Entscheidungsstichwort (Thema)

Namentliche Überweisung auf einen bestimmten Arzt. Beschränkung der Beteiligung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Beschränkung der Beteiligung eines Krankenhausarztes an der kassenärztlichen Versorgung auf Fälle der namentlichen Überweisung.

 

Orientierungssatz

1. Die Beschränkung bei der Überweisung auf einen bestimmten namentlich genannten Arzt ist nur zu vertreten, wenn dieser Arzt als einziger für die Leistung in Betracht kommt. Stehen dafür mehrere Ärzte zur Verfügung, so darf die Überweisung nicht ohne Einvernehmen mit dem Patienten auf einen Arzt beschränkt werden.

2. Dem Recht auf freie Arztwahl würde es regelmäßig widersprechen, wenn die für bestimmte Leistungen iS des § 368a Abs 8 RVO notwendige Beteiligung des Krankenhausarztes auf Fälle der namentlichen Überweisung beschränkt würde.

3. Eine Beschränkung der Beteiligungen zur konsiliarischen Beratung und nach § 29 Abs 2 Buchst d ZO-Ärzte auf namentliche Überweisungen ist regelmäßig zulässig. Dem ratsuchenden Arzt muß die Möglichkeit gegeben werden, den Konsiliararzt auszuwählen, und es ist gerechtfertigt, in diesem besonderen Fall dem Bedarf des Arztes den Vorrang einzuräumen vor der freien Arztwahl des Patienten.

4. Bei der Beteiligung zur ambulanten Nachbehandlung nach einer stationären Krankenhausbehandlung entspricht die Beschränkung auf Fälle der namentlichen Überweisung dem Erfordernis des Einvernehmens mit dem behandelnden Kassenarzt (§ 29 Abs 2 Buchst d ZO-Ärzte).

 

Normenkette

RVO § 368a Abs 8; ZO-Ärzte § 29 Abs 2 Buchst d; RVO § 368d Abs 1 S 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 21.08.1985; Aktenzeichen L 7 Ka 1539/84)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 04.07.1984; Aktenzeichen S 5 Ka 101/81)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte zu Recht die Beteiligung des Klägers auf Fälle der namentlichen Überweisung beschränkt hat.

Der Kläger ist seit 1969 Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des -Krankenhauses in L.. Am 10. Juni 1969 wurde er widerruflich für Überweisungsfälle gemäß § 29 Abs 2 der Zulassungsordnung für Kassenärzte (ZO-Ärzte) vom 28. Mai 1957 (BGBl I 572 und 608) an der kassenärztlichen Versorgung beteiligt. Der Zulassungsausschuß verlängerte mit Beschluß vom 3. Juni 1980 die Beteiligung bis zum 30. September 1981, und zwar für persönlich zu erbringende Leistungen nach § 29 Abs 2 Buchst a bis d ZO-Ärzte auf namentliche Überweisung durch Kassenärzte. Den Widerspruch wies der Beklagte zurück und führte aus, zwischenzeitlich habe sich in L. ein Chirurg in freier Praxis niedergelassen. Damit sei die quantitative Versorgung der Bevölkerung auf chirurgischem Gebiet ausreichend gesichert; wenn daher Leistungen des Klägers im Rahmen seiner Beteiligung in Anspruch genommen werden sollten, mache dies die namentliche Überweisung an ihn erforderlich (Beschluß vom 16. September 1981). Mit der Klage macht der Kläger geltend, die generelle Beschränkung auf namentliche Überweisung widerspreche der Vorschrift des § 19 Abs 4 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä), nach der auf dem Überweisungsschein in der Regel nur das betreffende Fachgebiet und nicht der Name des Arztes eingetragen werden dürfe. Der Zulassungsausschuß verlängerte mit Beschluß vom 27. April 1982 die Beteiligung des Klägers auf namentliche Überweisung bis zum 30. September 1983 in folgendem Umfang:

gem. §§29 (2) b ZO

- konsiliarische Beratung eines Kassenarztes

in der Behandlung, abzurechnen nach den

Nrn 1, 15, 65 bzw 65 a und ggf 800 BMÄ '78

gem. §§29 (2) c ZO

- Durchführung besonderer Untersuchungs- und

Behandlungsmethoden, eingeschränkt auf:

1. ambulant erstversorgte Knochenbrüche,

bei denen eine Reposition erforder-

lich war, oder ähnlich schwierige

chirurgische Krankheitsbilder

2. endoskopische Untersuchungen

BMÄ '78 Nrn.:

des Magens 682, 683

des Enddarms 690

gem. §§29 (2) d ZO

- ambulante Nachbehandlung nach einer stationären

Krankenhausbehandlung im Einvernehmen

mit dem behandelnden Kassenarzt,

eingeschränkt auf schwierige chirurgische

Eingriffe.

Eine weitere Verlängerung der Beteiligung bis zum 30. September 1985 bei gleichem Inhalt wie bisher beschloß der Zulassungsausschuß am 10. Mai 1983. Er hob mit Beschluß vom 7. Mai 1985 die in seinen vorangegangenen Beschlüssen ausgesprochene Befristung auf und sprach erneut eine Beteiligung im bisherigen Umfang aus.

Das Sozialgericht (SG) hat die auf Aufhebung der Beschränkungen der Beteiligung gerichtete Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG abgeändert und die Beschlüsse des Zulassungsausschusses vom 27. April 1982, 10. Mai 1983 und 7. Mai 1985 insoweit aufgehoben, als der Umfang der Beteiligung des Klägers nach § 29 Abs 2 Buchst a, c und d im Streit stehe; es hat den Beklagten verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. In den Gründen hat das LSG ausgeführt, das Urteil des SG sei ebensowenig wie die Beschlüsse des Beklagten vom 16. September 1981 sowie die Beschlüsse vom 27. April 1982, 10. Mai 1983 und 7. Mai 1985 aufzuheben, als darin eine Beschränkung der Beteiligung im Rahmen des § 29 Abs 2 Buchst b ZO-Ärzte auf die Ziffern 1, 15, 65, 65a und 800 BMÄ '78 und eine Beschränkung der Beteiligung auf namentliche Überweisung erfolgte. Die Beschränkung auf die genannten Ziffern ergebe sich aus dem Charakter der konsiliarischen Beratung im Rahmen des § 29 Abs 2 Buchst b ZO-Ärzte, ein über den Rahmen der Ziffern 1, 15, 65 BMÄ '78 hinausgehender Umfang würde nicht mehr dem Charakter einer konsiliarischen Beratung entsprechen und darüber hinaus das Subsidiaritätsprinzip der beteiligten Krankenhausärzte gegenüber dem ambulant tätigen Kassenarzt verletzen. Der Beklagte habe auch zu Recht die Beteiligung auf namentliche Überweisung beschränkt. Damit habe er in zulässiger Weise die Kenntnisse und Erfahrungen des Klägers unterstrichen.

Der Kläger hat Revision eingelegt und macht geltend, die Beschränkung der Beteiligung auf namentliche Überweisung sei unzulässig gewesen. Regelmäßig sei die Beteiligung ohne eine solche Beschränkung auszusprechen (vgl BSG, Urteil vom 13. November 1985 - 6 RKa 15/84 - SozR 2200 § 368a Reichsversicherungsordnung -RVO- Nr 13); dies hätten die Zulassungsinstanzen verkannt und daher den ihnen bei der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Bedürfnis" eingeräumten Beurteilungsspielraum fehlerhaft ausgeübt. Das LSG habe hinsichtlich der Einschränkung der Beteiligung zur konsiliarischen Beratung auf die Ziffern 1, 15, 65, 65a und 800 BMÄ '78 das Wesen dieser Beteiligung falsch interpretiert. Unzutreffend seien die Zulassungsinstanzen insoweit nicht von Erwägungen des Bedürfnisses ausgegangen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. August 1985 - L 7 Ka 1539/84 - abzuändern und wie folgt neu zu fassen: Unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt vom 4. Juli 1984 - S 5 Ka 101/81 - werden der Beschluß des Zulassungsausschusses vom 3. Juni 1980 in der Gestalt des Beschlusses des Beklagten vom 16. September 1981 sowie die Beschlüsse des Zulassungsausschusses vom 27. April 1982, vom 10. Mai 1983 sowie vom 7. Mai 1985 auch insoweit aufgehoben, als die Beteiligung des Klägers auf namentliche Überweisung sowie die Beteiligung zur konsiliarischen Beratung auf die Abrechnung der Ziffern 1, 15, 65, 65a und 800 BMÄ '78 beschränkt wurde. Hilfsweise: Unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt vom 4. Juli 1984 wird der Beklagte verurteilt, den Beschluß des Zulassungsausschusses vom 3. Juni 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 1981 sowie die Beschlüsse des Zulassungsausschusses vom 27. April 1982, vom 10. Mai 1983 und vom 7. Mai 1985 insoweit aufzuheben, als darin die Beteiligung des Klägers auf namentliche Überweisung sowie die Beteiligung zur konsiliarischen Beratung auf die Abrechnung der Ziffern 1, 15, 65, 65a und 800 BMÄ '78 beschränkt wurde.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1) bis 7) beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig und teilweise begründet.

Hinsichtlich der Beschränkung der Beteiligung auf namentliche Überweisungen an den Kläger ist die Klage zulässig, und zwar auch soweit sie sich gegen die Beschlüsse vom 27. April 1982, 10. Mai 1983 und 7. Mai 1985 richtet. Sie sind gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden. Dahingestellt kann bleiben, ob diese Vorschrift unmittelbar anzuwenden ist. § 96 SGG wird entsprechend angewendet, wenn im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses weitere Verwaltungsentscheidungen ergehen, die das streitbefangene Rechtsverhältnis für spätere Zeitabschnitte regeln (BSGE 47, 201 mwN). Bei der Beteiligung eines leitenden Krankenhausarztes an der ambulanten kassenärztlichen Versorgung handelt es sich um ein Dauerrechtsverhältnis. Der Senat hat allerdings die entsprechende Anwendung des § 96 SGG wegen der Besonderheiten des Verwaltungsverfahrens zur Beteiligung von Krankenhausärzten eingeschränkt und diese entsprechende Anwendung bei neuen Entscheidungen des Zulassungsausschusses nur dann angenommen, wenn sie vom Berufungsausschuß bestätigt worden sind oder sich im Rahmen der vom Berufungsausschuß getroffenen Regelung halten (Urteil des Senats vom 15. April 1986 - 6 RKa 25/84 -). Mit der Einschränkung der Beteiligung auf Fälle der namentlichen Überweisung in den hier streitigen Bescheiden ist der Zulassungsausschuß im Rahmen der Regelung im Beschluß des Beklagten vom 16. September 1981 geblieben. Er hat seinen Entscheidungen insbesondere auch keinen veränderten Sachverhalt zugrunde gelegt. Ferner ergibt sich eine Abweichung vom Beschluß des Beklagten nicht mittelbar dadurch, daß der Zulassungsausschuß mit den nachfolgenden Beschlüssen den Umfang der Beteiligung im einzelnen wesentlich eingeschränkt und andererseits die Befristung aufgehoben hat. Die Beschränkung auf die Namentlichkeit der Überweisung wird dadurch nicht berührt. Wenn nach dem Beschluß des Beklagten dem Kläger gestattet ist, auf namentliche Überweisung an ihn alle Leistungen gemäß § 29 Abs 2 Buchst a bis d ZO-Ärzte zu erbringen, so liegt es im Rahmen dieser Entscheidung, daß bei Einschränkung des Leistungskatalogs die verbleibenden Leistungen nur auf namentliche Überweisung erbracht werden dürfen. Eine Abweichung vom Beschluß des Beklagten könnte nur hinsichtlich der Beschränkung des Leistungskatalogs nach § 29 Abs 2 Buchst a (gänzlicher Wegfall) sowie Buchst c und d ZO-Ärzte fraglich sein. Darüber hat aber der Senat nicht zu entscheiden, denn das LSG hat die nachfolgenden Beschlüsse des Zulassungsausschusses insoweit einbezogen und hinsichtlich der Regelung des Umfangs rechtskräftig aufgehoben.

Hinsichtlich der Beschränkung der Beteiligung zur konsiliarischen Beratung auf Leistungen nach den Ziffern 1, 15, 65, 65a und 800 BMÄ '78 ist die Klage gegen die Beschlüsse vom 27. April 1982 und die nachfolgenden Beschlüsse des Zulassungsausschusses unzulässig. Zu einer Einbeziehung der Beschlüsse nach § 96 SGG ist es insoweit nicht gekommen. Die Beschlüsse sind nicht vom Beklagten bestätigt worden und haben sich auch nicht im Rahmen der von ihm getroffenen Regelung gehalten (vgl Urteil des Senats vom 15. April 1986 - 6 RKa 25/84 -). Während Gegenstand des durch den Beschluß vom 16. September 1981 abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens eine umfassende Beteiligung nach § 29 Abs 2 Buchst b ZO-Ärzte war, wird die Beteiligung in den folgenden Beschlüssen auf wenige Leistungen beschränkt. Es mag sich zwar bei rechtlicher Prüfung ergeben, daß zur Beteiligung nach § 29 Abs 2 Buchst b ZO-Ärzte ohnehin schon dem Wesen nach nur Leistungen nach den genannten Ziffern des BMÄ '78 gehören. Der Zulassungsausschuß hat aber die Einschränkung auf die Ziffern 1, 15, 65, 65a und 800 BMÄ '78 als bindende Regelung mit Außenwirkung beschlossen. Der nachfolgenden Beschlüsse zu diesem Punkt hätte es nicht bedurft, wenn der zur konsiliarischen Beratung ohne weiteren Zusatz beteiligte Arzt im Rahmen dieser Beteiligung ohnehin nur Leistungen nach den genannten Ziffern erbringen dürfte. Daher kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß der Beklagte schon über die Frage entschieden hat oder daß die späteren Beschlüsse im Rahmen seiner Entscheidung lagen. Der Kläger hat die nachfolgenden Beschlüsse als wesentliche Änderungen seines Beteiligungsrechts angegriffen; dagegen hat der Beklagte nicht vorgebracht, es handele sich gar nicht um eine Änderung. Soweit anzunehmen ist, daß das LSG hinsichtlich der nachfolgenden Bescheide die Klagerweiterung zugelassen hat (§ 99 SGG), fehlt es für die Zulässigkeit der Klage jedenfalls an der Durchführung des Vorverfahrens. Eine Zurückverweisung der Sache an das LSG, damit es Gelegenheit zur Nachholung des Vorverfahrens gebe, ist nicht geboten, denn sie würde einer prozeßökonomischen Abwicklung des Verfahrens widersprechen (vgl Urteil des Senats vom heutigen Tag - 6 RKa 14/86 -).

Die Klage ist hinsichtlich der Beschränkung der Beteiligung auf die Namentlichkeit der Überweisungen begründet. In diesem Punkt ist der Beschluß des Beklagten rechtswidrig und aufzuheben. Der Beklagte ist auf den in der Klage sinngemäß enthaltenen Antrag des Klägers zu verurteilen, über den Widerspruch gegen die Beschlüsse des Zulassungsausschusses neu zu entscheiden.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers, die Beschränkung seiner Beteiligung auf Fälle der namentlichen Überweisung, also den Widerruf der Beteiligung für Fälle der nicht namentlichen Überweisung aufzuheben. Dieser vom Zulassungsausschuß ausgesprochene (teilweise) Widerruf kann rechtswidrig sein. Zulässig ist der Widerruf, wenn die Voraussetzungen die zur Beteiligung geführt haben, nicht mehr vorliegen (§ 29 Abs 5 ZO-Ärzte). Es genügt, wenn im Zeitpunkt des Widerrufs eine ausreichende Versorgung der Versicherten auch ohne den Beteiligten gewährleistet ist (BSG SozR 5520 § 29 ZO-Ärzte Nrn 4 und 5).

Nach § 368a Abs 8 RVO sind leitende Krankenhausärzte auf ihren Antrag an der kassenärztlichen Versorgung unmittelbar oder auf Überweisung durch Kassenärzte zu beteiligen, sofern eine Beteiligung notwendig ist, um eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Vorschrift gewährt dem Krankenhausarzt bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Anspruch auf die Beteiligung, sofern die geforderte Notwendigkeit zur Gewährleistung einer ausreichenden ärztlichen Versorgung der Versicherten gegeben ist (BSG SozR 2200 § 368a RVO Nr 13). Über das Vorliegen der Voraussetzungen im Einzelfall entscheiden die Zulassungsinstanzen. Ihnen steht bei der Feststellung, ob eine Beteiligung notwendig ist, um eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten zu gewährleisten, ein Beurteilungsspielraum zu (BSG SozR 5520 § 29 ZO-Ärzte Nrn 4 und 5). Im Rahmen dieses Spielraums beschränkt sich die Kontrolle der Gerichte darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Zulassungsinstanzen die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten haben und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet haben, daß im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG aaO mwN).

Der Beschluß des Beklagten vom 16. September 1981 genügt diesen Anforderungen nicht. Nach der darin angegebenen Begründung hat der Beklagte den Bedarf nicht für gegeben erachtet, da sich am Ort ein Chirurg in freier Praxis niedergelassen habe. Die Zulassungsinstanzen sind in den angefochtenen Beschlüssen indessen von einem Sachverhalt ausgegangen, den der Kläger bestritten und der vor allem im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht mehr bestanden hat. Unstreitig war einer der im örtlichen Bereich niedergelassenen Chirurgen vor der mündlichen Verhandlung verstorben, und die Stelle war noch nicht wieder besetzt. Das LSG hätte daher, wenn es gerade in diesem Zeitpunkt abschließend in der Sache entscheiden wollte, die Beschlüsse aufheben müssen, damit der Beklagte die Bedarfslage erneut beurteilen konnte. Für die Entscheidung des erkennenden Senats kommt es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG an. Es handelt sich zwar um eine Anfechtungsklage, aber auch bei reinen Anfechtungsklagen sind nachfolgende Rechts- oder Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, wenn der Verwaltungsakt nicht abgeschlossen in der Vergangenheit liegt (BSGE 7, 129, 132 ff).

Aus diesen Gründen ist der Beschluß des Beklagten vom erkennenden Senat aufzuheben. Der Beklagte wird erneut darüber zu entscheiden haben, ob der Kläger über die Fälle der namentlichen Überweisung hinaus zu beteiligen ist. Gegenstand des somit beim Beklagten anhängigen Vorverfahrens sind die Widersprüche gegen den Bescheid vom 3. Juni 1980, darüber hinaus aber auch (in entsprechender Anwendung des § 86 SGG) gegen die späteren Bescheide des Zulassungsausschusses, soweit sie eine Beteiligung des Klägers über die Fälle der namentlichen Überweisung hinaus versagen.

Der Beklagte wird bei seiner neuen Entscheidung folgendes zu beachten haben: Wenn im Planungsbereich für die ärztliche Versorgung der Versicherten nicht in ausreichender Zahl Chirurgen zur Verfügung stehen, ist der Widerruf der Beteiligung des Klägers nicht rechtmäßig. Anderenfalls wird zu entscheiden sein, ob der Kläger für bestimmte einzelne Leistungen, die von den niedergelassenen Kassenärzten nicht erbracht werden können, ohne namentliche Überweisung beteiligt bleiben muß. Die Beteiligung für Fälle der namentlichen Überweisung kann der Beklagte dem Kläger auf seinen Widerspruch in diesem Verfahren nicht entziehen. Nach der Begründung des Beschlusses vom 16. September 1981 bleibt aber offen, ob der Beklagte einen Bedarf für bestimmte Leistungen angenommen hat und für welche. Eine Begründung dafür, daß der anscheinend vom Beklagten angenommene Bedarf gerade mit einer Beteiligung für Fälle der namentlichen Überweisung erfaßt und gedeckt wird, ist aus dem Beschluß nicht zu ersehen.

Bei der Beteiligung des Krankenhausarztes nach § 29 Abs 2 Buchst a und c ZO-Ärzte ist eine Beschränkung auf Fälle der namentlichen Überweisung grundsätzlich und beim Fehlen einer besonderen Begründung unzulässig. Sie läßt regelmäßig das Recht des Versicherten auf freie Arztwahl (§ 368d Abs 1 Satz 1 RVO) außer acht. Nach dem Grundsatz der freien Arztwahl durch den Versicherten ist es dem Kassenarzt bei einer Überweisung an einen anderen Arzt zur Weiter- oder Mitbehandlung nicht erlaubt, dem Patienten den anderen Arzt namentlich vorzuschreiben (Heinemann/ Liebold, Kassenarztrecht, 5. Aufl, Band I Anm C 201). Dies gilt auch bei der Überweisung an einen beteiligten Krankenhausarzt, denn die freie Arztwahl bezieht sich nicht nur auf die zugelassenen, sondern auch auf die beteiligten und ermächtigten Ärzte (Heinemann/Liebold aaO Anm C 200). Allerdings läßt der Grundsatz Ausnahmen zu. In § 19 Abs 4 des BMV-Ä ist nur als Sollbestimmung geregelt, daß der Arzt bei Überweisung an einen anderen Arzt nur dessen Gebietsbezeichnung und nicht den Namen angibt. Es mag deshalb sein, daß etwa zur Ausführung einer speziellen diagnostischen Untersuchung der Kassenarzt den Versicherten einem anderen Arzt mit Namensnennung "zuweisen" darf (Heinemann/Liebold aaO Anm C 201). In diesem Fall könnte die namentliche Überweisung gerechtfertigt sein, wenn der Patient nicht wissen kann, welcher Arzt die spezielle Leistung ausführt. Die Beschränkung auf einen bestimmten namentlich genannten Arzt ist dann aber nur zu vertreten, wenn dieser Arzt als einziger für die Leistung in Betracht kommt. Stehen dafür mehrere Ärzte zur Verfügung, so darf die Überweisung nicht ohne Einvernehmen mit dem Patienten auf einen Arzt beschränkt werden.

Dem Recht auf freie Arztwahl würde es regelmäßig widersprechen, wenn die für bestimmte Leistungen iS des § 368a Abs 8 RVO notwendige Beteiligung des Krankenhausarztes auf Fälle der namentlichen Überweisung beschränkt würde. Im Fall des Klägers hat der Zulassungsausschuß später einen Bedarf für bestimmte Leistungen nach § 29 Abs 2 Buchst c ZO-Ärzte angenommen. Er geht offenbar davon aus, daß die Leistungen des dem Kläger verbleibenden Katalogs von anderen Ärzten nicht erbracht werden können. Eine Beschränkung der Beteiligung auf die Namentlichkeit wäre dann aber überflüssig und rechtswidrig. Der Bedarf würde auch in Fällen nicht namentlicher Überweisung bestehen, es wäre kein Grund für eine Außerachtlassung der freien Arztwahl ersichtlich - dabei ist zu beachten, daß der Versicherte jedenfalls bei Übernahme der Mehrkosten gemäß § 368d Abs 2 RVO auch einen Arzt seiner Wahl außerhalb des örtlichen Bereichs aufsuchen kann. Andererseits führt die Beschränkung auf die Namentlichkeit in diesem Fall dazu, daß der Kläger Patienten ohne namentliche Überweisung zurückweisen müßte, obwohl im örtlichen Bereich kein anderer Arzt die Leistungen erbringen kann. Die Beschränkung einer Beteiligung nach § 29 Abs 2 Buchst c ZO-Ärzte auf namentliche Überweisung kann deshalb nur in besonders zu begründenden Ausnahmefällen zulässig sein, wenn die Prüfungsinstanzen einen Bedarf anerkennen sollten dahin, daß Kassenärzte für bestimmte Untersuchungen gerade diesen Krankenhausarzt in Anspruch nehmen.

Eine Beschränkung der Beteiligungen zur konsiliarischen Beratung und nach § 29 Abs 2 Buchst d ZO-Ärzte auf namentliche Überweisungen ist regelmäßig zulässig. Der Senat hat entschieden, daß diese Beschränkung geboten ist, wenn die Bedarfssituation es verlangt (BSG SozR 2200 § 368a RVO Nr 13). Zur besonderen Bedarfssituation bei der konsiliarischen Beratung hat der Senat darauf hingewiesen, daß dabei die persönliche Qualifikation des beratenden Arztes im Vordergrund steht. Die konsiliarische Beratung ist für den behandelnden Arzt eine Hilfe, die er oftmals gerade aufgrund seines Vertrauens in die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen eines bestimmten Kollegen bei diesem sucht. In einem solchen Fall kann die namentliche Überweisung einen guten Sinn haben. Dem ratsuchenden Arzt muß die Möglichkeit gegeben werden, den Konsiliararzt auszuwählen, und es ist gerechtfertigt, in diesem besonderen Fall dem Bedarf des Arztes den Vorrang einzuräumen vor der freien Arztwahl des Patienten. Bei der Beteiligung zur ambulanten Nachbehandlung nach einer stationären Krankenhausbehandlung entspricht die Beschränkung auf Fälle der namentlichen Überweisung dem Erfordernis des Einvernehmens mit dem behandelnden Kassenarzt (§ 29 Abs 2 Buchst d ZO-Ärzte). Die Versagung einer Beteiligung ohne die Beschränkung ist insoweit nicht rechtswidrig.

Aus allen diesen Gründen hat der Kläger mit seiner Revision teilweise Erfolg. Die Kostenentscheidung wurde auf § 193 SGG gestützt.

 

Fundstellen

BSGE, 291

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