Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenhausbehandlung mit Wahlleistung. Ersatzanspruch der Krankenkasse nach Sonderregelung. Zuständigkeit der Krankenkasse für Krankenhausbehandlung mit Wahlleistung als Versorgungsleistung. Erstattungsanspruch des Beschädigten für selbstgewählte Krankenhausbehandlung mit Wahlleistung

 

Orientierungssatz

Die Versorgungsverwaltung muß der Krankenkasse den allgemeinen Pflegesatz erstatten, wenn ein freiwillig krankenversicherter Schwerbeschädigter zur Behandlung von Schädigungsfolgen Krankenhausbehandlung mit Wahlleistung in Anspruch nimmt. Denn die Wahl eines Zweibettzimmers hatte nicht zur Folge, daß der Schwerbeschädigte so zu behandeln wäre, als habe er sich die gesamte Krankenhauspflege selbst beschafft. Selbst beschafft hat er sich nur die Wahlleistung "Zweibettzimmer". Weder die Krankenkasse noch die Versorgungsverwaltung war dadurch von der Sachleistung "Krankenhauspflege" befreit. Die Krankenkasse hat die Krankenhausbehandlung des Schwerbeschädigten zutreffend als einen Normalfall abgewickelt und, weil eine Schädigungsfolge behandelt wurde, im gesetzlichen Auftrag der Versorgungsverwaltung gehandelt.

 

Normenkette

BVG § 18 Abs 2, § 18 Abs 5, § 18c Abs 1; SGB 10 § 105; BVG § 19 Abs 1 S 1; BVG § 19 Abs 1 S 2; RVO §§ 184, 371

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 03.09.1987; Aktenzeichen L 11 V 33/86)

SG Berlin (Entscheidung vom 26.08.1986; Aktenzeichen S 46 V 104/85)

 

Tatbestand

Die klagende Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) fordert nach § 19 Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom beklagten Versorgungsträger 4.253,60 DM als Teil der allgemeinen Krankenhauspflegekosten für den inzwischen verstorbenen K., der bei ihr freiwillig versichert war. Dieser ließ sich in der Zeit vom 25. August bis 8. Oktober 1981 in der "zweiten Pflegeklasse" (Zweibettzimmer) stationär behandeln. Die gesamten Kosten betrugen 17.187,90 DM. Die AOK übernahm gegenüber dem Krankenhaus als Sachleistung die allgemeinen Pflegesatzkosten in Höhe von 10.552,50 DM (täglich 234,50 DM). Die Versorgungsverwaltung, die eine Behandlung wegen anerkannter Schädigungsfolgen iS des BVG (Leberparenchymschaden) annahm, zahlte nachträglich an den Beschädigten eine "Beihilfe" von 10.889,-- DM nach § 18 Abs 5 BVG entsprechend der Auslegung dieser Vorschrift, die sie weiterhin ihrer Verwaltungspraxis zugrunde legt. Die Klägerin erhielt nur 6.298,90 DM als Unterschied zwischen dieser "Beihilfe" und den gesamten Behandlungskosten. Die Zahlung der weiteren Kosten für die allgemeinen Krankenhausleistungen lehnte die Versorgungsverwaltung ab, weil K. nicht die Sachleistung der stationären Behandlung in der "allgemeinen Pflegeklasse" in Anspruch genommen habe und die AOK deshalb für die Versorgungsleistung nicht zuständig gewesen sei. Das Sozialgericht (SG) hat die Leistungsklage abgewiesen (Urteil vom 26. August 1986). Das Landessozialgericht (LSG) hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin 4.253,60 DM zu erstatten (Urteil vom 3. September 1987). Es leitet den Anspruch aus § 105 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) her; denn die AOK habe als nach § 18c Abs 1 iVm § 18 Abs 2 und 5 BVG nicht zuständiger Leistungsträger die Behandlungskosten getragen. Wenn nach Verwaltungsvorschriften die Versorgungsleistungen an einen Kriegsbeschädigten, der sich in eine andere als die "allgemeine Krankenhauspflegeklasse" aufnehmen lasse, begrenzt werden dürften, so gelte das nicht gegenüber der Krankenkasse, die die allgemeinen Pflegekosten übernommen habe.

Der Beklagte rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine Verletzung des § 105 SGB X. Er hält eine Kürzung des Erstattungsanspruchs nach den Verwaltungsvorschriften für berechtigt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie stützt ihren Ersatzanspruch in voller Höhe auf § 19 BVG, da sie kraft gesetzlichen Auftrages für die Versorgungsverwaltung tätig geworden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend der Klage stattgegeben, allerdings nach einer in diesem Fall nicht passenden Rechtsgrundlage.

Die klagende AOK stützt ihren Ersatzanspruch entgegen der Ansicht des LSG und des Beklagten zu Recht auf § 19 Abs 1 Satz 1 und 2 BVG (in der hier maßgebenden Fassung vom 22. Juni 1976 -BGBl I 1633-/18. August 1980 -BGBl I 1469-). Diese Vorschrift enthält eine Sonderregelung im Verhältnis zu den §§ 102 ff SGB X - Drittes Kapitel - vom 4. November 1982 (BGBl I 1450) und schließt deren Anwendung aus (zu § 20 BVG: BSG SozR 3100 § 16 Nr 4 S 8; BSG USK 84146; BSG 10. Dezember 1987 - 9a RVi 3/85 -). Die Klägerin kann vom Beklagten nach § 19 Abs 1 Satz 1 BVG ihre vollen Aufwendungen für die allgemeinen Krankenhausleistungen (10.552,50 DM), mithin auch die weiteren 4.253,60 DM ersetzt verlangen; denn sie hat diese sowohl nach den §§ 184 und 371 Reichsversicherungsordnung (RVO) für ihren Versicherten als auch nach dem BVG für ihn als Beschädigten getragen. Damit war sie nicht etwa ein unzuständiger Leistungsträger, der, wie das LSG meint, nach § 105 Abs 1 und 2 SGB X erstattungsberechtigt wäre, weil er ohne Rechtsgrund geleistet hätte (dazu BSGE 63, 134, 138 = SozR 3100 § 18c Nr 19).

Die Krankenhausbehandlung war für den Beschädigten wegen Schädigungsfolgen iS des § 1 BVG erforderlich, wie das LSG bindend festgestellt hat (§ 163 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), und war deshalb im Umfang der allgemeinen Pflegesatzkosten als Versorgungsleistung iS des BVG zu gewähren (§ 9 Nr 1, § 10 Abs 1 Satz 1, § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 5, Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 BVG iVm § 182 Abs 2 RVO). Dafür war die AOK nach § 18c Abs 2 BVG in einer Art von gesetzlicher Auftragsverwaltung zuständig (BSGE 32, 150, 151 f = SozR Nr 4 zu § 14 BVG). Die Behandlung war sowohl nach der RVO als auch nach dem BVG im Umfang des allgemeinen Pflegesatzes als Sachleistung ungeachtet der Tatsache zu gewähren, daß der Beschädigte eine Wahlleistung in Anspruch genommen hat (§§ 3-6 Bundespflegesatzverordnung vom 25. April 1973 - BGBl I 333).

Der Beklagte kann den nach § 19 Abs 1 BVG gebotenen Auslagenersatz nicht deshalb ablehnen, weil er bereits dem inzwischen verstorbenen Beschädigten zuviel gezahlt hat, nämlich 10.889,-- DM, und damit mehr als den allenfalls in Betracht kommenden Unterschied zwischen den tatsächlichen Gesamtkosten (17.187,90 DM) und den Kosten des allgemeinen Pflegesatzes, die die Klägerin getragen hat.

Die ersatzberechtigte Krankenkasse muß die allgemeinen Behandlungskosten für die Versorgungsverwaltung nicht von vornherein in der Gewißheit, daß Schädigungsfolgen die stationäre Behandlung verursachten, und mit dem Willen, deshalb nach § 18c Abs 2 BVG zu leisten, übernommen haben. Der Ersatzanspruch setzt allein den objektiven Aufwand für den Versorgungsträger voraus. Er knüpft an das gesetzliche Auftragsverhältnis zur Krankenkasse an. Subjektive Gesichtspunkte mögen dagegen bei einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder bei einer irrtümlichen Annahme einer Leistungspflicht (vgl dazu BSG SozR Nr 5 zu § 14 BVG) bedeutsam sein.

Dem Ersatzanspruch steht nicht etwa ein Leistungsfall des § 18 BVG entgegen, der eine Zahlungspflicht der Versorgungsbehörde gegenüber dem Beschädigten nach § 18c Abs 1 BVG begründet und damit die Zuständigkeit der Krankenkasse ausgeschlossen hätte.

Der Beschädigte konnte keine angemessene Erstattung von Kosten einer selbst durchgeführten Heilbehandlung nach § 18 Abs 2 Satz 1 BVG beanspruchen. Dafür fehlte die unerläßliche Voraussetzung, daß "unvermeidbare Umstände die Inanspruchnahme der Krankenkasse (§ 18c Abs 2) oder der Verwaltungsbehörde (§ 18c Abs 1) unmöglich machten". Selbst wenn der Beschädigte unerwartet ins Krankenhaus eingewiesen worden wäre und nicht vorher oder spätestens zugleich mit der Aufnahme bei seiner Krankenkasse die Kostenübernahme hätte beantragen können, wäre jene Anspruchsvoraussetzung deshalb nicht eingetreten, weil die Klägerin jedenfalls während der Behandlung die notwendigen Kosten für den Beschädigten übernommen hat (zur "Inanspruchnahme": BSGE 37, 235, 238 = SozR 3100 § 18c Nr 1). Sie hat damit den Versicherten und Beschädigten von der Zahlungspflicht gegenüber dem Krankenhaus in Höhe des allgemeinen Pflegesatzes freigestellt (dazu BSGE 53, 62, 64 = SozR 1500 § 51 Nr 25; BSG SozR 2200 § 184 Nr 13). Dies hätte der Beklagte vor der Zahlung an den Beschädigten feststellen oder wenigstens prüfen sollen. Außerdem ist der Erstattungsanspruch des Beschädigten aus § 18 Abs 1 Satz 1 BVG nach der ausdrücklichen und für Fälle wie diesen selbstverständlichen Regelung des Satzes 2 für ein Kassenmitglied nur begründet, wenn die Krankenkasse nicht zur Leistung verpflichtet ist, und hinsichtlich der Leistungen, die nach § 18c Abs 1 BVG von der Versorgungsbehörde zu gewähren sind. Diese beiden Voraussetzungen treffen gerade nicht auf die allgemeinen Pflegekosten zu, die die Klägerin voll ersetzt haben will.

Schließlich durfte der Beklagte dem Beschädigten, der kraft seines Wahlrechts eine besondere Krankenhausleistung zusätzlich zur Behandlung zu den allgemeinen Pflegesatzkosten in Anspruch genommen hatte, nicht nach § 18 Abs 5 Satz 1 BVG den für die notwendige Krankenhausbehandlung erforderlichen Betrag als Zuschuß gewähren; denn gerade in Höhe dieses Zuschusses, dh der Kosten der allgemeinen Krankenhausleistungen, hatte der Beschädigte keine eigenen Aufwendungen, da er diese Sachleistung von der Krankenkasse erhielt (Vorberg/ van Nuis, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, Teil III, 5. Aufl 1987, S 187; Wilke/Fehl, Soziales Entschädigungsrecht, 6. Aufl 1987, § 18 Rz 22 und 23). Eine höhere Leistung nach § 18c Abs 3 Satz 3 BVG (vgl dazu BSG SozR 3100 § 18c Nr 17) kam hier nicht in Betracht. Die Versorgungsverwaltung geht bei ihrer Auslegung des § 18 Abs 5 BVG, der praktisch keine Bedeutung mehr hat, noch nicht von der geltenden Rechtslage aus. Diese Vorschrift ist in das Gesetz eingefügt worden, um dem Versorgungsberechtigten die Inanspruchnahme einer höheren Pflegeklasse zu ermöglichen, was vor dem Inkrafttreten der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der Regel nicht als private Zusatzleistung, sondern nur im Zusammenhang mit einem umfassenden privaten Krankenhausbehandlungsvertrag erreicht werden konnte. Der Versorgungsberechtigte mußte dann auf die Sachleistung verzichten. Er trat gegenüber dem Krankenhaus als alleiniger Schuldner auf. Der Kostenerstattungsanspruch in Höhe der Kosten der 3. Pflegeklasse sollte ihm diese Wahl erleichtern. Nach § 7 BPflV dürfen Wahlleistungen nur noch gesondert berechnet und damit nicht mit der Bezahlung der allgemeinen Leistungen gekoppelt werden. Die Sachleistung kann deshalb seitdem unabhängig von privat vereinbarten zusätzlichen Wahlleistungen erbracht werden. Nichts anderes hat die Klägerin getan. Die Wahl einer zusätzlichen Leistung des Krankenhauses läßt den Anspruch auf eine Sachleistung unberührt und macht nicht mehr die gesamte Krankenhausbehandlung zu einer solchen für einen Privatpatienten außerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung und der Versorgung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1658332

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