Leitsatz (amtlich)

Die Vermutung des RVO § 594 ist nur dann widerlegt, wenn die Abwägung aller zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten ergibt, daß es insgesamt nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen.

 

Normenkette

RVO § 594 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. März 1971 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes die Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusteht.

Der am 25. September 1904 geborene Ehemann der Klägerin bezog von der Beklagten wegen einer Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) eine Verletztenrente, die seit dem 17. Mai 1963 als Vollrente gewährt wurde. Der Versicherte war in erster Ehe mit einer Schwester der Klägerin verheiratet Diese ist am 17. Mai 1968 gestorben. Die aus dieser Ehe hervorgegangenen Kinder waren zu dieser Zeit bereits volljährig und verheiratet. Die am 18. März 1914 geborene Klägerin, die seit dem 21. August 1940 verwitwet war und einen erwachsenen Sohn aus erster Ehe hat, bezog eine knappschaftliche Witwenrente von monatlich 274,40 DM und hatte in der Zeit vom 1. Januar 1968 bis zum 31. August 1968 außerdem aus einer Tätigkeit als Serviererin ein Einkommen von 3.625,62 DM netto. Nachdem am 4. Juli 1968 das Aufgebot ohne Abkürzung der Frist bestellt worden war, heiratete die Klägerin den Versicherten am 6. August 1968. Der Versicherte starb am 30. November 1968.

Die Beklagte, die einen Bericht des praktischen Arztes Dr. Q, vom 18. Dezember 1968 eingeholt hatte, lehnte mit Bescheid vom 7. März 1969 die Gewährung der Witwenrente aus der Unfallversicherung unter Berufung auf § 594 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ab, weil die nach dem Beginn der Berufskrankheit geschlossene Ehe weniger als ein Jahr gedauert habe und nach den getroffenen Feststellungen der Gegenbeweis dafür nicht zu erbringen sei, daß der Klägerin mit der Heirat eine Versorgung verschafft werden sollte.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte am 15. April 1970 in Abänderung ihres Bescheides vom 11. März 1969 verurteilt, der Klägerin die gesetzlich zustehende Witwenrente zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 23. März 1971 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt, § 594 RVO schließe den Anspruch auf Witwenrente nicht aus, denn nach den besonderen Umständen des Falles sei die Annahme nicht gerechtfertigt, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, der Klägerin eine Versorgung zu verschaffen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, daß maßgebender Beweggrund für den Versicherten die Absicht gewesen sei, durch die baldige Heirat mit der Klägerin, die vor allem wegen seines Gesundheitszustandes notwendige Betreuung sicherzustellen. Das genüge für die Widerlegung der in § 594 RVO enthaltenen Vermutung, ohne daß es auf die Motive der Klägerin ankomme, denn es sei kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, daß der Versicherte gesundheitlich, geistig oder seelisch zu schwach gewesen sei, um selbst über den Abschluß und den Zweck der Ehe maßgebliche Erwägungen anzustellen, oder daß der Entschluß auf krankheitsbedingten, wirklichkeitsfremden Vorstellungen beruhe.

Die Beklagte hat dieses Urteil mit der - vom LSG zugelassenen - Revision angefochten. Sie trägt vor, die in § 594 RVO enthaltene Vermutung sei nicht schon dann widerlegt, wenn unter den Beweggründen eines der Eheschließenden der Versorgungszweck keine maßgebende Bedeutung gehabt habe. Wolle man der Auslegung des LSG folgen, so würden Witwenrenten nur dann nicht gewährt werden dürfen, wenn beide Ehepartner bewußt das Ziel verfolgten, gegenüber einem Versicherungsträger die formell bestehende Stellung als Ehepartner auszunutzen, um den Versicherungsträger zu schädigen. Auf einen derartigen Extremfall könne sich die Anwendbarkeit des § 594 RVO nicht beschränken. Die Ansprüche seien vielmehr auch dann abzulehnen, wenn der Anspruchsteller sich im wesentlichen von dem Versorgungsgedanken bei der Eingehung der Ehe habe leiten lassen. Derjenige, der eine Leistung verlange, solle nach dem Willen des Gesetzgebers nachweisen, daß er keine Versorgungsabsichten mit der Heirat verfolgt habe.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 15. April 1970 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält den § 594 RVO für verfassungswidrig, denn er verstoße gegen die Menschenwürde. Im übrigen bestehe der Anspruch auch bei Anwendung des § 594 RVO. Die Revision der Beklagten sei daher unbegründet.

II

Die zulässige Revision der Beklagten hat insofern Erfolg, als das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen wird. Die Tatsachenfeststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend über den erhobenen Anspruch zu entscheiden.

Nach § 589 Abs. 2 RVO steht der Tod des Versicherten dem Tod durch Arbeitsunfall gleich, denn es ist nicht offenkundig, daß der Tod des Versicherten mit der Berufskrankheit nicht im ursächlichen Zusammenhang gestanden hat. Nach § 589 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 590 RVO stände also der Klägerin als Witwe des Versicherten die Witwenrente zu. Nach § 594 RVO hat die Witwe jedoch keinen Anspruch, wenn die Ehe erst nach dem Beginn der dem Arbeitsunfall gleichstehenden Berufskrankheit geschlossen und der Tod innerhalb des ersten Jahres der Ehe eingetreten ist. Dies gilt aber nicht, wenn nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen. Diese Vorschrift ist dem § 123 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) nachgebildet (vgl. BT-Drucks. IV/120 S. 59 Begründung zu § 592 des Entwurfs zum Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz - UVNG -). Da das Motiv der Eheschließenden, mit der Heirat der Witwe eine Versorgung zu verschaffen, in der Praxis nur schwer nachzuweisen sein wird, hat der Gesetzgeber davon abgesehen, dieses Motiv der Eheschließung allgemein zum Tatbestandsmerkmal für den Ausschluß des Anspruchs zu erheben. Er ist vielmehr von folgenden Überlegungen ausgegangen: "Nach der Lebenserfahrung wird eine mit einem Verletzten kurz vor seinem Tod geschlossene Ehe, die nicht länger als ein Jahr dauert meist aus Versorgungsgründen geschlossen. Deshalb muß grundsätzlich der Anspruch versagt werden, wenn nicht zugunsten des Hinterbliebenen diese Vermutung entkräftet wird" (vgl. BT-Drucks. IV/120 S. 59, Begründung zu § 592 des Entwurfs zum UVNG). Der § 594 RVO stellt also in seinem ersten Teil die widerlegbare Vermutung auf, daß es unter den dort genannten Umständen der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen. Das Gesetz knüpft an dieses vermutete Motiv die Rechtsfolge, daß der Anspruch auf die Hinterbliebenenrente nicht besteht. Es ist ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers, einem Mißbrauch der Ehe vorzubeugen und manipulierte Folgen nicht eintreten zu lassen. Damit verstößt er nicht gegen den in Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) garantierten Schutz der Ehe, denn er schützt gerade das Institut der Ehe vor Mißbrauch. Entgegen der Ansicht der Klägerin verletzt § 594 RVO auch nicht die nach Art. 1 GG unantastbare Würde des Menschen; insbesondere enthält er keinen unzulässigen Eingriff in die Intimsphäre. Die Vorschrift zwingt die Witwe nicht, ihre Beweggründe für die Eheschließung zu offenbaren. Der Umstand allein, daß sie bei einem Verschweigen ihrer Motive Nachteile erleiden könnte, weil sie unter Umständen die vermutete Versorgungsabsicht nicht widerlegen kann, ändert nichts daran, daß § 594 RVO nicht gegen ihren Willen zu einem Eingriff in die Intimsphäre führt. Die Vorschrift verstößt schließlich auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Wenn § 594 RVO auch trotz ähnlicher rechtspolitischer Zielvorstellungen wie § 123 Abs. 1 Nr. 1 BBG für die Vermutung der Versorgungsehe eine von dieser Vorschrift verschiedene Frist bestimmt, so liegt dafür doch ein sachlicher, den Unterschied rechtfertigender Grund vor. Der Gesetzgeber mißt die Moral eines Beamten keineswegs mit anderen Maßstäben als die eines Unfallversicherten. Der wesentliche Unterschied liegt vielmehr darin, daß es sich bei § 123 Abs. 1 Nr. 1 BBG um eine Person handelt, die im Zeitpunkt der Eheschließung durchaus noch völlig gesund sein kann, während der Unfallversicherte des § 594 RVO zur Zeit der Heirat bereits an den Folgen eines - wie sich später herausstellt - zum Tode führenden Unfalls (Berufskrankheit) leidet, so daß die Lebenserwartung in beiden Fällen durchaus verschieden beurteilt werden kann. Es ist daher sachlich gerechtfertigt, die gesetzliche Vermutung, daß es sich um eine Versorgungsehe handelt, an verschiedene Fristen zu binden.

Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen der Vermutung des § 594 RVO vor. Fraglich kann nur sein, ob die Vermutung widerlegt ist. Dabei ist zunächst einmal zu fragen, was unter dem Begriff "besondere Umstände" im Sinne des § 594 RVO zu verstehen ist. Bereits in dem vor Inkrafttreten des UVNG geltenden Recht spielte der Begriff "besondere Umstände" eine Rolle, denn nach § 590 Abs. 2 RVO a. F. konnte die Berufsgenossenschaft unter besonderen Umständen auch dann eine Rente gewähren, wenn die Ehe erst nach dem Unfall geschlossen und der Tod innerhalb des ersten Jahres der Ehe eingetreten war. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 17. Januar 1957 (SozR Nr. 1 zu § 590 RVO a. F.) ausgeführt, als besonderer Umstand im Sinne des § 590 Abs. 2 RVO a. F. sei nicht die Tatsache anzusehen, daß die Witwe ihren schwerkranken Mann gepflegt habe, da es zu den selbstverständlichen Pflichten jeder Ehefrau gehöre, ihren kranken Ehemann zu pflegen. Es wäre aber verfehlt, daraus zu schließen, daß besondere Umstände im Sinne des § 594 RVO n. F. dann nicht vorliegen, wenn die Eheleute mit der Heirat den Zweck verfolgten, dem kranken Versicherten eine ausreichende Betreuung und Pflege zukommen zu lassen.

In § 590 Abs. 2 RVO a. F. spielten die "besonderen Umstände" eine andere Rolle als in § 594 RVO n. F. Während sie jetzt ausschließlich der Widerlegung der Versorgungsabsicht dienen, handelte es sich früher um davon unabhängige Tatsachen, die geeignet waren, die Ermessensentscheidung des Versicherungsträgers zu beeinflussen. Besondere Umstände im Sinne des § 594 RVO n. F. sind alle Umstände des Einzelfalles, die nicht schon von der Vermutung selbst erfaßt sind und die geeignet sind, einen Schluß auf den Zweck der Heirat zuzulassen. Entscheidend ist nur, ob sie ausreichen, um die Vermutung zu widerlegen. Dabei sind vor allem solche Umstände von Bedeutung, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund schließen lassen. Dazu gehört auch der Wille der Eheschließenden, dem kranken Versicherten durch die Heirat die nötige Betreuung und Pflege zukommen zu lassen, denn das ist ein von der Versorgungsabsicht verschiedenes, legitimes Motiv für die Eheschließung.

Kernpunkt des Rechtsstreits ist die Frage, ob die vermutete Versorgungsabsicht schon dann widerlegt ist, wenn einer der Ehegatten nicht überwiegend den Zweck verfolgt hat, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zu § 101 Abs. 1 des Deutschen Beamtengesetzes (DBG) die Ansicht vertreten, die Beamtenwitwe verliere den Anspruch auf Witwengeld nur dann, wenn die Annahme gerechtfertigt sei, daß beide Ehegatten mit der Heirat allein oder überwiegend den Zweck verfolgt hätten, der Witwe den Bezug des Witwengeldes zu verschaffen (BGHZ 12, 347). Diese Entscheidung ist die Grundlage für die in der Literatur zu § 123 BBG vertretene Ansicht, der der Witwe obliegende Gegenbeweis sei dann erbracht, wenn die Vermutung der Versorgungsabsicht bei einem der Ehegatten durch besondere Umstände entkräftet werde (vgl. Plog-Wiedow, Kommentar zum BBG, 2. Auflage 1965, Anm. III zu § 123, Randziffer 11; Bochalli, Kommentar zum BBG, 2. Auflage 1958, Anm. 2 zu § 123). Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat unter Bezugnahme auf die zitierte Entscheidung des BGH angenommen, daß die in § 123 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBG enthaltene Vermutung in aller Regel, aber nicht ausnahmslos dann widerlegt sei, wenn nachweislich für einen der Ehegatten die Absicht, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen, nicht maßgebend gewesen sei (BVerwG 25, 221; Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des BVerwG 23.2 Nr. 7 zu § 123 BBG). Zwar ist dem auch für die Auslegung des § 594 RVO grundsätzlich zuzustimmen, jedoch kann - entgegen der Ansicht des LSG - das Motiv der Witwe für die Eheschließung nicht völlig unbeachtlich sein. Wenn auch die nach § 123 des Ehegesetzes erforderliche Erklärung der Eheschließenden übereinstimmt, die Ehe miteinander eingehen zu wollen, so braucht das doch auf den mit der Heirat verfolgten Zweck nicht zuzutreffen. Die Motive für die Eheschließung und das Ziel der Ehe können bei beiden Ehepartnern voneinander abweichen. Bei voneinander abweichenden Zielvorstellungen der beiden Ehegatten ist die Frage schwer zu beantworten, auf wessen Motive es ankommt. In der bereits zitierten Entscheidung des BGH zu § 101 Abs. 1 DBG, der im Gegensatz zu § 123 BBG und § 594 RVO noch keine Vermutung der Versorgungsabsicht enthielt, ist zutreffend ausgeführt worden, daß der Anspruch nur dann ausgeschlossen ist, wenn beide Ehegatten mit der Heirat allein oder überwiegend den Versorgungszweck verfolgt haben. Das bedeutet, daß nach einer Gesamtbetrachtung der verschiedenen Motive beider Ehegatten die Abwägung stattfindet, welches der verschiedenen Motive insgesamt überwiegt. Das gilt auch für § 594 RVO, denn gegenüber dem § 101 Abs. 1 DBG hat sich nicht das Gewicht der Motive, sondern nur die Beweissituation geändert. Unter den Voraussetzungen dieser Vorschrift wird zunächst vermutet, daß bei einer Gesamtbetrachtung der Zielvorstellungen beider Ehegatten die Versorgungsabsicht insgesamt überwiegt. Hätte der Gesetzgeber es auf die Motive des einen oder des anderen Ehegatten abstellen wollen, so hätte er das leicht zum Ausdruck bringen können. Da er das aber nicht getan hat, sondern auf den Zweck der Heirat abstellt, kann es sich nur um die Zielvorstellungen derjenigen handeln, die die Ehe schließen, so daß es auf die Motive beider Ehegatten ankommt. Geht die Vermutung aber von einer Gesamtabwägung der Motive beider Ehegatten aus, so können für die im Gesetz zugelassene Widerlegung der Vermutung nicht die Zielvorstellungen eines der Ehegatten außer Betracht bleiben. Es muß vielmehr eine Gesamtabwägung der beiderseitigen Motive erfolgen, wobei die Vermutung nur dann als widerlegt angesehen werden kann, wenn die Versorgungsabsicht insgesamt betrachtet nicht überwiegt. Zwar ist dem BVerwG darin zuzustimmen, daß die Vermutung in der Regel dann widerlegt ist, wenn nachweislich für einen Ehegatten die Versorgungsabsicht keine Rolle spielte. Sind die Ehegatten von verschiedenen, aber gleich starken Motiven zur Eheschließung bestimmt worden, so kann weder das eine noch das andere Motiv überwiegen. Im allgemeinen wird jedoch jeder der Eheschließenden nicht nur ein Motiv, sondern mehrere Beweggründe haben. Selbst wenn für einen Ehegatten die Versorgungsabsicht in den Hintergrund tritt, so kann doch dieses für ihn weniger starke Motiv zusammen mit den Beweggründen des anderen Ehegatten ergeben, daß die Versorgungsabsicht insgesamt als der überwiegende Zweck der Heirat erscheint. Die vom BVerwG aufgestellte Regel, daß die Vermutung der Versorgungsabsicht dann widerlegt ist, wenn nachweislich für einen der Ehegatten die Versorgungsabsicht nicht maßgebend war, gilt daher nicht ausnahmslos, wie dieses Gericht selbst ausgeführt hat. Die vom BVerwG beispielhaft genannten Ausnahmefälle enthalten keine erschöpfende Aufzählung. Die Gewichtverteilung der Motive beider Ehegatten kann so vielfältig sein, daß sich nicht generell sagen läßt, in welchen Fällen das auf die Versorgung gerichtete Motiv des einen Ehegatten bedeutungslos ist.

Das LSG hat zwar festgestellt, daß für den Versicherten maßgebender Beweggrund die Absicht gewesen sei, durch die baldige Heirat mit der Klägerin, seine vor allem wegen seines Gesundheitszustandes notwendige Betreuung sicherzustellen. Diese Feststellung läßt nicht erkennen, ob der Versicherte daneben auch die Absicht hatte, der Klägerin eine Versorgung zu verschaffen. Sollte das der Fall sein, so können die Beweggründe der Klägerin nicht ohne Bedeutung sein, denn sie können zusammen mit diesem Motiv des Versicherten ergeben, daß es insgesamt gesehen der überwiegende Zweck der Heirat war, der Klägerin eine Versorgung zu verschaffen. Die festgestellten Tatsachen reichen daher zur abschließenden Entscheidung nicht aus. Das LSG wird feststellen müssen, welche Motive die Klägerin für die Eheschließung hatte und ob der Versicherte neben dem bereits festgestellten Beweggrund auch noch andere Zielvorstellungen hatte. Erst danach wird die Abwägung möglich sein, ob die Gesamtbetrachtung der beiderseitigen Zielvorstellungen ergibt, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Klägerin eine Versorgung zu verschaffen.

Der Senat hat daher das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1670221

BSGE, 272

NJW 1973, 1996

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