Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallrente und Familienunterhalt. wirtschaftlicher Dauerzustand

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Berechnung der Beiträge des Witwers und der Versicherten zum Familienunterhalt während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes.

 

Orientierungssatz

1. Die Verwendung einer Unfallrente zur Tilgung der anläßlich des Baus einer Garage eingegangenen Verbindlichkeiten nimmt der Rente nicht ihren Rechtscharakter als Unterhaltsbeitrag.

2. Zur zeitlichen Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes.

3. Als Beiträge der Versicherten oder des späteren Witwers zum Familienunterhalt dürfen solche Einnahmen nicht berücksichtigt werden, die effektiv schon vor dem Beginn oder erst nach dem Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes erzielt worden sind.

 

Normenkette

RVO § 1266 Abs 1 Fassung: 1957-02-23

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 21.03.1980; Aktenzeichen L 6 J 221/79)

SG Speyer (Entscheidung vom 14.08.1979; Aktenzeichen S 7 J 154/78)

 

Tatbestand

Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Witwerrente.

Der Kläger war mit der am 21. April 1977 verstorbenen E K (im folgenden: Versicherte) verheiratet. Aus der Ehe gingen zwei in den Jahren 1959 und 1963 geborene Kinder hervor. Die Versicherte war bis zu ihrem Tode als Schuhstepperin beschäftigt. Der Kläger bezieht eine Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 vH. Deren Höhe belief sich ab Januar 1977 auf monatlich 432,70 DM. Für die Monate März bzw April 1977 wurde sie Ende Februar/Anfang März bzw Ende März/Anfang April 1977 ausgezahlt. Der Kläger war bis zum 6. März 1977 arbeitslos. Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhielt er nicht. Am 7. März 1977 wurde er als Arbeiter bei der Firma M C in M eingestellt.

Seinen Antrag auf Gewährung einer Witwerrente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. August 1977 ab, weil die Versicherte während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vom 7. März bis 20. April 1977 den Unterhalt ihrer Familie nicht überwiegend bestritten habe. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 1978, Urteil des Sozialgerichts -SG- Speyer vom 14. August 1979 und des Landessozialgerichts -LSG- Rheinland-Pfalz vom 21. März 1980). Das LSG hat die Berufung mit im wesentlichen folgender Begründung zurückgewiesen:

Der für die Frage der überwiegenden Unterhaltsleistung maßgebende letzte wirtschaftliche Dauerzustand habe mit der Arbeitsaufnahme des Klägers am 7. März 1977 begonnen und am 20. April 1977 geendet. Während dieses Zeitraums habe die Versicherte nicht mehr als der Kläger zum Unterhalt der Familie beigetragen. Sie habe für die vollen Monate März und April 1977 einen Nettolohn von insgesamt 1.801,09 DM erzielt. Beim Kläger sei nicht nur die Ende März/Anfang April, sondern auch die Ende Februar/Anfang März 1977 gezahlte Unfallrente zu berücksichtigen. Aus ihr habe er anteilmäßig für die Zeit vom 7. bis 31. März 1977 zum Familienunterhalt beisteuern können. Zu der somit nach Tagen errechneten Höhe der Unfallrente für die Zeit vom 7. März bis 20. April 1977 von insgesamt 637,40 DM kämen die für diese Zeit gezahlten, in der Auskunft der Firma M vom 8. Mai 1979 bescheinigten Beträge des Nettolohnes von zusammen 1.164,82 DM. Insgesamt hätten damit dem Kläger 1.802,22 DM zur Verfügung gestanden. Daß der Kläger überhaupt nicht oder weniger als die Versicherte an der Haushaltsführung teilgenommen habe, sei nicht anzunehmen.

Mit der durch Beschluß des Senats zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1266 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Bezüglich der Frage, ob die Versicherte den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten habe, dürfe entgegen der Ansicht des LSG nicht auf die letzten 6 Wochen vor ihrem Tode abgestellt werden. Lediglich während dieses kurzen Zeitraumes habe er (Kläger) überhaupt Mittel für den Familienunterhalt zur Verfügung stellen können. Vorher habe ausschließlich die Versicherte den Unterhalt der Familie bestritten. Seine (Klägers) geringfügige Unfallrente sei zur Schuldentilgung im Zusammenhang mit dem Bau einer Garage verwendet worden. Die Zeit ab 7. März 1977 könne um so weniger als letzter wirtschaftlicher Dauerzustand gewertet werden, als er (Kläger) die Arbeit bei der Firma M C lediglich vorübergehend aufgenommen habe und das Arbeitsverhältnis bereits am 29. September 1977 wieder beendet worden sei. Aber selbst wenn mit der Arbeitsaufnahme der letzte wirtschaftliche Dauerzustand begonnen habe, habe auch während dieses Zeitraums die Versicherte den überwiegenden Unterhalt bestritten. Sie habe mit den am 10. März und 10. April 1977 erfolgten Gehaltszahlungen Einnahmen von 1.800,-- DM erzielt. Er (Kläger) hingegen habe mit Einschluß der am 31. März 1977 gezahlten Unfallrente Einnahmen von lediglich 1.597,52 DM gehabt. Allerdings dürfe die Unfallrente nicht in diese Berechnung einbezogen werden. Einmal handele es sich um einen höchstpersönlichen und nicht für den Unterhalt der Familie bestimmten Anspruch. Zum anderen habe die Unfallrente infolge ihrer Verwendung zur Schuldentilgung für den Familienunterhalt nicht zur Verfügung gestanden. Auch wenn man mit dem LSG darauf abstelle, für welchen Zeitraum die jeweiligen Einnahmen der Eheleute bestimmt seien, bleibe es bei einer überwiegenden Unterhaltsleistung der Versicherten. Das LSG sei lediglich deswegen zu einem anderen Ergebnis gelangt, weil es die ihm (Kläger) Ende Februar 1977 gezahlte Unfallrente noch auf den Zeitraum vom 7. März bis 20. April 1977 angerechnet habe. Das sei unzulässig. Wenn die Unfallrente bereits vor diesem Zeitraum gezahlt und alsbald zur Schuldentilgung wieder verbraucht worden sei, so dürfe sie nicht fiktiv auf einen späteren Zeitraum angerechnet werden. Wenn man nicht auf die innerhalb des fraglichen Zeitraumes tatsächlich empfangenen Gelder, sondern auf ihre Aufteilung auf den genannten Zeitraum bis zur nächsten Zahlung abstelle, so habe er (Kläger) vom 11. März 1977 als dem ersten Tag der Empfangnahme von Geld bis zum 20. April 1977 mit Einschluß der am 31. März 1977 gezahlten Unfallrente insgesamt 1.206,88 DM, die Versicherte hingegen 1.350,-- DM und somit ebenfalls den überwiegenden Teil zum Familienunterhalt beisteuern können. Dabei sei der Unterhaltsbetrag der Versicherten in Form der Haushaltsführung noch nicht einmal berücksichtigt worden. Sie allein habe den Haushalt geführt. Er (Kläger) sei hierzu jedenfalls seit Aufnahme der Tätigkeit am 7. März 1977 aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen. Das LSG habe zu Unrecht die hierzu angebotenen Beweise nicht erhoben.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Speyer vom 14. August 1979

und des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom

21. März 1980 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung

ihres Bescheides vom 24. August 1977 in der Fassung des

Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 1978 zu verurteilen,

ihm ab 21. April 1977 Witwerrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das LSG habe insbesondere zu Recht als letzten wirtschaftlichen Dauerzustand den Zeitraum vom 7. März 1977 bis zum Tode der Versicherten angesehen, die Unfallrente des Klägers als Beitrag zum Familienaufwand gewertet und insoweit auch die Ende Februar/Anfang März 1977 ausgezahlte Rente teilweise berücksichtigt.

 

Entscheidungsgründe

Die durch nachträgliche Zulassung statthafte Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht begründet.

Der Kläger begehrt die Bewilligung einer Witwerrente. Rechtsgrundlage eines solchen Anspruchs ist § 1266 Abs 1 RVO. Die Vorschrift ist gegenwärtig noch geltendes Recht (BVerfGE 39, 169 = SozR 2200 § 1266 Nr 2). Hiernach erhält der Ehemann nach dem Tode seiner versicherten Ehefrau Witwerrente, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat.

§ 1266 Abs 1 RVO bestimmt nicht ausdrücklich, in welchem Zeitpunkt oder während welchen Zeitraumes die Versicherte den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten haben muß. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind hierfür die Unterhaltsleistungen der Versicherten während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor ihrem Tode maßgebend. Der letzte wirtschaftliche Dauerzustand beginnt mit der letzten wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Familienmitgliedes mit Dauerwirkung und endet im Regelfall mit dem Tode der Versicherten (vgl Urteile des erkennenden Senats in BSG SozR 2200 § 1266 Nr 9 S 41, Nr 15 S 59, Nr 18 S 69 f, jeweils mwN).

Das LSG hat als letzten wirtschaftlichen Dauerzustand die Zeit vom 7. März 1977 (Arbeitsaufnahme des Klägers bei der Firma M C) bis zum 20. April 1977 (Tag vor dem Tode der Versicherten) angesehen. In diesem Umfange ist das angefochtene Urteil rechtsbedenkenfrei. Die insoweit erhobenen Einwendungen der Revision greifen nicht durch.

Der Kläger hält es für unzulässig, als letzten wirtschaftlichen Dauerzustand lediglich den kurzen Zeitraum von 6 Wochen vor dem Tode der Versicherten anzusehen. Dabei bleibe unberücksichtigt, daß mit Ausnahme dieses kurzen Zeitraumes in dem letzten Jahr vor ihrem Tode ausschließlich die Versicherte den Unterhalt ihrer Familie bestritten habe. Außerdem habe er (Kläger) seine Tätigkeit bei der Firma M Chemie nur vorübergehend aufgenommen und ausgeübt. Letzteres muß als neues tatsächliches Vorbringen in der Revisionsinstanz außer Betracht bleiben. Das LSG hat festgestellt, bei der am 7. März 1977 aufgenommenen Tätigkeit des Klägers habe es sich um ein Dauerarbeitsverhältnis gehandelt, welches über ein halbes Jahr bestanden habe und erst wegen einer längeren Krankheit des Klägers infolge eines Unfalls am 29. September 1977 aufgelöst worden sei. Diese Tatsachenfeststellung ist für den Senat bindend. Zulässige und begründete Revisionsrügen sind insoweit nicht erhoben worden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Demnach ist das Arbeitsverhältnis des Klägers jedenfalls im Zeitpunkt seines Beginns am 7. März 1977 auf Dauer angelegt gewesen. Die Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein von vornherein zeitlich befristetes Arbeitsverhältnis für die Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes berücksichtigt werden darf (vgl dazu BSG SozR 2200 § 1266 Nr 12 S 49 f), stellt sich demnach im vorliegenden Rechtsstreit nicht.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist für die Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes dessen zeitliche Dauer regelmäßig unerheblich. Für die Bestimmung ist grundsätzlich die Zeitspanne von der letzten wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Familienmitgliedes mit Dauerwirkung bis zum Tode der Versicherten maßgebend (BSG SozR 2200 § 1266 Nr 6 S 29). Im Rahmen des § 1266 Abs 1 RVO wird in generalisierender Betrachtungsweise unterstellt, daß sich der während dieses Zeitraumes bestehende Zustand ohne den Tod der Versicherten auch in Zukunft fortgesetzt hätte (BSG SozR 2200 § 1266 Nr 15 S 60). Demzufolge kann der wirtschaftliche Dauerzustand nicht auf einen früheren Lebensabschnitt des Witwers und der Versicherten vorverlegt werden (BSG SozR 2200 § 1266 Nr 13 S 52). Eine - im vorliegenden Fall aber nicht eingreifende - Ausnahme kann allenfalls dann gelten, wenn dem Tod der Versicherten eine Zeit der Erkrankung mit einer dadurch verursachten Verschlechterung der Unterhaltslage vorausgegangen ist. Hat diese Erkrankung in verhältnismäßig kurzer Zeit zum Tode geführt und somit gleichermaßen die "Vorstufe des Todes" dargestellt, so kann es aus Billigkeitsgründen gerechtfertigt sein, die durch sie bewirkte Verschlechterung der Unterhaltslage nicht als Prüfungsmaßstab für die Voraussetzungen der Witwerrente anzulegen und statt dessen das Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes auf den Beginn der zum Tode führenden Krankheit festzulegen (vgl BSG SozR 2200 § 1266 Nr 7 S 32; Nr 9 S 41; Nr 11 S 47; Nr 15 S 59 f). Indes ist für derartige Billigkeitserwägungen nicht allein deswegen Raum, weil der letzte wirtschaftliche Dauerzustand eine verhältnismäßig kurze Zeitspanne umfaßt. Demzufolge hat das BSG neben den insoweit zu erfüllenden sachlichen nicht zusätzlich auch noch zeitliche Anforderungen hinsichtlich des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes aufgestellt und für dessen Bestimmung auch relativ kurze Zeiträume ausreichen lassen (vgl zB BSG SozR 2200 § 1266 Nr 8 S 38; Zeit vom 11. April bis 27. Mai 1967).

Bezüglich der zeitlichen Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes ist dem LSG somit zu folgen. Für die Berücksichtigung der während dieser Zeit vom Kläger und von der Versicherten abgeleisteten Beiträge zum Familienunterhalt gilt dies hingegen nicht.

Voraussetzung für die Gewährung einer Witwerrente ist, daß die Versicherte während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat. Ihr Unterhaltsbeitrag unter Einschluß der Hausarbeit muß somit mehr als die Hälfte der gesamten Unterhaltsleistungen ausgemacht haben (BSG SozR 2200 § 1266 Nr 14 S 55 mwN). Für die Auslegung des Begriffs "Unterhalt der Familie" sind die entsprechenden Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) heranzuziehen (BSGE 43, 186, 187 = SozR 2200 § 1266 Nr 5 S 26; BSG SozR aaO Nr 14 S 56). Danach umfaßt der angemessene Unterhalt der Familie alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen (§ 1360a Abs 1 BGB). Der Familienunterhalt umfaßt somit nicht nur die Aufwendungen für die laufende Lebensführung. Vielmehr zählen dazu beispielsweise auch Aufwendungen für einen Bausparvertrag oder für Investitionen in ein Haus (BSGE 40, 161, 165 = SozR 2200 § 1266 Nr 3 S 19; BSG SozR aaO Nr 14 S 56, jeweils mwN). Nach Auffassung des 11. Senats des BSG (BSGE 43, 186, 188 = SozR 2200 § 1266 Nr 5 S 27) sind dem Familienunterhalt ferner Schuldtilgungsbeträge zuzurechnen, selbst wenn Schuldner nur einer der Ehegatten ist und die Schuld aus vorehelicher Zeit stammt. Ob dieser Ansicht insgesamt gefolgt werden kann, bedarf hier nicht der Entscheidung. Jedenfalls zählen Schuldtilgungsbeträge dann zum Familienunterhalt, wenn die zugrundeliegende Schuld während der Ehezeit und zur Bestreitung von im Interesse der Familie liegenden Aufwendungen begründet worden ist.

Hinsichtlich der Unterhaltsleistungen der Familienmitglieder stellt § 1266 Abs 1 RVO auf die tatsächlichen Verhältnisse während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes ab und läßt eine Berücksichtigung nur solcher Leistungen sowohl des (späteren) Witwers als auch der (später verstorbenen) Versicherten als Beitrag zum Familienunterhalt zu, die während dieses Zeitraums zum Familienunterhalt effektiv beigesteuert worden sind (BSG SozR 2200 § 1266 Nr 8 S 39; Nr 9 S 43; Nr 12 S 50; Nr 15 S 60; Urteil vom 14. Januar 1982 - 4 RJ 75/80 -). Das bedeutet in dem hier interessierenden Zusammenhang zweierlei: Einmal dürfen als Beiträge der Versicherten oder des späteren Witwers zum Familienunterhalt solche Einnahmen nicht berücksichtigt werden, die effektiv schon vor dem Beginn oder erst nach dem Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes erzielt worden sind. So hat zB der erkennende Senat wiederholt ausgesprochen, daß eine erst nach dem Tode der Versicherten rückwirkend festgestellte und nachträglich ausgezahlte Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus einer Zusatzversorgungskasse nicht als Unterhaltsbeitrag der Versicherten berücksichtigt werden darf (BSG SozR Nr 9 zu § 1266 RVO; SozR 2200 § 1266 Nr 9 S 43 f). Dasselbe gilt nach einem Urteil des 4. Senats des BSG (BSG SozR 2200 § 1266 Nr 8 S 39) dann, wenn das förmliche Rentenfeststellungsverfahren durch rechtswirksame Erteilung eines Rentenbescheides zwar noch vor dem Tode der Versicherten abgeschlossen, die entsprechende Rente jedoch erst nach diesem Zeitpunkt ausgezahlt worden ist. Ebenso können Einkünfte der Versicherten oder ihres Ehemannes aus Lohn oder Gehalt nur dann als Beitrag zum Familienunterhalt Berücksichtigung finden, wenn sie noch vor dem Tode der Versicherten in die Verfügungsgewalt des Berechtigten gelangt sind (vgl BSG SozR 2200 § 1266 Nr 12 S 50). Die Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verhältnisse bedeutet zum anderen, daß als Unterhaltsbeiträge nur solche Leistungen gelten können, die für den Familienunterhalt effektiv zur Verfügung gestanden haben. Insbesondere ist bei laufenden Einkünften im Regelfall von den Nettobeträgen auszugehen. Die von den Einkünften tatsächlich einbehaltenen Steuern (anders der steuerliche Betrag der Absetzung für Abnutzung bei Wohngebäuden; vgl Urteil vom 14. Januar 1982 - 4 RJ 75/80 -) stehen dem Familienunterhalt nicht zur Verfügung und können deswegen nicht als Unterhaltsbeitrag berücksichtigt werden (BSGE 43, 186, 187 = SozR 2200 § 1266 Nr 5 S 26; BSG SozR aaO Nr 16 S 63). Dasselbe gilt für Aufwendungen, welche erforderlich sind, um überhaupt Einkommen erzielen und daraus einen Beitrag zum Familienunterhalt leisten zu können (vgl BSGE 43, 186, 188 = SozR 2200 § 1266 Nr 5 S 26 f: Kosten einer doppelten Haushaltsführung; BSG SozR 2200 § 1266 Nr 17 S 67: reinvestierte Gewinne aus unternehmerischer Tätigkeit; BSG SozR 2200 § 1266 Nr 18 S 70 f: Kosten für Fahrten zum und vom Arbeitsplatz und für Berufskleidung). Schließlich sind bei der Bemessung der Unterhaltsbeiträge der Versicherten oder ihres Ehemannes auch familienfremde Leistungen etwa in Gestalt von Unterhaltszahlungen an einen früheren Ehegatten oder an Kinder aus einer früheren Ehe außer Betracht zu lassen (BSGE 43, 186, 187 = SozR 2200 § 1266 Nr 5 S 26). Nach Ansicht des 11. Senats des BSG (Urteil vom 16. Dezember 1981 - 11 RA 69/80 -) können einbehaltene Sozialabgaben ebenfalls nicht als Beitrag des betreffenden Familienmitgliedes zum Familienunterhalt angesehen werden. Der erkennende Senat hat diese Frage bisher offengelassen (vgl BSG SozR 2200 § 1266 Nr 18 S 70). Sie bedarf auch im vorliegenden Rechtsstreit nicht der Entscheidung.

Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist dem Senat eine abschließende Entscheidung in der Sache nicht möglich. Hierzu bedarf es vielmehr ergänzender tatsächlicher Feststellungen, welche das LSG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung bisher nicht getroffen hat.

Zu Recht hat das Berufungsgericht die durch Mitarbeit im Haushalt erbrachten Unterhaltsbeträge beider Ehegatten als gleichwertig angesehen und deswegen im Wege der Saldierung unberücksichtigt gelassen. Die dagegen von der Revision erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet. Bezüglich des Umfanges der tatsächlichen Mitarbeit im Haushalt hat sich das LSG auf die eigenen Angaben des Klägers gestützt und ihnen im Rahmen der Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) den Vorzug gegenüber der im Verlaufe des Rechtsstreits aufgestellten Behauptung des Klägers gegeben, er sei aus gesundheitlichen Gründen neben seiner Berufstätigkeit zur Mitarbeit im Haushalt nicht imstande gewesen. Das ist nicht zu beanstanden.

Keinen Bedenken begegnet ferner die Ansicht des LSG, daß als Beitrag des Klägers zum Familienunterhalt neben seinen Arbeitseinkünften auch die Unfallrente zu berücksichtigen ist. Das ist angesichts der Lohnersatzfunktion einer solchen Rente sachlich gerechtfertigt (ebenso BSG SozR 2200 § 1266 Nr 6 S 29 für die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz). Daß die Unfallrente angeblich zur Tilgung der anläßlich des Baus einer Garage eingegangenen Verbindlichkeiten verwendet worden ist, ist - abgesehen von dem Fehlen entsprechender tatsächlicher Feststellungen im angefochtenen Urteil - rechtlich unerheblich. Eine derartige Verwendung nimmt der Rente nicht ihren Rechtscharakter als Unterhaltsbeitrag.

Der Höhe nach hat das Berufungsgericht die Beiträge sowohl des Klägers als auch der Versicherten zum Familienunterhalt unzutreffend berechnet. Eine mit den dargestellten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung übereinstimmende Berechnung erfordert zusätzliche tatsächliche Feststellungen.

Das gilt zunächst für die Unfallrente als Beitrag des Klägers zum Familienunterhalt. Das LSG hat die Einzelbeträge der Ende Februar/Anfang März und Ende März/Anfang April 1977 geleisteten Zahlungen addiert und als Unterhaltsbeitrag den rein rechnerisch auf den Zeitraum des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vom 7. März bis 20. April 1977 entfallenden Teil des Gesamtbetrages berücksichtigt. Das ist nicht vereinbar mit dem Grundsatz, daß allein die während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes tatsächlich erzielten Einnahmen - dann allerdings in voller Höhe - als Beitrag zum Familienunterhalt berücksichtigt werden dürfen. Damit kann nach dem Ergebnis der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG lediglich die Ende März/Anfang April 1977 gezahlte Unfallrente im Betrag von 432,70 DM berücksichtigt werden. Dieser Zahlungszeitpunkt liegt auf jeden Fall innerhalb des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes. Ob dies für die "Ende Februar/Anfang März" 1977 gezahlte Unfallrente in gleicher Weise gilt und somit auch sie als Unterhaltsbeitrag des Klägers zu werten ist, ist derzeit nicht zu beurteilen. Der relativ vagen Zeitabgabe "Ende Februar/Anfang März" ist nicht zu entnehmen, ob der Rentenbetrag vor dem 7. März oder nach dem 6. März 1977 in die Verfügungsgewalt des Klägers gelangt ist. Dies bedarf der ergänzenden Sachaufklärung. Je nach deren Ergebnis ist der Betrag dann entweder gar nicht oder aber in voller Höhe dem Unterhaltsbeitrag des Klägers zuzurechnen.

Die Arbeitseinkünfte des Klägers hat das LSG zutreffend in Höhe des in der Zeit zwischen dem 7. März und dem 20. April 1977 tatsächlich ausgezahlten Gesamtnettobetrages von 1.164,82 DM als Unterhaltsbeitrag berücksichtigt. Demgegenüber hat es als Beitrag der Versicherten ihren in den Monaten März und April 1977 erzielten Lohn von insgesamt 1.801,09 DM angesehen. Das ist wiederum unvereinbar damit, daß lediglich die während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes tatsächlich erzielten Einnahmen berücksichtigt werden dürfen. Das gebietet eine Außerachtlassung des Lohnes der Versicherten für den Monat April 1977. Er ist nach den Feststellungen des LSG (S 3 des Urteils) erst am 6. Mai 1977 und somit nach dem Tode der Versicherten ausgezahlt worden. Angesichts der in der Auskunft der Schuhfabrik S vom 30. Mai 1979 geschilderten Zahlungsmodalitäten (Zahlung des Lohns bis zum 10. des folgenden Monats) ist dann andererseits nicht auszuschließen, daß der Lohn für den Monat Februar 1977 erst nach dem Beginn des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes am 7. März 1977 in die Verfügungsgewalt der Versicherten gelangt ist. Hierzu enthält das angefochtene Urteil keine tatsächlichen Feststellungen.

Die für die Entscheidung des Rechtsstreits erhebliche Rechtsfrage, ob die Versicherte den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat, läßt sich daher erst nach und aufgrund der Feststellung entscheiden, wann die "Ende Februar/Anfang März" 1977 gezahlte Unfallrente des Klägers und wann der im März 1977 erzielte Lohn der Versicherten tatsächlich in die Verfügungsgewalt des jeweils Berechtigten gelangt sind. Diese Feststellungen liegen auf tatsächlichem Gebiet. Der Senat kann sie nicht treffen. Sie sind vom LSG nachzuholen. Zu diesem Zweck ist unter Aufhebung des angefochtenen Urteils der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Dieses wird auch über die Kosten des Beschwerde- und des Revisionsverfahrens entscheiden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660069

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge