AFG. Deshalb war auch insoweit eine Belehrung über die Rechtsfolgen bei Nichtantritt der Arbeit im Zusammenhang und in Verbindung mit dem Arbeitsangebot erforderlich. Ob diese Belehrung ordnungsgemäß erfolgt ist, kann indes dahinstehen. Eine Sperrzeit ist auf jeden Fall deshalb nicht eingetreten, weil der Kläger einen wichtigen Grund für sein Verhalten hatte, was im übrigen auch für den Fall gelten würde, daß der Kläger ein Arbeitsverhältnis mit der Beigeladenen zu 1) gemäß § 119 Abs 1 Nr 1 AFG gelöst hätte. Die Beklagte und mit ihr das LSG haben bei der Auslegung und Anwendung des Begriffes des wichtigen Grundes den Bestand und die Reichweite des Grundrechts auf Gewissensfreiheit und seine spezielle Ausgestaltung in Art 4 GG nicht hinreichend berücksichtigt.

Der Begriff des wichtigen Grundes ist in § 119 Abs 1 AFG nicht näher erläutert worden. Er folgt aus dem Zweck der Bestimmung. Die Sperrzeitregelung will die Gemeinschaft der Beitragszahler davor schützen, daß Anspruchsberechtigte das Risiko ihrer Arbeitslosigkeit manipulieren, andererseits gibt es Lebenssachverhalte, die eine Nichtannahme der Arbeit als gerechtfertigt erscheinen lassen. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll eine Sperrzeit allgemein nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden kann (vgl Bericht der Abgeordneten Porten und Jaschke zum AFG- Entwurf, zu BT-Drucks V/4110 S 20 f).

Die Auslegung und Anwendung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "wichtiger Grund" in § 119 Abs 1 Satz 1 AFG muß mit vorrangigem Verfassungsrecht vereinbar sein. Insbesondere die Grundrechte und die in ihnen zum Ausdruck kommende Wertordnung sind zu beachten, mithin auch die einen verfassungsrechtlichen Schutz genießenden persönlichen Bindungen und Positionen (BSGE 51, 70, 72 = SozR 4100 § 119 Nr 13; BSGE 54, 7, 8 = SozR 4100 § 119 Nr 19; BSGE 61, 158, 161 = SozR 4100 § 119 Nr 30). Die vom Arbeitsamt angebotene Arbeit muß deshalb unter Berücksichtigung dieser persönlichen Verhältnisse zumutbar sein. Zu den im Rahmen der Sperrzeitregelung zu beachtenden persönlichen Verhältnissen gehört damit ua die von Art 4 Abs 1 GG für unverletzlich erklärte Freiheit des Gewissens. Nach zutreffender Ansicht gewährleistet Art 4 Abs 1 GG auch ein allgemeines Recht auf Verwirklichung von Gewissensentscheidungen. In Übereinstimmung mit der überwiegenden Ansicht in der Literatur ist der Senat der Auffassung, daß dem Schutzbereich der Gewissensfreiheit neben der Gewissensbildung auch die Gewissensbetätigung unterfällt, was er bereits in seinem Urteil vom 18. Februar 1987 - 7 RAr 77/85 - ausgeführt hat (BSGE 61, 158, 162 ff = SozR 4100 § 119 Nr 30). An dieser Entscheidung hält der Senat fest, da die Freiheit einer internen Gewissensentscheidung letztlich nur dann wirklich gewährleistet ist, wenn sie die Möglichkeit gewissensgebundenen Verhaltens mit einschließt.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die insoweit nicht angegriffen worden und daher für das Revisionsgericht bindend sind (§ 163 SGG), hat der Kläger die angebotene Beschäftigung als Wegebauarbeiter im Altenpflegeheim letztlich deshalb abgelehnt, weil er dort nach den Sippenbestimmungen der Sinti nicht arbeiten durfte. Nach den Tabubestimmungen seiner Gemeinschaft hat er ein Altenpflegeheim, das ursprünglich als Krankenhaus genutzt worden ist, zu meiden. Der vorgesehene Tätigkeitsbereich der angebotenen Beschäftigung umfaßte nicht nur die Pflege der Außenanlagen des Altenheimes, sondern auch Arbeiten im ehemaligen Krankenhaustrakt.

Zu den traditionellen Kulturelementen, die auch heute noch von den Zigeunern gepflegt werden, gehört, wie das LSG unangegriffen festgestellt hat, die Beachtung von Tabus. Hierbei handelt es sich um ungeschriebene Vorschriften, mit denen die Ausübung bestimmter Handlungen vermieden werden soll. Diese Meidungsvorschriften durchziehen den gesamten Lebensbereich der Zigeuner. Die Übertretung eines Tabus hat die Unreinheit der betreffenden Person zur Folge und führt zur sozialen Ächtung, sofern die Unreinheit vom Rechtsprecher der Sippe festgestellt wird. Wie das LSG festgestellt hat, beschränkt sich die Tabuisierung eines Krankenhauses nicht nur auf bestehende Einrichtungen, sondern erfaßt auch solche Gebäude, die früher als Einrichtungen der Krankenversorgung dienten. Eine Annahme der angebotenen Arbeit hätte daher für den Kläger für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses einen nicht auflösbaren Konflikt mit dem Wertesystem der Sinti verursacht. Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger dieses Tabusystem wegen der weitreichenden Folgen im Falle einer Überschreitung auch für sich als verpflichtend angesehen, so daß an der Ernstlichkeit seiner Gewissensposition keine Zweifel bestehen. Eine Aufnahme der Arbeit hätte daher das Grundrecht des Klägers auf Verwirklichung der Gewissensfreiheit verletzt. Hierbei ist es ohne Belang, wie der Senat bereits klargestellt hat, ob der Kläger in seiner Gewissensfreiheit in einem Kern- oder Randbereich betroffen ist. Angesichts der Besonderheit des Gewissensphänomens kann jedes Verhalten, sofern es die Integrität oder Identität der Persönlichkeit kritisch betrifft, wegen der Kontrollfunktion des Gewissens gewissensrelevant werden (vgl von Mutius, ZSR 1983, 663, 678).

Die im Rahmen von § 119 Abs 1 Satz 1 AFG zu beachtende verfassungsrechtlich geschützte Gewissensposition des Klägers kann jedoch eine zusätzliche Belastung der Versichertengemeinschaft nur dann rechtfertigen, wenn bei der gebotenen Rechtsgüterabwägung der Gewissensposition des Klägers ein höheres Gewicht zukommt als der Funktionsfähigkeit des Systems, in dem Alg und Alhi gewährt werden. Die Funktionsfähigkeit dieses Systems zu gewährleisten, entspricht einem sozialstaatlichen und damit mit Verfassungsrang ausgestatteten Gebot, so daß deren Rechtswert wegen der Einheit der Verfassung imstande ist, auf der Folgenseite der Wahrnehmung selbst uneinschränkbarer Grundrechte belastende Grenzen zu ziehen (vgl BVerfG in SozR 4100 § 119 Nr 22; BSGE 54, 7, 11 = SozR 4100 § 119 Nr 19). Zutreffend hat das LSG erkannt, daß die Belange der Arbeitslosenversicherung i.w.S. auch bei dem hier streitigen Anspruch auf Alhi betroffen sind. Zwar wird die Alhi im Gegensatz zum Alg nicht aus Beitrags-, sondern aus Steuermitteln finanziert. Für beide Leistungsarten gilt jedoch gleichermaßen, daß das Interesse derjenigen, die Mittel dafür aufbringen, an einer möglichst raschen Entlastung von den finanziellen Folgen der Arbeitslosigkeit erheblich beeinträchtigt wäre, wenn der Arbeits- lose seine Arbeitsbereitschaft derart einschränken könnte, daß jedwede Berührung der angebotenen Arbeit mit seiner gewissensorientierten Grundhaltung ausgeschlossen ist. Nicht zuletzt im Interesse der betroffenen Alhi-Empfänger hat die Beklagte nach Lage des Einzelfalles durch Umschulungs- und Arbeitsbeschaffungs- maßnahmen die längerfristigen Arbeitslosen in den Arbeitsprozeß wieder einzugliedern. Die hierbei entstehenden Kosten trägt die Solidargemeinschaft direkt, die Aufwendungen für die Alhi über die von ihr erbrachten Steuern zumindest mittelbar.

Das LSG hat die bestehende Konfliktlage zwischen den verfassungsrechtlich geschützten Interessen des Klägers und den ebenso mit Verfassungsrang ausgestatteten Belangen der Solidargemeinschaft zu Unrecht zu Lasten des Klägers gelöst. Zwar hat der Senat bereits entschieden, daß das Institut der Sperrzeit bei dem Eintritt einer Sperrzeit von acht Wochen wegen der Lösung eines Arbeitsverhältnisses aus Gewissensgründen generell geeignet ist, den Konflikt zwischen der Gewissensfreiheit und den Belangen der Solidargemeinschaft verfassungskonform aufzulösen (BSGE 61, 158, 166 = SozR 4100 § 119 Nr 30). Die Sperrzeitregelung des § 119 Abs 1 AFG bietet grundsätzlich die Gewähr, daß ein Mißbrauch von Gewissenspositionen abgewehrt werden kann, ohne hierbei Verhaltensalternativen zu verschließen, die der Gewissensentscheidung des einzelnen Raum lassen. Durch den Eintritt einer Sperrzeit nach § 119 Abs 1 AFG wird der Betroffene nicht final, sondern lediglich mittelbar in seiner freiheitlichen Gewissensverwirklichung betroffen. Dem Arbeitnehmer verbleibt die reale Möglichkeit, entsprechend seinem Gewissen zu handeln, ohne hierbei existenzgefährdende Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Die Berufung auf das Grundrecht des Art 4 Abs 1 GG liefert dem Arbeitnehmer im allgemeinen keinen Grund, seinen Arbeitsplatz folgenlos aufzugeben. Dies gilt gleichermaßen bei der Nichtannahme oder Ablehnung einer vom Arbeitsamt angebotenen Arbeit aus Gewissensgründen. Die generelle Konkordanzprüfung bei einer Sperrzeit nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG kann zu keinem anderen Ergebnis führen als zu einer generellen Güterabwägung im Rahmen des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG, da die Folgen in beiden Fällen nach dem hier anzuwendenden Recht für den Betroffenen identisch sind. Wegen der sachgerechten Belange der Gemeinschaft ist daher dem Arbeitslosen unter wenigstens zeitweiser Zurückstellung seiner eigenen Interessen grundsätzlich ein anderes Verhalten zumutbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie hier beim Kläger - eine Vielzahl von Arbeitsvermittlungsversuchen erfolglos geblieben sind und die Arbeitslosigkeit bereits über einen mehrjährigen Zeitraum Bestand hatte.

In der Literatur ist hiergegen eingewendet worden, daß die Verhängung einer Sperrzeit zur Auflösung des Konflikts zwischen Gewissensfreiheit und den schutzwürdigen Belangen der Solidargemeinschaft aufgrund des zu beachtenden Toleranzgebots und des Übermaßverbots nur als ultima ratio in Betracht komme (vgl Pitschas NJW 1984, 889, 895; Mayer ArbuR 1985, 105, 112). Vorrangig sei die Problemlage durch die Vermittlung von Tätigkeiten zu lösen, bei denen nicht die Gefahr einer Kollision mit der speziellen Gewissensentscheidung bestehe. Ergebe sich, daß dem Betroffenen wegen seines gewissensorientierten Verhaltens eine seinen früheren beruflichen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende Beschäftigung nicht vermittelt werden könne, sei ihm auch eine Annahme einer Tätigkeit unterhalb seiner Qualifikationsstufe zumutbar. Diese Ansicht übersieht, daß derartige Handlungsalternativen dann regelmäßig nicht in Betracht kommen, wenn der Arbeitslose bereits der untersten beruflichen Qualifikationsstufe angehört und dem Arbeitsamt nur Vermittlungsangebote zur Verfügung stehen, die eine Berührung mit der speziellen Gewissensentscheidung nicht ausschließen. Vorliegend kann es jedoch dahinstehen, ob die Verhängung einer Sperrzeit dann ausgeschlossen ist, wenn die Beklagte es im Rahmen ihrer gesamten Vermittlungstätigkeit versäumt hat, von vornherein ihre Stellenangebote auf möglichst konfliktfreie Arbeitsplätze auszurichten bzw nach derartigen Angeboten Ausschau zu halten. Diese Handlungsalternative entfällt immer dann, wenn der Betroffene hierbei nicht angemessen mitgewirkt hat. Ein derartiger Sachverhalt liegt hier vor. Der Kläger hat auf das bestehende Tabu erst im Widerspruchsverfahren hingewiesen, so daß die Beklagte keine Möglichkeit hatte, den Gewissensnotstand des Klägers im Rahmen ihrer Vermittlungstätigkeit zu berücksichtigen.

Der Grundsatz, daß im allgemeinen das Grundrecht aus Art 4 Abs 1 GG hinter die dem Arbeitslosen im Gemeinschaftsinteresse abzufordernde Pflicht zur Entlastung der Solidargemeinschaft zurücktritt, gilt allerdings nicht ausnahmslos. Im Einzelfall kann die Würdigung eines Gewissenskonflikts zwischen der Annahme oder Nichtannahme eines Arbeitsangebots mit den Belangen der Versichertengemeinschaft dazu führen, daß letztere ohne weiteres zurückzutreten haben. Dies ist dann der Fall, wenn der feststehende Grund der Gewissensentscheidung unmittelbar im diametralen Gegensatz zu dem durch den Arbeitsinhalt der angebotenen Arbeit angesonnenen Verhalten des Arbeitslosen stehen muß oder steht. Die Berufung auf Art 4 Abs 1 GG genießt uneingeschränkten Vorrang dort, wo die Aufnahme einer angebotenen Arbeit objektiv nicht nur die Möglichkeit einer ständigen Gewissensverletzung in sich birgt, sondern sie diese unmittelbar konterkarieren muß, der Gegensatz also jedermann ohne weiteres einleuchtend auf der Hand liegt.

Eine solche Sachlage ist gegeben, wenn ein Sinto - wie der Kläger - in einer mit einem Tabu behafteten Einrichtung tätig werden soll. Während der täglichen Arbeit wäre der Kläger gezwungen gewesen, das Tabu seiner Gemeinschaft fortwährend zu überschreiten. Bei einer Arbeit in den Parkanlagen und dem ehemaligen Krankenhaus hätte der Kläger nach außen hin sichtbar die Tabuvorschriften durchbrochen. Da auch der Beachtung des Rechtsprechersystems der Sinti eine unverändert hohe Verbindlichkeit zukommt, hätte sich der Kläger der Gefahr ausgesetzt, für unrein erklärt zu werden und als Folge hiervon aus seiner Gemeinschaft zumindest zeitweise ausgeschlossen zu werden. Gerade bei der Personengruppe der Sinti, die in der Vergangenheit zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt waren, ist der Rückhalt durch die Gemeinschaft für die Bewahrung der persönlichen Identität von großer Bedeutung. Ohne die Gefahr einer Destabilisierung seiner Persönlichkeit wäre dem Kläger eine Aufnahme der angebotenen Tätigkeit somit nicht möglich gewesen.

Entgegen der Ansicht des LSG war daher die Annahme der angebotenen Arbeit für den Kläger nicht zumutbar. Die Gründe, aus denen sich das LSG dazu veranlaßt gesehen hat, die Güterabwägung zu Ungunsten des Klägers zu treffen, vermögen nicht zu überzeugen. Zwar sollte die Beklagte einem Stellenbewerber, sofern seine Gewissensposition bekannt und nicht rechtsmißbräuchlich ist, möglichst von vornherein einen konfliktfreien Arbeitsplatz anbieten. Das Arbeitsamt ist jedoch vor einem Arbeitsangebot iS von § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG nicht verpflichtet, von Amts wegen die besonderen Umstände aufzuklären, die nach Lage des Falles einer Aufnahme der Arbeit entgegenstehen, soweit die Einschränkungen aus einer Gewissensentscheidung herrühren. Ob der Betroffene durch die Ausführung einer speziellen Tätigkeit in seiner freiheitlichen Gewissensverwirklichung betroffen ist, unterliegt letztlich seiner individuellen Einschätzung. Die Beklagte ist deshalb auch grundsätzlich nicht in der Lage, die Entscheidungsgrundlagen für diese höchstpersönliche Entscheidung zu ermitteln. Im vorliegenden Fall oblag es daher dem Kläger, sich über mögliche Konfliktursachen beim Arbeitgeber zu informieren. Im übrigen werden derartige Praktikabilitätserwägungen dem hohen Rang des Grundrechts aus Art 4 Abs 1 GG nicht gerecht. Es wäre zudem auch fraglich, ob die vom LSG für erforderlich gehaltenen Ermittlungen des Arbeitsamtes aufgrund der geringen Anzahl abhängig beschäftigter Sinti geeignet wären, die Vermittlungstätigkeit der Beklagten in einem nennenswerten Umfang zu behindern.

Die Interessen der Versichertengemeinschaft an einer möglichst schnellen Eingliederung des Arbeitslosen sind im konkreten Fall auch durch die eingeschränkte Verfügbarkeit des Klägers nicht wesentlich beeinträchtigt. Jedenfalls hat der Kläger seine Arbeitsbereitschaft nicht in der Weise eingeschränkt, die bei einer Beurteilung seiner allgemeinen (subjektiven) Verfügbarkeit grundsätzlich entgegenstünde (vgl SozR 4100 § 119 Nr 12). Die Beklagte hat dem Kläger von 1973 bis 1979 elf verschiedene Arbeitsangebote erteilt, bei denen der Kläger sich in keinem Fall auf eine kritische Bedrohung seiner Identität berufen hat. Zudem gehörte er als ungelernter Arbeiter der niedrigsten Qualifikationsstufe an und ist daher in einem weiten Umfang einsetzbar. Anhaltspunkte dafür, daß der Arbeitsmarkt für den Kläger wegen seiner traditionellen Wertvorstellung praktisch verschlossen ist, sind nicht ersichtlich. Daß dem Kläger im Juli 1980 ua auch wegen der besonderen Lage des Arbeitsmarktes eine andere geeignete Arbeit nicht zur Verfügung stand, kann eine Zurückdrängung des Grundrechts aus Art 4 Abs 1 GG nicht rechtfertigen.

Die Revision des Klägers erweist sich aus diesen Gründen als begründet. Das LSG hätte die Berufung der Beklagten zurückweisen müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1664164

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