Leitsatz (amtlich)

1. Eine als Arbeitslose in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Frau (AVAVG § 107 iVm RVO § 311 S 2 gehört nicht zu dem vom MuSchG erfaßten Personenkreis. Sie hat daher keine Ansprüche nach dem MuSchG, insbesondere nicht auf Wochenhilfe (MuSchG § 13).

2. Das GG (Art 3 Abs 1, Art 6 Abs 4) ist nicht dadurch verletzt, daß der arbeitslosen stillenden Mutter während der 7. und 8.Woche nach der Entbindung, für die sie keine Wochenhilfe nach RVO § 195a Abs 1 Nr 3 erhält, auch kein Wochengeld nach MuSchG § 13 gewährt wird.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 6 Abs. 4 Fassung: 1949-05-23; RVO § 195a Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1957-06-26; MuSchG § 1 Fassung: 1952-01-24, § 13 Fassung: 1952-01-24; RVO § 311 S. 2 Fassung: 1929-05-18; AVAVG § 107

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 25. Juli 1961 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin hatte seit dem 7. November 1958 vom Arbeitsamt Aachen Arbeitslosengeld (Alg) bezogen und war deswegen bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) pflichtversichert (§ 107 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - AVAVG -). Die Zahlung des Alg an sie wurde zum 31. Januar 1959 eingestellt, weil die Beklagte ihr vom 1. Februar 1959 an Wochengeld nach § 195 a Abs. 1 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gewährte. Die Beklagte zahlte das Wochengeld auch für 6 Wochen nach der am 8. März 1959 erfolgten Entbindung, also bis zum 19. April 1959. Die Klägerin stillte ihr Kind über den Ablauf der 8. Woche hinaus.

Seit dem 4. Mai 1959 unterstützte das Arbeitsamt die Klägerin wieder. Ihren Antrag auf Gewährung von Alg für die 7. und 8. Woche nach der Entbindung (also für die Zeit vom 20. April 1959 bis 3. Mai 1959) lehnte es jedoch mit der Begründung ab, die Klägerin habe wegen des Beschäftigungsverbotes nach § 6 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz - MuSchG -) vom 24. Januar 1952 (BGBl I 69) während dieser Zeit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung (§ 76 Abs. 1 Nr. 3 AVAVG) gestanden; die Voraussetzungen für die Zahlung des Alg seien daher insoweit nicht gegeben (§ 74 Abs. 1 AVAVG).

Die Klägerin beantragte daraufhin bei der beklagten AOK die Gewährung von Wochengeld für die 7. und 8. Woche nach ihrer Niederkunft. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab, weil nach § 195 a RVO ein Anspruch auf Wochengeld nur für 6 Wochen nach der Niederkunft bestehe. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen. Die Klägerin hat deshalb vor dem Sozialgericht (SG) Aachen Klage erhoben mit dem Antrage,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 12. Mai 1959 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 1. Juli 1959 zu verurteilen, ihr Wochengeld für die Zeit vom 20. April 1959 bis 3. Mai 1959 zu gewähren.

Sie ist der Meinung, das Beschäftigungsverbot nach dem MuSchG dürfe sich nicht dahin auswirken, daß sie als stillende arbeitslose Mutter zwei Wochen ohne jede Einnahmen bleibe. Da sie bis zum Einsetzen der Wochenhilfe bei der beklagten AOK versichert gewesen sei, müsse diese für die gesamte Dauer des Beschäftigungsverbots das entsprechende Wochengeld zahlen.

Das SG hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Ein Anspruch auf Wochengeld nach § 13 MuSchG für die 7. und 8. Woche nach der Niederkunft stehe der Klägerin nicht zu, weil sie nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe. Einem Arbeitsverhältnis im Sinne von § 1 Buchst. a MuSchG sei der Bezug von Alg nicht gleichzusetzen. Unerheblich sei, daß das Beschäftigungsverbot des § 6 MuSchG die Vermittlungsfähigkeit der Klägerin im Sinne des § 76 AVAVG für die streitige Zeit ausgeschlossen habe.

Die Klägerin hat mit Einwilligung der Beklagten Sprungrevision eingelegt mit dem Antrage,

das Urteil des SG Aachen vom 25. Juli 1961 abzuändern und die Beklagte zur Zahlung des beantragten Wochengeldes zu verurteilen.

Sie wiederholt ihr Vorbringen, mit dem Sinn und Zweck des MuSchG sei es nicht zu vereinbaren, daß eine arbeitslose stillende Mutter während der 7. und 8. Woche nach der Niederkunft kein Wochengeld bekomme. Der Gesetzgeber habe gerade während dieser Zeit die Mutter zu ihrem und des Kindes Schutz von der Arbeit fernhalten wollen. Sie solle auch während dieser Zeit finanziell keine Einbußen erleiden, damit sie keine Not zu leiden brauche und keinen seelischen Belastungen ausgesetzt sei. Dürfe die stillende Mutter nicht vermittelt werden, so habe sie zwar keinen Anspruch auf Alg. Dann müßten die arbeitslosen stillenden Mütter aber wenigstens der in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Mutter gleichgestellt werden und die gleichen Leistungen erhalten wie diese, da sie sonst der öffentlichen Wohlfahrt zur Last fallen würden.

Die AOK beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, daß der Klägerin weder nach dem Gesetz (§ 195 a Abs. 1 Nr. 3 RVO) noch nach der Satzung ein Anspruch auf Wochengeld für mehr als 6 Wochen zustehe.

II.

Die von der Klägerin eingelegte Sprungrevision ist zulässig. Die Berufung gegen das Urteil des SG wäre, da es sich bei dem geltend gemachten Anspruch auf Wochengeld für zwei Wochen um einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen (3 Monate) im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) handelt, ausgeschlossen gewesen. Da das SG sie jedoch ausdrücklich zugelassen hat (§ 150 Nr. 1 SGG), konnte die Revision mit Einwilligung des Rechtsmittelgegners unter Umgehung des Berufungsverfahrens unmittelbar beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt werden (§ 161 Abs. 1 SGG). Die Sprungrevision ist jedoch unbegründet. Entgegen der zukünftigen Rechtslage nach dem Gesetz zur Änderung des Mutterschutzgesetzes und der Reichsversicherungsordnung vom 24. August 1965 (BGBl I 912) stehen der Klägerin Leistungen für die 7. und 8. Woche nach dem geltenden Recht nicht zu.

Wie das SG mit Recht ausgeführt hat, erfaßt § 13 MuSchG nur Frauen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind und dem Geltungsbereich des MuSchG unterliegen, also in einem Arbeitsverhältnis stehen oder Heimarbeiterinnen sind (§ 1 MuSchG). Die Klägerin war zwar während des Bezugs von Alg bei der beklagten AOK pflichtversichert (§ 107 AVAVG) und ist auch während des Bezuges von Wochengeld Mitglied dieser Kasse geblieben (§ 311 Satz 2 RVO). Dagegen hat sie während der gesetzlichen Schutzfristen, was hier allein in Betracht kommt, nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Dabei wird ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts vorausgesetzt (vgl. Aye, Mutterschutzgesetz, 5. Aufl., Stand Dezember 1964, § 1 Anm. II 2; Bulla, Mutterschutzgesetz und Frauenarbeitsrecht, 1954, § 1 Anm. 7; Eisel, Das Mutterschutzgesetz und seine Anwendung, 7. Aufl., § 1 Anm. 3; Köst, Mutterschutzgesetz, 1958, § 1 Anm. 2; Peters, Das Mutterschutzgesetz (1953) § 1 Anm. 2 a). An diesem fehlt es bei Empfängern von Alg und Arbeitslosenhilfe. Kennzeichnend für die Arbeitslosen ist es ja gerade, daß sie, obwohl sie berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu sein pflegen, vorübergehend nicht in einem Beschäftigungs- oder Arbeitsverhältnis stehen (§ 75 Abs. 1 AVAVG). Eine arbeitslose Mutter gehört daher nicht zu dem durch das MuSchG geschützten Personenkreis (Aye aaO § 13 Anm. I 2; Bulla aaO § 1 Anm. 7 letzter Abschnitt und § 13 Anm. 10; Eisel aaO § 13 Anm. A b; Peters aaO § 1 Anm. 2 b und § 13 Anm. 2 b; Hillebrand, KrV 1957, 105).

Dieses Ergebnis ist auch vom Gesetz beabsichtigt, wie die Entstehungsgeschichte des MuSchG ausweist. Nach dem Bericht der Abgeordneten Dr. R (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Sten. Berichte, I. WP, 180. Sitzung S. 7519) war der Streit in den Ausschußsitzungen vor allem darum gegangen, ob die Beamtin in die Regelung des MuSchG einbezogen werden sollte. In den Beratungen des Bundestages war diese Frage erneut sehr umstritten (vgl. Sten. Ber. aaO S. 7523 ff). Ein entsprechender Antrag der SPD wurde jedoch abgelehnt und das Gesetz ausdrücklich auf weibliche Arbeitnehmer in abhängiger Stellung beschränkt. Der Vorschlag im SPD-Entwurf, den Arbeitsminister zu ermächtigen, Vorschriften über einen entsprechenden Mutterschutz für die Ehefrauen der Arbeiter, Angestellten, Beamten, Handwerker, Landwirte und sonstigen Gewerbetreibenden sowie der Angehörigen der freien Berufe und deren mithelfenden Familienangehörigen zu erlassen, wurde durch den Ausschuß nicht nur mit der Begründung abgelehnt, daß eine solche umfassende Ermächtigung an den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) nach Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht möglich sei, sondern auch deshalb, weil eine derartige Ausweitung im Rahmen dieses Gesetzes schon wegen der finanziellen Auswirkung einer solchen Maßnahme nicht angebracht sei (vgl. den Bericht der Abgeordneten Dr. Rehling aaO S. 7519 B). Ganz bewußt wurde somit der Schutz auf die in einem Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmerinnen beschränkt. Dabei wurde der Begriff "Arbeitsverhältnis" sogar noch demjenigen des "Beschäftigungsverhältnisses" vorgezogen, weil in einer Reihe von Vorschriften die Rede sei von Arbeitsverträgen, Arbeitsverhältnis, Arbeitsentgelt, Verdienst und Kündigung, die auf ein Arbeitsverhältnis hindeuteten, während nach Auffassung der überwiegenden Mehrheit der Ausschüsse der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses mehrdeutig sei und bei ihm in der Regel an das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis im Sinne der RVO gedacht werde (vgl. den Bericht der Abgeordneten Dr. Rehling aaO S. 5719 C). Das MuSchG bezweckt somit lediglich die Sicherung der erwerbstätigen, in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mutter (vgl. die Ausführungen der Abgeordneten Dr. Ilk, ebenda S. 7526 C). Im übrigen war man sich darüber einig, daß der Mutterschutz für solche Mütter, die nicht von diesem Gesetz erfaßt wurden, erst noch zu verwirklichen sei (vgl. den Bericht der Abgeordneten Dr. Rehling aaO S. 7519 C).

Daß sich schon alsbald nach Erlaß des MuSchG der damit gegebene Mangel in der gesetzlichen Regelung für die arbeitslosen Frauen bemerkbar machte und daß man davon ausging, die arbeitslosen stillenden Frauen könnten in der 7. und 8. Woche nur auf die Fürsorgeunterstützung verwiesen werden (Bescheid des BMA vom 21. Dezember 1953, DOK 1954, 15; Rd.-Erlaß des Präs. der BfArb vom 13. November 1953, AN der Bundesanstalt 1953 Nr. 12 S. 17; Werdermann, Arbeit, Beruf und Arbeitslosenhilfe, 1952, 158; Redeke ebenda S. 196), rechtfertigt keine entsprechende oder ausdehnende Anwendung des Gesetzes auf die arbeitslosen stillenden Mütter. Gegen eine solche Möglichkeit spricht nicht nur der aus Zusammenhang, Zweck und Vorgeschichte erkennbare Wille des Gesetzes, sondern weiter der Umstand, daß sich alsdann erhebliche rechtliche Schwierigkeiten ergeben würden. So ist für die Leistungen nach dem MuSchG das Arbeitsentgelt maßgebend. Dieses zeigt sich insbesondere in den §§ 10, 11 und 12 sowie in dem hier in Rede stehenden § 13 MuSchG, nach welchem das Wochengeld für stillende Mütter sich nach dem Arbeitsentgelt der letzten 13 Wochen bemißt. Eine Bemessung nach dem Arbeitsentgelt ist jedoch bei arbeitslosen Frauen nicht möglich. Ferner könnte es, falls man in diesen Fällen § 13 MuSchG analog anwenden würde, nicht dabei bleiben, die stillende arbeitslose Mutter nur während der 7. und 8. Woche der erwerbstätigen Mutter gleichzustellen.

Vielmehr wäre dann kein Grund ersichtlich, sie nicht während der gesamten gesetzlichen Schutzfristen dem MuSchG zu unterstellen. Dieses sah auch der SPD-Entwurf zur Änderung und Ergänzung des MuSchG (BT-Drucks. IV/562) in Art. 1 Nr. 2 vor. Dieser ist aber bisher nicht Gesetz geworden. Nach dem bisherigen Recht ist deshalb unbestritten, daß der arbeitslosen Mutter bis zu 6 Wochen nach der Niederkunft lediglich das nach § 195 a RVO nach dem Grundlohn berechnete Wochengeld zusteht. Es ist auch von der beklagten AOK als Kassenleistung gezahlt worden, ohne daß die Klägerin die Höhe des Wochengeldes beanstandet hätte. Für die 7. und 8. Woche kann dann aber nicht unter Abstellung auf das zuletzt bezogene Arbeitsentgelt ein wesentlich höherer Betrag unter Beteiligung des Bundes an der Differenz zwischen Dauer und Höhe des Wochengeldes nach der RVO und dem MuSchG (§ 13 Abs. 9, § 14 MuSchG) ausgezahlt werden.

Die für die Entscheidung des erkennenden Senats vom 28. August 1961 (BSG 15, 56) maßgebend gewesenen Grundsätze rechtfertigen keine andere Beurteilung. Dort war zu entscheiden, ob die Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse nach § 311 Satz 2 RVO auch durch den Bezug von Wochengeld nach dem MuSchG während der Zeit aufrechterhalten wird, während welcher Wochengeldleistungen nach der RVO nicht mehr möglich sind. Der Senat hat die Frage bejaht unter Hinweis darauf, daß anderenfalls die zum Schutze der erwerbstätigen Mutter erlassenen arbeitsrechtlichen Vorschriften über das Beschäftigungsverbot sich im Bereich der Sozialversicherung zuungunsten der Mutter auswirken würden (BSG 15, 56, 58); die Zeiten des Beschäftigungsverbots müßten deshalb für die Frage des Fortbestandes des Versicherungsschutzes grundsätzlich einer versicherungsrechtlichen Beschäftigung gleichgestellt werden (BSG 12, 190, 193). Im vorliegenden Falle geht es aber nicht darum, daß eine nach dem MuSchG geschützte Mutter in der Sozialversicherung Nachteile erleiden könnte, sondern darum, ob eine Mutter, die in vollem Umfange dem von der Sozialversicherung gewährleisteten Schutz unterliegt, die besseren Leistungen nach dem MuSchG für sich in Anspruch nehmen konnte.

Demnach steht fest, daß das MuSchG der Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Leistung der Wochenhilfe gibt. Damit scheidet auch die Möglichkeit aus, die fehlende Anspruchsgrundlage nach dem Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung doch dem MuSchG zu entnehmen. Wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. u. a. BVerfG 8, 28) ausgeführt hat, kann auch unter Berufung auf den erwähnten Grundsatz der erkannte objektive Wille des Gesetzes nicht umgedeutet werden. Bei einer solchen Sachlage bleibt nur zu prüfen, ob die maßgebliche Norm mit dem durch Auslegung ermittelten Rechtsgehalt dem Grundgesetz widerspricht.

Das ist jedoch im vorliegenden Fall zu verneinen. Zwar ist in Art. 6 Abs. 4 GG bestimmt, daß jede Mutter "Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft" hat. Diese Vorschrift enthält indes kein "unmittelbar geltendes Recht", sondern verpflichtet den Gesetzgeber nur, den Mutterschutz für alle Mütter - unter Umständen auch schrittweise - zu verwirklichen (vgl. v. Mangold-Klein, Das Bonner GG, 2. Aufl., 1957, 1. Bd. Art. 6 Anm. V). Das Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter vom 24. Januar 1952 war der erste Schritt der Bundesrepublik zu einer solchen umfassenden Verwirklichung des allgemeinen Mutterschutzes.

Ebensowenig vermag sich die Klägerin mit Erfolg auf Art. 3 GG zu berufen. Wie das BVerfG in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl. u. a. BVerfG 9, 201; 17, 330), ist der allgemeine Gleichheitssatz nur dann verletzt, wenn der Gesetzgeber versäumt, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Der Gesetzgeber hat demnach eine sehr weitgehende Gestaltungsfreiheit, und ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liegt somit nur dann vor, wenn für eine vom Gesetzgeber angeordnete Differenzierung zwischen verschiedenen Personengruppen sachlich einleuchtende Gründe schlechterdings nicht mehr erkennbar sind, so daß ihre Aufrechterhaltung einen Verstoß gegen das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden darstellen würde (BVerfG 3, 58, 135, 136). Indem jedoch der Gesetzgeber zunächst den Mutterschutz der erwerbstätigen, in einem Arbeitsverhältnis stehenden Frau regelte und die übrigen Frauen - insbesondere aus finanziellen Gründen - noch nicht berücksichtigte, hat er es als besonders vordringliche Aufgabe angesehen, gerade jenem Personenkreis eine nicht aus dem Versicherungsrecht, sondern aus dem Arbeitsrecht sich ergebende Mutterschaftsfürsorge zu verschaffen. Eine solche Sonderregelung für Arbeitnehmerinnen zu treffen, stand ihm frei. Die arbeitslose Frau steht demgegenüber nicht in einem Arbeitsverhältnis und unterscheidet sich dadurch trotz wirtschaftlich im wesentlichen gleicher Lage grundsätzlich von der zuerst genannten Personengruppe. Es war deshalb insbesondere überhaupt nicht möglich, ihr eine Leistung zuzubilligen, die sich nach dem zuletzt vor dem Beginn der Schutzfrist bezogenen Arbeitsentgelt zu richten hätte, da es ein solches bei Arbeitslosen nicht gibt. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG könnte somit allenfalls darin liegen, daß das Wochengeld nach § 195 a RVO aF nur für 6 Wochen nach der Entbindung vorgesehen ist, während das Wochengeld nach § 13 MuSchG für 8 Wochen zu zahlen ist. Das eine ist jedoch eine grundsätzlich von der Krankenkasse aufgrund eines Versicherungsverhältnisses nach Eintritt des Versicherungsfalls zu gewährende Leistung, während sich an der Finanzierung der anderen, aus dem Arbeitsrecht folgenden und auf Sicherung des bisherigen Arbeitseinkommens gerichteten Leistung maßgebend der Bund beteiligt (§ 14 MuSchG). Bei der Prüfung, ob der allgemeine Gleichheitssatz verletzt ist, darf aber nicht lediglich darauf abgestellt werden, ob wirtschaftlich gleiche Lagen rechtlich verschieden behandelt worden sind, vielmehr ist auch die Zugehörigkeit der Regelungen zu verschiedenen Ordnungssystemen zu berücksichtigen (BVerfG 11, 283). Bei einer solchen Betrachtungsweise kann die arbeitsrechtliche Fürsorge nach dem MuSchG nicht mit der versicherungsrechtlich ausgerichteten Wochenhilfe nach der RVO verglichen werden.

Außerdem ist im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit - und hierunter fallen die zusätzlichen Leistungen nach § 13 MuSchG - die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ohnehin größer als innerhalb der Eingriffsverwaltung (BVerfG 17, 210, 216). Schließlich hatte bereits § 195 b RVO aF den Krankenkassen die Möglichkeit gegeben (wenn auch davon kaum Gebrauch gemacht wurde), die Dauer des Wochengeldbezuges zu erhöhen. Hiernach können gegen die z. Zt. bestehende Regelung im MuSchG und in den §§ 195 a ff RVO verfassungsrechtliche Bedenken nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.

Im übrigen hat der Gesetzgeber in seinem bereits genannten Änderungsgesetz vom 24. August 1965 wiederum nicht die von der Klägerin befürwortete Lösung gewählt, die arbeitslosen Frauen den unter § 1 MuSchG fallenden Frauen gleichzustellen. Vielmehr erhalten jetzt diejenigen versicherten Frauen die bei Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG Alg beziehen, auch nur ein Mutterschaftsgeld in Höhe des nach § 182 RVO zu berechnenden Krankengeldes, wenn auch jetzt einheitlich für die Dauer von 8 Wochen nach der Entbindung. Diese Regelung gilt jedoch erst vom 1. Januar 1966 an. Damit ist der allgemeine Mutterschutz um einen weiteren wesentlichen Schritt verbessert worden, ohne daß die Gerichte dieser gesetzgeberischen Entscheidung schon vorgreifen und bereits für das frühere Recht entsprechende Leistungen zubilligen könnten.

Die Revision konnte somit keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI929583

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge