Leitsatz (amtlich)

1. Hat das SG einen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung verurteilt, für die Zeit bis zum Inkrafttreten des FAG SV im Wege der vorläufigen Fürsorge Rente zu gewähren, und einen anderen Unfallversicherungsträger zur Rentenleistung auf Grund des FAG SV für die Zeit nach dessen Inkrafttreten verpflichtet, so besteht im Verfahren über die Berufungen der Versicherungsträger zwischen diesen keine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des ZPO § 62.

2. Ist die NSDAP auf Grund des RVO § 625a idF der Ersten Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 1942-08-20 an die Stelle eines bis dahin zuständigen Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung getreten, so sind dessen Verpflichtungen aus Versicherungsverhältnissen kraft Gesetzes auf den neuen Versicherungsträger übergegangen; mit der Auflösung der NSDAP sind sie nicht zu Lasten des früheren Versicherungsträgers wieder aufgelebt.

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Berufungsschrift, die nicht handschriftlich von einem zur Vertretung der Berechtigten, sondern von einer Angestellten mit dem Zusatz "für die Richtigkeit" unterzeichnet ist, genügt den Formerfordernissen des SGG § 151 nicht; eine solche Berufung ist unzulässig.

 

Normenkette

SGG § 151; RVO § 625a Fassung: 1942-08-20; SGG § 74; ZPO § 62; SVFAG; RVO § 1735 Fassung: 1924-12-14

 

Tenor

Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. September 1959 wird dahin geändert, daß hinsichtlich der Beigeladenen zu 1) die Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 16. November 1954 entfällt und die Berufung dieser Beigeladenen gegen das erstinstanzliche Urteil als unzulässig verworfen wird.

Im übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die Beigeladene zu 1) hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Der Ehemann der Klägerin war Gauhauptstellenleiter im Amt NS-Volkswohlfahrt bei der Gauleitung Baden-Württemberg. Auf einer Tagung der NSV-Kreisämter in Eßlingen am 20. Juni 1939 erkrankte er infolge des Genusses von Enteneiern an Paratyphus und starb hieran am 23. Juni 1939.

Die beigeladene Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (Beigeladene zu 2) gewährte der Klägerin und ihren drei Kindern durch Bescheid vom 16. August 1939 Hinterbliebenenrente, der Klägerin auch Sterbegeld. Am 1. März 1943 übernahm die Eigenunfallversicherung (EUV) der NSDAP die Rentenleistung und setzte sie bis zum Zusammenbruch im Jahre 1945 fort. Mit Schreiben vom 8. August 1951 beantragte die Klägerin von dem beklagten Land Hessen die Wiedergewährung der Rente für sich und ihre Kinder. Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 10. Juni 1952 ab, weil er weder Rechtsnachfolger der ehemaligen EUV der NSDAP sei noch gesetzliche Vorschriften beständen, die ihn zur Befriedigung von Entschädigungsansprüchen gegen die EUV verpflichteten.

Auf die rechtzeitig erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Kassel nach Beiladung der Bundesrepublik Deutschland (Beigeladene zu 1) durch Urteil vom 16. November 1954 den Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 1952 aufgehoben und

1) den Beklagten verurteilt, an die Klägerin die ihr aus dem Bescheid der Beigeladenen zu 2) vom 16. August 1939 bzw. der NSDAP - Reichsschatzmeister - vom 5. Februar 1943 zustehende Hinterbliebenenrente nach den Vorschriften des 3. Buches der Reichsversicherungsordnung (RVO) vom 8. August 1951 bis zum 31. März 1952 zu zahlen,

2) die Beigeladene zu 1) verurteilt, diese Hinterbliebenenrente mit Wirkung vom 1. April 1952 an weiterzuzahlen.

Gegen dieses Urteil haben der Beklagte und die Beigeladene zu 1) binnen Monatsfrist Berufung zum Hessischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Weder die Berufungsschrift der Beigeladenen zu 1) vom 6. Januar 1955 noch ihre Begründungsschrift vom 28. Januar 1955 ist von einem zur Vertretung des Versicherungsträgers Berechtigten handschriftlich unterzeichnet. Die Maschinenschrift endet: "Im Auftrag gez. G" bzw. "I.V. gez. L". Neben dem Dienstsiegel der Beigeladenen zu 1) befindet sich in beiden Fällen ein Gummistempel mit dem Wortlaut:

"Für die Richtigkeit:

Angestellte".

Dazwischen ist ein Namenszug handschriftlich eingefügt.

Das Hessische LSG hat durch Urteil vom 8. September 1959 die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beklagte sei zur Übernahme der durch die EUV der NSDAP gewährten Renten nicht verpflichtet. Zwar habe sich das Hessische Staatsministerium - Der Minister für Arbeit und Wohlfahrt - durch Erlaß vom 23. März 1949 - II-7011/49 - damit einverstanden erklärt, daß die Hessische Ausführungsbehörde für Unfallversicherung die Personen, die einen Anspruch gegen die EUV der NSDAP auf Leistungen nach dem 3. Buch der RVO hatten, gemäß § 1735 RVO bis zur Feststellung des endgültig Verpflichteten in vorläufige Fürsorge nehme; der Erlaß stelle jedoch keine gesetzliche Regelung dar und setze außerdem voraus, daß der Versicherungsträger - was bei dem Beklagten nicht der Fall sei - den Unfall als Arbeitsunfall ansehe. Die Beigeladene zu 2) sei nicht leistungspflichtig, weil sie mit der Übernahme der Leistungen durch die EUV aus der Haftung ausgeschieden sei. Die Beigeladene zu 1) sei zwar nach § 7 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) vom 7. August 1953 für Versicherungsfälle aus Beschäftigungsverhältnissen bei der NSV zuständig, jedoch seien die Anspruchsvoraussetzungen des § 5 FAG schon deshalb nicht erfüllt, weil die Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliege, nach dem im Zeitpunkt des Unfalls geltenden Recht zu beurteilen sei, der Ehemann der Klägerin aber in Ermangelung einer unmittelbaren Betreuung von gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdeten Menschen nicht nach § 537 Nr. 4 b RVO aF versichert gewesen sei und bei ihm auch die Voraussetzungen des § 539 b RVO aF nicht vorgelegen hätten. Die Beigeladene zu 1) werde auch nicht durch den Bescheid der Beigeladenen zu 2) vom 16. August 1939 verpflichtet; denn die Beigeladene zu 2) habe die Rente nur auftragsweise für die anfangs noch nicht funktionsfähige EUV der NSDAP gewährt. Schließlich sei eine Bindung an den Bescheid vom 16. August 1939 nicht auf Grund des § 17 Abs. 6 FAG eingetreten, weil diese Vorschrift sich nur auf rechtskräftige Feststellungen nach 1945 beziehe. - Das LSG hat die Revision zugelassen.

Das Urteil ist der Klägerin am 30. September 1959 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 26. Oktober 1959 Revision eingelegt und diese am 24. November 1959 begründet.

Die Revision führt aus, der Beklagte hätte es ohne Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nicht ablehnen dürfen, von der ihm durch den Erlaß vom 23. März 1949 erteilten Entschädigungsermächtigung Gebrauch zu machen. Ferner tritt sie der Auffassung entgegen, daß durch den Eintritt der EUV gemäß § 892 Abs. 4 RVO aF die Beigeladene zu 2) aus der Haftung ausgeschieden sei. Sie meint, mit der Auflösung der EUV seien die Verpflichtungen der Beigeladenen zu 2) wieder aufgelebt. Zu der Frage, ob dem Ehemann der Klägerin ein Arbeitsunfall im Sinne des § 5 FAG zugestoßen sei, führt die Revision aus, dafür sei die Rechtslage beim Inkrafttreten des FAG entscheidend. Der Ehemann der Klägerin sei nach § 537 Nr. 1, möglicherweise auch nach § 537 Nr. 2 RVO (Tätigkeit in der Wohlfahrtspflege), gegen Arbeitsunfall versichert gewesen; auch ein Gauhauptstellenleiter der NSV habe "unmittelbare Betreuung" ausgeübt.

Die Klägerin beantragt,

1) das angefochtene Urteil aufzuheben,

2) die Beigeladene zu 1) zu verurteilen, die der Klägerin nach dem Bescheid vom 5. Februar 1943 zustehende Hinterbliebenenrente auch weiterhin zu zahlen,

3) hinsichtlich des Beklagten die Hauptsache als durch Zahlung erledigt zu erklären.

Der Beklagte und die Beigeladenen beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie treten dem angefochtenen Urteil in allen wesentlichen Punkten bei. Dem Revisionsantrag zu 3) widerspricht der Beklagte, weil er nicht leistungspflichtig sei.

II.

Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, also zulässig.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht hatte der Senat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1), wie das LSG ohne nähere Begründung angenommen hat, zulässig waren (BSG 2, 225, 246 und 3, 126).

Gegen die Zulässigkeit der Berufung des Beklagten könnten, da das SG diesen Versicherungsträger nur für einen bei Einlegung des Rechtsmittels bereits abgelaufenen Zeitraum zur Rentengewährung verurteilt hat, im Hinblick auf § 145 Nr. 2 SGG Bedenken auftreten. Nach der im Zeitpunkt der Berufungseinlegung geltenden und daher hier maßgeblichen alten Fassung des § 145 SGG war jedoch die Berufung nur dann ausgeschlossen, wenn das vorinstanzliche Urteil ausschließlich Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betraf (vgl. BSG 1, 225 zu der ähnlichen Vorschrift des § 148 Nr. 2 SGG). Das Urteil des SG Kassel betraf indessen nicht nur Rente für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft, und zwar nicht nur hinsichtlich der Beigeladenen zu 1), sondern auch hinsichtlich des Beklagten; denn es entschied, wenn auch in negativem Sinne, über den vor allem gegen ihn als Beklagten gerichteten Anspruch der Klägerin für die Zeit nach dem 31. März 1952. Das LSG hat daher mit Recht eine Sachentscheidung über die Berufung des Beklagten getroffen.

Dagegen war die Berufung der Beigeladenen zu 1) unzulässig, weil ihre Berufungsschrift nicht den Formerfordernissen des § 151 Abs. 1 SGG entspricht. Wie das Bundessozialgericht (BSG) wiederholt entschieden hat, muß der Berufungsschriftsatz als ein für das Verfahren bestimmender Schriftsatz von dem Verantwortlichen eigenhändig unterzeichnet sein (vgl. BSG 1, 243; 5, 110; 6, 256; ferner die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 25. August 1959 - 2 RU 69/58, 70/58, 71/58 - und vom 20. Dezember 1961 - 2 RU 133/56 -). Daran fehlt es im vorliegenden Falle. Die Berufungsschrift und die Begründungsschrift sind lediglich mit einem Richtigkeitsvermerk einer nicht vertretungsbefugten Person versehene Abschriften von Schriftstücken, die sich in den Akten des Versicherungsträgers befinden. Die Beigeladene zu 1) hat daher selbst nicht wirksam Revision eingelegt. Innerhalb der für sie bis zum 18. Januar 1955 laufenden Berufungsfrist ist allerdings die formgerecht abgefaßte Berufungsschrift des Beklagten eingegangen. Diese Rechtsmitteleinlegung hätte zugunsten der Beigeladenen zu 1) gewirkt, wenn die beiden in erster Instanz verurteilten Versicherungsträger im Berufungsverfahren notwendige Streitgenossen im Sinne des § 62 der Zivilprozeßordnung (ZPO) gewesen wären (§ 74 SGG). Dies trifft jedoch nach der Auffassung des Senats, wie bereits in einem gleichliegenden Falle am 29. Januar 1959 - 2 RU 182/56 - entschieden wurde, nicht zu. Von den beiden in § 62 ZPO zusammengefaßten Arten einer notwendigen Streitgenossenschaft scheidet die sog. notwendige Streitgenossenschaft im engeren Sinne für das vorliegende Verfahren von vornherein aus; es liegt kein Fall vor, in dem eine Klage gegen mehrere Beteiligte nur gemeinschaftlich erhoben werden darf, vielmehr hätten der Beklagte und die Beigeladene zu 1) auch gesondert verklagt werden können. Auch der Fall der "zufällig" notwendigen Streitgenossenschaft (weil "das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann") ist nicht gegeben. Er setzt voraus, daß entweder die Rechtskraft sich auf alle Streitgenossen erstreckt, falls auch nur einer klagt oder verklagt wird, oder Identität des Streitgegenstandes vorliegt (Stein/Jonas, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl. § 62 II, 1 und 2; Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung, § 62 Anm. 2; BSG 11, 35, 37). Der Gesichtspunkt der Erstreckung der Rechtskraft scheidet aus. Das gegen den Beklagten ergangene erstinstanzliche Urteil konnte keine Rechtskraftwirkung gegen die Beigeladene zu 1) haben, auch umgekehrt nicht. Zu einem solchen Ergebnis kommt man auch nicht über § 17 Abs. 6 FAG. Wenn die gegen den Beklagten in erster Instanz ausgesprochene Verpflichtung, für die Zeit vor dem 1. April 1952 Rente an die Klägerin zu zahlen, rechtskräftig würde, so würde dies keine "rechtskräftige Feststellung einer Leistung" im Sinne des § 17 Abs. 6 FAG bedeuten (BSG 3, 50, 56). Der Streitgegenstand ist auch nicht im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten derselbe wie im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1). Diese Frage wird bei Streitgenossen auf der klagenden Seite beispielsweise bejaht, wenn sowohl der Unternehmer gemäß § 902 RVO als auch der versicherte Verletzte auf Entschädigung klagen. In einem solchen Falle machen zwei Kläger denselben - materiell-rechtlichen und prozessualen - Anspruch geltend; infolgedessen muß die Entscheidung für beide Kläger "einheitlich", d.h. inhaltsgleich ausfallen (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., § 95 III 1 b, S. 471 unten; RGZ 64, 322). Anders ist es im vorliegenden Streitfalle. Das LSG hatte auf die Berufung des Beklagten zu entscheiden, ob dieser für die Zeit bis zum 31. März 1952 vorläufige Fürsorge nach § 1735 RVO zu gewähren hatte. Demgegenüber war zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) streitig, ob auf Grund des FAG eine Rente für die Zeit nach dem 31. März 1952 zu gewähren war. Es waren also weder die Zeiträume, für welche eine Leistung streitig war, dieselben noch die materiellen Rechtsgrundlagen. Daß die Ansprüche auf demselben Ereignis beruhten, nämlich dem Unfall des Ehemannes der Klägerin, war dabei unerheblich. Bei dieser Sach- und Rechtslage war eine inhaltsgleiche Entscheidung hinsichtlich des Beklagten und der Beigeladenen zu 1) nicht geboten. Sie konnte hinsichtlich jeder der als leistungspflichtig in Betracht kommenden Versicherungsträger, je nachdem ob die Anspruchsvoraussetzungen bejaht oder verneint wurden, sowohl positiv als auch negativ ausfallen. Keinesfalls aber hätten für ein und denselben Zeitraum beide Versicherungsträger zur Leistung verurteilt werden können. Für die Verneinung der notwendigen Streitgenossenschaft im vorliegenden Falle spricht auch die Erwägung, daß die Beklagte und die Beigeladene zu 1) weitgehend entgegengesetzte Interessen vertreten. Dadurch, daß das LSG sich als befugt und verpflichtet ansah, die Leistungspflicht der Beigeladenen zu 1) sachlich zu prüfen, wurde es in die Lage versetzt, deren Leistungspflicht - wie geschehen - zu verneinen. Infolgedessen kam der Beklagte auch wieder für die Zeit nach dem 31. März 1952 als leistungspflichtig in Betracht. Es wäre nicht verständlich, daß ein solches Prozeßrisiko ausschließlich durch die eigene Rechtsmitteleinlegung des nur für einen anderen Zeitraum zur Entschädigungsleistung verurteilten Versicherungsträgers begründet werden könnte. Dem steht nicht entgegen, daß der Beklagte wegen der Aufwendungen, die den Gegenstand seiner Verurteilung in der ersten Instanz gebildet hatten, möglicherweise auf Grund der §§ 1, 17 des Ersten Überleitungsgesetzes vom 28. November 1950 (BGBl I 773) idF des Art. IV Nr. 13 des Zweiten Überleitungsgesetzes vom 21. August 1951 (BGBl I 774) einen Erstattungsanspruch gegen den Bund gehabt hätte Da das SG für die Zeit nach dem 31. März 1952 bereits die Beigeladene zu 1) als leistungspflichtig festgestellt hatte, bestand auch aus der Zweckbestimmung des § 75 Abs. 2 und 5 sowie des § 180 SGG keine Veranlassung, trotz Unzulässigkeit der Berufung der Beigeladenen zu 1) noch einmal sachlich zu entscheiden (vgl. hierzu BSG 9, 67).

Da hiernach die Berufung der Beigeladenen zu 1) nicht in der gesetzlichen Form eingelegt worden ist und die Berufung des Beklagten auch nicht zugunsten jenes Versicherungsträgers gewirkt hat, mußte die Berufung der Beigeladenen zu 1) unter entsprechender Änderung des angefochtenen Urteils als unzulässig verworfen werden.

Insoweit hatte also die Revision der Klägerin Erfolg.

Im übrigen ist die Revision unbegründet.

Wie das LSG mit Recht ausgeführt hat, steht der Klägerin kein Anspruch gegen das beklagte Land zu, weil in Hessen keine gesetzlichen Vorschriften ergangen sind, nach denen die Landesausführungsbehörde für Unfallversicherung Verpflichtungen der früheren EUV der NSDAP zu übernehmen gehabt hätte. Dies verkennt auch die Revision nicht. Sie meint jedoch, der Beklagte hätte ohne Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 des Grundgesetzes) und ohne Verstoß gegen Treu und Glauben nicht davon absehen dürfen, von der ihm durch den angeführten Erlaß vom 23. März 1949 erteilten Ermächtigung Gebrauch zu machen, die Rente im Wege der vorläufigen Fürsorge an die Klägerin zu zahlen. Diese Auffassung trifft nicht zu. Der Erlaß vom 23. März 1949 bedeutet nichts weiter, als daß von seiten des Ministers für Arbeit und Wohlfahrt als der Aufsichtsbehörde der Landesausführungsbehörde für Unfallversicherung keine Bedenken gegen die Anwendung des § 1735 RVO auf Fälle der EUV der NSDAP erhoben wurden. Nach § 1735 RVO hat der angegangene Versicherungsträger nur dann vorläufige Fürsorge zu leisten, wenn er einen Arbeitsunfall als vorliegend erachtet. In einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 19. März 1952 hat die Hessische Ausführungsbehörde für Unfallversicherung jedoch eindeutig die Auffassung vertreten, es liege kein Arbeitsunfall vor, weil der Ehemann der Klägerin "in Erfüllung von unmittelbaren parteilichen Aufgaben der NSDAP" tätig gewesen sei. Eine Verpflichtung des Beklagten ist demnach nicht begründet.

Für die Zeit vor dem 1. April 1952 ist auch die Beigeladene zu 1) nicht leistungspflichtig, weil das FAG, aus dem ihr gegenüber eine Leistungspflicht allenfalls hergeleitet werden kann, erst von seinem Inkrafttreten an Leistungen gewährt.

Schließlich steht der Klägerin auch, wie das LSG zutreffend entschieden hat, kein Anspruch gegen die Beigeladene zu 2) zu. Dieser Versicherungsträger hat allerdings den Bescheid vom 16. August 1939, durch den der Klägerin Hinterbliebenenrente gewährt wurde, nicht auftragsweise für die EUV der NSDAP, sondern aus eigenem Recht erlassen. Die Tätigkeit, bei welcher der Ehemann der Klägerin zu Tode gekommen ist, war seiner Arbeit für die NSV zuzurechnen, und für Versicherte im Dienste dieses "angeschlossenen Verbandes" (§ 3 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 29. März 1935 - RGBl I 502) war die NSDAP im Jahre 1939 noch nicht der zuständige Versicherungsträger. Sie wurde dies aber mit der Änderung des § 625 a RVO durch Nr. 7 der Ersten Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 20. August 1942 (RGBl I 532). Durch Nr. 9 derselben Verordnung wurde die EUV der NSDAP errichtet (§ 892 Abs. 4 RVO). Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung (1. Januar 1942) sind die Verpflichtungen der Beigeladenen zu 2) aus den bestehenden Versicherungsverhältnissen kraft Gesetzes auf die EUV der NSDAP als den neuen Versicherungsträger übergegangen. Sie konnten mit dem Wegfall der EUV der NSDAP nicht ohne weiteres zu Lasten des früheren Versicherungsträgers wieder aufleben, vielmehr bedurfte es zur Neuregelung dieser Verbindlichkeiten wiederum gesetzlicher Vorschriften. Diese sind in Gestalt des FAG - unter zeitlicher Beschränkung und unter eingehenden Voraussetzungen - ergangen, für Beschäftigungsverhältnisse bei der NSV jedoch nicht zu Lasten einer Berufsgenossenschaft, sondern der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 FAG).

Hiernach war wie geschehen zu erkennen.

Die Entscheidung über die Kosten ergeht in Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 240

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