Orientierungssatz

1. Ist über die Versicherungspflicht und die Beitragspflicht sowie die Beitragshöhe zu entscheiden, so können diese Entscheidungen gegenüber dem Arbeitgeber und den Versicherten nur einheitlich ergehen. Die Beiladung der Versicherten ist daher notwendig (vergleiche BSG vom 1976-12-16 12/3/12 RK 23/74).

2. Das Unterlassen der notwendigen Beiladung nach SGG § 75 Abs 2 ist bei einer zulässigen Revision von Amts wegen als Verfahrensmangel zu beachten (vergleiche BSG 1974-03-12 2 S 1/74 = SozR 1500 ) 75 Nr 1 und BSG 1967-12-16 12/3/12 RK 23/74). Sie kann in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden (SGG § 168).

 

Normenkette

SGG § 75 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 168

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 11.06.1976; Aktenzeichen L 1 Kr 17/74)

SG Lübeck (Entscheidung vom 09.04.1974; Aktenzeichen S 7 Kr 3/74)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. Juni 1976 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob von Verpflegungszuschüssen, die im Wege der Besitzstandswahrung weiter gewährt wurden, Sozialversicherungsbeiträge abzuführen sind.

Die Klägerin gewährte an verheiratete Arbeitnehmer "abgelegener Dienststellen" der Bundeswehr "als Trennungsentschädigung" u.a. Verpflegungszuschüsse, die je nach Abwesenheitsdauer vom Wohnort zwischen 2,80 und 3,50 DM pro Arbeitstag betrugen. Diese Regelung wurde ab 1. Januar 1967 für neu eingestellte Arbeitnehmer aufgehoben; für die vorher eingestellten Arbeitnehmer wurde angeordnet, daß diesen die Verpflegungszuschüsse im Wege der Besitzstandswahrung weiter gezahlt werden sollen. Aufgrund einer Betriebsprüfung forderte die Beklagte Beiträge zur Sozialversicherung für die den Arbeitnehmern B, B, E, F, S, S und T im Wege der Besitzstandswahrung gewährten Verpflegungszuschüsse für die Zeit vom 1. Januar 1969 bis 30. April 1971 nach (Bescheid vom 18. Oktober 1971). Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 1973; Urteil des Sozialgerichts - SG - Lübeck vom 9. April 1974; Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts - LSG - vom 11. Juli 1976). Das LSG hat die Auffassung vertreten, von den Verpflegungszuschüssen seien Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, weil sie auch der Lohnsteuerpflicht unterlägen. Es handele sich nicht um Einkünfte, die durch eine besondere Rechtsnorm von der Steuerpflicht ausgenommen seien.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, daß es sich bei den Verpflegungszuschüssen nicht um Entgelt für geleistete Arbeit, sondern um eine Aufwandsentschädigung handele. Lohnsteuer werde auch tatsächlich für diese Zuschüsse nicht gezahlt, da sie sich ihrer Höhe nach in Rahmen der in den Lohnsteuerrichtlinien vorgesehenen Steuerfreiheit bewegten. Im übrigen könne die Steuerpflichtigkeit allenfalls als Indiz für die Sozialversicherungspflicht abgesehen werden.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des LSG und des SG sowie die Bescheide der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheides aufzuheben.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Alle Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts muß aufgehoben und die Sache an das LSG zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.

Der Senat konnte keine abschließende Entscheidung treffen, weil die sieben Arbeitnehmer, für die hier Beiträge nachgefordert werden, notwendig beizuladen waren (§ 75 Abs. 2 SGG). Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob bestimmte Leistungen aus dem Arbeitsverhältnis als versicherungspflichtiges Entgelt anzusehen sind. Dabei ist über die Versicherungspflicht und die Beitragspflicht sowie die Beitragshöhe zu entscheiden. Diese Entscheidungen können gegenüber dem Arbeitgeber und den Versicherten nur einheitlich ergehen. Die Beiladung der Versicherten ist daher notwendig (BSG Urteil vom 16. Dezember 1976 - 12/3/12 RK 23/74 -). Außerdem war auch die Bundesanstalt für Arbeit notwendig beizuladen (BSGE 15, 118).

Das Unterlassen der notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG ist bei einer zulässigen Revision von Amts wegen als Verfahrensmangel zu beachten (BSG SozR 1500 § 75 Nr. 1; Urteil des erkennenden Senats vom 16. Dezember 1976 - 12/3/12 RK 23/74 -). Sie kann in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden (§ 168 SGG). Eine Zurückverweisung war deshalb geboten.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659558

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