Leitsatz (amtlich)

Rentenantragsteller, die während der letzten fünf Jahre vor Stellung des Rentenantrags mindestens 52 Wochen bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren, sind für die Zeit von der Antragstellung bis zum Beginn des Altersruhegeldes Formalmitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung (RVO § 315a) und beitragspflichtig (RVO § 381 Abs 3) jedenfalls dann, wenn sie das Altersruhegeld wenige Monate vor Vollendung des 65. Lebensjahres beantragt haben.

 

Normenkette

RVO § 315a Fassung: 1956-06-12, § 381 Abs. 3 Fassung: 1956-06-12

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 20. Oktober 1964 sowie das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. August 1963 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die am 6. September 1897 geborene Klägerin hatte ihre letzte versicherungspflichtige Beschäftigung von Dezember 1956 bis März 1959 ausgeübt. Sie war in dieser Zeit Mitglied der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) P. gewesen, während ihr Ehemann, der eine Rente bezieht und der Krankenversicherung der Rentner angehört, Mitglied der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) ist.

Am 5. Juni 1962 stellte die Klägerin bei dem Bezirksamt Wandsbek einen Antrag auf Altersruhegeld und unterschrieb dabei den Vordruck R 251 a, wonach sie sich bei der beklagten AOK Hamburg "zur Krankenversicherung der Rentner nach § 317 Abs. 5 RVO" anmeldete. Die Beklagte bestätigte ihr am 19. Juni 1962 mit dem Formblatt C 311, daß sie "vom Tage der Antragstellung an ..., als Rentenantragstellerin ... versicherungspflichtiges Mitglied ... (§ 165 Abs. 1 Nr. 3/4 RVO)" geworden sei. In dem Formular hieß es sodann weiter: "Die Beiträge müssen Sie nach gesetzlicher Vorschrift bis zum Beginn der Rente selbst aufbringen und einzahlen. Wird Ihrem Rentenantrag entsprochen, übernimmt der Rentenversicherungsträger die Beitragszahlung jedoch erst nach Zustellung des Rentenbescheides. Beiträge, die Sie über den Rentenbeginn hinaus selbst eingezahlt haben, werden Ihnen dann von uns erstattet". Der Beitrittsbestätigung war eine Mitgliedskarte beigefügt, in der die für die Monate Juni bis August 1962 geschuldeten Beiträge einzeln aufgeführt waren. Die Klägerin entrichtete die geforderten Beiträge in Höhe von insgesamt 84,48 DM.

Die Landesversicherungsanstalt (LVA) Freie und Hansestadt Hamburg bewilligte der Klägerin das Altersruhegeld mit Bescheid vom 13. November 1962 vom 1. September 1962 an.

Mit Schreiben vom 19. November 1962 forderte die Klägerin die gezahlten Beiträge zur Krankenversicherung (KrV) von der Beklagten zurück und brachte dazu vor, sie habe bei der Entrichtung mit der Rückerstattung gerechnet. Ihr "guter Glaube" stütze sich auf das von der LVA herausgegebene Merkblatt "Die neugeordnete Krankenversicherung der Rentner". Es sei zudem in den Tageszeitungen öfter zu lesen gewesen, man solle die Rentenanträge rechtzeitig stellen. Hätte sie gewußt, daß sie durch die Stellung des Antrages verpflichtet werde, Krankenversicherungsbeiträge aus eigenen Mitteln zu bezahlen, hätte sie den Antrag zurückgenommen und erst im September gestellt, da sie infolge der KrV ihres Ehemannes nach § 205 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ausreichend geschützt gewesen sei.

Die Beklagte lehnte die begehrte Rückzahlung durch Bescheid vom 9. Januar 1963 ab. Die Bearbeitung eines Rentenantrages dauere in der Regel drei bis sechs Monate, so daß der Rat, die Renten rechtzeitig zu beantragen, im Interesse der Antragsteller läge. Die Krankenkasse könne die Erfolgsaussichten eines Rentenantrages nicht übersehen. Im Regelfall werde dieser von einem Versicherten gestellt, der aus dem Erwerbsleben ausscheide. Seinem Interesse an einem ununterbrochenen Versicherungsschutz sei bei der Neuregelung der KrV der Rentner Rechnung getragen worden. Die Folge davon sei aber, daß ein Versicherungsverhältnis durch den Rentenantrag kraft Gesetzes nach § 315 a RVO auch in einem Fall wie dem der Klägerin begründet werde.

Der hiergegen von der Klägerin eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Daraufhin hat diese vor dem Sozialgericht (SG) Hamburg Klage erhoben mit der Begründung, der Anmeldungsvordruck R 251 a enthalte nichts über die Höhe der Beitragspflicht, auch nichts darüber, daß der Antragsteller die Beiträge nicht zurückfordern könne. Da sie rechtsunkundig sei, hätte sie der Beamte bei Aufnahme des Rentenantrages darauf hinweisen müssen, daß mit einer vorzeitigen Antragstellung ein Geldverlust für sie verbunden sei.

Das SG hat mit Urteil vom 7. August 1963 den Widerspruchsbescheid vom 19. März 1963 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 84,48 DM zu zahlen. Es hat in den Urteilsgründen ausgeführt, nach § 315 a RVO werde zwar auch durch einen unbegründeten Antrag eine (Formal-) Mitgliedschaft begründet. Dabei handele es sich aber stets um Versicherte, die mit dem Antrag einen Rentenanspruch erheben wollten. Durch die Geltendmachung eines, wenn auch nur vermeintlichen Rentenanspruchs solle der Krankenversicherungsschutz nicht unterbrochen werden. Die Klägerin dagegen habe den Antrag vorzeitig gestellt, damit der Beginn der Rentenzahlung nicht durch die Bearbeitung ihrer Rentenangelegenheit verzögert werde. Sie habe daher bei sinngemäßer Auslegung ihres Antrages die Gewährung von Rente überhaupt erst von einem zukünftigen Zeitpunkt an begehrt. In einem solchen Falle beginne die Krankenversicherungspflicht erst zusammen mit der Rente.

Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung ist vom Landessozialgericht (LSG) Hamburg durch Urteil vom 20. Oktober 1964 zurückgewiesen worden. Dieses hat sich im wesentlichen der Auffassung des SG angeschlossen und hierzu noch näher ausgeführt, die Klägerin sei unstreitig in den Monaten Juni bis August 1962 nicht Vollmitglied nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO i. V. m. § 306 Abs. 2 RVO geworden, weil sie noch nicht rentenberechtigt gewesen sei. Sie sei aber auch nicht als Rentenantragstellerin Formalversicherte nach § 315 a geworden. Sie habe nämlich, wie schon das SG ausgeführt habe, gewußt, daß sie für die Zeit vor dem 1. September 1962 keine Rente hätte beanspruchen können. Sie habe einen dahingehenden Anspruch auch gar nicht erhoben. Eine Auslegung ihres Rentenantrages ergebe vielmehr, daß seine Wirkung bis zum 1. September 1962 hätte aufgeschoben sein sollen. Die Rechtsnatur einer Krankenversicherung als Zwangsversicherung habe zwar zur Folge, daß mit Stellung eines Rentenantrages die Versicherungspflicht kraft Gesetzes entstehe. Ein Rentenantrag liege jedoch solange nicht vor, als seine Rechtswirksamkeit aufgeschoben werden sei, wie sich aus § 163 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergebe. Diese Vorschrift widerspreche nicht der Systematik des Gesetzes. Nach § 315 a RVO sollten zwar aus dem Personenkreis der nicht in einer gesetzlichen KrV Versicherten (§ 315 a Abs. 3 RVO) auch diejenigen von dem gesetzlichen Krankenversicherungsschutz erfaßt werden, die einen Rentenantrag vorzeitig stellten, weil sie sich in dem irrigen Glauben befänden, der Versicherungsfall sei schon eingetreten. Die Rechtsinstitution der Formalmitgliedschaft würde jedoch mißbraucht, wenn auch Versicherte Formal-Mitglieder eines Trägers der gesetzlichen KrV werden könnten, die sich darüber klar seien, daß der Versicherungsfall bei ihnen noch nicht eingetreten sei, und die den Rentenantrag nur deshalb vorzeitig stellten, um früher den Krankenversicherungsschutz zu erlangen. Jeder Versicherte, der vorzeitig ein Altersruhegeld beantrage, nur um vorzeitig in die gesetzliche KrV zu kommen, müsse sich nach § 133 BGB entgegenhalten lassen, daß bei sinngemäßer Auslegung seines Antrages darin eine Befristung im Sinne von § 163 BGB enthalten sei, durch die eine Formalmitgliedschaft bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres (§ 1290 Abs. 1 RVO) ausgeschlossen werde. Demgegenüber könne der Versicherte nicht einwenden, er wolle einen solchen Aufschub nicht. Der wirkliche Wille müsse, wenn er volle rechtliche Wirkung haben solle, mit der Auslegung, die die Willenserklärung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte erfordere, übereinstimmen und von ihr gedeckt sein. Sei das nicht der Fall, fehle ihm insoweit die rechtliche Wirksamkeit. Wolle ein Rentenbewerber die Mitgliedschaft durch verfrühten Antrag vorzeitig erwerben, so sei dies mit dem Inhalt und dem Sinn von § 315 a RVO sowie mit den Regeln von Treu und Glauben unvereinbar. Eine Formalmitgliedschaft habe demnach für die Klägerin vom 5. Juni bis 31. August 1962 nicht bestanden, so daß sie auch nicht beitragspflichtig gewesen sei. Damit seien von ihr zu Unrecht Beiträge gefordert worden, so daß diese zurückgezahlt werden müßten.

Hiergegen hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt mit dem Antrage,

das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 20. Oktober 1964 und des Sozialgerichts Hamburg vom 7. August 1963 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Durch § 165 Abs. 1 Nr. 3 und 4 und § 315 a Abs. 1 RVO solle gewährleistet werden, daß bereits der Rentenbewerber Krankenversicherungsschutz genieße. Welche dieser beiden Vorschriften in Betracht komme, lasse sich bei Beginn des Versicherungsschutzes nicht sagen. Es werde nämlich einmal gefordert, daß die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente erfüllt seien (§ 165 Abs. 1 Nr. 4 RVO), zum anderen, daß diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien (§ 315 a RVO). Beides könne aber am Tage der Rentenantragstellung nicht einmal der Rentenversicherungsträger, geschweige denn die Krankenkasse beurteilen. Die genannten Vorschriften könnten daher nur dahin verstanden werden, daß die Eingruppierung als Vollmitglied oder als Formalmitglied nach § 315 a RVO erst nachträglich, nämlich bei der Entscheidung über den Rentenantrag möglich sei. Daß aber jeder Rentenbewerber, und zwar vom Tage der Antragstellung an, entweder Formal- oder Vollmitglied sein solle, stehe außer Zweifel.

Aus § 381 Abs. 3 RVO gehe hervor, daß die formale Mitgliedschaft nach § 315 a RVO nicht nur für solche Rentenbewerber gelte, die abschlägig beschieden werden. Nach dieser Vorschrift hätten nämlich Personen, die einen Rentenantrag gestellt haben, bis zum Beginn der Rente die Beiträge allein zu tragen; nur darüberhinaus geleistete Beiträge erhielten sie erstattet. Hieraus müsse geschlossen werden, der Gesetzgeber habe damit gerechnet, daß für eine Zeit vor dem Beginn der Rente Mitgliedschaft in der gesetzlichen KrV bestehen könne, ohne daß es zu einer Ablehnung des Rentenantrages komme. Eine entsprechende Beitragszahlung für diese Zeit durch den Träger der Rentenversicherung (RentV) komme aber für Personen, die unter § 165 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 RVO fielen, nicht in Betracht, weil die Vollmitgliedschaft nur eintrete, wenn alle Voraussetzungen für den Rentenbezug erfüllt seien, praktisch also vom Rentenbeginn an. Wenn daher § 381 Abs. 3 RVO eine Beitragszahlung vor Rentenbeginn vorsehe, so müsse er damit diejenigen Rentenbewerber meinen, deren Mitgliedschaft nach § 315 a Abs. 1 RVO durch einen vorzeitigen Antrag entstanden sei. Dann aber müsse es schließlich gleichgültig sein, ob es sich dabei um Altersruhegeld oder um eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gehandelt habe.

II.

Die Revision der Beklagten ist begründet.

Nach dem durch das Gesetz über Krankenversicherung der Rentner (KVdR) vom 12. Juni 1956 (BGBl I 500) eingefügten § 315 a Abs. 1 Nr. 1 RVO gelten als Mitglieder in der gesetzlichen KrV Personen, die während der letzten fünf Jahre vor Stellung des Rentenantrages mindestens 52 Wochen bei einem Träger der gesetzlichen KrV versichert waren und eine Invalidenrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder ein Ruhegeld aus der Rentenversicherung der Angestellten beantragt haben, ohne die Voraussetzungen für den Bezug der Rente oder des Ruhegeldes zu erfüllen. § 315 a RVO ist noch zur Zeit des alten Rentenversicherungsrechts in Kraft getreten. Damals gab es in der Arbeiterrentenversicherung die Invalidenrente des § 1253 RVO aF, welche die eigentliche Invalidenrente des Abs. 1 Nr. 1 RVO umfaßte, die Rente wegen vorübergehender Invalidität nach Abs. 1 Nr. 2, ferner die Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres, schließlich die Witwen-Invalidenrente nach § 1253 Abs. 2 RVO. In der Angestelltenversicherung gab es das entsprechende Ruhegeld des § 26 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) aF, das das Ruhegeld wegen dauernder sowie vorübergehender Berufsunfähigkeit erfaßte, weiter das Altersruhegeld nach Vollendung des 65. Lebensjahres, schließlich aber auch bereits ein Ruhegeld nach Vollendung des 60. Lebensjahres i. V. m. mehr als einjähriger Arbeitslosigkeit (§ 397 AVG aF). Nach dem Inkrafttreten der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze sind nach Art. 3 § 1 ArVNG und AnVNG an ihre Stelle getreten die Renten wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, das Altersruhegeld des § 1248 Abs. 1 RVO nF bzw. des § 25 Abs. 1 AVG nF, ferner die Fälle des vorgezogenen Altersruhegeldes nach den Absätzen 2 und 3 dieser Paragraphen.

§ 315 a RVO greift in allen den Fällen ein, in denen ein Rentenantrag gestellt, aber wegen Fehlens der Voraussetzungen zum Bezug einer Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder eines Ruhegeldes aus der Rentenversicherung der Angestellten ganz oder wenigstens teilweise abgelehnt wird (BSG 19, 295, 298). Die Versicherung nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 RVO setzt zwar grundsätzlich mit der Rentenantragstellung ein (§ 306 Abs. 2 RVO), aber nur dann, wenn die vorgeschriebenen Vorversicherungszeiten zurückgelegt, die Voraussetzungen zum Bezuge der Rente erfüllt sind und § 165 Abs. 6 RVO nicht anzuwenden ist. Ob die Voraussetzungen zum Bezug der Rente gegeben sind, stellt sich jedoch erst im Laufe des Rentenverfahrens heraus. Das gilt insbesondere für die Erwerbsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit. Der Rentenantragsteller kann daher in zahlreichen Fällen nicht von vornherein wissen, ob seinem Rentenantrag stattgegeben wird. Er muß aber die Gewißheit haben, daß seine Krankenversicherung in jedem Fall sichergestellt ist. Diese Sicherstellung bezweckt § 315 a RVO (vgl. Peters, Handbuch der KrV, § 315 a RVO Anm. 1).

Alle diese Erwägungen treffen grundsätzlich auch für das Altersruhegeld zu. Beim Altersruhegeld, das wegen Vollendung des 65. Lebensjahres beantragt wird, kann zB zweifelhaft sein, ob die Wartezeit erfüllt ist. Vor allem aber beim Altersruhegeld nach Vollendung des 60. Lebensjahres i. V. m. einjähriger Arbeitslosigkeit sowie beim Altersruhegeld der über 60-jährigen Frauen nach § 1248 Abs. 3 RVO nF und § 25 Abs. 3 AVG nF kann zweifelhaft sein, ob außer der Erfüllung der Wartezeit die besonderen Voraussetzungen für diese Renten vorliegen. Darüber hinaus kann bei jedem vor Vollendung des 65. Lebensjahres beantragten Altersruhegeld ungewiß sein, ob es als Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres oder als vorgezogenes Altersruhegeld nach Vollendung des 60. Lebensjahres in Betracht kommt.

Schließlich enthält nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der Antrag auf Gewährung von Altersruhegeld in der Regel - stillschweigend - auch den Hilfsantrag auf Gewährung von Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, falls die Voraussetzungen für das Altersruhegeld nicht erfüllt sind oder eine andere Leistung günstiger ist (vgl. ua SozR Art. 2 § 42 ArVNG Nr. 10 und 26; s. hierzu ferner Niemann SozVers 1961, 350). Bei Beantragung des Altersruhegeldes kann demzufolge der Antragsteller niemals mit völliger Sicherheit von vornherein wissen, ob seinem Rentenantrag überhaupt, in welcher Form und bejahendenfalls von wann ab stattgegeben wird. Er soll aber auch hier nach dem Willen des Gesetzgebers die Gewißheit haben, daß seine KrV in jedem Fall sichergestellt ist und mit dem Rentenantrag beginnt, wie § 306 Abs. 2 RVO ergibt. Damit zeigt sich bereits hier, daß die Ausführungen des LSG nicht überzeugen können. Insbesondere erweist sich danach seine Ansicht als nicht haltbar, jeder Versicherte, der vorzeitig Altersruhegeld beantrage, müsse sich entgegenhalten lassen, daß bei sinngemäßer Auslegung seines Antrags darin eine Befristung enthalten sei, durch die eine Formalmitgliedschaft bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres (§ 1290 Abs. 1 RVO) ausgeschlossen werde, und wolle er gleichwohl einen früheren Beginn seiner KrV, so fehle seinem Willen insoweit mit Rücksicht auf Treu und Glauben die rechtliche Wirksamkeit. Jeder Versicherte könnte dieses vom LSG für unerwünscht gehaltene Ergebnis schon dadurch vermeiden, daß er statt des Altersruhegeldes in erster Linie oder wenigstens hilfsweise das vorgezogene Altersruhegeld oder aber Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit beantragt, womit der Argumentation des Berufungsgerichts bereits die wesentliche Grundlage entzogen ist. Darüber hinaus geht das Gesetz ausdrücklich von der Möglichkeit aus, sich den Krankenversicherungsschutz durch einen frühzeitigen Rentenantrag zu sichern, wie noch weiter unten in anderem Zusammenhang auszuführen sein wird.

Nach alledem kann in den Fällen, in denen ein Versicherter der unstreitig die gesetzliche Wartezeit für ein Altersruhegeld erfüllt hat und dieses kurz vor Vollendung seines 65. Lebensjahres beantragt, nichts anderes gelten. Da auch er zur Zeit der Antragstellung die Voraussetzungen für die begehrte Leistung noch nicht erfüllt, muß er deshalb bis zum Beginn dieser Leistung Formalversicherter nach § 315 a RVO mit der Folge sein, daß er für seine Beiträge selbst aufzukommen hat (§ 381 Abs. 3, Satz 2 RVO). Dieses Ergebnis kann der Rentenbewerber auch nicht dadurch vermeiden, daß er die Anmeldung zur KrV unterläßt oder ausdrücklich erklärt, daß diese erst mit dem Beginn des Altersruhegeldes beginnen solle, oder daß sein Rentenantrag erst zu einem späteren Zeitpunkt als gestellt anzusehen sei. Die gesetzliche Krankenversicherungspflicht der unter § 315 a Abs. 1 RVO fallenden Personen ist gerade nicht von einem dahingehenden Antrag abhängig, sondern ua an die Voraussetzung geknüpft, daß eine Rente beantragt ist. Beantragt in diesem Sinne ist aber die Rente in dem Zeitpunkt, in dem der Antrag bei der dafür zuständigen Stelle eingeht (§§ 1613 ff RVO), ohne daß dabei die Möglichkeit bestünde, den Antrag als erst zu einem späteren Zeitpunkt gestellt zu bestimmen.

Allerdings ist jetzt durch das Gesetz zur Beseitigung von Härten in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften vom 9. Juni 1965 (BGBl I 476) klargestellt, daß die Versicherten für alle Fälle des Altersruhegeldes bestimmen können, daß ein späterer Zeitpunkt als das in den Absätzen 1 - 3 genannte Lebensalter für die Erfüllung der Voraussetzungen maßgebend sein soll (Einfügung des neuen Absatzes 7 in § 1248 RVO und in § 25 AVG, Art. 1 § 1 Nr. 13 und Art. 1 § 2 Nr. 10 der genannten Härtenovelle; inwieweit dies bereits für das frühere Recht galt, war sehr umstritten - vgl. aus der Literatur ua Malkewitz, DRentV 1964, 173 und SozVers 1965, 175 einerseits; andererseits ua Scheerer DRentV 1963, 214 und SozVers 1965, 8 -). Man könnte daraus folgern, daß dann, wenn der Rentenbewerber in seinem Antrag zugleich, wie es jedenfalls jetzt zulässig ist, einen späteren Zeitpunkt bestimmt, von dem an er die Leistung erst haben will, seine Rentnerkrankenversicherung nicht bereits vom Zeitpunkt des Rentenantrages, wenn auch nur als Formalversicherung nach § 315 a RVO, beginnen könne. Zur Begründung ließe sich anführen, einmal würde dadurch jedem Anwärter auf ein Altersruhegeld über die §§ 176, 313 RVO hinaus ein Recht zum freiwilligen Eintritt in die KrV eingeräumt, da er den Rentenantrag schon Jahre vor Vollendung seines 60. bzw. 65. Lebensjahres stellen könnte; außerdem aber könnte in diesen Fällen ein Zweifel über das jeweilige Vorliegen der Voraussetzungen für einen Rentenanspruch überhaupt nicht möglich sein, da aufgrund des eingeräumten Wahlrechts und der daraufhin erfolgten Bestimmung des Zeitpunktes eindeutig feststünde, daß die Rente nicht vor diesem Zeitpunkt beginnen kann, also zur Zeit überhaupt noch nicht in Betracht kommt.

Indes stehen einer solchen Auffassung nicht nur die obigen Ausführungen über die Möglichkeit einer Auslegung des Rentenantrages dahin, daß hilfsweise Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit begehrt wird, entgegen, sondern vor allem der mit Bedacht gewählte Wortlaut des Gesetzes. Danach beginnt die KrV aber mit dem Rentenantrag. Diese Regelung ist nach der amtlichen Begründung zum KVdR (BT-Drucks. II/1234 S. 10) getroffen worden, um sicherzustellen, daß bei Stellung des Rentenantrages vor oder mit dem Ausscheiden aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung der Versicherungsschutz nicht unterbrochen wird. Das erstrebte Ziel, einen lückenlosen Sozialversicherungsschutz für den Fall der Krankheit beim Übergang vom Beschäftigungsverhältnis in das Rentnerdasein zu gewähren, konnte der Gesetzgeber nur dadurch erreichen, daß er es entscheidend auf die Stellung des Rentenantrages abstellte. Da die Krankenkasse die Berechtigung zum Bezuge der Rente von dem Krankenversicherungsträger in der Regel nicht nachprüfen kann, sondern lediglich die Erfüllung der weiteren Voraussetzungen, daß der Versicherte während der letzten fünf Jahre vor Stellung des Rentenantrages mindestens 52 Wochen bei einem Träger der gesetzlichen KrV versichert war, war es weiter unausbleiblich, daß der Rentenantrag, verbunden mit der letztgenannten Voraussetzung, in jedem Falle die Mitgliedschaft bei der zuständigen Krankenkasse begründen mußte. Somit sollte ersichtlich jedem Anwärter auf eine Rente die Möglichkeit gegeben werden, mit dem Ausscheiden aus der Erwerbstätigkeit seinen weiteren Krankenversicherungsschutz dadurch sicherzustellen, daß er den Rentenantrag stellte (so auch Jantz KrV der Rentner zu § 315 a RVO S. k 61; s. ferner BVerfG 13, 21, 27). Dementsprechend enthält das Gesetz nicht einmal eine Bestimmung darüber, wie es mit der Formalmitgliedschaft nach § 315 a RVO steht, wenn der Rentenantrag in Kenntnis der Unbegründetheit des erhobenen Rentenanspruchs in der Absicht gestellt wird, den Schutz der gesetzlichen KrV zu erhalten. Wie ein solcher Fall zu entscheiden wäre, braucht hier indes ebensowenig untersucht zu werden wie die weitere Frage, wie einem Mißbrauch des Versicherungsschutzes überhaupt begegnet werden kann. Die Beantragung der Rente nur wenige Monate vor dem Zeitpunkt, an dem die Voraussetzungen für die Rente erfüllt sind, ist sachgemäß. Sie entspricht sowohl den Interessen des Versicherungsträgers als auch des Versicherten, weil auf diese Weise eine rechtzeitige oder doch nicht allzu sehr nach dem Rentenbeginn liegende Rentenbewilligung möglich ist. Eine solche Antragstellung kann auf keinen Fall dazu führen, daß der Versicherte nicht Formalmitglied nach § 315 a RVO wird.

Auch etwaige irrige Vorstellungen über die Zweckmäßigkeit ihres Vorgehens und den Inhalt und die Bedeutung der von ihr unterschriebenen und der ihr ausgehändigten Formblätter berechtigten die Klägerin nicht zu einer Rückforderung der geleisteten und nach den obigen Ausführungen geschuldeten Beiträge. Nach der im Regierungsentwurf vorgesehenen Fassung des § 163 Abs. 6 RVO sollte die gesetzliche Pflichtversicherung ua nicht eingreifen, falls "ein gesetzlicher Anspruch auf Familienkrankenhilfe" besteht (vgl. die genannte BT-Drucks. II/1234 S. 2). Diese Bestimmung ist später gestrichen worden. Der Gesetzgeber hat somit davon abgesehen, Familienangehörige Versicherter von der Pflichtversicherung auszunehmen. Da die Familienhilfe nicht durch Beitragszuschläge finanziert wird, soll sie erst in letzter Linie eintreten (BVerfG 13, 21, 30). Hierauf ist zurückzuführen, daß die Klägerin mit Antragstellung beitragspflichtig wurde. Die Klägerin hat somit die Beiträge für ihre KrV bis zum Beginn der Rente nach § 381 Abs. 3 RVO selbst zu tragen.

Damit mußte die Revision der Beklagten das aus der Urteilsformel ersichtliche Ergebnis haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 293

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