Leitsatz (amtlich)

Im anwaltlichen Probedienst beschäftigte Assessoren ("Anwaltsassessoren") sind gegen Entgelt tätige "Angestellte in höherer Stellung" 2. Die Einbeziehung der Anwaltsassessoren in die Versicherungspflicht verstößt nicht gegen die Eigentumsgarantie (GG Art 14).

 

Normenkette

AVG § 2 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23, § 3 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1957-02-23; GG Art. 14 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23

 

Tenor

Die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Oktober 1960 und des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 6. März 1959 werden aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger zu 2), Rechtsanwalt G (G.), war vom 1. November 1956 bis zum 31. Oktober 1958 beim Kläger zu 1), Rechtsanwalt Dr. V (V.), als Anwaltsassessor beschäftigt. Er bezog eine monatliche Vergütung von etwa 950 DM, für die Lohnsteuer entrichtet wurde. Seit Ende Mai 1957 war der Kläger G. außerdem bei der volkswirtschaftlichen Fakultät der Universität Frankfurt/Main immatrikuliert.

Bei einer Betriebsprüfung am 30. April 1957 stellte sich heraus, daß der Kläger G. nicht zur Angestelltenversicherung (AV) und zur Arbeitslosenversicherung (ArblV) gemeldet war. Mit Beitragsrechnung vom 30. April 1957 forderte die beklagte Krankenkasse die Beiträge zur AV und zur ArblV für März 1957, mit späteren Beitragsrechnungen für die Zeit vom 1. April bis zum 27. Mai 1957. Auf den Hinweis des Landesarbeitsamts Hessen, daß der Kläger G. in der fraglichen Zeit in der ArblV versicherungsfrei gewesen sei, beschränkte die beklagte Krankenkasse ihre Nachforderung auf die Beiträge zur AV (für die Zeit vom 1. März bis zum 27. Mai 1957). Der Widerspruch der Kläger gegen die Beitragsbescheide wurde von der Widerspruchsstelle der beklagten Krankenkasse - gestützt auf eine gutachtliche Äußerung der beigeladenen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) - mit der Begründung zurückgewiesen, Anwaltsassessoren seien seit dem 1. März 1957, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 3 Abs. 1 Nr. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) idF des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG), als Büroangestellte in der AV versicherungspflichtig (Bescheid vom 29. Oktober 1957).

Die Kläger erhoben vor dem Sozialgericht (SG) Klage mit dem Antrag,

die Bescheide der beklagten Krankenkasse vom 30. April 1957 und vom 29. Oktober 1957 aufzuheben und festzustellen, daß die Heranziehung des Klägers zur AV unzulässig war.

Sie machten geltend, ein Anwaltsassessor werde zu seiner Ausbildung beschäftigt. Er sei daher kein Angestellter. Zu ihrer Ausbildung beschäftigte Personen wären nach § 2 Nr. 1 AVG nF nur dann versicherungspflichtig, wenn sie "für den Beruf eines Angestellten" ausgebildet würden. Die Anwaltsassessorenzeit diene aber gerade dazu, den Assessor auf seine künftige Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt vorzubereiten. Lasse sich der Assessor nach Beendigung der längstens zwei Jahre dauernden Anwaltsassessorenzeit als selbständiger Anwalt nieder, so habe er weder die für eine Rente aus der AV erforderliche Wartezeit erfüllt noch die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung. Deshalb würden Personen, die für einen nicht versicherungspflichtigen Beruf ausgebildet würden, von § 2 Nr. 1 AVG nicht erfaßt. Sollte die genannte Vorschrift aber doch in dem Sinne zu verstehen sein, daß auch Anwaltsassessoren versicherungspflichtig wären, so verstoße sie insoweit gegen das Verbot der entschädigungslosen Enteignung (Art. 14 GG): Der ausbildende Anwalt müsse Beiträge entrichten, obgleich von vornherein feststehe, daß hierfür keine Gegenleistung gewährt werde; der Anwaltsassessor erhalte zwar auf Antrag seinen Beitragsanteil zurück (§ 82 AVG), sei aber dadurch geschädigt, daß er ein zinsloses Zwangsdarlehn gewähren müsse.

Die beigeladene BfA beantragte

Klageabweisung.

Sie berief sich darauf, daß die bis zum Inkrafttreten des AnVNG auch für Anwaltsassessoren gültige Befreiungsvorschrift (§ 172 Abs. 1 Nr. 5 Reichsversicherungsordnung - RVO -) für den Bereich der AV durch die wesentlich engere Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 4 AVG ersetzt worden sei. Hiervon würden Anwaltsassessoren nicht mehr erfaßt.

Das SG hat dem Klageantrag entsprechend die Bescheide der Beklagten vom 30. April 1957 und vom 29. Oktober 1957 aufgehoben (Urteil vom 6. März 1959).

Gegen dieses Urteil hat die beigeladene BfA Berufung eingelegt mit dem Antrag,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie wies darauf hin, daß nach § 1227 RVO als der grundlegenden Vorschrift des neuen Rentenversicherungsrechts auch eine zur Berufsausbildung ausgeübte Beschäftigung der Rentenversicherungspflicht unterliege. Der Begriff des Angestellten sei nicht für die Versicherungspflicht, sondern nur für die Zuordnung zu einem der beiden Rentenversicherungszweige von Bedeutung.

Die Kläger haben beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der beigeladenen BfA zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 6. Oktober 1960). Das LSG ist davon ausgegangen, ein Anwaltsassessor sei kein Angestellter, weil bei seinem Dienstverhältnis das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit fehle; er müsse "mehr wie ein in gemeinschaftlicher Praxis tätiger Anwalt angesehen werden." Der Anwaltsassessor befinde sich auch nicht in der Ausbildung zum Beruf eines Angestellten, sondern wolle selbständiger Rechtsanwalt werden.

Gegen dieses Urteil hat die beigeladene BfA Revision eingelegt mit dem Antrag,

die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, daß bereits die Abführung von Lohnsteuer für die gleichen Vergütungen, von denen die Beiträge zur AV gefordert würden, ein wichtiges Indiz dafür sei, daß auch sozialversicherungsrechtlich das Dienstverhältnis des Anwaltsassessors als abhängiges Beschäftigungsverhältnis anzusehen sei. Entscheidend aber sei, daß der Anwaltsassessor in seinem Beschäftigungsverhältnis persönlich abhängig sei. Er unterliege dem Direktionsrecht des ihn beschäftigenden Rechtsanwalts und sei in die Anwaltspraxis - unter Berücksichtigung ihrer besonderen betriebsorganisatorischen Gegebenheiten - eingegliedert. Er sei somit entgeltlich beschäftigter Angestellter und daher in der AV versicherungspflichtig. Wollte man den Anwaltsassessor aber nicht als Angestellten i. S. des § 2 Nr. 1 AVG ansehen, dann sei er auf Grund seines Ausbildungsverhältnisses versicherungspflichtig.

Die Kläger haben beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Kläger G. weist darauf hin, daß er einen Anspruch auf Beitragserstattung habe. Nach dem Grundsatz, arglistig handele, wer etwas fordere, was sofort zurückzugewähren sei, sei die Klage auf jeden Fall insoweit begründet, als es sich um die Arbeitnehmeranteile handele.

Die Revision der beigeladenen BfA ist begründet.

Die angefochtenen Beitragsbescheide der beklagten Krankenkasse sind zu Recht ergangen.

Ob der Kläger V. zur Entrichtung der mit dem angefochtenen Beitragsbescheid geforderten Beiträge zur AV verpflichtet ist, hängt davon ab, ob der Kläger G. "versicherungspflichtiger Beschäftigter" (vgl. § 118 Abs. 1 AVG) in der Zeit vom 1. März bis 27. Mai 1957 war. Entgegen der Auffassung des LSG war das der Fall. Nach § 2 Nr. 1 AVG idF des AnVNG sind alle Personen versicherungspflichtig, die als Angestellte gegen Entgelt oder die als Lehrling oder sonst zu ihrer Ausbildung für den Beruf eines Angestellten beschäftigt sind. Anwaltsassessoren sind entgeltlich beschäftigte Angestellte. Bei ihnen ist insbesondere das für das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wesentliche Merkmal der persönlichen Abhängigkeit gegeben (vgl. BSG 13, 130, 132; 13, 196, 201; 15, 65, 69; 16, 289, 293). Diese persönliche Abhängigkeit äußert sich vornehmlich in der Eingliederung des Arbeitenden in einen Betrieb, womit in aller Regel das Direktionsrecht des Arbeitgebers verbunden ist. Doch kann diese Weisungsgebundenheit insbesondere bei "Diensten höherer Art" im Sinne des § 622 BGB - zu ihnen rechnet die Tätigkeit des Anwaltsassessors -, was die Ausführung der Arbeit betrifft, aufs stärkste eingeschränkt sein. Trotzdem ist die Dienstleistung eines solchen Arbeitnehmers fremdbestimmt, wenn sie ihr Gepräge von dem Betrieb oder einer anderen Organisationsgemeinschaft erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Je weniger das Direktionsrecht des Arbeitgebers in Gestalt ausdrücklicher Weisungen für die Arbeitsdurchführung in Erscheinung tritt, je mehr der Arbeitnehmer bei der Gestaltung seiner Arbeit auf sich selbst gestellt ist, um so größeres Gewicht erhält das Merkmal der Eingliederung in einen übergeordneten Organismus für die Abgrenzung zwischen abhängig geleisteter Arbeit und selbständig verrichtetem Dienst. Wie der Senat es in ähnlichem Zusammenhang ausgedrückt hat, verfeinert sich die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers in einem solchen Fall zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß (BSG 16, 289, 294).

Nach diesen Grundsätzen beurteilt ist der im "anwaltlichen Probedienst" (§ 1 der Rechtsanwaltsordnung für das Land Hessen vom 18. Oktober 1948; GVBl Hessen S. 126) tätige Assessor ein Angestellter . Unbeschadet seiner regelmäßig stark ausgeprägten Freiheit, die Durchführung seiner Arbeiten im einzelnen zu gestalten, erweist sich sein Dienstverhältnis im Kern doch als fremdbestimmt, weil ihm sein Aufgabenbereich von seinem Arbeitgeber zugewiesen wird. Diese persönliche Abhängigkeit bringt § 6 Abs. 2 Satz 1 der genannten Rechtsanwaltsordnung deutlich zum Ausdruck: Der Assessor ist gehalten, die ihm aufgetragenen Berufsarbeiten gewissenhaft zu erledigen.

Ebenso liegt klar zutage, daß die Vergütung, die der Assessor von dem ihn beschäftigenden Rechtsanwalt erhält, um seiner Dienstleistung willen - der Dienste eines hochqualifizierten Mitarbeiters, der die Befähigung zum Richteramt hat - gewährt wird. Auch dies läßt die genannte Rechtsanwaltsordnung erkennen, wenn sie in § 4 Abs. 1 vorschreibt, daß der Anwaltsassessor während des Probedienstes eine Vergütung erhält, die ihm der Rechtsanwalt zu zahlen hat, bei dem er den Dienst leistet. Der Charakter dieser Vergütung als Entgelt für geleistete Dienste bleibt auch dann erhalten, wenn ausnahmsweise die Vergütung ganz oder teilweise nicht von dem beschäftigenden Anwalt aufgebracht wird, falls dieser nämlich dazu aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage ist (vgl. § 4 Abs. 2 aaO).

Der nach alledem berechtigte Schluß, daß Anwaltsassessoren entgeltlich beschäftigte Angestellte - und zwar Angestellte "in höherer Stellung" (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AVG) - sind, wird auch durch die Tatsache gestützt, daß die Vergütungen der Anwaltsassessoren regelmäßig - wie auch im vorliegenden Fall - als lohnsteuerpflichtig angesehen werden. Zwar ist die Frage, ob Arbeit in abhängiger Stellung geleistet wird, nach Sozialversicherungsrecht und nicht nach Lohnsteuerrecht zu beurteilen (BSG 15, 65, 69; 16, 289, 295; 19, 265, 269; Sozialrecht RVO § 165 Bl. Aa 53 Rücks. Nr. 41). Da aber die für die Frage der Versicherungspflicht und der Lohnsteuerpflicht maßgebenden Begriffe des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses übereinstimmen, ist es immerhin als Indiz für das Vorliegen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses zu werten, daß auch im Lohnsteuerrecht das Dienstverhältnis des Anwaltsassessors als abhängiges Beschäftigungsverhältnis beurteilt wird (BSG 16, 295).

Gegen die Annahme, daß der Anwaltsassessor Angestellter ist, spricht nicht, wie die Kläger meinen, daß nach § 2 Nr. 1 AVG auch Personen, die als Lehrling oder sonst zu ihrer Ausbildung für den Beruf eines Angestellten beschäftigt sind, der Versicherungspflicht unterliegen und Anwaltsassessoren regelmäßig die Zulassung als Rechtsanwalt, d. h. für eine freiberufliche Tätigkeit, erstreben. Fassung und Sinn der genannten Vorschrift sind nur dann voll verständlich, wenn man ihre Vorgeschichte heranzieht. Nach dem vor Inkrafttreten des AnVNG gültigen Recht unterlagen der Versicherungspflicht in der AV in erster Linie "Angestellte" im Sinne des § 165 b RVO (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AVG idF der Ersten VereinfVO vom 17. März 1945, RGBl I 41); zu den Angestellten rechneten kraft ausdrücklicher Regelung auch die Lehrlinge, die sich in einer geregelten Ausbildung zu einem der in § 165 Abs. 1 Nr. 2, 3, 5 und 6 genannten Angestelltenberufe befanden. Daß hiernach Anwaltsassessoren Angestellte - und zwar "Angestellte in höherer Stellung" (§ 165 b Abs. 1 Nr. 2 RVO), nicht etwa Lehrlinge - waren und somit an sich versicherungspflichtig gewesen wären, war unbestritten. Nur wurde angenommen, daß im anwaltlichen Probedienst befindliche Assessoren zu ihrer wissenschaftlichen Ausbildung für den künftigen Beruf gegen Entgelt tätig waren und deshalb die entsprechende Befreiungsvorschrift (§ 12 Nr. 4 AVG, später - nach Inkrafttreten der Ersten VereinfVO - § 1 Abs. 2 AVG i. V. m. § 172 Abs. 1 Nr. 5 RVO, beide Vorschriften idF der Ersten VereinfVO) auf sie anzuwenden war (Verfügung des Reichsministers der Justiz vom 25. August 1936 - gestützt auf eine Stellungnahme des RVA - in EuM Bd. 40, 247; Beschl. des RVA vom 25. Mai 1937 in EuM Bd. 41, 263, 266). Demnach waren bis zum Inkrafttreten des AnVNG im anwaltlichen Probedienst beschäftigte Assessoren Angestellte in höherer Stellung, die zu ihrer wissenschaftlichen Ausbildung für den zukünftigen Beruf gegen Entgelt tätig waren.

In § 1228 Abs. 1 Nr. 3 des Regierungsentwurfs des Rentenversicherungsgesetzes (Deutscher Bundestag, 2. Wahlp., Drucksache 2437) war die gleiche Regelung wie im bisherigen Recht (§ 172 Abs. 1 Nr. 5 RVO idF der Ersten VereinfVO) vorgesehen. Der Bundesrat hielt diese Einschränkung der Versicherungspflicht für zu weitgehend und empfahl, den Kreis der versicherungsfreien Beschäftigten auf seinen ursprünglichen Umfang, nämlich auf die sogenannten Werkstudenten, wieder zu beschränken ("zu" Drucksache 2437, Anl. 1, "zu Artikel 1", Nr. 4). Sein Änderungsvorschlag fand im wesentlichen unverändert Aufnahme in die Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze; ihre unterschiedlichen Fassungen sind für die vorliegende Frage ohne Belang (§ 1227 Abs. 1 Nr. 3 RVO; § 4 Abs. 1 Nr. 4 AVG). Das Gesetz bringt nunmehr klar zum Ausdruck, daß die nach früherem Recht gegebene Einschränkung der Versicherungspflicht bei Beschäftigung zur wissenschaftlichen Ausbildung für den zukünftigen Beruf nicht mehr besteht und daß nur noch die während bestimmter Studien ausgeübte Beschäftigung versicherungsfrei sein soll.

Wenn demgegenüber § 2 Nr. 1 AVG als Tatbestandselement der Versicherungs pflicht in Anlehnung an die überkommene Terminologie erstmals die Beschäftigung zur "Ausbildung für den Beruf eines Angestellten aufführt, so soll dies nach dem dargelegten - auf Ausweitung des Kreises der von der Versicherungspflicht erfaßten Personen weisenden - Zusammenhang nur die Erweiterung der Versicherungspflicht zum Ausdruck bringen, keineswegs aber in verhüllter Form Versicherungsfreiheit begründen; denn diese ist abschließend in §§ 4 ff AVG geregelt. Deshalb bleibt auf jeden Fall nach neuem Recht Angestellter, wer dies schon - wie der Anwaltsassessor - nach bisherigem Recht war. Die jetzige Regelung stellt in der AV - im Gegensatz zur Krankenversicherung, die die "Lehrlinge" zu den "Angestellten" rechnet (§ 165 b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 RVO) - die Lehrlinge und sonst zu ihrer Ausbildung für den Beruf eines Angestellten Beschäftigten den Angestellten gegenüber. Das Beschäftigungsverhältnis der letztgenannten Personen ist wie das der Lehrlinge dadurch gekennzeichnet, daß der Ausbildungszweck und nicht die Leistung abhängiger Arbeit gegen Entgelt diesem Dienstverhältnis das Gepräge gibt. Gemeint sind damit Volontäre, Praktikanten u. a. Die jetzige Fassung des § 2 Nr. 1 AVG steht daher der Versicherungspflicht der Anwaltsassessoren nicht entgegen, die zwar noch "mit den Standespflichten und Aufgaben eines Rechtsanwalts vertraut" gemacht werden sollen (§ 6 Abs. 1 der Rechtsanwaltsordnung für das Land Hessen), aber vor allem auf der Grundlage einer abgeschlossenen wissenschaftlichen Ausbildung Dienste verrichten, die entsprechend honoriert werden.

Zu Unrecht erblicken die Kläger in der Einbeziehung der Anwaltsassessoren in die Versicherungspflicht einen Verstoß gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG). Aus der Versicherungspflicht ergeben sich zwar für den Anwaltsassessor und den ihn beschäftigenden Rechtsanwalt Beitragslasten. Dieser Belastung stehen aber eine Reihe von Berechtigungen des versicherten Anwaltsassessors gegenüber, die seinem Schutzbedürfnis in einer Phase des Übergangs Rechnung tragen, in der er in aller Regel noch nicht über die Möglichkeiten der Zukunftssicherung des selbständigen, freiberuflich Tätigen verfügt. Auch ohne Erfüllung der Wartezeit genießt der Anwaltsassessor bereits beschränkten Versicherungsschutz, insbesondere bei Arbeitsunfällen (vgl. § 29 AVG). Ihm können unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 AVG Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit gewährt werden (vgl. § 14 AVG). Renten wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit können dem Versicherten in der Mehrzahl der Fälle allerdings erst nach Erfüllung der Wartezeit (§§ 23 Abs. 1, 24 Abs. 1 AVG) gewährt werden; das gilt auch für die Hinterbliebenenrenten (§ 40 Abs. 2 AVG). Für die Erfüllung der Wartezeit reicht die Zeit des anwaltlichen Probedienstes nicht aus. Doch kann auch Anwaltsassessoren, die zunächst nur während ihres anwaltlichen Probedienstes versicherungspflichtig beschäftigt sind, die Erfüllung der Wartezeit möglich werden: durch Anrechnung von Ersatzzeiten (vgl. § 28 AVG) und durch spätere Zeiten versicherungspflichtiger Beschäftigung. Auf jeden Fall bleibt ihnen das Recht der Beitragserstattung nach § 82 AVG, wenn die Versicherungspflicht entfällt und die Wartezeit nicht erfüllt ist. Nach alledem ist festzustellen, daß die Einbeziehung der Anwaltsassessoren in die Versicherungspflicht diesem schutzbedürftigen Personenkreis zwar keinen umfassenden, aber doch gerade in dieser Übergangssituation nicht unwesentlichen begrenzten Versicherungsschutz gewährt, bei dem die wirtschaftliche Belastung für den Versicherten - durch die Möglichkeit der Beitragserstattung - auf ein Mindestmaß herabgesetzt ist.

Daß der den Anwaltsassessor beschäftigende Rechtsanwalt als Arbeitgeber an der Beitragslast beteiligt ist, stellt keine Besonderheit des Versicherungsverhältnisses des Anwaltsassessors dar, sondern entspricht einem Grundprinzip der Sozialversicherung (vgl. § 109 AVG). Wie bereits dargelegt, ist die Meinung der Kläger irrig, der den Anwaltsassessor beschäftigende Rechtsanwalt müsse Beiträge zahlen, obgleich von vornherein feststehe, daß hierfür nie eine Gegenleistung gewährt werde. Schon die Risikotragung ist versicherungsmäßige Gegenleistung. Diese Leistung ist vom Versicherungsträger immer erbracht, auch wenn sich im Einzelfall - bei rückschauender Betrachtung - herausstellt, daß das Versicherungsverhältnis als Anwaltsassessor nicht zu Leistungen der AV in Gestalt von Renten oder Rehabilitationsmaßnahmen geführt hat. Im übrigen würde eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beitragsleistung selbst dann verfassungsmäßig unbedenklich sein, wenn tatsächlich von vornherein feststünde, daß hierfür nie eine Gegenleistung an den, für den die Beiträge entrichtet werden, gewährt werden würde (vgl. Beschl. des BVerfG vom 16. Oktober 1962 zu § 113 AVG. BVerfG 14, 312).

Demnach sind im anwaltlichen Probedienst tätige Assessoren als entgeltlich beschäftigte Angestellte nach § 2 Nr. 1 AVG versicherungspflichtig (im Ergebnis ebenso LSG Niedersachsen in den Urteilen vom 27. April 1962 - L 1 An 40/62 - und vom 3. August 1962 - L 1 An 48/61 - sowie LSG Bremen im Urteil vom 29. März 1963 - LKr 6/62 -).

Die auf dieser Grundlage ergangenen Beitragsbescheide der beklagten Krankenkasse sind auch insoweit rechtmäßig, als sie den auf den Arbeitnehmer entfallenden Beitragsanteil betreffen. Zu Unrecht meint der Kläger G., diese Beitragsforderung sei rechtsmißbräuchlich, weil er nach § 82 Abs. 1 AVG einen Anspruch auf Erstattung der Arbeitnehmeranteile habe. Der Kläger G. übersieht, daß Gläubiger der Beitragsforderung die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle (§ 121 AVG) und Schuldner der gesamten Beiträge der Kläger V. (§ 118 Abs. 1 AVG) ist, während das Recht auf Beitragserstattung nur von ihm, dem Kläger G., (§ 82 Abs. 1 Satz 1) gegenüber der beigeladenen BfA (§ 147 Abs. 1 Nr. 1 AVG) geltend gemacht werden kann. Nur diesem Versicherungsträger - und nicht der Einzugsstelle - steht die Entscheidung darüber zu, ob die Voraussetzungen der Beitragserstattung erfüllt sind, und zwar nachdem der berechtigte Versicherte dort einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Es genügt also für die Auslösung der Verpflichtung zur Beitragserstattung nicht, wie der Kläger G. offenbar meint, daß er Inhaber dieses Gestaltungsrechts ist und - möglicherweise - von diesem Recht einmal Gebrauch machen wird.

Die Urteile der Vorinstanzen sind somit aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 57

MDR 1964, 791

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