Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamteinkommen. Beitragseinstufung freiwillig Krankenversicherter

 

Orientierungssatz

Zum "Gesamteinkommen" iS des § 313a RVO gehören auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, diese allerdings vermindert um die Aufwendungen zum Erwerb, zur Sicherung und zur Erhaltung der genannten Einkünfte ("echte" Werbungskosten). Nicht abzugsfähig sind dagegen Sonderabschreibungen iS des § 7b EStG (Bestätigung BSG vom 1978-10-24 12 RK 53/76 = SozR 2200 § 313a Nr 6). Dies gilt auch für die Berechnung des Gesamteinkommens iS des § 16 SGB 4 (vergleiche zuletzt BSG vom 1981-10-28 3 RK 8/81 = SozR 2200 § 205 Nr 45).

 

Normenkette

RVO § 313a Abs. 1 Fassung: 1924-12-15; SGB 4 § 16 Fassung: 1976-12-23; RVO § 180 Abs. 4 Fassung: 1977-06-27; EStG § 7b

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 20.02.1981; Aktenzeichen L 4 Kr 93/79)

SG Würzburg (Entscheidung vom 19.07.1979; Aktenzeichen S 8 Kr 7/79)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe von Krankenversicherungsbeiträgen. Der Kläger ist Finanzbeamter und seit 1972 freiwillig bei der Beklagten versichert. Seine Dienstbezüge betrugen 1977 46.074DM und 1978 47.778DM, von denen nach Abzug von Werbungskosten bei der Einkommensteuerfeststellung 1977 44.116DM und 1978 45.255 DM als steuerpflichtiges Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt wurden. Außerdem hatte er neben geringen Einkünften aus Kapitalvermögen aus der Bewirtschaftung eines von ihm gemeinsam mit seiner Ehefrau im Jahre 1976 errichteten Zweifamilienhauses und eines in seinem Alleineigentum stehenden weiteren Hauses Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, denen jedoch Aufwendungen und Abschreibungen gegenüberstanden, so daß sich für ihn steuerrechtlich "negative Einkünfte" in Höhe von 11.319 DM und 1.008 DM im Jahre 1977 sowie von 8.951 DM und 2.724 DM im Jahre 1978 ergaben; darin waren jeweils 5.000 DM jährlich als eine vom Kläger in Anspruch genommenen Sonderabschreibung iS des § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) enthalten.

Die Beklagte hatte schon bei der Ermittlung des - nach dem früheren § 7 Abs 12 ihrer Versicherungsbedingungen (VB) der Beitragsbemessung für 1976 zugrunde gelegten - "Gesamteinkommens" die auf den Kläger entfallenden Verluste aus Vermietung und Verpachtung nicht berücksichtigt, soweit es sich dabei um Verluste infolge von Abschreibungen iS des § 7b EStG handelte. Im November 1977 trat der Kläger wegen dieser Frage erneut an die Beklagte heran. Diese stufte ihn mit dem Bescheid vom 23. Oktober 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 1978 gemäß § 7 Abs 13 bzw Abs 11 ihrer VB für die Jahre 1977 und 1978 in die jeweils höchste Beitragsklasse ein und ließ bei der Bestimmung seines monatlichen Gesamteinkommens wiederum die Sonderabschreibungen iS des § 7b EStG unberücksichtigt.

Die Klage (Urteil des Sozialgerichts -SG- Würzburg vom 19. Juli 1979) und die Berufung des Klägers (Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts -LSG- vom 20. Februar 1981) hatten keinen Erfolg. Das LSG hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats angenommen, daß bei der Berechnung des Gesamteinkommens des Klägers für die Zeit bis zum 30. Juni 1977 sein Bruttoarbeitsentgelt ohne Abzug der Werbungskosten maßgebend sei, jedoch ein Verlustausgleich mit negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, aber ohne Berücksichtigung der Sonderschreibungen nach § 7b EStG, stattfinden könne. Da für die Zeit ab 1. Juli 1977 ein Verlustausgleich mit negativen Einkünften nicht mehr in Betracht komme, sei als Gesamteinkommen seitdem das volle Bruttoarbeitsentgelt zugrunde zu legen. Das Einkommen des Klägers habe somit in den Jahren 1977 und 1978 die jeweilige Jahresarbeitsverdienstgrenze (30. 600 bzw 33. 300 DM) wesentlich überstiegen.

Der Kläger macht zur Begründung seiner - vom LSG zugelassenen - Revision geltend, das LSG hätte bei der Auslegung des § 7 Abs 13 bzw 11 VB den Einkommensbegriff des Einkommensteuerrechts anwenden und deshalb beim Verlustausgleich auch die Sonderabschreibungen nach § 7b EStG berücksichtigen müssen; außerdem hätten die negativen Einkünfte seiner Ehefrau aus Vermietung und Verpachtung von seinem Gesamteinkommen abgezogen werden müssen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Bayerischen LSG vom 20. Februar 1981 und das Urteil des SG Würzburg vom 19. Juli 1979 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 1978 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für die Jahre 1977 und 1978 in eine niedrigere Beitragsklasse einzustufen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Beklagte hat ihn in den Jahren 1977 und 1978 zutreffend in die höchste Beitragsklasse eingestuft; dabei hat sie Sonderabschreibungen iS des § 7b EStG bei der Ermittlung seines der Beitragsbemessung zugrunde zu legenden Gesamteinkommens mit Recht unberücksichtigt gelassen.

Bis zum 31. Juli 1978 waren freiwillig bei der Beklagten versicherte Beamte wie der Kläger in den Beitragsklassen 800 ff "entsprechend ihrem nachgewiesenen monatlichen Gesamteinkommen" versichert (§ 7 Abs 13 Satz 1 VB der Beklagten idF des 14. Nachtrags = für die Zeit ab 1. Juli 1977 § 7 Abs 11 Satz 1 VB idF des 17. Nachtrags). Der Begriff des "Gesamteinkommens" war in den VB der Beklagten nicht näher umschrieben. Für seine Auslegung war deshalb, wie der erkennende Senat mit dem LSG annimmt, der gleichlautende Begriff in Abs 1 Satz 2 des - damals noch gültigen - § 313a RVO maßgebend, zumal diese Vorschrift für einen ähnlichen Personenkreis wie die genannte Bestimmung der VB der Beklagten, nämlich für die freiwillig Weiterversicherten der gesetzlichen Krankenkassen, die Beitragseinstufung regelte.

Daß zum "Gesamteinkommen" iS des § 313a RVO das Bruttoarbeitsentgelt ohne Abzug von Werbungskosten gehörte, hat der Senat schon entschieden (Urteil vom 24. Oktober 1978, SozR 2200 § 313a Nr 6). In diesem Urteil hat er zum "Gesamteinkommen" auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gerechnet, diese allerdings vermindert um die Aufwendungen zum Erwerb, zur Sicherung und zur Erhaltung der genannten Einkünfte ("echte" Werbungskosten). Für nicht abzugsfähig hat er dagegen Sonderabschreibungen iS des § 7b EStG gehalten, weil für die Beitragsbemessung in der Krankenversicherung steuerliche Gesichtspunkte, insbesondere soweit sie die wirtschafts-, eigentumsbildungs- und wohnungsbauförderungspolitische Zielvorstellungen des Gesetzgebers verwirklichen, außer Betracht bleiben müßten. Soweit hiernach Werbungskosten von den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden konnten, durften dadurch etwa entstehende negative Einkünfte, wie der Senat aaO weiter ausgeführt hat, mit anderen - positiven - Einkünften, auch solchen aus nichtselbständiger Arbeit, ausgeglichen werden. Diesen Verlustausgleich hat das LSG beim Kläger für die Zeit bis zum 30. Juni 1977 vorgenommen und lediglich Sonderabschreibungen iS des § 7b EStG unberücksichtigt gelassen. Letzteres entspricht indessen, wie dargelegt, der Rechtsprechung des Senats, von der abzuweichen der Senat keinen Anlaß sieht, zumal § 313a RVO inzwischen mit Wirkung vom 1. Juli 1977 gestrichen worden ist (Art 1 § 1 Nr 24 iVm Art 2 § 17 des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes vom 27. Juni 1977, BGBl I, 1069). Ob beim Kläger auch Werbungskosten abzuziehen waren, die auf den im Miteigentum seiner Ehefrau stehenden Hausanteil entfallen, hat das LSG letztlich offengelassen, weil selbst bei einem solchen Abzug das beitragspflichtige Einkommen des Klägers noch über der seinerzeit gültigen Beitragsbemessungsgrenze gelegen hätte. Dagegen hat der Kläger keine durchgreifenden Revisionsrügen erhoben; deshalb braucht auf diese Frage hier nicht weiter eingegangen zu werden.

Daß der Begriff des "Gesamteinkommens" iS der VB der Beklagten durch die Aufhebung des § 313a RVO inhaltlich geändert worden ist, wie das LSG angenommen hat, hält der Senat nicht für zutreffend. Eine solche Inhaltsänderung könnte allenfalls dann erwogen werden, wenn der am 1. Juli 1977 in Kraft getretene § 16 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch (SGB 4), der erstmals den Begriff des Gesamteinkommens näher umschrieben hat ("Gesamteinkommen ist die Summe der Einkünfte iS des Einkommensteuerrechts; es umfaßt insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen"), für die freiwillig Versicherten die Funktion des früheren § 313a RVO übernommen hätte. Gerade dies ist jedoch nicht der Fall. Zugleich mit dem Inkrafttreten des § 16 SGB 4 hat nämlich der Gesetzgeber, um dessen Anwendung für die Beitragsbemessung der freiwillig Versicherten auszuschließen, insbesondere um einen nach § 16 SGB 4 wegen dessen Verweisung auf das Einkommensteuerrecht etwa erforderlichen Abzug von negativen Einkünften zu verhindern, den § 180 Abs 4 RVO neu gefaßt und darin in Anknüpfung an die Rechtsprechung des BSG zu § 313a RVO neben dem Arbeitsentgelt ausdrücklich auch sonstige Einnahmen zum Lebensunterhalt für beitragspflichtig erklärt (vgl die Stenografischen Protokolle der 12. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 27. April 1977, S 12 ff, vor allem die Ausführungen von Holler S 14 ff). Zu diesen sonstigen Einnahmen gehören auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, "unvermindert um die gesetzlichen Abzüge" (Begründung zu § 180 Abs 4 RVO nF, BT-Drucks 8/338, S 60) und, wie die weitere Entstehungsgeschichte der Vorschrift zeigt, unter Ausschluß von "negativen" Einkünften iS des Steuerrechts, jedenfalls von Abschreibungen nach § 7b EStG.

Die Regelung des § 180 Abs 4 RVO nF hat die Beklagte, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung, in ihre VB übernommen. So hat sie mit Wirkung vom 1. August 1978 in § 7 Abs 11 der VB idF des 19. Nachtrags die Einstufung der freiwillig Versicherten in die Beitragsklassen nicht mehr entsprechend ihrem "Gesamteinkommen", sondern ihrem "Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und ihren nachgewiesenen monatlichen sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt" bestimmt (Art II Buchst d des genannten Nachtrags). Damit entspricht die Beitragsregelung der Beklagten für ihre freiwillig Versicherten auch dem Wortlaut nach wieder - wie in der Zeit vor dem 1. Juli 1977 - derjenigen, die für die freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen gilt (vgl dazu Urteil des Senats vom 25. August 1982, SozR 2200 § 180 Nr 12). Daß bei der Beklagten in der Zwischenzeit - vom 1. Juli 1977 bis zum 31. Juli 1978 - eine inhaltlich andere, insbesondere eine an dem Begriff des Gesamteinkommens iS des § 16 SGB 4 orientierte Regelung hätte gelten sollen, kann den Satzungsorganen der Beklagten nicht als Wille unterstellt werden. Ist aber auch für die Zeit ab 1. Juli 1977 der Begriff des "Gesamteinkommens" iS des § 7 Abs 11 der VB der Beklagten nicht anders wie früher, dh entsprechend dem § 313a RVO aF, auszulegen, so erweist sich das Urteil des LSG auch für diese Zeit im Ergebnis als richtig. Das gilt erst recht für die Zeit ab 1. August 1978, für die Beiträge des Klägers außer nach seinem Arbeitsentgelt nach seinen "nachgewiesenen monatlichen sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt" zu bemessen waren; zu ihnen gehörten, wie dargelegt, auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wobei Sonderabschreibungen iS des § 7b EStG nicht abgezogen werden durften (was im übrigen nach der jüngsten Rechtsprechung des BSG selbst bei einer Berechnung des Gesamteinkommens iS des § 16 SGB 4 unzulässig ist, vgl SozR 2200 § 205 Nr 42 und Nr 45).

Da das LSG somit im Ergebnis zutreffend entschieden hat, ist die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen worden. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1658948

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